1.
Das Regierungsprogramm und sein rechtspolitischer Kontext ^
Dieses Vorhaben ist inhaltlich2 sichtlich inspiriert vor allem von einem entsprechenden Trend innerhalb der EU3, beginnend mit der – skandinavisch beeinflussten4 – Erklärung Nr. 17 zum Vertrag von Maastricht, über das Weißbuch der Europäischen Kommission über «Europäisches Regieren»5 bis hin zum nunmehrigen Art. 15 Abs. 3 AEUV, ausgeführt (immer noch) mit VO (EG) Nr. 1049/20016, bzw. zu Art. 42 EUGRC; dieser Modellcharakter des Unionsrechts für das österreichische Reformvorhaben zeigt sich nicht zuletzt in der beabsichtigten expliziten Einbeziehung auch der «Organe der Gesetzgebung» in den Kreis der durch das «Grundrecht» Verpflichteten, unter gleichzeitiger Beibehaltung der Aussparung der Gerichtsbarkeit.7 Allerdings:
- Auch in der EU werden «die Entscheidungen» lediglich, wie gleich einleitend Art. 1 Abs. 3 EUV klarstellt, «möglichst offen und bürgernah getroffen» bzw. handeln, Art. 15 Abs. 1 AEUV zufolge, «die Organe, Einrichtungen und Stellen unter weitestgehender Beachtung des Grundsatzes der Offenheit.» Dementsprechend haben die Organe, als Ausfluss ihrer jeweiligen Organisationsgewalt, jeweils umfängliche Geheimschutz-Regelungen erlassen8, die unbedingten Vorrang vor dem allgemeinen Transparenzregime genießen.9
- Und andererseits kennt ja auch Österreich seit nunmehr fast dreißig Jahren eine bundesverfassungsrechtliche Verpflichtung staatlicher Organe zur Erteilung von «Auskunft» (Art. 20 Abs. 4 B-VG) im direkten Wege an jedermann10 – ergänzend zur indirekten, parlamentarischen Kombination aus Petitionsrecht (Art. 11 StGG) und Interpellationsrecht.11
Den Hintergrund dazu bildete die I. B-VG-Novelle 1925, mit der eine derartige «Amtsverschwiegenheit» auf verfassungsrechtlicher Ebene überhaupt erstmals eingeführt worden war. Damals hatte die RV14 – ohne eigentliche Begründung15 – folgende Ergänzung des Art. 20 B-VG 1920 vorgeschlagen: «Die Volksbeauftragten und die ihnen nachgeordneten Organe sind, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse des Staates oder der Parteien geboten erscheint (Amtsverschwiegenheit).»
Zunächst trennte er die Regelung der Amtsverschwiegenheit vom übrigen Text des Art. 2018 in einen eigenständigen Abs. 2 ab19; sodann ersetzte er das Wort «Staates» durch «einer Gebietskörperschaft» – womit nicht nur in zumindest diesem Punkt die Eierschalen der Dienstpragmatik abgestreift20, sondern jedenfalls auch die Interessen einer Gemeinde zweifelsfrei erfasst wurden.21 Weiters ersetzte er das Wort «erscheint» durch «ist» – tendenziell durchaus eine Restriktion subjektiver Diskretion (unüberprüfbaren Ermessens) bei der Festlegung der Grenzen des Amtsgeheimnisses22; und schließlich fügte er dem Regierungs-Vorschlag den auch jetzt noch unverändert geltenden letzten Satz an.23
2.2.
Die Amtsverschwiegenheit vor der I. B-VG-Novelle ^
Die Amtsverschwiegenheit war also vor 1925 nicht verfassungsgesetzlich verankert; nichts wäre jedoch verkehrter, als daraus auf die damalige rechtliche Inexistenz dieses Instituts überhaupt zu schließen, zumal es – wie ein Blick in die Verfassungen der anderen EU-Mitgliedstaaten zeigt – keineswegs zu den essentialia einer Verfassung gehört, eine Verpflichtung zur Wahrung des Amtsgeheimnisses zu statuieren.24 Auch in Österreich fand man vielmehr bis zur I. B-VG-Novelle insbesondere mit dienstrechtlichen Vorschriften25, ergänzt um solche des Strafrechts26, das Auslangen, dies umso mehr, als ja zunächst auch die Minister als Staatsbeamte galten.27 Der Novelle ging es also offensichtlich nicht (so sehr) um eine erstmalige Disziplinierung der (nunmehr) republikanischen Beamtenschaft28, als vielmehr darum, die Wahrung des traditionellen Amtsgeheimnisses durch die (Mitglieder der) Regierungen – trotz deren radikal veränderter staatsrechtlicher Stellung (nicht mehr «Staatsbeamte», sondern «Volksbeauftragte»!) – auch künftig zu gewährleisten, und zwar wohl primär im Verhältnis dieser «Volksbeauftragten» zu den ihnen jeweils besonders nahestehenden Teilen des Volkes. Dass mit der ursprünglich von der Bundesregierung vorgeschlagenen Formulierung, sekundär, auch die parlamentarische Interpellationsbefugnis getroffen werden könnte, hat der Verfassungsausschuss noch rechtzeitig erkannt und, ganz im Geiste einer in § 23 DP enthaltenen allgemeinen Kautele29, eine spezielle Ausnahme angebracht.30
3.1.
Vollständige Ersetzung der Amtsverschwiegenheit? ^
3.2.
Hinsichtlich der informationspflichtigen Organe ^
3.3.
Proaktive amtswegige Informationsverpflichtung ^
4.1.
Die Entwürfe ^
4.2.1.
Ad «Ersetzung» der Amtsverschwiegenheit ^
Der vorgeschlagene Art. 22a Abs. 1 B-VG spricht ausdrücklich davon, dass die proaktive Verpflichtung zur amtswegigen Information nur greift, «soweit nicht eine Verpflichtung» – nicht etwa nur: Ermächtigung! – «zur Geheimhaltung gemäß Abs. 2 besteht.»50 In diesem nachfolgenden Abs. 2 wird die Reichweite dieser Geheimhaltungstatbestände wie folgt umschrieben: «… soweit deren Geheimhaltung nicht aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen, im Interesse der nationalen Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, zur Vorbereitung einer Entscheidung, im wirtschaftlichen oder finanziellen Interesse einer Gebietskörperschaft oder eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers oder zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen erforderlich oder zur Wahrung anderer gleich wichtiger öffentlicher Interessen durch Bundes- oder Landesgesetz ausdrücklich angeordnet ist.»
Dazu kommt, dass auch im Verhältnis der BReg zum NR – auf welches seit der II. B-VG-Novelle der letzte Satz des Art. 20 Abs. 3 B-VG nicht mehr anwendbar war (obwohl doch auf dessen Einfügung der Verfassungsausschuss noch so großen Wert gelegt hatte!) – sichtlich keinerlei Liberalisierung angestrebt wird, wie die vorgeschlagene Anfügung eines entsprechenden Satzes58 an Art. 52 Abs. 4 B-VG zeigt.59 Durch den projektierten Entfall des letzten Satzes des Art. 20 Abs. 3 B-VG würden aber auch andere inter-institutionelle Verhältnisse betroffen: Für die nach wie vor von einem allgemeinem Vertretungskörper bestellten Funktionäre60 entfiele künftig die bisherige Spezialregelung; ebenso entfiele die derzeitige Möglichkeit, diese Spezialregelung auf das Verhältnis der BReg zum BPräs analog anzuwenden.61
4.2.2.1.
Umfang ^
4.2.2.2.
Würdigung ^
Hinsichtlich des Grundrechts auf Information64 sucht man auch in den Erl. zur RV vergeblich eine explizite Begründung für die generelle Exemtion der Gerichtsbarkeiten. Andererseits führt die Einräumung subjektiver Rechte auf Information gegenüber «Organen der Gesetzgebung» zu Rechtsschutz-Problemen: Während die Erl. zur RV offenbar noch meinten, dass auch im Falle von Ansprüchen gegenüber «Organen der Gesetzgebung» die Verwaltungsgerichte zuständig wären65 – im Lichte etwa von VfSlg 19.112 äußerst problematisch – schlägt nun der Entwurf des IFG vor, mittels Verfassungsbestimmung jedweden Rechtsschutz überhaupt zu verweigern66! Eine derartige Selbst-Exemtion des Parlaments67 wäre wohl politisch höchst brisant. Als Korollar der beabsichtigten Ausweitung der grundrechtsverpflichteten Organe über die «Verwaltung» hinaus müsste vielmehr eine eigene verfassungsgerichtliche Kompetenz gegenüber der Legislative, nach dem Muster des gegenwärtigen Art. 138b B-VG (vgl. insbesondere dessen Abs. 2), neu geschaffen werden.
4.3.
Die Oppositions-Entwürfe (IA Nr. 6 bzw. Nr. 18) ^
5.
Fazit ^
- 1 S. 91. Bei diesem – vom Bundespressedienst des BKA herausgegebenen und auf dessen Homepage unter «Dokumente aus der Bundesregierung» (https://www.bka.gv.at/site/3354/default.aspx ) auffindbaren – «Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013 – 2018» handelt es sich weder um einen Ministerratsbeschluss noch um eine Entschließung des Bundespräsidenten, sondern um einen «Vertrag», mit dem eine institutionenübergreifende «Zusammenarbeit» («in der Bundesregierung, im Parlament und in den Organen der Europäischen Union») zweier politischer Parteien i.S.d. PartG – der SPÖ und der ÖVP – «vereinbart» wurde, sohin um eine «Tätigkeit» i.S.d. § 1 Abs. 2 und 3 PartG, BGBl I 2012/56 (VB), die zwar (i) «auf eine umfassende Beeinflussung der staatlichen Willensbildung», also gerade auch der Gestaltung hoheitlicher Akte, durch einen nicht der öffentlich-rechtlichen Sphäre angehörigen Rechtsträger (vgl. Wieser, Glosse zu § 1 des Parteiengesetzes, BGBl 1975/404, Rz 67, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht. Kommentar [5. Lfg 2002]) abzielt (Abs. 2), dabei auch (ii) keiner Beschränkung durch besondere Rechtsvorschriften unterworfen werden» darf (Abs. 3; zur besonderen Problematik dieses Verbots – zumal ohne die gegenläufige Wirkung des vormaligen § 5 des Parteiengesetzes 1975 – vgl. Eisner/Kogler/Ulrich, Recht der politischen Parteien. Kommentar [2012], Rz 4 zu § 1 PartG, deren Rettungsversuche mich nicht überzeugen), mangels entsprechender spezifischer Regelung (ii) dieser eigentümlichen Tätigkeit (i) aber auch jedweder gerichtlicher Durchsetzbarkeit entbehrt. Dieser Umstand mag auf die Art der Textierung dieser «Normenkategorie» abgefärbt haben.
- 2 Semantisch spiegelt das eigentümliche, einen Anspruch auf staatliche Informationsleistung bezeichnende Verständnis des Begriffes «Informationsfreiheit» wohl einige jüngere Judikate des EGMR (zuletzt jenes vom 28. November 2013, Nr. 39534/07, Österreichische Vereinigung/Ö, siehe näher Balthasar, Right of Access to Information?, in: ders/Sully [Hrsg], Public Sector Information – Open Data – What is fair: Free Access or Fees? (2014), 17 ff., 19 f., do FN 16), oder britischen Sprachgebrauch (vgl. Worthy, Open Data in the UK: An Overview, in: Balthasar/Sully, a.a.O., 47 ff., 48: «… FOI is about legal rights to access information …») – wider.
- 3 Siehe ausführlich z.B. Buijze, The Principle of Transparency in EU Law (2013).
- 4 «The Scandinavian version of administrative law was making its influence …» (cit. Craig/De Burca, The Evolution of EU Law2 [2011], 452).
- 5 KOM(2001) 428 endgültig, ABl C 287, 1. Siehe hier insbesondere Punkt III/1.
- 6 Ein zwischenzeitlicher Vorschlag der Kommission vom 30. April 2008 KOM(2008) 229 endgültig auf Ersetzung der Transparenzverordnung wurde nicht weiterverfolgt.
- 7 Bereits die Erklärung Nr. 17 des Vertrages von Maastricht wollte keineswegs nur «das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung» stärken, sondern ganz generell «den demokratischen Charakter der Organe». Dementsprechend verpflichtet Art. 15 AEUV grundsätzlich alle «Organe, Einrichtungen und Stellen der Union», bezieht insbesondere auch das Gesetzgebungsverfahren mit ein, Abs. 3 UAbs. 4 nimmt jedoch vom Anwendungsbereich des Abs. 3 explizit den Gerichtshof, die EZB und die EIB überall dort aus, wo diese Organe bzw. Einrichtungen keine «Verwaltungsaufgaben» besorgen.
- 8 Siehe insbesondere (i) Beschluss des Präsidiums des EP vom 15. April 2013 (2014/C 96/01), ABl C 96, 1; (ii) Beschluss des Rates vom 23. September 2013 (2013/488/EU), ABl L 274, 1; (iii) Beschluss (EU, Euratom) 2015/544 der Kommission vom 13. März 2015, ABl L 72, 53.
- 9 Art. 9 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 1049/2001 («Sensible Dokumente werden nur mit Zustimmung des Urhebers im Register aufgeführt oder freigegeben»). Lediglich für aus einem Mitgliedsstaat stammende Dokumente wurde die vormals auch hiefür bestanden habende strikte «Urheberregel» aufgeweicht (vgl. EuGH vom 18. Dezember 2007, C-64/05 P, IFAW/Kommission, in Auslegung des Art. 4 Abs. 5 reg cit und Abgrenzung zu Art. 9 Abs. 3 reg cit).
- 10 Nur die «beruflichen Vertretungen» sind lediglich «den ihnen jeweils Zugehörigen» gegenüber «auskunftspflichtig» (cit. Art. 20 Abs. 4 B-VG).
- 11 Auf Bundesebene: Art. 52 B-VG.
- 12 WV BGBl 1925/367.
- 13 Cit. RV 39 Blg NR XVII. GP, 2 (HniO).
- 14 327 Blg NR II. GP.
- 15 In der RV (siehe vorige FN) findet sich für die hier interessierende Änderung lediglich der ganz allgemeine Passus: «Endlich hat die Praxis während der nun viereinhalbjährigen Wirksamkeit des Bundes-Verfassungsgesetzes gezeigt, daß einige seiner Bestimmungen Lücken aufweisen oder zu Auslegungsschwierigkeiten Anlaß gaben, so daß es unabweisbar ist, bei der sich durch die eingangs erwähnten Notwendigkeiten ergebenden Gelegenheit seiner Novellierung auch diese Lücken auszufüllen und einige nicht ganz präzise Fassungen zu verbessern».
- 16 Siehe AB 422 Blg NR II. GP.
- 17 Als einzige Änderung wurde die zuletzt angeführte erwähnt, auch sie jedoch ohne jede inhaltliche Motivation.
- 18 Seitdem beschränkt auf die – im Zuge derselben Novelle erweiterte – Weisungsbindung in der Verwaltung (als Abs. 1) bzw. – seit BGBl 1975/302 (neugestaltet mit BGBl I 2008/2) – die weisungsfreien Behörden (Abs. 2).
- 19 Seit BGBl 1975/302 daher: Abs. 3.
- 20 Siehe gleich unten FN 25 (kursiv hervorgehobenen Passus aus § 23 Abs. 1 DP).
- 21 Zur seit 1848 zwischen «Staat» und «Gesellschaft» oszillierenden Stellung der «Gemeinde» siehe näher Balthasar, Gemeinde-Kooperation im Lichte der letzten B-VG-Novellen: in: KWG (Hrsg), Gemeindekooperationen – vom Kirchturmdenken zur vernetzten Region (2013), 21 ff., 22 ff.
- 22 Dies wohl vor dem Hintergrund entsprechender zeitgenössischer Erfahrungen, vgl. Köstler, Postgeheimnis – Amtsgeheimnis – Briefgeheimnis, ZÖR 1922, 352 ff., 365: «Was im einzelnen Falle als Amtsgeheimnis anzusehen ist, entscheidet die Dienstbehörde und nicht das Gericht.»
- 23 Der sachliche Anwendungsbereich dieser Durchbrechung des Amtsgeheimnisses im Verhältnis eines allgemeinen Vertretungskörpers gegenüber von ihm «bestellten Funktionären» wurde durch nachfolgende Änderungen – insbesondere die Bestellung der BReg durch den BPräs, aber auch die Direktwahl des BPräs wie von Bürgermeistern – erheblich eingeschränkt.
- 24 Soweit zu sehen, enthält keine einzige Verfassung eines der anderen EU-Mitgliedsstaaten eine dem Art. 20 Abs. 3 B-VG entsprechende Bestimmung; lediglich Art. 28 Abs. 4 UAbs. 3 der irischen Verfassung normiert eine nur schwer durchbrechbare «Vertraulichkeit der Beratungen» der Regierung. Dass gleichwohl auch sonst das Institut der Amtsverschwiegenheit existiert, zeigen die üblichen Ausnahmen eines Informationsanspruches (vgl. etwa Art. 41 Abs. 2 der bulgarischen, Art. 44 Abs. 2 der estnischen, Art. 47 Abs. 3 der finnischen, Art. 35 Abs. 6 bzw. Art. 156 lit d der portugiesischen, Art. 31 Abs. 3 der rumänischen oder Art. 105 lit b der spanischen Verfassung). Vgl. aber auch § 22 Abs. 2 Z 1 der schwedischen Verfassung («Gesetzesvorlagen» betreffend «Verbot der Offenlegung …»).
- 25 Zu diesem Zeitpunkt galt der mit «Amtsverschwiegenheit» überschriebene § 23 der Dienstpragmatik, RGBl 1914/15; nach dessen Abs. 1 hatte «der Beamte … über alle ihm in Ausübung des Dienstes oder mit Beziehung auf seine amtliche Stellung bekanntgewordenen Angelegenheiten, die im Interesse des Staates oder der Parteien oder sonst aus dienstlichen Rücksichten Geheimhaltung erfordern oder ihm ausdrücklich als vertrauliche bezeichnet worden sind, gegen jedermann, dem er über diese Angelegenheiten eine amtliche Mitteilung zu machen nicht verpflichtet ist, strengstes Stillschweigen zu beobachten.» Zur langen, jedenfalls bis ins 18. Jahrhundert zurückreichenden Tradition solcher dienstrechtlicher Vorschriften siehe Stubenrauch, Handbuch der österreichischen Verwaltungs-Gesetzkunde I2 (1856), 170 f.; vgl. auch Layer, Staatsdienst, 314ff, 321, in: Mischler/Ulbrich (Hrsg), Österreichisches Staatswörterbuch IV2 (1909) und Köstler, ZÖR 1922, 361 ff.
- 26 Soweit der Bruch des Amtsgeheimnisses «gefährlicherweise» erfolgte, konnte er § 102 lit c StG («Besondere Fälle» des Verbrechens des Amtsmissbrauches) verwirklichen (siehe Stubenrauch, Handbuch, 171; Ehmer, Die Dienstpragmatik [1914], 37); allerdings enthält sich nicht nur Layer, Staatsdienst, 321, jeden Hinweises auf eine strafrechtliche Sanktion, sondern es findet sich auch umgekehrt bei Altmann/Jacob/Weiser (Hrsg.), Die österreichische Strafgesetzgebung7 (1931), keinerlei Verweis auf § 23 DP, lediglich ein solcher auf §§ 649 f. StG (Militärstrafrecht) sowie auf Spezialgesetze («nicht verbrecherische, gerichtlich strafbare Fälle der Verletzung von Amtsgeheimnissen»).
- 27 Wie aus der Beilage lit b zum Gesetz RGBl 1873/47 ersichtlich, war der Ministerpräsident – als einziger – in die höchste (die I.) Rangsklasse eingereiht, die übrigen Minister (zusammen mit den Präsidenten des OGH bzw. des Obersten Rechnungshofes) in die II. Erst die DP statuierte in ihrem Art. I Abs. 2, dass von ihr u.a. «die Minister und die mit der selbständigen Leitung eines Ministeriums betrauten Beamten …» ausgenommen sein sollten.
- 28 Immerhin betont nicht nur Layer (Staatsdienst, 321) den engen Konnex zwischen Amtsverschwiegenheit und Kaisertreue, sondern er ist auch aus dem Aufbau der DP selbst, wo die Amtsverschwiegenheit als eine der «Allgemeinen Pflichten» des II. Abschnitts des Ersten Hauptstücks aufscheint, dieser Abschnitt aber mit dem ersten Satz des § 21 DP («Der Beamte ist verpflichtet, dem Kaiser treu und gehorsam zu sein …») beginnt, ersichtlich; der Verfassungsgesetzgeber mochte also durchaus Grund zur Befürchtung haben, dass die staatsrechtliche Umwälzung auch in der Beamtenschaft zu einem Nachlassen der Disziplin führen könnte.
- 29 Die Amtsverschwiegenheit galt «nur gegen jedermann, dem» der Beamte «über diese Angelegenheiten eine amtliche Mitteilung zu machen nicht verpflichtet ist.» (siehe oben FN 25).
- 30 Diese war ihm auch sichtlich so wichtig, dass er sie im AB immerhin eigens erwähnte (siehe oben FN 17).
- 31 Dieser Begriff des Regierungsprogramms ist zwar, wie gezeigt, nicht ein österreichischer terminus constitutionalis, er schien jedoch etwa in § 23 Abs. 2 DP auf (vgl. auch noch heute etwa § 320 Z 3 ZPO oder § 13 Abs. 2, Abs. 3 AHG).
- 32 Diese attributive Restringierung wurde mit der Novelle 1987/285 eingefügt.
- 33 Zu weiteren Teilbereichen siehe unten FN 55.
- 34 Ein solcher Schritt stellte nur die vor 1925 auch in Österreich bestanden habende diesbezügliche verfassungsrechtliche Normalität wieder her.
- 35 Vgl. derzeit insbesondere § 46 BDG, § 58 RStDG.
- 36 Vgl. derzeit insbesondere §§ 252, 310 StGB.
- 37 Vgl. die Erl. zur RV, 3 («Kein eigener Ausnahmetatbestand soll zu Gunsten von unionsrechtlichen Geheimhaltungs- bzw. Veröffentlichungsvorschriften normiert werden, da für diese ohnehin der unionsrechtliche Anwendungsvorrang zum Tragen kommt»). Siehe aber, wenngleich nur für «Dienststellen des Bundes», das InfoSiG, BGBl I 2002/23.
- 38 Siehe oben FN 25.
- 39 Explizit sollen ja «alle Organe der Gesetzgebung und Verwaltung sowie Unternehmungen, die der Kontrolle der Rechnungshöfe unterliegen», einbezogen werden.
- 40 Siehe etwa Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht4 (2013), Rz 89, 95.
- 41 Nicht zuletzt folgt ja auch das bei uns übliche «Regierungsprogramm», in seiner selbstverständlichen Einbeziehung der Gesetzgebung (siehe oben FN 1), diesem – einem «parlamentarischen Regierungssystem» wesensgemäßen – Funktionswandel.
- 42 Auch nach der Überführung der gerichtsförmigsten Verwaltungsbehörden in die Verwaltungsgerichtsbarkeit bzw. der Auflassung einer Reihe gerichtsähnlicher Sonderbehörden und der weitestgehenden Streichung des administrativen Instanzenzuges verbleiben Gleichartigkeiten, insbesondere bei der Führung von Verwaltungsverfahren erster Instanz, gerade auch durch Behörden i.S.d. Art. 20 Abs. 2 B-VG.
- 43 Zu denken wäre dabei insbesondere an deren «Hilfsorgane» RH und VA (siehe unten FN 63).
- 44 Naheliegenderweise derjenige der «Vorbereitung einer Entscheidung» oder, davon losgelöst, jener «im Interesse» zumindest einer «Partei».
- 45 Siehe bereits Bertel, Informationsfreiheit statt Amtsgeheimnis?, Art. 22a B-VG neu auf dem Prüfstand, JRP 2014, 203 ff.; ÖJT (Hrsg.), Amtsgeheimnis und Informationsfreiheit (2015); Parycek/Rinnerbauer/Domnik, Informationsfreiheit im Rechtsvergleich: Österreich, Hamburg, Slowenien, IRIS 2015, 197 ff.
- 46 http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00006/imfname_329768.pdf .
- 47 http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00018/fname_329851.pdf.
- 48 http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AUA/AUA_00001/.
- 49 Im Folgenden: IFG.
- 50 Nur unwesentlich anders § 5 IFG: «… soweit sie nicht der Geheimhaltung unterliegen».
- 51 Siehe auch bereits Berka in ÖJT, Amtsgeheimnis, 18 f. Nur am Rande sei außerdem erwähnt, dass im vorgeschlagenen Art. 22a Abs. 2 B-VG auch die derzeit in Art. 20 Abs. 3 B-VG enthaltene Restriktion, dass die «Tatsache» dem «Organ» «ausschließlich aus» seiner «amtlichen Tätigkeit bekannt geworden» war, fehlt.
- 52 § 3 Abs. 1 Z 5 IFG bringt hier eine demonstrative (arg: «insbesondere») Aufschlüsselung; danach wären von diesem letzteren Tatbestand jedenfalls erfasst (i) Handlungen oberster Organe i.S.d. Art. 19 Abs. 1 B-VG, (ii) «behördliche oder gerichtliche Verfahren», (iii) parlamentarische Akte. Nicht explizit genannt sind dagegen Akte der VA oder des RH oder von Organen i.S.d. Art. 20 Abs. 2 B-VG, insoweit diese nicht «behördlich» tätig werden.
- 53 Ein sachlicher Grund hiefür wäre freilich nicht leicht ersichtlich; auch wenn die Formulierung dem Art. 23e Abs. 3 B-VG entnommen sein sollte – dort hat sie offensichtlich eine ganz andere Zielrichtung.
- 54 Ein sachlicher Grund für die Restriktion sticht freilich weder ins Auge noch wird er in den Erläuterungen benannt.
- 55 § 3 Abs. 1 Z 7 IFG schlüsselt diesen Begriff demonstrativ (arg: «insbesondere») näher auf in (i) «zur Wahrung von Berufs-, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen», (ii) «zur Wahrung des Grundrechts auf Datenschutz», (iii) «zur Wahrung der Rechte am geistigen Eigentum».
- 56 Dies wurde aber auch bisher schon so gesehen (siehe Mayer/Muzak, B-VG. Kurzkommentar5 [2015], 161 f.).
- 57 Der bisherige Gesetzesvorbehalt («soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist») ermächtigte ja, dem VfGH zufolge, lediglich zur Einschränkung, nicht jedoch auch zur Ausweitung der verfassungsrechtlichen Tatbestände (siehe Mayer/Muzak, B-VG. 160 f.; deswegen auch krit. Berka in ÖJT, Amtsgeheimnis, 19). Im Entwurf des IFG findet sich dieser Tatbestand ebenfalls, jedoch nur mehr in eckigen Klammern (§ 6 Abs. 1 Z 8).
- 58 Dieser zusätzliche Satz soll lauten: «Dabei» – d.h. bei der Ausübung des im derzeit einzigen Satz des Abs. 4 gegenständlichen «Fragerechts» – «sind die Gründe und Interessen gemäß Art. 22a Abs. 2 entsprechend zu beachten.» Dies könnte nunmehr allerdings auch im Wege des Art. 30a B-VG geschehen (siehe unten FN 68 und 79).
- 59 Auch künftig wäre daher hier «die … Amtsverschwiegenheit zu wahren», cit. Mayer/Muzak, B-VG, 265, mit Blick auf die gegenwärtige Rechtslage bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen (dazu offenbar a.A. Lienbacher, XVIII. ÖJT I/2, 17 ff., 29 ff., 53 f.) . Ein zweifelfreies Sonderregime zugunsten des NR besteht derzeit lediglich nach Art. 52a Abs. 2 bzw. nach Art. 53 Abs. 3 und Abs. 4 B-VG (vgl. dazu auch VfGH 15. Juni2015, UA 2/2015 u.a.).
- 60 Insbesondere für die Mitglieder einer Landesregierung oder eines Gemeindevorstandes, aber – künftig (siehe gleich Punkt 4.2.2.2.) – auch etwa für RH und VA (!)
- 61 Siehe zu dieser Kommunikation näher Balthasar, Ist die Struktur der österreichischen Bundesregierung noch zeitgemäß?, in: ders./Bußjäger/Matzka (Hrsg.), Effiziente Regierungsorganisation (2015), 83 ff., 91.
- 62 Siehe, auf der Ebene des IFG, dessen § 4, wo sich freilich einerseits nähere – keineswegs unaufwendige – Spezifizierungen (z.B. «im Internet und barrierefrei»), andererseits weitreichende Einschränkungen («nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten», «soweit damit kein unverhältnismäßiger Aufwand verbunden ist») finden.
- 63 Vgl. etwa VfSlg 15.127 (betreffend VA) oder 15.130 (betreffend RH).
- 64 Nur am Rande sei angemerkt, dass offenbar immer noch (vgl. bereits Bertel, JRP 2014, 209; Berka in ÖJT, Amtsgeheimnis, 17 f.) eine gewisse Unsicherheit darüber herrscht, was eigentlich unter dem Begriff «Information» zu verstehen sei: «(gesichertes) Wissen» bzw. «Tatsachen» (vgl. den zweiten und dritten Satz des ersten Absatzes der Erl. zu Z 2 der RV) – wie dies dem bisherigen Begriff der «Auskunft» entsprach; oder doch nur «Aufzeichnungen», also «Dokumente» i.S.d. Art. 15 Abs. 3 AEUV (so der erste Satz des ersten Absatzes der Erl. zu Z 2 der RV und § 2 IFG). Sollte sich die Fokussierung auf «Aufzeichnungen»/«Dokumente» durchsetzen: Wie steht es mit über den dienstlichen e-mail-account abgewickeltem dienstlichen e-mail-Verkehr, ja wie um über private e-mail-Adressen geführte Korrespondenz mit zumindest auch dienstlichem Inhalt? Das IFG trägt zur Klärung dieser Frage nichts bei.
- 65 Siehe RV 395 Blg NR XXV. GP, 1, letzten Absatz zu Z 2 (Art. 22a), ohne jede Differenzierung hinsichtlich der Art. der belangten Organe: «Entscheidungen über die Verweigerung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Zugang zu Information gemäß Abs. 2 unterliegen der unabhängigen Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte …».
- 66 Nach § 11 Abs.2 IFG wäre, «…[w]ird der Zugang zu Informationen über Akte der Gesetzgebung nicht erteilt, …kein Bescheid zu erlassen» – womit es von vorneherein an einem tauglichen Beschwerdegegenstand mangelte.
- 67 Mit Wirkung auch für die Landtage, offenbar aber nicht auch für die bisher der Staatsfunktion «Gesetzgebung» zugezählten «Hilfsorgane» RH und VA.
- 68 So auch, ganz generell, § 6 Abs. 1 IFG: «Nicht zur Veröffentlichung bestimmt und nicht zugänglich zu machen sind Informationen, soweit und solange… .» Vgl. mittlerweile auch bereits Art. 30a B-VG i.d.F. BGBl I 2014/102 und das darauf gestützte InfOG, BGBl I 2014/102.
- 69 Art. 22a Abs. 3 B-VG i.d.F. RV, § 14 IFG.
- 70 Hier wäre m.E. allerdings zu prüfen, ob es sachlich gerechtfertigt sei, diesen Tatbestand nicht auch dem Bund/Ländern/Gemeinden zu gewähren, zumal angesichts der ihnen durch Art. 17 bzw. Art. 116 Abs. 2 B-VG ausdrücklich eröffneten Möglichkeit privatwirtschaftlicher Tätigkeit.
- 71 Siehe § 14 Abs. 2 IFG. Da stellte sich dann doch die Frage, ob man auf die Einbeziehung von rechtlich selbständigen Unternehmen nicht lieber überhaupt gänzlich verzichten sollte.
- 72 Siehe § 14 Abs. 6 IFG.
- 73 § 1 Z 1 i.V.m. § 353 bzw. § 354 EO.
- 74 Allerdings entfiele dann der Beschwerderechtszug zum VfGH. Zur gegenwärtigen unbefriedigenden Situation verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes siehe gleich unten FN 77.
- 75 Nötig soll freilich «eine unmittelbare und schwerwiegende Gefahr» für die öffentlichen Interessen sowie, für alle Tatbestände, die «zwingende Erforderlichkeit im Einzelfall», sein.
- 76 Entweder wiegen die Katalog-Gründe schwer, dann gäbe es keine sachliche Rechtfertigung für die Unterlassung einer Verpflichtung zur Geheimhaltung; oder eine amtswegige Veröffentlichung begegnet keinen Bedenken – warum sollte dann eine Verweigerung eines ausdrücklichen Informations-Begehrens statthaft sein?
- 77 Die Erl. des Entwurfes der GRÜNEN verweisen zum einen auf die in der Tat gegenwärtig unbefriedigende Situation des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes gegenüber rechtswidrigerweise verweigertem Auskunftsbegehren (Hw auf VwGH 11. November 1997, 97/01/0845; 28. November 2006, 2006/06/0115), freilich ohne selbst diesbezüglich irgendeine Abhilfe anzubieten. Zum andern beruft sich der Entwurf auf einen Passus in einem «Evaluierungsbericht Österreich» der «Staatengruppe gegen Korruption» (GRECO) des Europarates vom 13. Juni 2008, Zl Greco Eval I-II Rep (2007) 2E, dessen Verfasser allerdings in diesem Punkt keinerlei eigenständige Analyse der österreichischen Rechtslage vornahmen, sondern sich aufs Hörensagen verließen, weshalb ihnen sichtlich entging, dass der materielle Teil ihrer Empfehlung (Schaffung präziser Verschwiegenheitstatbestände) bereits längst – seit knapp dreißig Jahren – verwirklicht ist (!)
- 78 Siehe oben FN 24; vgl. auch Bertel, JRP 2014, 210, zur Sinnhaftigkeit der in Rede stehenden «Ausnahmen» bzw. Parycek et al, IRIS 2015, 203, zur «gewissen Parallelität» dieser mit jenen Hamburgs bzw. Sloweniens. Vgl. auch Berka in ÖJT, Amtsgeheimnis, 14, zum «tief greifenden Vertrauensverlust» als Motor des «Transparenzzwangs» bzw. zu den «Paradoxa der Informationsgesellschaft».
- 79 Gerade dann, wenn auch das Parlament einer Pflicht zur Geheimhaltung unterworfen wird, lässt sich jedoch – entgegen der vorliegenden RV – ein ungehinderter Informationsfluss von der jeweiligen Reg zum jeweiligen Parlament umso leichter vertreten. So, mit Blick auf Art. 30a B-VG, auch Hesse, in: ÖJT, Amtsgeheimnis, 13.
- 80 Zur – in keinem der hier behandelten Entwürfe angeschnittenen – Frage, ob diese staatliche Information kostenlos oder gegen eine angemessene Gebühr abzugeben sei, siehe bereits Alexander Balthasar/Alexander Prosser, Open Data = All Public Data for Free? Fragen anhand der bevorstehenden Änderung der PSI-Richtlinie, IRIS 2013, 295 ff.