1.
Motivation ^
Eine der wichtigsten Pflichten der rechtsberatenden Berufe, insbesondere der Rechtsanwälte und Notare, ist die Rechtsbelehrung des Mandanten. Dabei hat der Rechtsanwalt/Notar insbesondere Warn-, Aufklärungs-, Informations- und (Schadens-)Verhütungspflichten wahrzunehmen.1 Zur Rechtsbelehrung des Mandanten gehört im Besonderen ihm die rechtlichen Konsequenzen bestimmter Handlungen, Unterlassungen oder Sachverhalte nahe zu bringen und ihn über Gestaltungsmöglichkeiten zu belehren. Dabei muss besonderes Augenmerk auf die Verständlichmachung des Rechts für den juristischen Laien gelegt werden, denn nur wenn der Mandant ausreichend aufgeklärt ist, kann er die entsprechenden Entscheidungen treffen. Des Weiteren muss der Berater den Rechtssuchenden ausreichend zum Sachverhalt befragen, weil nicht erwartet werden kann, dass der juristische Laie alle relevanten Informationen von sich aus preisgibt.2
Bisher kommen für die visuellen Darstellungen hauptsächlich handschriftliche Skizzen zum Einsatz, die während eines Beratungsgesprächs angefertigt werden. Ausgehend von Überlegungen zum Einsatz von formalen Modellierungsmethoden im Bereich der Rechtsvisualisierung und Wirtschaftsinformatik3, wird im vorliegenden Beitrag ein Ansatz vorgestellt, um die visuellen Darstellungen mit Hilfe einer domänen-spezifischen Modellierungsmethode zu erstellen und solcherart mit entsprechenden Softwarewerkzeugen zur IT-gestützten Modellierung technisch umsetzen zu können. Die sich daraus ergebenden Vorteile liegen einerseits in der leichten Wiederverwendbarkeit der visuellen Darstellung durch die elektronische Verfügbarkeit. Andererseits lassen sich durch die zugrundeliegende formale Beschreibung auch Verarbeitungsmechanismen umsetzen, die beispielsweise (teil-)automatisierte Auswertungen der erstellten Darstellung ermöglichen.
2.
Grundlagen ^
2.1.
Visuelle Modellierungsmethoden und Metamodellierung ^
Visuelle Modellierungsmethoden werden heute in zahlreichen Bereichen der Rechtsinformatik und der Wirtschaftsinformatik eingesetzt. Im Kontext der Rechtsvisualisierung wurden unter anderem Ansätze zur Abbildung relevanter Teile des österreichischen Mietrechts4 oder zur Analyse von rechtlichen Zusammenhängen mit Hilfe der Unified Modeling Language (UML)5 beschrieben.
Basierend auf einem Rahmenwerk, das ursprünglich von Karagiannis/Kühn6 vorgestellt wurde, bestehen Modellierungsmethoden aus einer Modellierungstechnik und Mechanismen und Algorithmen. Die Modellierungstechnik wiederum gliedert sich eine Modellierungssprache, bestehend aus einer (visuellen) Notation, der Syntax und der Semantik, sowie einer Vorgehensweise zur Anwendung der Modellierungssprache. Die Mechanismen und Algorithmen beziehen sich auf die Elemente der Modellierungssprache und werden unterteilt in generische, spezifische und hybride Typen. Generische Mechanismen und Algorithmen sind dabei auf beliebige Modellierungssprachen anwendbar, spezifische nur auf ausgewählte Typen und hybride können für verschiedene Modellierungssprachen konfiguriert werden. Diese Zusammenhänge sind in der folgenden Abbildung dargestellt.
Abbildung 1: Komponenten von Modellierungsmethoden7
Die Konzeption von Modellierungsmethoden umfasst dabei zumindest die Definition einer Modellierungssprache. Dies kann in formaler, semi-formaler oder informeller Art geschehen.8 Bei einer formalen Herangehensweise werden die Syntax und Semantik der Modellierungssprache mit Hilfe von mathematischen Formalismen, wie z.B. auf Basis von FDMM9, exakt spezifiziert. Im semi-formalen Fall wird lediglich die Syntax formal spezifiziert, während die Semantik in natürlicher Sprache beschrieben wird. Dies kann z.B. in Form von sogenannten Metamodellen erfolgen wie weiter hinten noch gezeigt werden wird. Bei einer informellen Herangehensweise werden sowohl Syntax als auch Semantik in natürlicher Sprache beschrieben.
Gerade im Kontext der Rechtsvisualisierung spielt die Definition der Notation in visueller Form eine große Rolle.10 Die Notation kann dabei entweder rein statisch durch grafische Symbole spezifiziert werden oder auch dynamische Elemente beinhalten. Durch die Verwendung dynamischer Elemente kann beispielsweise auf Zustandsänderungen von Attributwerten während der Verwendung der Modellierungssprache reagiert und so die grafische Darstellung der Elemente der Modellierungssprache zur Laufzeit geändert werden.11
2.2.
Das Parentelsystem im österreichischen Erbrecht ^
- Parentel: Nachkommen des Erblassers in gerader Linie (Kinder, Enkelkinder, Urenkelkinder etc.)
- Parentel: Die Eltern des Erblassers und deren Nachkommen (Geschwister, Neffen/Nichten etc.)
- Parentel: Die Großeltern des Erblassers und deren Nachkommen (Onkel/Tanten, Cousins/Cousinen etc.)
- Parentel: Die Urgroßeltern des Erblassers (ohne Nachkommen!).
3.
Konzeption der Modellierungsmethode ^
Für die Konzeption einer Modellierungsmethode zur Unterstützung der Rechtsberatung zum Erbrecht kann auf Arbeiten aus dem Bereich der Metamodellierung zurückgegriffen werden, wie z.B. von Fill/Karagiannis12 dargelegt. In einem ersten Schritt müssen dazu die Anforderungen an die Modellierungsmethode erhoben werden. Diese können aus den Zielen und dem Zweck der Methode abgeleitet werden und haben direkten Einfluss auf die Gestaltung der Modellierungssprache, der Vorgehensweise und der damit verbundenen Mechanismen und Algorithmen sowie den zwischen diesen Komponenten bestehenden Abhängigkeiten. Zusätzlich müssen die für die spätere technische Umsetzung relevanten Faktoren wie beispielsweise die Art der Benutzerinteraktion und die Persistenz der Modellinformationen in Datenbanken frühzeitig berücksichtigt werden.
3.1.
Anforderungen ^
Als Hauptziel für eine Modellierungsmethode im Kontext der Rechtsberatung kann die Unterstützung der Kommunikation zwischen juristischen Laien und juristischen Fachexperten genannt werden. Dazu ist es erforderlich, eine visuelle Darstellung bereit zu stellen, die einerseits den gesetzlichen Regelungen entspricht, andererseits aber auch möglichst intuitiv für Laien verständlich ist. Für das gewählte Beispiel des Erbrechts kann dabei auf die schon bisher in Form von handschriftlichen Skizzen verwendeten Darstellungen zurückgegriffen werden. Um den Mehrwert der Modellierungsmethode zu erhöhen, wurde zusätzlich die Anforderung einer automatischen Berechnung der Erbanteile gemäß des Parentelsystems hinzugefügt. Da diese speziell bei komplexeren Verwandtschaftshierarchien sehr umfangreich werden kann, erscheint hier eine Unterstützung in besonderer Weise dienlich. Im Hinblick auf die algorithmische Verarbeitbarkeit kann dabei eine Vorarbeit von Zawichowski13 herangezogen werden, die einen Ansatz basierend auf Graphen zur Berechnung verfolgt und prototypisch implementiert.
3.2.
Metamodell ^
3.3.
Mechanismen zur dynamischen Berechnung ^
4.
Prototypische Umsetzung ^
Eine erste prototypische Umsetzung des vorgestellten Ansatzes erfolgte mit Hilfe der ADOxx-Metamodellierungsplattform14. Diese ist als Open-Use Lizenz für akademische Forschungszwecke frei verfügbar und erlaubt sowohl die technische Umsetzung des vorgestellten Metamodells sowie der beschriebenen Berechnungsmechanismen. Auf Grundlage des Metamodells werden von ADOxx automatisch Modelleditoren generiert, die die Definition von Modellinstanzen und deren Weiterverarbeitung erlauben. Abbildung 4 zeigt einen Screenshot eines Beispielmodells basierend auf dem vorgestellten Metamodell. Der Erblasser ist dabei oben in Form eines lilafarbenen Rechtecks mit einem Kreuz dargestellt. Rechts davon ist die noch lebende Ehegattin dargestellt, darunter seine Kinder.
5.
Conclusio und Ausblick ^
- 1 Judith Schacherreiter in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1299 ABGB Rz 32, 45 (Stand 1. Juni 2015, rdb.at).
- 2 OGH 25. April 1989, 2 Ob 44/89.
- 3 Hans-Georg Fill, Towards requirements for a meta modeling formalism to support visual law representations, in Schweighofer/Kummer/Hoetzendorfer (Hrsg.) Transformation juristischer Sprachen – Transformation of legal languages (2012) 292; Domenik Bork/Hans-Georg Fill, Formal Aspects of Enterprise Modeling Methods: A Comparison Framework, in Proceedings of the 2014 47th International Conference on System Sciences, IEEE (2014) 3400 ff.
- 4 Peter Heindl/Wolfgang Kahlig, Mietrecht strukturiert (2008).
- 5 Michael Engesser, UML und Sprache – Wirklichkeit und Technik, in: Jusletter IT 11. September 2014.
- 6 Dimitris Karagiannis/Harald Kühn, Metamodeling Platforms, in Bauknecht/Tjoa/Quirchmayr (Hrsg.), Third International Conference EC-Web 2002 – Dexa 2002 (2002), 182.
- 7 Hans-Georg Fill/Anke Gericke/Dimitris Karagiannis/Robert Winter, Modellierung für Integrated Enterprise Balancing, Wirtschaftsinformatik 06/2007, 419; nach Karagiannis/Kühn in Bauknecht/Tjoa/Quirchmayr, 182.
- 8 Bork/Fill in Proceedings of the 2014 47th International Conference on System Sciences.
- 9 Hans-Georg Fill/Timothy Redmond/Dimitris Karagiannis, FDMM: A Formalism for Describing ADOxx Meta Models and Models, in Maciaszek/Cuzzocrea/Cordeiro (Hrsg.), Proceedings of ICEIS 2012 – 14th International Conference on Enterprise Information Systems, Vol. 3 (2012) 133–144.
- 10 Fill in Schweighofer/Kummer/Hoetzendorfer, 292.
- 11 Hans-Georg Fill, Visualisation for Semantic Information Systems (2009).
- 12 Hans-Georg Fill/Dimitris Karagiannis, On the Conceptualisation of Modelling Methods Using the ADOxx Meta Modelling Platform, Enterprise Modelling and Information Systems Architectures – An International Journal, 2013, Vol. 8, Issue 1, 4.
- 13 Stefan Zawichowski, Prototypische Entwicklung einer Software zur Erbfolgenbestimmung nach österreichischem Recht (2009).
- 14 Hans-Georg Fill/Dimitris Karagiannis, Enterprise Modelling and Information Systems Architectures – An International Journal, 2013, Vol. 8, Issue 1, 4.