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Kooperationsvisualisierung im interbranchenspezifischen Vergleich – Implikationen für die Kooperationsvertragsvisualisierung

  • Author: Erik Kolek
  • Category: Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Legal Visualisation, Multisensory Law
  • Collection: Conference Proceedings IRIS 2016
  • Citation: Erik Kolek, Kooperationsvisualisierung im interbranchenspezifischen Vergleich – Implikationen für die Kooperationsvertragsvisualisierung, in: Jusletter IT 25 February 2016
Die Kooperationsvisualisierung hat im interbranchenspezifischen Vergleich einen unterschiedlichen Stellenwert für die beteiligten Unternehmen in Kooperationsnetzwerken. Daher spielen für die in der Bundesrepublik Deutschland betrachteten Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Facility Management und öffentliche Verwaltung unterschiedliche Visualisierungsansätze und -techniken eine wichtige Rolle. Zwischen diesen Branchen sind Unterschiede und Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Kooperationsvisualisierung erkennbar. Vor diesem Hintergrund werden drei branchenspezifische Fallstudien erstellt nach der Methode von Flick [1991] und darauf kriterienbasiert ausgewertet.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Visualisierung von Unternehmenskooperationen und Kooperationsverträgen
  • 2. Entwicklungsstand verwandter Arbeiten in der Rechtsvisualisierung
  • 3. Methodische Vorgehensweise im interbranchenspezifischen Vergleich
  • 3.1. Datenerhebung auf Basis von leitfadenbasierten Experteninterviews
  • 3.2. Datenanalyse auf Basis von erstellten Fallstudien
  • 4. Kooperationsvisualisierung im interbranchenspezifischen Vergleich
  • 5. Diskussion der Ergebnisse des interbranchenspezifischen Vergleichs
  • 5.1. Implikationen für die Visualisierung von Unternehmenskooperationen
  • 5.2. Implikationen für die Visualisierung von Kooperationsverträgen
  • 6. Danksagung
  • 7. Literatur

1.

Visualisierung von Unternehmenskooperationen und Kooperationsverträgen ^

[1]

Die Bedeutung der Visualisierung von Unternehmenskooperationen und Kooperationsverträgen für die Unternehmenspraxis zeigt sich daran, dass Kooperationen sich auf vertraglich festzulegende Aufgabenbereiche der jeweiligen Unternehmen konzentrieren. Diese Unternehmen können in ein oder mehreren Kooperationen eingebunden und somit Teil eines Kooperationsnetzwerks sein. Bei den Aufgabenbereichen handelt es sich etwa um die Erreichung gemeinsamer Ziele durch die Kooperationspartner. Zur Erhöhung der Leistungsbereitschaft ist eine vertragliche, vertrauensvolle und verbindliche Zusammenarbeit sinnvoll [Kolek 2015, 467–469]. Die Grundlage hierfür sind Dokumente, wie Kooperationsverträge, welche den Rahmen der Zusammenarbeit rechtlich festlegen und daher eine wichtige Rolle auch in Kooperationsnetzwerken spielen können. Zur bildlichen Veranschaulichung der Zusammenarbeit in kooperativen Geschäftsprozessen und des fixierten rechtlichen Kooperationsrahmens eignen sich Visualisierungen von Unternehmenskooperationen und Kooperationsverträgen. Diese und andere Visualisierungsarten, wie z.B. Geschäftsprozessvisualisierungen, können in kooperativ genutzten Informationssystemen hinterlegt sein. Die Bereitstellung dieser Dokumente über diese Kooperationsinformationssysteme ermöglicht es, sowohl die Kommunikation als auch die Zielerreichung in Kooperationsnetzwerken zu erleichtern. Voraussetzung ist, dass der Zugang und die Verwendung dieser Dokumente durch die beteiligten Partner sichergestellt sind.

[2]

Die Kooperationsvisualisierung hat jedoch im interbranchenspezifischen Vergleich einen unterschiedlichen Stellenwert für die beteiligten Unternehmen in Kooperationsnetzwerken. Das betrifft beispielsweise sowohl die abzubildenden Inhalte als auch aktuelle Situationen, welche durch hohe Schwierigkeitsgrade in der Durchführung von Unternehmenskooperationen gekennzeichnet sind. Ein Problem in der Unternehmenspraxis ist es, Visualisierungen von Unternehmenskooperationen und Kooperationsverträgen optisch ansprechend und nachvollziehbar darzustellen, was sich jedoch als schwierig herausstellt, insbesondere bei erleb- und erfahrbaren Visualisierungen von Unternehmenskooperationen von Anfang bis Ende sowie damit verbundenen Kooperationsverträgen. Daher spielen für die in der Bundesrepublik Deutschland betrachteten Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Facility Management und öffentliche Verwaltung unterschiedliche Visualisierungsansätze und -techniken eine unterschiedliche jedoch stets wichtige Rolle. Zwischen diesen Branchen sind Unterschiede und Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Visualisierung von Unternehmenskooperationen und Kooperationsverträgen erkennbar. Sowohl zur Verbesserung der Zusammenarbeit in Kooperationsnetzwerken – bestehend aus mindestens zwei Unternehmenskooperationen [Aulinger 1997, 13–16] – als auch für eine bessere Zusammenarbeit in den Unternehmenskooperationen, von denen für eine Kooperationsvertragsvisualisierung mindestens eine vertraglich geregelt sein muss, sind daher auf Basis von drei branchenspezifischen Fallstudien vier Forschungsfragen relevant:

 

F1: Was sind die branchenspezifischen Gemeinsamkeiten in der Kooperationsvisualisierung?

 

F2: Was sind die branchenspezifischen Unterschiede in der Kooperationsvisualisierung?

 

F3: Wie lassen sich die Erkenntnisse aus dem interbranchenspezifischen Vergleich für die Visualisierung von Unternehmenskooperationen nutzbar machen?

 

F4: Wie können die Ergebnisse des interbranchenspezifischen Vergleichs auf die Visualisierung von Kooperationsverträgen übertragen werden?

[3]
Zur Beantwortung dieser Forschungsfragen werden zwölf durchgeführte Experteninterviews [Meuser und Nagel 1991, 441–471] mit erfahrenen Kooperationsbeteiligten aus unterschiedlichen Unternehmen und Branchen ausgewertet, indem nach der Methode von Flick [1991] Fallstudien entwickelt werden, welche für das Gestalten von Visualisierungen von Unternehmenskooperationen und Kooperationsverträgen und Identifizieren von Visualisierungspotentialen wichtig sind. Es werden drei branchenspezifische Fallstudien erstellt und anschließend kriterienbasiert ausgewertet, um entsprechend der F1 und F2 Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufzuzeigen. Diese Ergebnisse werden darauf hinsichtlich der F3 und F4 auf die Visualisierung von Unternehmenskooperationen und Kooperationsverträgen übertragen.
[4]
Vor diesem Hintergrund wird zuerst auf den Entwicklungsstand verwandter Arbeiten in der Rechtsvisualisierung eingegangen (Kapitel 2). Darauf wird die methodische Vorgehensweise im interbranchenspezifischen Vergleich erklärt (Kapitel 3). Im nächsten Schritt werden die Ergebnisse der Kooperationsvisualisierung im interbranchenspezifischen Vergleich vorgestellt (Kapitel 4). Abschließend erfolgt die Diskussion der Ergebnisse des interbranchenspezifischen Vergleichs (Kapitel 5).

2.

Entwicklungsstand verwandter Arbeiten in der Rechtsvisualisierung ^

[5]
In diesem Kapitel soll der Entwicklungsstand verwandter Forschungsarbeiten mit dem Schwerpunkt der Rechtsvisualisierung aufgezeigt werden. Ergänzend werden einige Arbeiten aus dem Bereich der Visualisierung von Unternehmenskooperationen und Kooperationsverträgen hinzugefügt. Darauf aufbauend wird der Unterschied dieser Arbeit zur Schließung offener Forschungsfragen erläutert.
[6]

Verwandte Arbeiten bestehen sowohl in der Vertragsvisualisierung als auch in anderen Bereichen der Visualisierung. Curtotti, Haapio und Passera [2015, 455] beschäftigen sich mit den Rollen von Gesetzgebern, Gesetzen und Anwälten, dabei werden verschiedene Fragen mit einem interdisziplinären Forschungsansatz beginnend bei der Wirtschaftsinformatik bis hin zur Rechtswissenschaft geklärt. Ramberg und Haapio [2015, 479] operationalisieren das Vertragsmanagement mit Auswirkungen z.B. auf die Kosten und Risiken aus der Perspektive von Anwälten und Managern, dabei wird über eine management-rechtliche Zusammenarbeit ein Law-Business-Alignment angestrebt, indem die Forschungsmethode Gamification auf das gemeinsame Erlernen von Vertragsinhalten angewendet wird. Fill [2008, 548] argumentiert ausgehend von Visualisierungsmodellen zur Unterstützung der Kommunikation, Analyse und Einführung von Anwendungen von Rechtsvisualisierungen, dass die Semantik in graphischen Modellen wichtig ist für die Modellierer, welche diese konzeptionell beschreiben und zum Ausdruck bringen können. Koval und Riedl [2008, 540] klären die Frage der Prozesshaftigkeit in der Visualisierung, hierfür werden Schaubilder und rechtliche Zeichnungen verwendet zur Darstellung des Verständnisses von Prozess- und Rechtsvisualisierungen. Bräuer, Knackstedt und Matzner [2013, 123] verwenden und empfehlen für die Visualisierung von Informationsflüssen im Bauprozess den FlexNet-Modellierungsansatz, um vorhandenes Prozesswissen explizit darstellen zu können.

[7]

Darüber hinaus bestehen weitere Arbeiten, welche sich mit der Visualisierung von Kooperationsverträgen, Dienstleistungen im Facility Management1, kooperativen Informationsaustauschprozessen in der Bauplanung und Baudokumentationen erkenntnisreich auseinandersetzen.

[8]
Das Ziel der Arbeit von Kolek [2015, 463] ist es, hypothesenbasiert herauszufinden «wie sich Visualisierungen von Kooperationsverträgen auf die Leistungsbereitschaft von Kooperationspartnern auswirken» können. Hier werden theoretische Grundlagen geschaffen, welche den Einfluss auf die Leistungsbereitschaft der Kooperationspartner über die Visualisierung als Brückenfunktion zwischen dem Kooperationsvertrag und der Leistungsbereitschaft erklären. Das vorhandene Vertrauen in die Unternehmenskooperation und die rechtliche Verbindlichkeit in der Unternehmenskooperation können über den Kooperationsvertrag als auch durch dessen Visualisierung gestärkt die Leistungsbereitschaft der Kooperationspartner positiv beeinflussen [Kolek 2015, 467–469]. Kolek [2015, 463–470] veranschaulicht in diesem Zusammenhang kein Beispiel einer Kooperationsvertragsvisualisierung, sondern konzentriert sich dabei in seinen Aussagen auf das Zusammenspiel von individuellen Vertrags- und Visualisierungseigenschaften, welche in jeder Kooperationsvertragsvisualisierung eine spezifische Ausprägung erfahren können.
[9]
Koers, Lellek, Bernhold und Youssef [2014, 750–760] beschäftigen sich mit der Visualisierung von Dienstleistungen in einem Facility-Management-Kontext. Hinsichtlich geplanter und durchzuführender Kooperationsaktivitäten sollen Erwartungen erfüllt und die Dienstleistungsqualität erhöht werden können. Eine Anwendung findet hierbei ein erster Entwurf der innovativen Prozessmodellierungsmethode, welche durch Strotmeier, Koers, Simon und Kolek [2015, 265–273] weiterentwickelt wird, indem diese beispielsweise in der Erfahrbarkeitsumgebung integriert und um interaktive Elemente ergänzt wird zur Erhöhung der Erfahrbarkeit durch die Kooperationspartner. Hier wird eine Unternehmenskooperation im Facility Management prozessbasiert auf drei verschiedenen Ebenen visualisiert [Koers, Lellek, Bernhold und Youssef 2014, 750–760]. Koers und Bernhold [2015, 55–63] beschäftigen sich mit der Darstellung von Visualisierungspotentialen von Dienstleistungen ebenfalls in einem Facility-Management-Kontext. Vor diesem Hintergrund wird ein Modell entwickelt und auf drei Ebenen dargestellt, das die Erfahrbarkeit von immateriellen Dienstleistungen für Facility Manager verbessern soll.
[10]

Strotmeier, Koers, Simon und Kolek [2015, 265] entwickeln einen Lösungsansatz hinsichtlich der Erfahrbarkeit von Unternehmenskooperationen bestehend aus einer innovativen Prozessmodellierungsmethode und Erfahrbarkeitsumgebung. In dieser Umgebung erfolgt eine Simulation der Unternehmenskooperation auf Grundlage der entwickelten Prozessmodellierungsmethode noch vor der tatsächlichen Leistungserbringung durch die Kooperationspartner. Das hat den Vorteil, dass die Partner mit Hilfe dieses Kooperationsinformationssystems, umgesetzt als Kooperationsplattform, die Unternehmenskooperation erleben und erfahren können. Die Partner erleben in der Simulation den Ablauf der kooperativen Geschäftsprozesse und erfahren aufgrund der Simulation die zukünftige Unternehmenskooperation, indem diese Erwartungen bilden z.B. gegenüber den zukünftig durchzuführenden Kooperationsprozessen. Die Erfahrbarkeit wird hier als ein «Reflexionsprozess zukünftiger zu erwartender Erfahrungen» definiert [Strotmeier, Koers, Simon und Kolek 2015, 272]. Der Anwendungsfokus liegt in der Arbeit von Strotmeier, Koers, Simon und Kolek [2015, 265–273] auf kooperativen Informationsaustauschprozessen in der Bauplanung. Die erwartete Erfahrung bezieht sich in diesem Kontext auf den gesamten Immobilienlebenszyklus, d.h. von der Planung, Errichtung, dem Betrieb und bis zum Abriss des Gebäudes. Es wird eine Unternehmenskooperation prozessbasiert und in allgemeiner Darstellung auf drei verschiedenen Ebenen visualisiert [Strotmeier, Koers, Simon und Kolek 2015, 265–273]. Bernhold, Koers, Platner und Serbin [2015, 664] haben auf Basis der Theorie des geplanten Verhaltens [Ajzen 1991, 179–211] empirisch bestätigt, dass lediglich die Einstellung gegenüber der Baudokumentation eine Auswirkung hat auf die Absicht, die Baudokumentation durchzuführen. Diese Absicht ist der Grund für das anschließende Verhalten, das sich in der Durchführung der Baudokumentation äußert [Bernhold, Koers, Platner und Serbin 2015, 655–672].

[11]
Der Unterschied zu den vorangestellten Arbeiten ist, dass auf Grundlage eines Forschungsdesigns empirisch gewonnene Ergebnisse eine direkte praktische Anwendung an einem Beispiel eines Kooperationsvertrags erfahren. Das erhöht zum einen die Reliabilität, Validität und Glaubwürdigkeit der Fallstudien aufgrund der Experteninterviews und zum anderen entstehen Ansätze für die Erstellung von Visualisierungen hinsichtlich der Unternehmenskooperationen und damit verbundenen Kooperationsverträgen. Unternehmenskooperationen und Kooperationsverträge werden dadurch für die Unternehmenspraxis erleb- und erfahrbar, da weniger Zeit für das Verstehen von kooperativen Geschäftsprozessen und kooperationsvertraglichen Rechtstexten von den Beteiligten aufgebracht werden muss. Es werden demnach keine Forschungsfragen hinsichtlich interdisziplinärer Rollen, des Law-Business-Alignment, der Visualisierungssemantik, Prozessvisualisierung und Informationsflussmodellierung inhaltlich aufgegriffen, da hier bereits entsprechend viele Forschungsarbeiten nicht nur im Fachgebiet der Rechtsvisualisierung existieren.

3.

Methodische Vorgehensweise im interbranchenspezifischen Vergleich ^

3.1.

Datenerhebung auf Basis von leitfadenbasierten Experteninterviews ^

[12]

Insgesamt wurden zwölf mindestens einstündige leitfadenbasierte Experteninterviews durchgeführt. Interviewt wurden Fach- und Führungspersonen auf der unteren und mittleren Managementebene aus drei verschiedenen Unternehmen und Branchen. Diese gelten als Experten in den Unternehmen für unternehmensinterne Problemlösungen und Entscheidungen. Hinterfragt wurden das Fachwissen und die Erfahrungen der Experten in Unternehmenskooperationen und mit Kooperationsvisualisierungen. Ein hervorzuhebendes Merkmal ist das Expertenwissen, das die Handlungen von Kooperationspartnern in der Unternehmenspraxis beeinflussen kann. Die Expertenkompetenz ist in diesem Kontext durch die Exklusivität des Wissens und Möglichkeit, effektiv Problemlösungen aufzuzeigen, beschrieben. Die Experten haben die Berechtigung, wichtige Informationen aus der Unternehmenskooperation zu nutzen [Kolek 2015, 466]. Während der leitfadenbasierten Experteninterviews wurden vollständige Tonaufnahmen und anschließend darauf basierend vollständige schriftliche Protokolle, sogenannte Transkriptionen, erstellt. Die Transkriptionen umfassen die Informationen, welche im Rahmen der Fallstudienerstellung genutzt wurden und zu einem hohen Kenntnisstand über die Expertenaussagen hinsichtlich der Kooperationsvisualisierung führten. Diese sind nach den behandelten Themen im Leitfaden aufgebaut. Dies ermöglichte es die Experteninterviews thematisch zielgerichtet für die Fallstudienerstellung zu verwenden [Kolek 2015, 466–467]. Im Rahmen der Erstellung der Einzelfallstudien war folgende Forschungsfrage relevant:

 

F5: Welche Aspekte sind für die Experten hinsichtlich der Visualisierung von Unternehmenskooperationen am wichtigsten?

[13]

Vor diesem Hintergrund entstanden zwölf spezielle Einzelfallstudien mit verschiedenen Schwerpunkten hinsichtlich der Expertenmeinungen gegenüber der Kooperationsvisualisierung. Die allgemeinen Gruppenfallstudien fassen diese einzelnen Expertenmeinungen repräsentativ zusammen für das jeweilige Unternehmen bzw. die jeweilige Branche. Die Fallstudienerstellung wurde durch das Softwarewerkzeug MAXQDA 122 unterstützt. Die Vergleichsmöglichkeit mit dem Einzelinterviewmaterial und Gesamtinterviewmaterial verbessert die inhaltliche Reliabilität und Validität der realisierten Fallstudienerstellung auf Grundlage der Experteninterviews [Kolek 2015, 466–467]. 

3.2.

Datenanalyse auf Basis von erstellten Fallstudien ^

[14]

Es wurden drei Gruppenfallstudien als auch zwölf Einzelfallstudien auf Grundlage der zwölf Experteninterviewtranskriptionen erstellt. Die allgemeinen Gruppenfallstudien stellen Zusammenfassungen der entsprechend zugeordneten Einzelfallstudien dar. Die speziellen Einzelfallstudien und damit auch die Gruppenfallstudien enthalten wichtige Aussagen aus den Experteninterviews, eine kurze Ausführung der Befragten hinsichtlich der zentralen Leitfragen und Themenstellungen, welche diese im Experteninterview hinsichtlich der Kooperationsvisualisierung, hier Untersuchungsgegenstand, als Relevant betrachtet haben [Flick 1991]. Die Einzelfallstudien wurden mit einem Zeilenverweis auf die relevante Stelle in den Experteninterviewtranskriptionen erstellt. Es entstanden umfassende Darstellungen einzelner als wichtig erscheinender Textstellen im Kontext der Kooperationsvisualisierung [Flick 1991]. Durch den Vergleich der Gruppenfallstudien als auch der Einzelfallstudien ist es nun möglich hinsichtlich der Forschungsfragen (F1–2) entsprechende Gemeinsamkeiten und Unterschiede abzuleiten. Die Fallstudien gestatten ferner die interbranchenspezifische Beantwortung der Forschungsfragen (F3–4) über die Betrachtung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Branchen hinsichtlich der Kooperationsvisualisierung [Flick 1991]. 

4.

Kooperationsvisualisierung im interbranchenspezifischen Vergleich ^

[15]

Zur Beantwortung der Forschungsfragen F1 und F2 ist direkt ersichtlich, dass mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen den Branchen in der Kooperationsvisualisierung bestehen. Das zeigt sich an den in der Fallstudienerstellung emergierten Kriterien, wie z.B. Kooperationen, Kooperationsprozess, Kooperationssituation, Kooperationsplanung, Kooperationsvertragsinhalte, Visualisierungsanforderungen, Visualisierungsansatz, Visualisierungstechnik, Visualisierungsschwierigkeiten, Visualisierungswerkzeuge, Visualisierungsverantwortung und Gründe für den Verzicht auf die Visualisierung (Siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Kooperationsvisualisierung im interbranchenspezifischen Vergleich
             Branche
                     
Kriterium
Maschinen- und Anlagenbau Facility Management Öffentliche Verwaltung
Kooperationen Dienstleister, Zulieferer und Kunden Gesellschaften und Abteilungen Abteilungen und Gebäudemanagement
Kooperations-prozess Austausch und Kommunikation mit den Kooperationspartnern Angebotserstellung Terminkalender mit Terminen für alle Kooperationspartner
Kooperations-situation Komplex und schwierig aufgrund steigender Anforderungen, Anzahl an Maschinen und Kooperationspartnern Schwierigkeitsgrad ist durch die Komplexität der Aufgaben und Gebäude gestiegen Kompliziert da eine fehlende Visualisierung, die Anzahl der Partner und Vorschriften eine Steigerung des Schwierigkeitsgrads begünstigen
Kooperations-planung Zusammen mit den Kooperationspartnern und mit Hilfe eines Kooperationsvertrags Erstellung der Planung, des Kostenplans, des Baus, Abklärung und Erstellung des Projektplans erfolgen in gemeinschaftlichen Meetings Nach einem Vorgespräch muss das vereinbarte Ergebnis für alle Kooperationspartner ersichtlich sein, hier kann eine Visualisierung unterstützend wirken
Kooperations-vertragsinhalte Aufgaben, Ziele, Kosten und Pflichten der jeweiligen Kooperationspartner Verdeutlichung der Zuständigkeiten und Vertragsbeziehungen unter den Kooperationspartnern Gesetzliche Regeln und Hinweis auf die Einhaltung von Verordnungen für den Bau
Visualisierungs-anforderungen Verständlichkeit und Zufriedenheit durch eindeutige Zuweisung der Aufgaben und Aktivitäten Verständliche Darstellung der Durchführung einer Kooperation und Zufriedenheit durch erkennbare und deutlich dargestellte Prozesse Vollständigkeit, klarer Ablauf, erfolgte Abstimmungen, zielführende und prägnante Visualisierungen führen zur Zufriedenheit
Visualisierungs-ansatz Klassisches Prozessbild auf Basis von Verträgen, Lizenzen, Anbietern und Kunden Textform, Schaubilder, Einbeziehen von Pfeilen, Personen, Matrizen oder Balkendiagrammen In Textform vorliegende Organigramme, ein Balken- oder Bauzeitenplan
Visualisierungs-technik Templates und Workflow-Diagramme Neben Workflow auch Textbausteine als Import von Excel in Word Strukturierungs- und Ausweichmöglichkeiten
Visualisierungs-schwierigkeiten Prozessdarstellung und die detailreiche Darstellung der Beteiligten ist komplex und schwierig Darstellung des Kooperationsprozesses erweist sich von Anfang bis Ende als schwierig Unlogische Zusammenhänge, ausgelassene Kooperationspartner und Unvollständigkeit
Visualisierungs-werkzeuge Excel, PowerPoint und Visio Excel, PowerPoint und Word Excel, PowerPoint und Word
Visualisierungs-verantwortung Händler oder Projektteam Beispielsweise Projektleitung Zuständigkeit mit Aufgabe der Visualisierung
Gründe für den Verzicht auf die Visualisierung Zeitaufwand, Kosten und der nicht erkennbare Nutzen Zusätzliche Arbeit, Fehlen eines passenden Werkzeugs für eine Visualisierung und der Mehrwert ist nicht direkt greifbar Zeitgründe stehen im Vordergrund

 

5.

Diskussion der Ergebnisse des interbranchenspezifischen Vergleichs ^

5.1.

Implikationen für die Visualisierung von Unternehmenskooperationen ^

[16]

Hinsichtlich der Forschungsfrage F3 lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse aus dem interbranchenspezifischen Vergleich für die Gestaltung der Visualisierung von Unternehmenskooperationen und das Identifizieren von wichtigen Visualisierungspotentialen nutzbar machen. Bei der Visualisierungsgestaltung bzw. -erstellung ist beispielsweise darauf zu achten, dass die Anforderungen an die Visualisierung eingehalten werden wie z.B. Verständlichkeit, Eindeutigkeit von Aufgaben, Aktivitäten und Prozessen, klare Abläufe, Vollständigkeit, Abstimmung der Visualisierung sowie Umsetzung als zielführende und prägnante Visualisierung. Wichtige Visualisierungspotentiale sind identifizierbar über die Anwendung der Visualisierungsansätze, -techniken und Beachtung der Schwierigkeiten, welche während der Visualisierung auftreten können. Einfache Workflow-Diagramme mit Strukturierungs- und Ausweichmöglichkeiten können als Templates zur Verfügung gestellt werden. Damit lassen sich Prozessabbildungen für die Unternehmenskooperation erstellen, indem beispielsweise Texte, Schaubilder, Pfeile, Balken und Zeiten im Rahmen der Kooperationsvisualisierung genutzt werden. Es muss davon abgesehen werden, möglichst detailreiche Darstellungen der Kooperationspartner, Kooperationsprozesse von Anfang bis Ende, mit unlogischen Zusammenhängen und unvollständigen Sachverhalten zu erstellen.

5.2.

Implikationen für die Visualisierung von Kooperationsverträgen ^

[17]

Bezüglich der Forschungsfrage F4 können die erlangten Erkenntnisse aus dem interbranchenspezifischen Vergleich auf die Gestaltung der Visualisierung von Kooperationsverträgen und das Identifizieren von wichtigen Visualisierungspotentialen übertragen werden. Die wichtigen Bestandteile einer Kooperationsvertragsvisualisierung sind Aufgaben, Ziele, Kosten und Pflichten der jeweiligen Partner, Verdeutlichung der Zuständigkeiten und Vertragsbeziehungen unter den Kooperationspartnern sowie Darstellung von gesetzlichen Regeln und Verordnungen. Es sind verschiedene Visualisierungsansätze und -techniken anwendbar. Im Weiteren werden die Ansätze Prozessbild, Balkendiagramm und Organigramm auf ein Beispiel eines Kooperationsvertrags übertragen. Der Kooperationsvertrag zwischen Pixelplus Co., Ltd und Pixelplus Technology Inc. (PTI) [Onecle Inc. 2004] ist in neun Bereiche gegliedert: (1) Kooperationsprodukte, (2) Kooperationsdauer, (3) Kooperationsinhalte, (4) Einzahlung, (5) Produktvertrieb, (6) Zahlungsziel, (7) Kündigung, (8) Schlichtung und (9) Ergänzungsvereinbarung. Jeder dieser Bereiche lässt sich entsprechend mit den genannten Visualisierungsmöglichkeiten erleb- und erfahrbar darstellen. Dieser Kooperationsvertrag wurde ausgewählt aufgrund seiner Überschaubarkeit an Vertragstexten und Kooperationsbereichen, die für viele Unternehmen in der Praxis eine rechtliche Geltung haben wie z.B. (6) Zahlungsziel.

[18]
Im Workflow-Diagramm ist für beide Vertragsparteien schnell und einfach ersichtlich, dass für eine bestimmte Ware eine Lieferzeit von 75 Tagen und ein Zahlungsziel von 55 Tagen bestehen. Weiterhin ist aufgrund des Prozessablaufs klar, dass die Zahlung erst nach der Lieferung erfolgen soll. Das Balkendiagramm gibt dagegen lediglich Auskunft über die jeweilige Dauer in Tagen bezüglich der Lieferung und Zahlung. Dies hat den Nachteil, dass kein Prozessablauf direkt erkennbar ist und der Sachverhalt daher unvollständig dargestellt ist. Beim Organigramm überwiegen die Textanteile und das Zahlungsziel ist in Tagen für die Lieferung und Bezahlung angegeben. Es ist kein Bezug zu den Vertragsparteien erkennbar und deren Beziehung untereinander bleibt unklar. Insgesamt erscheint die Prozessmodellierung am erleb- und erfahrbarsten auf die Visualisierung von Kooperationsverträgen übertragbar zu sein.

6.

Danksagung ^

[19]
Der Forschungsbeitrag wurde ermöglicht durch die Förderung des BMBF-Projekts «Cooperation Experience» (Förderkennzeichen: 01XZ13012). Dem Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (PT-DLR) danke ich für die Unterstützung.

7.

Literatur ^

Ajzen, Icek, The Theory of Planned Behavior. In: Organizational Behavior and Human Decision Processes, Vol. 50, 1991, S. 179–211.

Aulinger, Andreas, Kooperation als Strategie ökologischer Unternehmenspolitik: Die Vielfalt der Möglichkeiten. In: Ökologisches Wirtschaften, Vol. 2, 1991, S. 13–16.

Bernhold, Torben/Koers, Jana/Platner, Vanessa/Serbin, David, Building documentation for building operation – A study based on the theory of planned behavior. In: Proceedings of XXV Annual RESER Conference 2015, Kopenhagen 2015, S. 655–672.

Bräuer, Sebastian/Knackstedt, Ralf/Matzner, Martin, Akteursübergreifende Informationsflussanalyse am Beispiel der Schnittstellen zwischen Bauprozess und Verwaltung. In: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter (Hrsg.), Abstraktion und Applikation Tagungsband des 16. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2013, Österreichische Computer Gesellschaft, Wien 2015, S. 123–132.

Curtotti, Michael/Haapio, Helena/Passera, Stefania, Interdisciplinary Cooperation in Legal Design and Communication. In: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter (Hrsg.), Kooperation Co-operation Tagungsband des 18. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2015, Österreichische Computer Gesellschaft, Wien 2015, S. 455–462.

Fill, Hans-Georg, Basic Considerations of Semantics in Visual Models. In: Schweighofer, Erich/Geist, Anton/Heindl, Gisela/Szücs, Christian (Hrsg.), Komplexitätsgrenzen der Rechtsinformatik Tagungsband des 11. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2008, Richard Boorberg Verlag, Stuttgart 2008, S. 548–556.

Flick, Uwe, Stationen des qualitativen Forschungsprozesses. In: Flick, Uwe/Kardoff, Ernst von/Keupp, Heiner/Rosenstiel, Lutz von/Wolff, Stephan (Hrsg.): Handbuch qualitative Sozialforschung : Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen, Beltz-Psychologie Verl. Union, München 1991, S. 147–173.

Koers, Jana/Lellek, Vanessa/Bernhold, Torben/Youssef, Lamis, Visualization of services – Closing expectations gaps and increasing service quality. In: Proceedings of XXIV Annual RESER Conference 2014, Helsinki 2014, S. 750–760.

Koers, Jana/Bernhold, Torben, Visualisierungspotenziale von Dienstleistungen im Facility Management – Entwicklung eines Modells für die Erfahrbarkeit von immateriellen Leistungen. In: Tagungsband Facility Management Kongress 2015, Frankfurt am Main 2015, S. 55–63.

Kolek, Erik, Kooperationsvertragsvisualisierung zur Beeinflussung der Leistungsbereitschaft von Kooperationspartnern. In: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter (Hrsg.), Kooperation Co-operation Tagungsband des 18. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2015, Österreichische Computer Gesellschaft, Wien 2015, S. 463–470.

Koval, Peter/Riedl, Reinhard, Im Zeich(n)en der Prozesse. In: Schweighofer, Erich/Geist, Anton/Heindl, Gisela/Szücs, Christian (Hrsg.), Komplexitätsgrenzen der Rechtsinformatik Tagungsband des 11. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2008, Richard Boorberg Verlag, Stuttgart 2008, S. 540–547.

Meuser Michael/Nagel, Ulrike, Experteninterviews – vielfach erprobt, wenig bedacht: ein Beitrag zur qualitativen Methodendiskussion. In: Garz, Detlef/Kraimer, Klaus (Hrsg.), Qualitativ-empirische Sozialforschung: Konzepte, Methoden, Analysen, Westdt. Verlag, Opladen 1991, S. 441–471.

Onecle Inc., Kooperationsvertrag zwischen Pixelplus Co., Ltd und Pixelplus Technology Inc. (PTI) In: Onecle Inc. (Hrsg.), Cooperation Agreement – Pixelplus Co. Ltd. and Pixelplus Technology Inc. http://contracts.onecle.com/pixelplus/pti.collab.2004.09.20.shtml (aufgerufen 11. Dezember 2015), 2014.

Ramberg, Christina/Haapio, Helena, Making Contracts Work: Playing a Game for Enhanced Managerial-Legal Collaboration. In: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter (Hrsg.), Kooperation Co-operation Tagungsband des 18. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2015, Österreichische Computer Gesellschaft, Wien 2015, S. 479–486.

Strotmeier, Matthias/Koers, Jana/ Simon, Ralf/Kolek, Erik, Erfahrbarkeit von Kooperationen – Simulation von Informationsaustauschprozessen in der Bauplanung. In: Real Ehrlich, Catia Maria/Blut, Christoph (Hrsg.), Bauinformatik 2015: Beiträge zum 27. Forum Bauinformatik, Wichmann, Berlin 2015, S. 265–273.

  1. 1 Siehe für eine Definition des Begriffs: http://www.gefma.de/definition.html (aufgerufen 29. Dezember 2015).
  2. 2 Siehe für weitere Informationen: http://www.maxqda.de/produkte/maxqda/ (aufgerufen 29. Dezember 2015).