1.
Die Vision ^
2.
Die Realität ^
3.
Die Entwicklung ^
Damit wurden die gesetzlichen Voraussetzungen soweit geschaffen, als es das föderalistische Gerichtssystem zulässt. In einem nächsten Schritt sollen nun Behörden und professionelle anwaltliche Vertreterinnen und Vertreter zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs und zur elektronischen Aktenführung (E-Justice) verpflichtet werden.
4.
Der Anspruch ^
Eine Allianz von Bundesgericht, zahlreichen kantonalen Gerichten, kantonalen Oberstaatsanwaltschaften sowie schweizerischer Richterschaft und Schweizerischem Anwaltsverband hat sich im Herbst 2016 an die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und direktoren (KKJPD) gewandt. Die KKJPD ist an ihrer Herbstversammlung vom November 2016 einstimmig zum Schluss gekommen, dass eine rechtliche Grundlage für die Einführung eines Obligatoriums zur Nutzung von E-Justice im Bereich der Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichte sowie der Strafverfolgungsbehörden geschaffen werden soll.
5.
Die Umsetzung ^
Die rechtlichen Grundlagen für die Einführung eines Obligatoriums zur Nutzung von E-Justice im Bereich der Zivil-, Straf- und Verwaltungsgerichte sowie der Strafverfolgungsbehörden sollen im Rahmen eines eigenen Gesetzgebungsprojektes geschaffen worden. Die derzeit bereits bearbeiteten Revisionen der StPO10 und der ZPO11 sind dafür nicht geeignet, da es sich hier um eine Querschnittsfrage handelt. Zudem stellen sich insbesondere für den Bereich des Verwaltungsverfahrens (u.a. VwVG12 und Sozialversicherungsrecht13) verschiedene Fragen, die den Umfang der Revision StPO resp. ZPO sprengen. Derzeit wird geprüft, ob gesetzestechnisch ein Mantelerlass mit dem Sammeltitel «E-Justice-Gesetz» die richtige Form sei.
5.1.
Minimalvariante ^
5.2.
Maximalvariante ^
Jeder Vorgang wird auch dahingehend geprüft, ob eine handschriftliche Unterschrift, bzw. eine digitale Signatur tatsächlich nötig ist, oder ob die sichere elektronische Identifizierung bei der anerkannten Zustellplattform mittels einer anerkannten E-ID ausreichend ist. Heute wird davon ausgegangen, dass das E-ID-Gesetz14 bis zur parlamentarischen Behandlung des E-Justice-Gesetzes in Kraft ist.
Zwischen den Teilsystemen von E-Justice bestehen zahlreiche Wechselwirkungen. Typischerweise lässt sich jedes Teilsystem nur dann effizient elektronisch betreiben, wenn auch die umgebenden Prozesse elektronisch ablaufen, bzw. wenn auch alle Beteiligten elektronisch arbeiten. Allenfalls werden deshalb die nötigen rechtlichen Vorkehrungen getroffen, um die Voraussetzungen für eine zentral zugängliche Aktenführung mit Akteneinsicht und Vorgaben zur elektronischen Archivführung zu schaffen. Damit würde die Motion 12.4139 «Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs»15 vollumfänglich erfüllt.
5.3.
Koordination ^
- im Programm HIS – Harmonisierung der Informatik in der Strafjustiz wird die Vernetzung von Kantonsbehörden, Bundesbehörden, den Polizeikorps und den Staatsanwaltschaften vorangetrieben;
- bereits seit 2011 vernetzen sich die Polizeikorps im Programm HPI – Harmonisierung der Polizeiinformatik; und
- das Projekt «eJus2020» befasst sich mit der Digitalisierung aller Bereiche der Justiz, insbesondere mit der Umstellung der gesamten schweizerischen Justizlandschaft auf die elektronische Dossierbearbeitung.
6.
Die Zukunft ^
Nach dem Vernehmlassungsverfahren und der Erarbeitung der Botschaft liegt es in den Händen des Parlaments, den Gesetzgebungsprozess zügig voranzutreiben. Vor 2021 ist jedoch nicht mit dem Inkrafttreten eines E-Justice-Gesetzes zu rechnen.
Prof. Dr. iur. Rechtsanwalt Martin Dumermuth, Direktor des Bundesamtes für Justiz BJ und Präsident des Vereins eJustice.CH.
Lic. iur. Sandra Eberle, juristische Sachbearbeiterin im Fachbereich Rechtsinformatik des BJ.
- 1 Der Vorentwurf zum Bundesgesetz über anerkannte elektronische Identifizierungsmittel, E-ID-Gesetz, ist derzeit in Vernehmlassung. Die Vernehmlassungsunterlagen und weitere Informationen zum Projekt finden sich hier: https://www.bj.admin.ch/bj/de/home/staat/gesetzgebung/e-id.html (alle Internetadressen aufgerufen am 18. April 2017).
- 2 Der Verein eJustice.CH verfolgt den Zweck, den Einsatz von Informationstechnologie zur Steigerung der Leistungsfähigkeit und Bürgernähe im Justizbereich zu fördern. Er vereint die Gerichte des Bundes und einer Vielzahl von Kantonen, den schweizerischen Anwalts- resp. Notarenverband, als auch weitere in diesem Prozess wichtige Organisationen (Bundesamt für Justiz BJ, KKJPD, IT-Dienstleisterinnen) im Bereich der Justiz und der Rechtsinformatik und kann deshalb zu einem gemeinsamen Grundverständnis und einer zielführenden Zusammenarbeit aller Akteurinnen und Akteure beitragen.
- 3 http://www.ejustice.ch/de/vision_schweiz.html.
- 4 https://rechtsinformatik.ch/. Einige der an der Tagung für Informatik und Recht gehaltenen Vorträge sind in dieser Ausgabe von Jusletter IT als Podcasts verfügbar.
- 5 2011: 18 von 7‘419 Eingängen, 2012: 25 von 7‘871 Eingängen, 2013: 30 von 7‘919 Eingängen, 2014: 25 von 7‘703 Eingängen, 2015: 39 von 7‘853 Eingängen, 2016: 38 von 7‘743 Eingängen. Quelle: Geschäftsberichte des Bundesgerichts http://www.bger.ch/index/federal/federal-inherit-template/federal-publikationen/federal-pub-geschaeftsbericht.htm.
- 6 Mehr Informationen zum Projekt eSchKG unter www.eschkg.ch.
- 7 Bundesgesetz vom 18. März 2016 über Zertifizierungsdienste im Bereich der elektronischen Signatur und anderer Anwendungen digitaler Zertifikate, Bundesgesetz über die elektronische Signatur (ZertES, SR 943.03).
- 8 Z.B. Art. 130 Abs. 2 Schweizerische Zivilprozessordnung vom 19. Dezember 2008, Zivilprozessordnung (ZPO, SR 272) und Art. 110 Abs. 2 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007(StPO, SR 312.0).
- 9 Verordnung vom 18. Juni 2010 über die elektronische Übermittlung im Rahmen von Zivil- und Strafprozessen sowie von Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren (VeÜ-ZSSV, SR 272.1).
- 10 Motion 14.3383 (Mo RK-S), Anpassung der Strafprozessordnung.
- 11 Motion 14.4008 (Mo RK-S), Anpassung der Zivilprozessordnung und Postulat 14.3804 (Po Vogler), Zivilprozessordnung. Erste Erfahrungen und Verbesserungen.
- 12 Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren vom 20. Dezember 1968, (VwVG, SR 172.021).
- 13 U.a. Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG, SR 830.1).
- 14 Stand der Arbeiten: Vernehmlassungsfrist bis Ende Mai 2017, danach Entscheid über das weitere Vorgehen und ggf. Erarbeitung der Botschaft.
- 15 Motion 12.4139 (Mo Bischof Pirmin), Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs; vgl. Bericht in Erfüllung der Mo Bischof, https://www.bj.admin.ch/dam/data/bj/staat/rechtsinformatik/e-akteneinsicht/ber-motion-d.pdf.