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Wie viel «Informationsfreiheit» darf es sein?

  • Author: Alexander Balthasar
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Government
  • Collection: Conference Proceedings IRIS 2016
  • Citation: Alexander Balthasar, Wie viel «Informationsfreiheit» darf es sein? , in: Jusletter IT 25 February 2016
Grundlage der partizipativen Dimension der Demokratie ist eine ausreichende Information der interessierten Bürger über das Geschehen innerhalb der «Regierung». Deswegen sieht nicht nur Art. 15 Abs. 3 AEUV gegenüber den Organen der Union ein – freilich nicht schrankenloses – «Recht auf Zugang zu Dokumenten» vor, sondern es bestehen auch auf österreichischer Ebene seit längerem Bestrebungen einer Reform des gegenwärtig in Art. 20 Abs. 3 (Amtsverschwiegenheit) und Abs. 4 (Auskunftsrecht) B-VG positivierten Regimes. Der Beitrag diskutiert die derzeitigen, sämtlich aus der aktuellen (XXV.) GP stammenden Initiativen.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Das Regierungsprogramm und sein rechtspolitischer Kontext
  • 2. (Verfassungs-)Rechtliche Rückblende
  • 2.1. Die B-VG-Novelle 1987/285 und die I. B-VG-Novelle (1925/268)
  • 2.2. Die Amtsverschwiegenheit vor der I. B-VG-Novelle
  • 3. Mehrwert einer Reform?
  • 3.1. Vollständige Ersetzung der Amtsverschwiegenheit?
  • 3.2. Hinsichtlich der informationspflichtigen Organe
  • 3.3. Proaktive amtswegige Informationsverpflichtung
  • 4. Die konkreten Entwürfe
  • 4.1. Die Entwürfe
  • 4.2. Regierungsvorlage (samt IA Nr. 1/AUA)
  • 4.2.1. Ad «Ersetzung» der Amtsverschwiegenheit
  • 4.2.2. Ad informationspflichtige Organe bzw. Rechtsträger
  • 4.2.2.1. Umfang
  • 4.2.2.2. Würdigung
  • 4.3. Die Oppositions-Entwürfe (IA Nr. 6 bzw. Nr. 18)
  • 5. Fazit

1.

Das Regierungsprogramm und sein rechtspolitischer Kontext ^

[1]
Unter «Informationsfreiheit statt Amtsgeheimnis» findet sich im aktuellen Regierungsprogramm1 das «Ziel», «staatliches Handeln … transparenter und offener [zu] gestalte[n]», weshalb «das Amtsgeheimnis …, unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Datenschutz, ersetzt» werden soll «durch eine verfassungsgesetzlich angeordnete Pflicht aller Staatsorgane, Informationen von allgemeinem Interesse der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen (Open Government) und [durch] ein Grundrecht auf Zugang zu Informationen unter materiellem Gesetzesvorbehalt.» Überdies wird präzisiert: «Dem Grundrecht auf Zugang zu Informationen unterliegen alle Organe der Gesetzgebung und Verwaltung sowie Unternehmungen, die der Kontrolle der Rechnungshöfe unterliegen.»
[2]

Dieses Vorhaben ist inhaltlich2 sichtlich inspiriert vor allem von einem entsprechenden Trend innerhalb der EU3, beginnend mit der – skandinavisch beeinflussten4 – Erklärung Nr. 17 zum Vertrag von Maastricht, über das Weißbuch der Europäischen Kommission über «Europäisches Regieren»5 bis hin zum nunmehrigen Art. 15 Abs. 3 AEUV, ausgeführt (immer noch) mit VO (EG) Nr. 1049/20016, bzw. zu Art. 42 EUGRC; dieser Modellcharakter des Unionsrechts für das österreichische Reformvorhaben zeigt sich nicht zuletzt in der beabsichtigten expliziten Einbeziehung auch der «Organe der Gesetzgebung» in den Kreis der durch das «Grundrecht» Verpflichteten, unter gleichzeitiger Beibehaltung der Aussparung der Gerichtsbarkeit.7 Allerdings:

  • Auch in der EU werden «die Entscheidungen» lediglich, wie gleich einleitend Art. 1 Abs. 3 EUV klarstellt, «möglichst offen und bürgernah getroffen» bzw. handeln, Art. 15 Abs. 1 AEUV zufolge, «die Organe, Einrichtungen und Stellen unter weitestgehender Beachtung des Grundsatzes der Offenheit.» Dementsprechend haben die Organe, als Ausfluss ihrer jeweiligen Organisationsgewalt, jeweils umfängliche Geheimschutz-Regelungen erlassen8, die unbedingten Vorrang vor dem allgemeinen Transparenzregime genießen.9
  • Und andererseits kennt ja auch Österreich seit nunmehr fast dreißig Jahren eine bundesverfassungsrechtliche Verpflichtung staatlicher Organe zur Erteilung von «Auskunft» (Art. 20 Abs. 4 B-VG) im direkten Wege an jedermann10 – ergänzend zur indirekten, parlamentarischen Kombination aus Petitionsrecht (Art. 11 StGG) und Interpellationsrecht.11
[3]
Wo liegt also genau der spezifische Mehrwert der nunmehr intendierten Reform? Diese Frage stellt sich zunächst mit Blick auf das Regierungsprogramm, und soll unten in Punkt 3 – nach einem Blick in die Geschichte des «Amtsgeheimnisses» in Österreich (Punkt 2) – beantwortet werden. Punkt 4 widmet sich zusätzlichen Fragen anhand der konkreten rechtspolitischen Entwürfe.

2.

(Verfassungs-)Rechtliche Rückblende ^

2.1.

Die B-VG-Novelle 1987/285 und die I. B-VG-Novelle (1925/26812) ^

[4]
Wie angedeutet, hat sich der Bundesverfassungsgesetzgeber bereits vor knapp 30 Jahren dem sichtlich gleichen «Problem» wie heute – «d.h. Forderungen nach Verstärkung der Bürgernähe der Verwaltung», «insbesondere» gekoppelt mit dem Verlangen, «das Auskunftsrecht der Bürger gegenüber der Verwaltung auszubauen und die Amtsverschwiegenheit, soweit sie sich auf Interessen einer Gebietskörperschaft bezieht, auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken»13 – gegenübergesehen und eben deshalb bereits damals, mit der B-VG-Novelle 1987/285, die Abs. 3 und 4 des Art. 20 B-VG in ihre noch gegenwärtige Form gebracht.
[5]

Den Hintergrund dazu bildete die I. B-VG-Novelle 1925, mit der eine derartige «Amtsverschwiegenheit» auf verfassungsrechtlicher Ebene überhaupt erstmals eingeführt worden war. Damals hatte die RV14 – ohne eigentliche Begründung15 – folgende Ergänzung des Art. 20 B-VG 1920 vorgeschlagen: «Die Volksbeauftragten und die ihnen nachgeordneten Organe sind, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse des Staates oder der Parteien geboten erscheint (Amtsverschwiegenheit).»

[6]
Der Verfassungsausschuss des NR16 folgte der RV im Wesentlichen, änderte jedoch den Text in viererlei Hinsicht ab (ebenfalls ohne jede Begründung17):
[7]

Zunächst trennte er die Regelung der Amtsverschwiegenheit vom übrigen Text des Art. 2018 in einen eigenständigen Abs. 2 ab19; sodann ersetzte er das Wort «Staates» durch «einer Gebietskörperschaft» – womit nicht nur in zumindest diesem Punkt die Eierschalen der Dienstpragmatik abgestreift20, sondern jedenfalls auch die Interessen einer Gemeinde zweifelsfrei erfasst wurden.21 Weiters ersetzte er das Wort «erscheint» durch «ist» – tendenziell durchaus eine Restriktion subjektiver Diskretion (unüberprüfbaren Ermessens) bei der Festlegung der Grenzen des Amtsgeheimnisses22; und schließlich fügte er dem Regierungs-Vorschlag den auch jetzt noch unverändert geltenden letzten Satz an.23

2.2.

Die Amtsverschwiegenheit vor der I. B-VG-Novelle ^

[8]

Die Amtsverschwiegenheit war also vor 1925 nicht verfassungsgesetzlich verankert; nichts wäre jedoch verkehrter, als daraus auf die damalige rechtliche Inexistenz dieses Instituts überhaupt zu schließen, zumal es – wie ein Blick in die Verfassungen der anderen EU-Mitgliedstaaten zeigt – keineswegs zu den essentialia einer Verfassung gehört, eine Verpflichtung zur Wahrung des Amtsgeheimnisses zu statuieren.24 Auch in Österreich fand man vielmehr bis zur I. B-VG-Novelle insbesondere mit dienstrechtlichen Vorschriften25, ergänzt um solche des Strafrechts26, das Auslangen, dies umso mehr, als ja zunächst auch die Minister als Staatsbeamte galten.27 Der Novelle ging es also offensichtlich nicht (so sehr) um eine erstmalige Disziplinierung der (nunmehr) republikanischen Beamtenschaft28, als vielmehr darum, die Wahrung des traditionellen Amtsgeheimnisses durch die (Mitglieder der) Regierungen – trotz deren radikal veränderter staatsrechtlicher Stellung (nicht mehr «Staatsbeamte», sondern «Volksbeauftragte»!) – auch künftig zu gewährleisten, und zwar wohl primär im Verhältnis dieser «Volksbeauftragten» zu den ihnen jeweils besonders nahestehenden Teilen des Volkes. Dass mit der ursprünglich von der Bundesregierung vorgeschlagenen Formulierung, sekundär, auch die parlamentarische Interpellationsbefugnis getroffen werden könnte, hat der Verfassungsausschuss noch rechtzeitig erkannt und, ganz im Geiste einer in § 23 DP enthaltenen allgemeinen Kautele29, eine spezielle Ausnahme angebracht.30

3.

Mehrwert einer Reform? ^

3.1.

Vollständige Ersetzung der Amtsverschwiegenheit? ^

[9]
Nimmt man das Regierungsprogramm wörtlich, dann sollte das bisherige «Amtsgeheimnis»31 geradezu vollständig ersetzt werden durch (i) eine proaktive, amtswegige Informationspflicht und (ii) ein Grundrecht auf Zugang zu Informationen. Allerdings findet sich hinsichtlich des «Grundrechts» auch die Erwähnung eines «materiellen Gesetzesvorbehalts», der jedoch als sachliches Substrat offenbar lediglich das «Grundrecht auf Datenschutz», also einen Teilbereich des bisherigen Tatbestandes einer Geheimhaltung «im überwiegenden32 Interesse der Parteien»33, anerkennt, überhaupt nicht mehr jedoch die anderen, 1987 in Präzisierung und Restringierung des ursprünglichen «Interesses einer Gebietskörperschaft» geschaffenen Tatbestände. Eine derartige Reform – nicht nur vollständige Auflassung des verfassungsrechtlichen Schutzes der Amtsverschwiegenheit im öffentlichen Interesse34, sondern überdies ein verfassungsrechtliches Verbot eines solchen Instituts, notabene mit Auswirkungen auch auf Dienst- 35und Strafrecht36wäre in der Tat ein großer Wurf; abgesehen davon jedoch, dass er jedenfalls die unionsrechtlichen Geheimhaltungspflichten respektieren müsste37, mag man auch – angesichts eben (i) der aktuellen Existenz umfänglicher unionsrechtlicher Geheimhaltungsvorschriften, (ii) der in Österreich erst vor knapp 30 Jahren erfolgten Zurückführung der Geheimhaltungstatbestände auf das damals für unbedingt erforderlich gehaltene Maß, und (iii) der (auch) in Österreich jahrhundertealten Tradition des Amtsgeheimnisses38skeptisch sein hinsichtlich der tatsächlichen Durchführbarkeit einer solchen Reform.

3.2.

Hinsichtlich der informationspflichtigen Organe ^

[10]
Wenn die Reform in institutioneller Hinsicht über die Staatsfunktion «Verwaltung» im formellen Sinne hinausgreifen will39, so erscheint eine solche Ausweitung prima facie ganz selbstverständlich, zumal angesichts der jahrzehntelangen «Flucht» des Staates ins «Privatrecht», insbesondere auch mittels «Organisationsprivatisierung»40 sowie des Funktionswandels des Gesetzes (und damit auch des Gesetzgebers) von einer bloßen Schranke der Regierung zum eigentlichen Zentrum der «Regierung».41 Secunda facie geht es allerdings im gegenständlichen Kontext keineswegs nur um die eine – die informationsgewährende – Seite, sondern immer auch um die gegenläufige, die informationsverweigernde; so unterliegt ja auch das EP mittlerweile strikten Geheimhaltungsverpflichtungen. Heißt das, dass als Ergebnis der Reform etwa auch Parlamente und ausgegliederte Betriebe künftig generell zur Geheimhaltung aus öffentlichen Interessen verpflichtet wären? Auf der anderen Seite sollen durch das Grundrecht nicht auch die Gerichte verpflichtet werden; diese apriorische Exemtion ließe sich – angesichts gleichartiger Tätigkeiten (nach wie vor) jedenfalls im Bereich der «Verwaltung»42, aber auch der «Gesetzgebung»43 –wohl nur dann rechtfertigen, wenn zumindest ein Geheimhaltungsgrund44 geradezu ausnahmslos jedes Informationsbegehren unzulässig machte.

3.3.

Proaktive amtswegige Informationsverpflichtung ^

[11]
Wirklich neu und grundsätzlich eine begrüßenswerte Bereicherung wäre die projektierte – proaktive, amtswegige – «Pflicht aller Staatsorgane, Informationen von allgemeinem Interesse der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen».

4.

Die konkreten Entwürfe ^

4.1.

Die Entwürfe ^

[12]
Neben der RV betreffend eine B-VG-Novelle (395 Blg. NR XXV. GP)45 gibt es auch zwei – ältere – Initiativanträge (je vom 29. Oktober 2013) von Angehörigen des Klubs von NEOS46 bzw. des Grünen Klubs (18/A47) sowie einen Initiativantrag der Regierungsklubs für ein «Informationsfreiheitsgesetz des Bundes – IFG» (1/AUA48), obwohl die dafür vorausgesetzte verfassungsrechtliche Lage noch gar nicht hergestellt wurde. Blickt man nun in diese konkret vorliegenden Entwürfe (wobei RV und der IA Nr. 1/AUA zusammengezogen werden können), dann ergibt sich:

4.2.

Regierungsvorlage (samt IA Nr. 1/AUA49) ^

4.2.1.

Ad «Ersetzung» der Amtsverschwiegenheit ^

[13]

Der vorgeschlagene Art. 22a Abs. 1 B-VG spricht ausdrücklich davon, dass die proaktive Verpflichtung zur amtswegigen Information nur greift, «soweit nicht eine Verpflichtung» – nicht etwa nur: Ermächtigung! – «zur Geheimhaltung gemäß Abs. 2 besteht.»50 In diesem nachfolgenden Abs. 2 wird die Reichweite dieser Geheimhaltungstatbestände wie folgt umschrieben: «… soweit deren Geheimhaltung nicht aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen, im Interesse der nationalen Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung oder der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, zur Vorbereitung einer Entscheidung, im wirtschaftlichen oder finanziellen Interesse einer Gebietskörperschaft oder eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers oder zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen erforderlich oder zur Wahrung anderer gleich wichtiger öffentlicher Interessen durch Bundes- oder Landesgesetz ausdrücklich angeordnet ist.»

[14]
Im Grundsätzlichen würde sich also nichts ändern – es soll nach wie vor eine anhand konkreter Tatbestände zu bestimmende Pflicht zur Geheimhaltung geben – lediglich der Begriff «Amtsverschwiegenheit» würde entfallen (!). Vergleicht man sodann den nunmehr vorgeschlagenen Katalog51 mit dem derzeit bestehenden, dann lässt sich – auf verfassungsrechtlicher Ebene – konstatieren: Vollständig gleichgeblieben sind die Tatbestände «Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit», «umfassende Landesverteidigung» und «zur Vorbereitung einer Entscheidung»52, restringiert würde der derzeitige Tatbestand der «auswärtigen Beziehungen» auf «zwingende außen- und integrationspolitischen Gründe»53, ausgeweitet hinsichtlich des sachlichen, zugleich jedoch restringiert hinsichtlich des personalen Anwendungsbereiches würde der derzeitige Tatbestand des «wirtschaftlichen Interesses einer Körperschaft des öffentlichen Rechts», da nun einerseits explizit auch «finanzielle» Interessen einbezogen würden, jedoch nur mehr einer «Gebietskörperschaft oder eines sonstigen Selbstverwaltungskörpers»54; präzisiert würde der bisherige Tatbestand «im überwiegenden Interesse der Parteien», stellte doch die künftige Formulierung («zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen»55) klar, dass es nicht etwa auf eine förmliche Parteistellung in einem Verfahren ankomme, noch, dass die Geheimhaltung im Interesse sämtlicher in Frage kommender «Parteien» liegen müsse.56 Vollständig neu geschaffen würden dagegen der Tatbestand der «nationalen Sicherheit» sowie, vor allem, die Ermächtigung des einfachen Gesetzgebers, auch «zur Wahrung anderer gleich wichtiger öffentlicher Interessen» eine Geheimhaltung anzuordnen.57 Summa summarum handelte es sich also gegenüber dem status quo um eine erhebliche – wenngleich größtenteils noch dem einfachen Gesetzgeber anheimgestellte – Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs der gegenwärtigen Amtsverschwiegenheit!
[15]

Dazu kommt, dass auch im Verhältnis der BReg zum NR – auf welches seit der II. B-VG-Novelle der letzte Satz des Art. 20 Abs. 3 B-VG nicht mehr anwendbar war (obwohl doch auf dessen Einfügung der Verfassungsausschuss noch so großen Wert gelegt hatte!) – sichtlich keinerlei Liberalisierung angestrebt wird, wie die vorgeschlagene Anfügung eines entsprechenden Satzes58 an Art. 52 Abs. 4 B-VG zeigt.59 Durch den projektierten Entfall des letzten Satzes des Art. 20 Abs. 3 B-VG würden aber auch andere inter-institutionelle Verhältnisse betroffen: Für die nach wie vor von einem allgemeinem Vertretungskörper bestellten Funktionäre60 entfiele künftig die bisherige Spezialregelung; ebenso entfiele die derzeitige Möglichkeit, diese Spezialregelung auf das Verhältnis der BReg zum BPräs analog anzuwenden.61

4.2.2.

Ad informationspflichtige Organe bzw. Rechtsträger ^

4.2.2.1.
Umfang ^
[16]
Der Entwurf gliedert hier in drei Kreise: Die proaktive Verpflichtung zur amtswegigen Bereitstellung allgemeiner Information trifft «die Organe der Gesetzgebung, die mit der Besorgung von Geschäften der Bundesverwaltung und der Landesverwaltung betrauten Organe, die ordentlichen Gerichte, der Rechnungshof, die Landesrechnungshöfe, die Verwaltungsgerichte, der Verwaltungsgerichtshof, der Verfassungsgerichtshof, die Volksanwaltschaft und die von den Ländern für den Bereich der Landesverwaltung geschaffenen Einrichtungen mit gleichartigen Aufgaben wie die Volksanwaltschaft» (Art. 22a Abs. 1 B-VG i.d.F. RV); durch das Grundrecht verpflichtet werden aus dem ersten Kreis jedoch nicht auch die Gerichte (Art. 22a Abs. 2 B-VG i.d.F. RV). Unternehmen dagegen unterliegen nur dem Grundrecht, aber in abgeschwächter Weise. (Art. 22a Abs. 3 B-VG i.d.F. RV).
4.2.2.2.
Würdigung ^
[17]
Was die proaktive amtswegige Informationsverpflichtung anlangt, so bietet die diesbezügliche Ausführung62 keinen Anlass, die oben getroffene grundsätzlich positive Bewertung zu modifizieren. Bei der rechtstechnischen Aufzählung aller verpflichteten Organe sollte man jedoch bedenken, dass die gesonderte Erwähnung der VA und des RH neben den «Organen der Gesetzgebung» künftig ein Argument gegen deren bisherige staatsrechtliche Einordnung als «Hilfsorgane der Gesetzgebung»63 abgeben könnte.
[18]

Hinsichtlich des Grundrechts auf Information64 sucht man auch in den Erl. zur RV vergeblich eine explizite Begründung für die generelle Exemtion der Gerichtsbarkeiten. Andererseits führt die Einräumung subjektiver Rechte auf Information gegenüber «Organen der Gesetzgebung» zu Rechtsschutz-Problemen: Während die Erl. zur RV offenbar noch meinten, dass auch im Falle von Ansprüchen gegenüber «Organen der Gesetzgebung» die Verwaltungsgerichte zuständig wären65 – im Lichte etwa von VfSlg 19.112 äußerst problematisch – schlägt nun der Entwurf des IFG vor, mittels Verfassungsbestimmung jedweden Rechtsschutz überhaupt zu verweigern66! Eine derartige Selbst-Exemtion des Parlaments67 wäre wohl politisch höchst brisant. Als Korollar der beabsichtigten Ausweitung der grundrechtsverpflichteten Organe über die «Verwaltung» hinaus müsste vielmehr eine eigene verfassungsgerichtliche Kompetenz gegenüber der Legislative, nach dem Muster des gegenwärtigen Art. 138b B-VG (vgl. insbesondere dessen Abs. 2), neu geschaffen werden.

[19]
Wie bereits oben in Punkt 3.2. vermutet, wären künftig aufgrund des in Abs. 1 bzw. Abs. 3 jeweils enthaltenen generellen Verweises auf Abs. 2 sämtliche in Art. 22a Abs. 1 und Abs. 3 B-VG genannten Organe bzw. Rechtsträger in gleicher Weise zur Geheimhaltung verpflichtet.68 Für eine derartige Generalisierung der Pflicht der Amtsverschwiegenheit – zumindest auf alle Staatsorgane – mag es gute Gründe geben; sie widerspricht lediglich diametral dem Regierungsprogramm!
[20]
Künftig soll es auch einen Informationsanspruch gegenüber der Kontrolle des RH unterliegenden Unternehmen geben.69 Dieser weist nun eigentümliche Abweichungen vom Regelmodell auf: Einerseits ist dieser Informationsanspruch durch den Zusatztatbestand der «Vermeidung einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit» nicht nur sachlich eingeschränkt70, sondern es sollen offenbar bestimmte Gruppen von Unternehmen einfachgesetzlich bereits vollkommen ausgenommen werden.71 Andererseits ergibt sich eine eigenartige Asymmetrie des Rechtsschutzes: während nämlich der Informationsanspruch gegenüber Unternehmen, im Wege der Zivilgerichte72, letztlich vollstreckbar73 ist, wäre dies sogar hinsichtlich der bereits seit ca. 30 Jahren auskunftspflichtigen Verwaltungs-Organe nur dann erreichbar, wenn im Wege des Art. 94 Abs. 2 B-VG auch hiefür das Zivilgericht zur Behandlung einer Beschwerde gegen einen abschlägigen Bescheid oder – noch wesentlich effektiver – auch gegen administrative Säumnis bei der Informationserteilung für zuständig erklärt würde (was derzeit dem IFG freilich nicht zu entnehmen ist).74

4.3.

Die Oppositions-Entwürfe (IA Nr. 6 bzw. Nr. 18) ^

[21]
Beide Entwürfe beginnen mit dem Vorschlag einer – gänzlich gleichlautenden – Staatszielbestimmung «zur umfassenden Transparenz» «der Republik Österreich (Bund, Länder, Gemeinden)», die – hier folgen beide Entwürfe sichtlich dem Sprachgebrauch des Art. 1 Abs. 3 EUV bzw. des Art. 15 Abs. 1 AEUV – eine «möglichst weitgehende öffentliche Zurverfügungstellung aller Informationen betreffend staatliches Handeln» erfordere. Beide Entwürfe kennen weiters einen grundrechtlichen Anspruch auf Zugang zu Information – nur der Entwurf der NEOS nennt dieses Recht «Informationsfreiheit» – sowie Beschränkungen dieses Rechts, aus Gründen75, wie sie in etwa dem derzeit geltenden Katalog des Art. 20 Abs. 3 B-VG entsprechen. Allerdings leiden beide Entwürfe an zwei fundamentalen Inkonsequenzen: Die Katalog-Tatbestände greifen nur, wenn «sie ausdrücklich gesetzlich vorgesehen sind», öffnen also für den Fall legislativer Säumnis eine bedenkliche Lücke – und sie berechtigen nur zur Verweigerung des Zugangs zur Information, verpflichten aber nicht hiezu.76 Nur der NEOS-Entwurf enthält auch, wie der Regierungsentwurf, eine amtswegige «Veröffentlichungspflicht», während nur der Entwurf der GRÜNEN das durch den Entfall des letzten Satzes des Art. 20 Abs. 3 B-VG entstehende Problem künftiger Beschränkung des Informationsflusses «zwischen einem allgemeinen Vertretungskörper» und dem von diesem «bestellten Funktionär» zu lösen versucht (mittels sinngemäßer Erstreckung einer der bisherigen Regelung entsprechenden auch auf das Verhältnis der «Mitglieder der» BReg zum NR sowie der «vom Volk gewählten Bürgermeister gegenüber dem Gemeinderat»).77

5.

Fazit ^

[22]
Wenn sämtliche Entwürfe die Notwendigkeit der Geheimhaltung amtlicher Information unter bestimmten – gar nicht so weit auseinanderliegenden und im Prinzip der gegenwärtigen Rechtslage entsprechendenBedingungen anerkennen, dann wäre es wohl an der Zeit, sich einzugestehen, dass die Aufgabe einer ausreichend exakten Definition der eine Geheimhaltung erheischenden Tatbestände vom Verfassungsgesetzgeber bereits vor knapp dreißig Jahren in einer im Grundsatz nach wie vor gültigen Weise erledigt wurde, die Ambition einer darüber hinausgehenden, vollständigen «Ersetzung» der Amtsverschwiegenheit durch «Informationsfreiheit» daher ein in diesem Saeculum nicht mehr verwirklichbares Ideal darstelle.78
[23]
Darüber hinaus mag es sogar – zumal in den gegenwärtigen Zeiten einer erhöhten Gefährdung der inneren wie äußeren Sicherheit – gute Gründe geben, tatsächlich sämtliche Staatsorgane verfassungsrechtlich an die Wahrung der Amtsverschwiegenheit zu binden – dann sollte man aber auch dieses Ziel offen eingestehen.79 Im komplementären Bereich sowohl amtswegige wie grundrechtlich unterlegte Informationsverpflichtungen aller Staatsorgane zu schaffen, ist grundsätzlich gut und richtig.80 Allerdings hapert es hier gegenwärtig sogar noch im Kernbereich – dem materiell bereits längst bestehenden Auskunftsanspruch gegenüber der Verwaltung – an einem ausreichend effektiven Rechtsschutz. Vor allem hier wäre also verbessernd anzusetzen.
  1. 1 S. 91. Bei diesem – vom Bundespressedienst des BKA herausgegebenen und auf dessen Homepage unter «Dokumente aus der Bundesregierung» (https://www.bka.gv.at/site/3354/default.aspx ) auffindbaren – «Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013 – 2018» handelt es sich weder um einen Ministerratsbeschluss noch um eine Entschließung des Bundespräsidenten, sondern um einen «Vertrag», mit dem eine institutionenübergreifende «Zusammenarbeit» («in der Bundesregierung, im Parlament und in den Organen der Europäischen Union») zweier politischer Parteien i.S.d. PartG – der SPÖ und der ÖVP – «vereinbart» wurde, sohin um eine «Tätigkeit» i.S.d. § 1 Abs. 2 und 3 PartG, BGBl I 2012/56 (VB), die zwar (i) «auf eine umfassende Beeinflussung der staatlichen Willensbildung», also gerade auch der Gestaltung hoheitlicher Akte, durch einen nicht der öffentlich-rechtlichen Sphäre angehörigen Rechtsträger (vgl. Wieser, Glosse zu § 1 des Parteiengesetzes, BGBl 1975/404, Rz 67, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht. Kommentar [5. Lfg 2002]) abzielt (Abs. 2), dabei auch (ii) keiner Beschränkung durch besondere Rechtsvorschriften unterworfen werden» darf (Abs. 3; zur besonderen Problematik dieses Verbots – zumal ohne die gegenläufige Wirkung des vormaligen § 5 des Parteiengesetzes 1975 – vgl. Eisner/Kogler/Ulrich, Recht der politischen Parteien. Kommentar [2012], Rz 4 zu § 1 PartG, deren Rettungsversuche mich nicht überzeugen), mangels entsprechender spezifischer Regelung (ii) dieser eigentümlichen Tätigkeit (i) aber auch jedweder gerichtlicher Durchsetzbarkeit entbehrt. Dieser Umstand mag auf die Art der Textierung dieser «Normenkategorie» abgefärbt haben.
  2. 2 Semantisch spiegelt das eigentümliche, einen Anspruch auf staatliche Informationsleistung bezeichnende Verständnis des Begriffes «Informationsfreiheit» wohl einige jüngere Judikate des EGMR (zuletzt jenes vom 28. November 2013, Nr. 39534/07, Österreichische Vereinigung/Ö, siehe näher Balthasar, Right of Access to Information?, in: ders/Sully [Hrsg], Public Sector Information – Open Data – What is fair: Free Access or Fees? (2014), 17 ff., 19 f., do FN 16), oder britischen Sprachgebrauch (vgl. Worthy, Open Data in the UK: An Overview, in: Balthasar/Sully, a.a.O., 47 ff., 48: «… FOI is about legal rights to access information …») – wider.
  3. 3 Siehe ausführlich z.B. Buijze, The Principle of Transparency in EU Law (2013).
  4. 4 «The Scandinavian version of administrative law was making its influence …» (cit. Craig/De Burca, The Evolution of EU Law2 [2011], 452).
  5. 5 KOM(2001) 428 endgültig, ABl C 287, 1. Siehe hier insbesondere Punkt III/1.
  6. 6 Ein zwischenzeitlicher Vorschlag der Kommission vom 30. April 2008 KOM(2008) 229 endgültig auf Ersetzung der Transparenzverordnung wurde nicht weiterverfolgt.
  7. 7 Bereits die Erklärung Nr. 17 des Vertrages von Maastricht wollte keineswegs nur «das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Verwaltung» stärken, sondern ganz generell «den demokratischen Charakter der Organe». Dementsprechend verpflichtet Art. 15 AEUV grundsätzlich alle «Organe, Einrichtungen und Stellen der Union», bezieht insbesondere auch das Gesetzgebungsverfahren mit ein, Abs. 3 UAbs. 4 nimmt jedoch vom Anwendungsbereich des Abs. 3 explizit den Gerichtshof, die EZB und die EIB überall dort aus, wo diese Organe bzw. Einrichtungen keine «Verwaltungsaufgaben» besorgen.
  8. 8 Siehe insbesondere (i) Beschluss des Präsidiums des EP vom 15. April 2013 (2014/C 96/01), ABl C 96, 1; (ii) Beschluss des Rates vom 23. September 2013 (2013/488/EU), ABl L 274, 1; (iii) Beschluss (EU, Euratom) 2015/544 der Kommission vom 13. März 2015, ABl L 72, 53.
  9. 9 Art. 9 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 1049/2001 («Sensible Dokumente werden nur mit Zustimmung des Urhebers im Register aufgeführt oder freigegeben»). Lediglich für aus einem Mitgliedsstaat stammende Dokumente wurde die vormals auch hiefür bestanden habende strikte «Urheberregel» aufgeweicht (vgl. EuGH vom 18. Dezember 2007, C-64/05 P, IFAW/Kommission, in Auslegung des Art. 4 Abs. 5 reg cit und Abgrenzung zu Art. 9 Abs. 3 reg cit).
  10. 10 Nur die «beruflichen Vertretungen» sind lediglich «den ihnen jeweils Zugehörigen» gegenüber «auskunftspflichtig» (cit. Art. 20 Abs. 4 B-VG).
  11. 11 Auf Bundesebene: Art. 52 B-VG.
  12. 12 WV BGBl 1925/367.
  13. 13 Cit. RV 39 Blg NR XVII. GP, 2 (HniO).
  14. 14 327 Blg NR II. GP.
  15. 15 In der RV (siehe vorige FN) findet sich für die hier interessierende Änderung lediglich der ganz allgemeine Passus: «Endlich hat die Praxis während der nun viereinhalbjährigen Wirksamkeit des Bundes-Verfassungsgesetzes gezeigt, daß einige seiner Bestimmungen Lücken aufweisen oder zu Auslegungsschwierigkeiten Anlaß gaben, so daß es unabweisbar ist, bei der sich durch die eingangs erwähnten Notwendigkeiten ergebenden Gelegenheit seiner Novellierung auch diese Lücken auszufüllen und einige nicht ganz präzise Fassungen zu verbessern».
  16. 16 Siehe AB 422 Blg NR II. GP.
  17. 17 Als einzige Änderung wurde die zuletzt angeführte erwähnt, auch sie jedoch ohne jede inhaltliche Motivation.
  18. 18 Seitdem beschränkt auf die – im Zuge derselben Novelle erweiterte – Weisungsbindung in der Verwaltung (als Abs. 1) bzw. – seit BGBl 1975/302 (neugestaltet mit BGBl I 2008/2) – die weisungsfreien Behörden (Abs. 2).
  19. 19 Seit BGBl 1975/302 daher: Abs. 3.
  20. 20 Siehe gleich unten FN 25 (kursiv hervorgehobenen Passus aus § 23 Abs. 1 DP).
  21. 21 Zur seit 1848 zwischen «Staat» und «Gesellschaft» oszillierenden Stellung der «Gemeinde» siehe näher Balthasar, Gemeinde-Kooperation im Lichte der letzten B-VG-Novellen: in: KWG (Hrsg), Gemeindekooperationen – vom Kirchturmdenken zur vernetzten Region (2013), 21 ff., 22 ff.
  22. 22 Dies wohl vor dem Hintergrund entsprechender zeitgenössischer Erfahrungen, vgl. Köstler, Postgeheimnis – Amtsgeheimnis – Briefgeheimnis, ZÖR 1922, 352 ff., 365: «Was im einzelnen Falle als Amtsgeheimnis anzusehen ist, entscheidet die Dienstbehörde und nicht das Gericht.»
  23. 23 Der sachliche Anwendungsbereich dieser Durchbrechung des Amtsgeheimnisses im Verhältnis eines allgemeinen Vertretungskörpers gegenüber von ihm «bestellten Funktionären» wurde durch nachfolgende Änderungen – insbesondere die Bestellung der BReg durch den BPräs, aber auch die Direktwahl des BPräs wie von Bürgermeistern – erheblich eingeschränkt.
  24. 24 Soweit zu sehen, enthält keine einzige Verfassung eines der anderen EU-Mitgliedsstaaten eine dem Art. 20 Abs. 3 B-VG entsprechende Bestimmung; lediglich Art. 28 Abs. 4 UAbs. 3 der irischen Verfassung normiert eine nur schwer durchbrechbare «Vertraulichkeit der Beratungen» der Regierung. Dass gleichwohl auch sonst das Institut der Amtsverschwiegenheit existiert, zeigen die üblichen Ausnahmen eines Informationsanspruches (vgl. etwa Art. 41 Abs. 2 der bulgarischen, Art. 44 Abs. 2 der estnischen, Art. 47 Abs. 3 der finnischen, Art. 35 Abs. 6 bzw. Art. 156 lit d der portugiesischen, Art. 31 Abs. 3 der rumänischen oder Art. 105 lit b der spanischen Verfassung). Vgl. aber auch § 22 Abs. 2 Z 1 der schwedischen Verfassung («Gesetzesvorlagen» betreffend «Verbot der Offenlegung …»).
  25. 25 Zu diesem Zeitpunkt galt der mit «Amtsverschwiegenheit» überschriebene § 23 der Dienstpragmatik, RGBl 1914/15; nach dessen Abs. 1 hatte «der Beamte … über alle ihm in Ausübung des Dienstes oder mit Beziehung auf seine amtliche Stellung bekanntgewordenen Angelegenheiten, die im Interesse des Staates oder der Parteien oder sonst aus dienstlichen Rücksichten Geheimhaltung erfordern oder ihm ausdrücklich als vertrauliche bezeichnet worden sind, gegen jedermann, dem er über diese Angelegenheiten eine amtliche Mitteilung zu machen nicht verpflichtet ist, strengstes Stillschweigen zu beobachten.» Zur langen, jedenfalls bis ins 18. Jahrhundert zurückreichenden Tradition solcher dienstrechtlicher Vorschriften siehe Stubenrauch, Handbuch der österreichischen Verwaltungs-Gesetzkunde I2 (1856), 170 f.; vgl. auch Layer, Staatsdienst, 314ff, 321, in: Mischler/Ulbrich (Hrsg), Österreichisches Staatswörterbuch IV2 (1909) und Köstler, ZÖR 1922, 361 ff.
  26. 26 Soweit der Bruch des Amtsgeheimnisses «gefährlicherweise» erfolgte, konnte er § 102 lit c StG («Besondere Fälle» des Verbrechens des Amtsmissbrauches) verwirklichen (siehe Stubenrauch, Handbuch, 171; Ehmer, Die Dienstpragmatik [1914], 37); allerdings enthält sich nicht nur Layer, Staatsdienst, 321, jeden Hinweises auf eine strafrechtliche Sanktion, sondern es findet sich auch umgekehrt bei Altmann/Jacob/Weiser (Hrsg.), Die österreichische Strafgesetzgebung7 (1931), keinerlei Verweis auf § 23 DP, lediglich ein solcher auf §§ 649 f. StG (Militärstrafrecht) sowie auf Spezialgesetze («nicht verbrecherische, gerichtlich strafbare Fälle der Verletzung von Amtsgeheimnissen»).
  27. 27 Wie aus der Beilage lit b zum Gesetz RGBl 1873/47 ersichtlich, war der Ministerpräsident – als einziger – in die höchste (die I.) Rangsklasse eingereiht, die übrigen Minister (zusammen mit den Präsidenten des OGH bzw. des Obersten Rechnungshofes) in die II. Erst die DP statuierte in ihrem Art. I Abs. 2, dass von ihr u.a. «die Minister und die mit der selbständigen Leitung eines Ministeriums betrauten Beamten …» ausgenommen sein sollten.
  28. 28 Immerhin betont nicht nur Layer (Staatsdienst, 321) den engen Konnex zwischen Amtsverschwiegenheit und Kaisertreue, sondern er ist auch aus dem Aufbau der DP selbst, wo die Amtsverschwiegenheit als eine der «Allgemeinen Pflichten» des II. Abschnitts des Ersten Hauptstücks aufscheint, dieser Abschnitt aber mit dem ersten Satz des § 21 DP («Der Beamte ist verpflichtet, dem Kaiser treu und gehorsam zu sein …») beginnt, ersichtlich; der Verfassungsgesetzgeber mochte also durchaus Grund zur Befürchtung haben, dass die staatsrechtliche Umwälzung auch in der Beamtenschaft zu einem Nachlassen der Disziplin führen könnte.
  29. 29 Die Amtsverschwiegenheit galt «nur gegen jedermann, dem» der Beamte «über diese Angelegenheiten eine amtliche Mitteilung zu machen nicht verpflichtet ist.» (siehe oben FN 25).
  30. 30 Diese war ihm auch sichtlich so wichtig, dass er sie im AB immerhin eigens erwähnte (siehe oben FN 17).
  31. 31 Dieser Begriff des Regierungsprogramms ist zwar, wie gezeigt, nicht ein österreichischer terminus constitutionalis, er schien jedoch etwa in § 23 Abs. 2 DP auf (vgl. auch noch heute etwa § 320 Z 3 ZPO oder § 13 Abs. 2, Abs. 3 AHG).
  32. 32 Diese attributive Restringierung wurde mit der Novelle 1987/285 eingefügt.
  33. 33 Zu weiteren Teilbereichen siehe unten FN 55.
  34. 34 Ein solcher Schritt stellte nur die vor 1925 auch in Österreich bestanden habende diesbezügliche verfassungsrechtliche Normalität wieder her.
  35. 35 Vgl. derzeit insbesondere § 46 BDG, § 58 RStDG.
  36. 36 Vgl. derzeit insbesondere §§ 252, 310 StGB.
  37. 37 Vgl. die Erl. zur RV, 3 («Kein eigener Ausnahmetatbestand soll zu Gunsten von unionsrechtlichen Geheimhaltungs- bzw. Veröffentlichungsvorschriften normiert werden, da für diese ohnehin der unionsrechtliche Anwendungsvorrang zum Tragen kommt»). Siehe aber, wenngleich nur für «Dienststellen des Bundes», das InfoSiG, BGBl I 2002/23.
  38. 38 Siehe oben FN 25.
  39. 39 Explizit sollen ja «alle Organe der Gesetzgebung und Verwaltung sowie Unternehmungen, die der Kontrolle der Rechnungshöfe unterliegen», einbezogen werden.
  40. 40 Siehe etwa Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht4 (2013), Rz 89, 95.
  41. 41 Nicht zuletzt folgt ja auch das bei uns übliche «Regierungsprogramm», in seiner selbstverständlichen Einbeziehung der Gesetzgebung (siehe oben FN 1), diesem – einem «parlamentarischen Regierungssystem» wesensgemäßen – Funktionswandel.
  42. 42 Auch nach der Überführung der gerichtsförmigsten Verwaltungsbehörden in die Verwaltungsgerichtsbarkeit bzw. der Auflassung einer Reihe gerichtsähnlicher Sonderbehörden und der weitestgehenden Streichung des administrativen Instanzenzuges verbleiben Gleichartigkeiten, insbesondere bei der Führung von Verwaltungsverfahren erster Instanz, gerade auch durch Behörden i.S.d. Art. 20 Abs. 2 B-VG.
  43. 43 Zu denken wäre dabei insbesondere an deren «Hilfsorgane» RH und VA (siehe unten FN 63).
  44. 44 Naheliegenderweise derjenige der «Vorbereitung einer Entscheidung» oder, davon losgelöst, jener «im Interesse» zumindest einer «Partei».
  45. 45 Siehe bereits Bertel, Informationsfreiheit statt Amtsgeheimnis?, Art. 22a B-VG neu auf dem Prüfstand, JRP 2014, 203 ff.; ÖJT (Hrsg.), Amtsgeheimnis und Informationsfreiheit (2015); Parycek/Rinnerbauer/Domnik, Informationsfreiheit im Rechtsvergleich: Österreich, Hamburg, Slowenien, IRIS 2015, 197 ff.
  46. 46 http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00006/imfname_329768.pdf .
  47. 47 http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00018/fname_329851.pdf.
  48. 48 http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/AUA/AUA_00001/.
  49. 49 Im Folgenden: IFG.
  50. 50 Nur unwesentlich anders § 5 IFG: «… soweit sie nicht der Geheimhaltung unterliegen».
  51. 51 Siehe auch bereits Berka in ÖJT, Amtsgeheimnis, 18 f. Nur am Rande sei außerdem erwähnt, dass im vorgeschlagenen Art. 22a Abs. 2 B-VG auch die derzeit in Art. 20 Abs. 3 B-VG enthaltene Restriktion, dass die «Tatsache» dem «Organ» «ausschließlich aus» seiner «amtlichen Tätigkeit bekannt geworden» war, fehlt.
  52. 52 § 3 Abs. 1 Z 5 IFG bringt hier eine demonstrative (arg: «insbesondere») Aufschlüsselung; danach wären von diesem letzteren Tatbestand jedenfalls erfasst (i) Handlungen oberster Organe i.S.d. Art. 19 Abs. 1 B-VG, (ii) «behördliche oder gerichtliche Verfahren», (iii) parlamentarische Akte. Nicht explizit genannt sind dagegen Akte der VA oder des RH oder von Organen i.S.d. Art. 20 Abs. 2 B-VG, insoweit diese nicht «behördlich» tätig werden.
  53. 53 Ein sachlicher Grund hiefür wäre freilich nicht leicht ersichtlich; auch wenn die Formulierung dem Art. 23e Abs. 3 B-VG entnommen sein sollte – dort hat sie offensichtlich eine ganz andere Zielrichtung.
  54. 54 Ein sachlicher Grund für die Restriktion sticht freilich weder ins Auge noch wird er in den Erläuterungen benannt.
  55. 55 § 3 Abs. 1 Z 7 IFG schlüsselt diesen Begriff demonstrativ (arg: «insbesondere») näher auf in (i) «zur Wahrung von Berufs-, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen», (ii) «zur Wahrung des Grundrechts auf Datenschutz», (iii) «zur Wahrung der Rechte am geistigen Eigentum».
  56. 56 Dies wurde aber auch bisher schon so gesehen (siehe Mayer/Muzak, B-VG. Kurzkommentar5 [2015], 161 f.).
  57. 57 Der bisherige Gesetzesvorbehalt («soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist») ermächtigte ja, dem VfGH zufolge, lediglich zur Einschränkung, nicht jedoch auch zur Ausweitung der verfassungsrechtlichen Tatbestände (siehe Mayer/Muzak, B-VG. 160 f.; deswegen auch krit. Berka in ÖJT, Amtsgeheimnis, 19). Im Entwurf des IFG findet sich dieser Tatbestand ebenfalls, jedoch nur mehr in eckigen Klammern (§ 6 Abs. 1 Z 8).
  58. 58 Dieser zusätzliche Satz soll lauten: «Dabei» – d.h. bei der Ausübung des im derzeit einzigen Satz des Abs. 4 gegenständlichen «Fragerechts» – «sind die Gründe und Interessen gemäß Art. 22a Abs. 2 entsprechend zu beachten.» Dies könnte nunmehr allerdings auch im Wege des Art. 30a B-VG geschehen (siehe unten FN 68 und 79).
  59. 59 Auch künftig wäre daher hier «die … Amtsverschwiegenheit zu wahren», cit. Mayer/Muzak, B-VG, 265, mit Blick auf die gegenwärtige Rechtslage bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen (dazu offenbar a.A. Lienbacher, XVIII. ÖJT I/2, 17 ff., 29 ff., 53 f.) . Ein zweifelfreies Sonderregime zugunsten des NR besteht derzeit lediglich nach Art. 52a Abs. 2 bzw. nach Art. 53 Abs. 3 und Abs. 4 B-VG (vgl. dazu auch VfGH 15. Juni2015, UA 2/2015 u.a.).
  60. 60 Insbesondere für die Mitglieder einer Landesregierung oder eines Gemeindevorstandes, aber – künftig (siehe gleich Punkt 4.2.2.2.) – auch etwa für RH und VA (!)
  61. 61 Siehe zu dieser Kommunikation näher Balthasar, Ist die Struktur der österreichischen Bundesregierung noch zeitgemäß?, in: ders./Bußjäger/Matzka (Hrsg.), Effiziente Regierungsorganisation (2015), 83 ff., 91.
  62. 62 Siehe, auf der Ebene des IFG, dessen § 4, wo sich freilich einerseits nähere – keineswegs unaufwendige – Spezifizierungen (z.B. «im Internet und barrierefrei»), andererseits weitreichende Einschränkungen («nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten», «soweit damit kein unverhältnismäßiger Aufwand verbunden ist») finden.
  63. 63 Vgl. etwa VfSlg 15.127 (betreffend VA) oder 15.130 (betreffend RH).
  64. 64 Nur am Rande sei angemerkt, dass offenbar immer noch (vgl. bereits Bertel, JRP 2014, 209; Berka in ÖJT, Amtsgeheimnis, 17 f.) eine gewisse Unsicherheit darüber herrscht, was eigentlich unter dem Begriff «Information» zu verstehen sei: «(gesichertes) Wissen» bzw. «Tatsachen» (vgl. den zweiten und dritten Satz des ersten Absatzes der Erl. zu Z 2 der RV) – wie dies dem bisherigen Begriff der «Auskunft» entsprach; oder doch nur «Aufzeichnungen», also «Dokumente» i.S.d. Art. 15 Abs. 3 AEUV (so der erste Satz des ersten Absatzes der Erl. zu Z 2 der RV und § 2 IFG). Sollte sich die Fokussierung auf «Aufzeichnungen»/«Dokumente» durchsetzen: Wie steht es mit über den dienstlichen e-mail-account abgewickeltem dienstlichen e-mail-Verkehr, ja wie um über private e-mail-Adressen geführte Korrespondenz mit zumindest auch dienstlichem Inhalt? Das IFG trägt zur Klärung dieser Frage nichts bei.
  65. 65 Siehe RV 395 Blg NR XXV. GP, 1, letzten Absatz zu Z 2 (Art. 22a), ohne jede Differenzierung hinsichtlich der Art. der belangten Organe: «Entscheidungen über die Verweigerung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Zugang zu Information gemäß Abs. 2 unterliegen der unabhängigen Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte …».
  66. 66 Nach § 11 Abs.2 IFG wäre, «…[w]ird der Zugang zu Informationen über Akte der Gesetzgebung nicht erteilt, …kein Bescheid zu erlassen» – womit es von vorneherein an einem tauglichen Beschwerdegegenstand mangelte.
  67. 67 Mit Wirkung auch für die Landtage, offenbar aber nicht auch für die bisher der Staatsfunktion «Gesetzgebung» zugezählten «Hilfsorgane» RH und VA.
  68. 68 So auch, ganz generell, § 6 Abs. 1 IFG: «Nicht zur Veröffentlichung bestimmt und nicht zugänglich zu machen sind Informationen, soweit und solange… .» Vgl. mittlerweile auch bereits Art. 30a B-VG i.d.F. BGBl I 2014/102 und das darauf gestützte InfOG, BGBl I 2014/102.
  69. 69 Art. 22a Abs. 3 B-VG i.d.F. RV, § 14 IFG.
  70. 70 Hier wäre m.E. allerdings zu prüfen, ob es sachlich gerechtfertigt sei, diesen Tatbestand nicht auch dem Bund/Ländern/Gemeinden zu gewähren, zumal angesichts der ihnen durch Art. 17 bzw. Art. 116 Abs. 2 B-VG ausdrücklich eröffneten Möglichkeit privatwirtschaftlicher Tätigkeit.
  71. 71 Siehe § 14 Abs. 2 IFG. Da stellte sich dann doch die Frage, ob man auf die Einbeziehung von rechtlich selbständigen Unternehmen nicht lieber überhaupt gänzlich verzichten sollte.
  72. 72 Siehe § 14 Abs. 6 IFG.
  73. 73 § 1 Z 1 i.V.m. § 353 bzw. § 354 EO.
  74. 74 Allerdings entfiele dann der Beschwerderechtszug zum VfGH. Zur gegenwärtigen unbefriedigenden Situation verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes siehe gleich unten FN 77.
  75. 75 Nötig soll freilich «eine unmittelbare und schwerwiegende Gefahr» für die öffentlichen Interessen sowie, für alle Tatbestände, die «zwingende Erforderlichkeit im Einzelfall», sein.
  76. 76 Entweder wiegen die Katalog-Gründe schwer, dann gäbe es keine sachliche Rechtfertigung für die Unterlassung einer Verpflichtung zur Geheimhaltung; oder eine amtswegige Veröffentlichung begegnet keinen Bedenken – warum sollte dann eine Verweigerung eines ausdrücklichen Informations-Begehrens statthaft sein?
  77. 77 Die Erl. des Entwurfes der GRÜNEN verweisen zum einen auf die in der Tat gegenwärtig unbefriedigende Situation des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes gegenüber rechtswidrigerweise verweigertem Auskunftsbegehren (Hw auf VwGH 11. November 1997, 97/01/0845; 28. November 2006, 2006/06/0115), freilich ohne selbst diesbezüglich irgendeine Abhilfe anzubieten. Zum andern beruft sich der Entwurf auf einen Passus in einem «Evaluierungsbericht Österreich» der «Staatengruppe gegen Korruption» (GRECO) des Europarates vom 13. Juni 2008, Zl Greco Eval I-II Rep (2007) 2E, dessen Verfasser allerdings in diesem Punkt keinerlei eigenständige Analyse der österreichischen Rechtslage vornahmen, sondern sich aufs Hörensagen verließen, weshalb ihnen sichtlich entging, dass der materielle Teil ihrer Empfehlung (Schaffung präziser Verschwiegenheitstatbestände) bereits längst – seit knapp dreißig Jahren – verwirklicht ist (!)
  78. 78 Siehe oben FN 24; vgl. auch Bertel, JRP 2014, 210, zur Sinnhaftigkeit der in Rede stehenden «Ausnahmen» bzw. Parycek et al, IRIS 2015, 203, zur «gewissen Parallelität» dieser mit jenen Hamburgs bzw. Sloweniens. Vgl. auch Berka in ÖJT, Amtsgeheimnis, 14, zum «tief greifenden Vertrauensverlust» als Motor des «Transparenzzwangs» bzw. zu den «Paradoxa der Informationsgesellschaft».
  79. 79 Gerade dann, wenn auch das Parlament einer Pflicht zur Geheimhaltung unterworfen wird, lässt sich jedoch – entgegen der vorliegenden RV – ein ungehinderter Informationsfluss von der jeweiligen Reg zum jeweiligen Parlament umso leichter vertreten. So, mit Blick auf Art. 30a B-VG, auch Hesse, in: ÖJT, Amtsgeheimnis, 13.
  80. 80 Zur – in keinem der hier behandelten Entwürfe angeschnittenen – Frage, ob diese staatliche Information kostenlos oder gegen eine angemessene Gebühr abzugeben sei, siehe bereits Alexander Balthasar/Alexander Prosser, Open Data = All Public Data for Free? Fragen anhand der bevorstehenden Änderung der PSI-Richtlinie, IRIS 2013, 295 ff.