Jusletter IT

Die österreichische E-Zustellung im internationalen Vergleich

  • Author: Markus Knasmüller
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Government
  • Collection: Conference Proceedings IRIS 2017, Peer Reviewed – Jury LexisNexis Best Paper Award of IRIS2017
  • Citation: Markus Knasmüller, Die österreichische E-Zustellung im internationalen Vergleich, in: Jusletter IT 23 February 2017
Die österreichische E-Zustellung ist technisch weit fortgeschritten, den Behörden ist es schon seit 2004 möglich, eingeschriebene behördliche Schriftstücke (RSa oder RSb) auch elektronisch zu verschicken. Ebenso wurde auch durch die WKO ein elektronisches Zustellsystem entwickelt, das sowohl Unternehmen als auch Privatpersonen nutzen können. Dennoch sind diese Systeme noch wenig bekannt und viel zu selten benutzt. In diesem Artikel wird das österreichische System verglichen mit denen anderer europäischen Länder (insbesondere Nachbarländer und Skandinavien). Während etwa in Deutschland mit De-Mail ebenso die Verwendungshäufigkeit deutlich hinter den Erwartungen liegt, hat sich in Skandinavien das System der E-Zustellung schon sehr weit entwickelt, sodass daraus für Österreich auch einige Lehren gezogen werden können. Aber auch aus anderen Ländern können erfolgreiche Beispiele vorgestellt werden, etwa das italienische PEC-Postfach oder die tschechische Datové schránky.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Das System der E-Zustellung in Österreich
  • 3. Deutschland und Schweiz
  • 4. Skandinavien
  • 5. Estland
  • 6. Italien
  • 7. Weitere Beispiele
  • 8. Zusammenfassung

1.

Einleitung ^

[1]

Das Austauschen von schriftlichen Nachrichten ist sowohl im privaten als auch im geschäftlichen Bereich wesentlich. Die Art und Weise wie derartige Nachrichten aber ausgetauscht werden, hat sich in den letzten Jahren deutlich geändert. Waren es früher Briefe, Telegramme oder Faxe, so haben diese von der Anzahl her nun deutlich abgenommen, etwa transportiert die österreichische Post in den letzten Jahren jährlich 3–5% weniger Briefe1. Nunmehr sind Medien wie E-Mail, WhatsApp oder auch Foren wie Facebook hier maßgebend, einerseits, weil es natürlich deutlich schneller geht, andererseits, weil de facto keine Kosten entstehen. Gerade aber letzteres birgt auch große Nachteile, diese Medien (insbesondere E-Mail) werden auch für Werbesendungen und da aller Art, sogenannte Spam-Mails, missbraucht. Diese sind im Verhältnis zu den wesentlichen Nachrichten schon in einem derartigen Übermaß vorhanden, dass relevante Nachrichten oft übersehen werden. Auch ist ein Nachweis, dass ein Schreiben tatsächlich angekommen ist, nicht so einfach möglich, wie es etwa bei Einschreiben der Post (evtl. mit Rückschein) der Fall ist. Auch ein Nachweis, welches Dokument übermittelt worden ist, ist nur sehr eingeschränkt möglich, da natürlich elektronische Nachrichten, fast beliebig manipuliert werden können2. Genau bei diesen Problemen setzen E-Zustellungs-Systeme an, mit dem Ziele sensible Dokumente und solche, bei denen der Absender eine Bestätigung über die Zustellung und den Erhalt durch den Empfänger benötigt, auf elektronischem Weg genauso sicher und nachvollziehbar an den Empfänger zu übermitteln, wie bei einem eingeschriebenen Brief. Auch werden teilweise Prüfziffern für den Inhalt ermittelt, sodass auch der Sender nachweisen kann, welchen Inhalt der übermittelte Text hat. Bei diesen Zustelldiensten ist meist zwischen privaten (für übliche private oder auch geschäftliche Schreiben) und staatlichen (für behördliche) Dokumente zu unterscheiden.

[2]
In nahezu allen europäischen Staaten wurden in den letzten Jahren dabei entsprechende Projekte gestartet, allerdings mit durchaus unterschiedlichen Fortschritten. Im Folgenden wird dabei zuerst das österreichische System der E-Zustellung vorgestellt, um danach auf Systeme in anderen Ländern näher einzugehen. Eine Zusammenfassung, die vor allem Anregungen für das österreichische System auf Grund der Erfahrungen der anderen Länder zeigen soll, rundet diesen Artikel ab.

2.

Das System der E-Zustellung in Österreich ^

[3]
Österreich hat generell im Bereich des e-Government mit Werkzeugen wie FinanzOnline, der Handy-Signatur oder dem Unternehmens-Service-Portal durchaus eine Führungsposition inne. Auch hat die verpflichtende Einführung der e-Rechnung an den Bund durch § 5 (2) des IKT-Konsolidierungsgesetzes und, wenn auch vielleicht als wenig populäre Maßnahme, die Registrierkassensicherheitsverordnung zu einem Digitalisierungsschub in den österreichischen Unternehmen geführt.
[4]
Auch die behördliche E-Zustellung wurde bereits 2004 durch eine Änderung des Zustellgesetzes3 eingeführt. Dabei ist eine kostenfreie Anmeldung bei einem elektronischen Zustelldienst möglich und eine Vielzahl behördlicher Dokumente (wie etwa Strafregisterauszug, Meldebestätigung) kann dann elektronisch über dieses Postfach empfangen werden. Sobald das Dokument beim Zustelldienst einlangt, erhält der Teilnehmer eine Verständigung per E-Mail oder SMS. Anschließend kann das Dokument heruntergeladen, angesehen, weitergeleitet, ausgedruckt oder archiviert werden.
[5]
Davon sind auch und insbesondere die behördlichen Rückscheinbriefe (RSa und RSb) betroffen, die teilweise (RSa) nur dem Empfänger selbst ausgehändigt werden dürfen. Dies führt natürlich im Falle des traditionellen Postweges häufig dazu, dass eine Zustellung nicht möglich ist, wodurch der Brief beim zuständigen Postamt hinterlegt wird. Dies ist in Folge mit zusätzlichem Mehraufwand für den Empfänger sowie auch einer zeitlichen Verzögerung verbunden. Der Empfang derartiger Schreiben ist möglich, wenn sich der Empfänger durch Handy-Signatur beziehungsweise Bürgerkarte identifiziert.
[6]
Zukünftig soll eine Pflicht für Behörden bestehen, Nutzerinnen und Nutzern eines digitalen Postfaches Briefpost als E-Zustellung zusenden zu müssen. Auch eine Antwortmöglichkeit auf behördliche E-Zustellungen ist angedacht.
[7]
Um eine Zulassung als elektronischer Zustelldienst zu erlangen, müssen die Zustelldienste die in der Zustelldiensteverordnung festgelegten Zulassungsvoraussetzungen erfüllen. Dabei handelt es sich um eine technische Spezifikation, die unter anderem Regelungen über die Kommunikation, über das LDAP-Schema sowie die Abfragemöglichkeiten des Verzeichnisdienstes und über die Schnittstelle zwischen Zustellserver und Zustellkopf enthält.
[8]
Parallel zur behördlichen E-Zustellung gibt es auch die privatwirtschaftliche E-Zustellung, die von der Wirtschaftskammer Österreich gemeinsam mit AUSTRIAPRO, der österreichischen IT-Standardisierungs-Organisation, entwickelt wurde und sowohl von Unternehmen als auch Privatpersonen genutzt werden kann. Zustelldienste im Rahmen dieses standardisierten, offenen Systems können von privaten Unternehmen/Organisationen betrieben werden, die einen Vertrag mit der WKO unterschrieben und sich verpflichtet haben, alle notwendigen Spezifikationen und Sicherheitskriterien zu erfüllen, wobei bisher ein Zustelldienst in Betrieb ist4. Das System der Zusammenarbeit mit den Zustelldiensten ist dabei durch das Rulebook der Wirtschaftskammer Österreich «System private E-Zustellung in Österreich» geregelt. Dieses Rulebook regelt dabei die Aufgaben des Zustellkopfes, des Absendedienstes, des Zustelldienstes und der Benutzer, die als Sender oder Empfänger auftreten können. Benutzer kann jede natürliche oder juristische Person sein und ist durch Anmeldung bei mindestens einem Dienst sowohl Versender als auch Empfänger. Die Dienste verpflichten sich die verschiedensten Attribute der Benutzerdaten (z.B. Name, Geburtsdatum, Vertreterbefugnis bei juristischen Personen) bei der Registrierung durch vorgelegte Dokumente sorgfältig zu überprüfen. Jedem Benutzer ist es dann möglich unter allen registrierten Benutzern aller Zustelldienste zu suchen.
[9]
Es gibt dabei verschiedene Vertrauensstufen, die festlegen, ob die Anmeldung etwa mit E-Mail-Adresse/Username und Passwort oder mit Bürgerkarte/Handy-Signatur erfolgen muss. Beim Versenden einer Nachricht kann dabei festgelegt werden, in welcher Vertrauensstufe dies erfolgen soll. Der Sender erhält demnach auch eine Empfangsbestätigung und kann somit bei höchster Vertrauensstufe nachweisen, dass eine Nachricht empfangen wurde und dies schneller und zu deutlich günstigeren Kosten als bei traditionellen Einschreiben.
[10]
Das Rulebook regelt auch die Sicherheit des Systems und wie die Abholung der Dokumente vor sich gehen sollte. Ebenso finden sich Regeln für die interne Verrechnung, die Aufbewahrungspflichten und für einen etwaigen Untergang oder eine Einstellung eines Diensts. Eine wesentliche Rolle kommt dabei dem Zustellkopf zu. Dieser ist verantwortlich für das Speichern und Übermitteln der Adressierungsinformationen, der Suche von Empfängern über alle Zustelldienste, die Übermittlung entsprechender Fehlermeldungen und die Verrechnung der Zustellleistungen zwischen den beteiligten Diensten. Verantwortlich für diesen Zustellkopf ist die Wirtschaftskammer Österreich, diese schließt auch Verträge mit den Zustelldiensten ab. Bei vorübergehender Abwesenheit kann dies dem Zustelldienst gemeldet werden und somit werden keine Sendungen zugestellt, wodurch Fristen nicht zu laufen beginnen. Ein Empfänger kann dabei aber auch festlegen, welche Dokumenttypen (z.B. Rechnungen, Angebote, Verträge, Ausschreibungen) und welche Dokumentenformate (z.B. pdf, html, xml) er empfangen möchte.
[11]
Ein Dienst kann dabei sowohl Zustelldienst der behördlichen als auch der privatwirtschaftlichen E-Zustellung sein, womit ein dort angemeldeter Nutzer nur eine Mailbox benötigt. Ein weiteres Feature der privatwirtschaftlichen E-Zustellung ist «TrustNetz»5, ein von WKÖ, dem österreichischen Rechtsanwaltskammertag und der österreichischen Notariatskammer eingerichtetes Service. Trustnetz verknüpft die privatwirtschaftlichen E-Zustellung mit dem elektronischen Rechtsverkehr (ERV) des Bundesministeriums für Justiz und ermöglicht so den lückenlosen und sicheren elektronischen Dokumentenaustausch zwischen Rechtsanwälten, Notaren und Unternehmen sowie Privaten. Das Empfangen von Nachrichten ist dabei völlig kostenfrei.
[12]
Das System der privatwirtschaftlichen E-Zustellung ist leider noch viel zu selten benutzt und in der Öffentlichkeit nicht wirklich wahrgenommen. Es hat aber gerade in jüngster Zeit eine deutliche Steigerung an Teilnehmern, da eine große österreichische Bank wichtige Banknachrichten bevorzugt über einen Zustelldienst zusendet. Diesem Vorbild werden wohl weitere Banken nachfolgen, insbesondere da zumindest nach dem Schlussantrag des Generalanwaltes im Verfahren C-375/15 vor dem EuGH die Übermittlung einer Information über eine interne E-Banking Mailbox keine effektive Übermittlung der Information in die Sphäre des Kunden sicherstellt. Sollte der EuGH in diesem Verfahren des österreichischen Vereins für Konsumenteninformation gegen eine österreichische Bank dieser Argumentation folgen, würde dies wohl eine Vielzahl von Banken, aber auch andere Unternehmen treffen und das System der e-Zustellung wäre eine effektive Möglichkeit auf eine kostengünstige Alternative rasch umzustellen. Auch eine Kooperation mit dem neu entstehenden Wirtschaftsportalverbund6 könnte zu einer Weiterverbreitung führen. Dabei handelt es sich um eine Kooperationsbasis für verschiedene Dienstanbieter der Wirtschaft im Internet, um elektronische Geschäftsprozesse sicherer und effizienter als bisher abwickeln zu können. Ein Vertrauensnetzwerk wird mit Hilfe sogenannter «Identity Provider» aufgebaut, dieser könnten sich auch die Zustelldienste bedienen.

3.

Deutschland und Schweiz ^

[13]
In Deutschland gibt es bereits seit 2011 das De-Mail-Gesetz7 als eine Lösung für eine sichere Onlinekommunikation, die das rechtsverbindliche und vertrauliche Versenden von Dokumenten und Nachrichten über das Internet ermöglicht. Die De-Mail kann dabei sowohl bei der Kommunikation mit der öffentlichen Verwaltung als auch zwischen Privaten zur Anwendung gelangen. Der Betrieb des Dienstes erfolgt dabei über private zertifizierte Provider, die im Sinne eines beliehenen Unternehmens, also hoheitlich, tätig werden8. Um eine Akkreditierung zu erlangen, muss der Diensteanbieter gewisse Kriterien erfüllen und nachweisen. Die Akkreditierung erfolgt durch das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) als zuständige Behörde. Diese hat Anfang 2016 diesbezüglich auch eine Technische Richtlinie «De-Mail»9 bekanntgemacht. Die Richtlinie stellt ein Rahmenwerk für die Testierung eines Dienstes dar und beschreibt die Anforderungen an die Funktionalität, Interoperabilität und Sicherheit, die die De-Mail-Dienste erfüllen müssen, sowie zur Prüfung dieser Eigenschaften. Insofern ist es – wenn auch wesentlich technischer – natürlich ein Pendant zum Rulebook der österreichischen E-Zustellung.
[14]
Verschiedenste Anbieter bieten dabei – zum Teil sehr günstige – Einstiegspakete mit einer sicheren De-Mail-Adresse und einer gewissen Anzahl von sicheren Nachrichten an. Der Teilnehmer (natürliche oder juristische Person) muss dazu ein Benutzerkonto einrichten. Hierzu ist es erforderlich, Pflichtdaten wie beispielsweise Name, Adresse, Geburtsdatum bzw. bei juristischen Personen auch die Daten ihrer vertretungsberechtigen Personen anzugeben und sich einmalig zuverlässig identifizieren zu lassen. Diese Identifikation erfolgt durch die Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises, eine Registration mittels elektronischer Dokumente, wie Bürgerkarte oder Handy-Signatur, ist also im Gegensatz zu Österreich nicht möglich. Nach erfolgreicher Identifizierung erhält der Nutzer eine De-Mail Adresse und ein Postfach. Ein Zugriff auf das Postfach ist dann mit einem beliebigen Internetbrowser möglich. Die Behörden sind durch § 2 (2) des «Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften» (E-Government-Gesetz) verpflichtet, einen Zugang durch De-Mail zur Verfügung zu stellen.
[15]
All diese Bemühungen in Deutschland führten aber nicht dazu, dass De-Mail zu einem nennenswerten Einsatz gekommen ist. Laut dem eGovernment MONITOR 201610, einer Studie der Initiative D21 und ipima11, hat sich die Anzahl der E-Mail-Nutzer im Jahr 2016 nach jahrelanger Stagnation bei ca. 13 sogar auf nunmehr nur mehr acht Prozent reduziert. Diese leider geringe Bedeutung ist auch darin begründet, dass große Unternehmen, wie etwa die deutsche Post mit ihrem E-Postbrief, alternative Systeme entwickelt haben. Außerdem wurden von einigen Organisationen, z.B. dem Chaos Computer Club das Sicherheitsniveau kritisiert, da es keine End-to-End-Verschlüsselung über den gesamten Transportweg von De-Mails gibt12. Der Hintergrund ist, dass im De-Mail-System die Nachrichten beim Transport vom Sender zum Empfänger zwar verschlüsselt verschickt werden, doch gilt dies nur für die Transportebene.
[16]

In der Schweiz ist keine eigene Gesetzgebung vergleichbar mit De-Mail vorhanden, jedoch gibt es einzelne Gesetze und Vorschriften, welche in diese Richtung zielen. Von größter Bedeutung ist die sogenannte Verordnung über die elektronische Übermittlung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens. Diese Verordnung regelt die Modalitäten des elektronischen Verkehrs zwischen einer Partei und einer Verwaltungsbehörde im Rahmen von Verfahren. Auf Grund des Artikels 3 dieser Verordnung können seit dem 1. Jänner 2011 Eingaben an Behörden und Gerichte generell auch elektronisch übermittelt werden. Diese Übermittlungen erfolgen am einfachsten über eine anerkannte Plattform. Dabei hat das zuständige Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartment bisher vier Plattformen auf Grund eines vorliegenden Kriterienkataloges anerkannt. Zwei dieser Plattformen können dabei auch für den Austausch von Nachrichten zwischen Unternehmen (oder natürlichen Personen) verwendet werden.

[17]

Interessant ist dabei auch der zur Anwendung kommende Kriterienkatalog der Anforderungen

  • an die Architektur (etwa dürfen Nachrichten ausschließlich in verschlüsselter Form übermittelt und gespeichert werden, Passwörter dürfen nicht dauerhaft gespeichert werden),
  • an die technischen Sicherheitsanforderungen (Übermittlung nur über starke Authentifikationsverfahren, wie etwa digitale Zertifikate oder persönliche Token),
  • an den Betrieb (ISO 27001: 2005 Zertifikat, 7 * 24 h Servicezeit),
  • an ein übergreifendes Teilnehmerverzeichnis,
  • an die Vermittlungsfunktion zwischen Zustellplattformen und betreffend die Nutzungskosten (Zustellplattformen müssen einander die Interoperabilitätsschnittstelle und die Angaben für das übergreifende Teilnehmerverzeichnis im Sinne einer «fair use» kostenlos zur Verfügung stellen)

stellt.

4.

Skandinavien ^

[18]
Skandinavien ist weit fortgeschritten in dieser Thematik, insbesondere getrieben durch die Behörden. Beispielsweise gibt es in Norwegen das Portal Altinn.no, das über 200 Behördendienste, wie Registrierung von Firmen, Abgabe von Steuererklärungen anbietet, bereits seit 2003. Bereits mehr als 3,5 Millionen Benutzer13 (bei nur rund 5,2 Millionen Einwohnern) und mehr als eine Million Unternehmen nutzen dieses Service und haben damit auch eine elektronische ID. Verbunden mit dieser E-ID ist auch ein kostenfreier elektronischer Postkasten, der seitens der Norwegischen Post mittels der sogenannten Digipost angeboten wird. Mit diesem kann sämtliche elektronische Post, egal ob von Behörden, Betrieben oder Privaten, gesammelt werden. Seit 1. Jänner 2016 bekommen nur mehr jene Bürger offizielle Mitteilungen in Papierform, wenn sie sich gegen die digitale Post ausgesprochen haben. Es gibt Berechnungen14, wonach die Behörden mindestens 40 Millionen Briefe digital statt auf Papier versenden könnte, womit Einsparungen von mindestens NOK 400 Millionen (ca. 44 Millionen Euro) für Papier und Porto möglich wären.
[19]
Dies ist wohl der Grund, weshalb Dänemark sogar in § 3 des Lo om Offentlig Digital Post (Gesetz über öffentliche digitale Post) festgelegt hat, dass jeder dänische Bürger, der über 15 Jahre alt ist und eine offizielle Personennummer hat, schon seit 1. November 2014 einen digitalen Briefkasten haben muss, um Post von der öffentlichen Behörde (auch Gemeinden) erhalten zu können. Fast 4,3 Millionen (von insgesamt 5,7 Millionen) dänische Bürger haben zu Beginn November 2016 ein derartiges digitales Postfach, das mit der sogenannten e-Boks kombiniert werden kann. Damit kann auch private (elektronische) Post empfangen und gesendet werden. Für die Anmeldung wird dabei die sogenannte NemID verwendet, mit dieser kann man sich sowohl in das Netbanking der Banken als auch in öffentliche Dienste, sowie auch bei ca. 400 privaten Diensten einloggen. In 2015 gingen dabei monatlich mehr als 55 Millionen Transaktionen über NemID15. Die Strategie Dänemarks mit dem Leitspruch «No more printed form or letters: Applications, reports, letters and all other written communication with both citizens and companies must by default be digital» erscheint also erfolgreich.
[20]
Ein ähnliches System, wenn auch auf hier auf rein freiwilliger Basis, kommt in Finnland mit dem System NetPosti16 zum Einsatz. Damit können Briefe von Behörden, lokalen Gesundheitszentren oder auch Rechnungen von Firmen elektronisch empfangen werden. Die empfangenen Nachrichten können dabei kostenfrei sieben Jahre lang in beliebigem Format aufbewahrt werden. Allerdings können dabei nur Firmen und Organisationen, somit also keine Privatpersonen, Nachrichten versenden. Derzeit sind 10‘000 Sender registriert und die bei NetPosti registrierten Anwender (mit Anfang 2016 waren dies 636‘000) können dabei je Sender entscheiden, ob sie die Post elektronisch über dieses System erhalten wollen. Grundsätzlich funktioniert es so, dass die Organisationen deren Post in elektronischer Form an NetPosti liefern. Dann wird kontrolliert, ob der Empfänger ein NetPosti-Fach, welches zum Empfang von elektronischen Nachrichten dieser Organisation bereit ist, hat. In diesem Fall wird die Nachricht elektronisch zugestellt, ansonsten wird sie ausgedruckt und als normaler Brief versendet. Das Empfangen von Nachrichten ist kostenfrei, jeder finnische Bürger über 15 Jahre, der eine finnische Postadresse und Sozialversicherungsnummer hat, kann einen Zugang beantragen.
[21]
Auch in Schweden gibt es mit dem webbasierten Postfach «Mina Meddelanden» (meine Mitteilungen17) ein derartiges Projekt, auch wenn es vorerst nur auf öffentliche Stellen als Versender begrenzt ist. Aktuell wird aber diskutiert, ob sich private Akteure, die kommunale öffentliche Dienstleistungen ausführen, wie z.B. freie Schulen, Pflegedienste, usw., anschließen sollten.

5.

Estland ^

[22]
Das baltische Land gilt trotz, oder vielleicht gerade wegen seiner geringen Größe (nur ca. 1,3 Millionen Einwohner) als Vorreiter in Sachen Digitalisierung. Die Verwaltung funktioniert komplett papierlos. Unternehmen lassen sich innerhalb einer Stunde online gründen, selbst Schulen führen ihr Klassenbuch digital. Auch Wählen ist digital, mittels E-Voting, möglich.
[23]
Der Grundstein ist die elektronische ID-Karte, die 2002 eingeführt wurde. Diese Karte18, die 1,1 der 1,3 Millionen Einwohner Estlands (also nahezu 90%) besitzen, beinhaltet einen Chip mit einer 2.048-bit Verschlüsselung und dient als Ausweis, Reisedokument und Sozialversicherungskarte, sowie als Zugriffskarte für alle digitalen Dienste. Auch eine sogenannte «Mobil-ID» für das Smartphone ist erhältlich. Die mit der ID-Karte verbundene digitale Unterschrift ist der physischen Unterschrift gleichgestellt. Auch nicht in Estland ansässige Personen können eine ID-Karte erhalten, wodurch Estland für neue Unternehmen und Kunden attraktiv gemacht und so die Verwaltung von Unternehmen mit ausländischer Beteiligung sowie die Kommunikation zwischen estnischen Unternehmen und ausländischen Kooperationspartnern wesentlich vereinfacht werden soll.
[24]
Verbunden mit der ID-Karte ist auch eine E-Mail-Adresse, die nur mit dieser Karte zugänglich ist. Private Unternehmen setzen darauf basierend sichere Mail-Systeme ein, die kompatibel mit allen Mail-Programmen Hardware-Token zur Absicherung verwenden. Auch gibt es darauf aufbauend die Portallösung DigiDoc mit der Dokumente sicher und signiert ausgetauscht werden können. Nachteilig ist dabei allerdings, dass proprietäre Formate, die inkompatibel mit vergleichbaren Standards sind, verwendet werden.

6.

Italien ^

[25]
Auch Italien kann diesbezüglich als positives Beispiel genannt werden. Alle italienischen Gesellschaften müssen seit dem 29. November 2011 über eine eigene, zertifizierte E-Mail Adresse («PEC – Posta elettronica certificata») verfügen19. Seit 1. Juli 2013 besteht diese Verpflichtung darüber hinaus für alle Einzelunternehmer.
[26]
Eine zertifizierte E-Mail ist dabei rechtlich einem eingeschriebenen Brief mit Rückschein («raccomandata con ricevuta di ritorno») gleichgestellt und soll den Schriftverkehr mit Einschreiben ersetzen. Sie ist rechtsverbindlich, sofern von einer zertifizierten an eine andere zertifizierte E-Mail Adresse gesendet wird. Dazu müssen Sender und Empfänger der E-Mail ein zertifiziertes elektronisches Postfach mit Empfangsbestätigung einrichten.
[27]
Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung hat zudem ein Register aller PEC-Adressen von Unternehmen und Freiberuflern eingerichtet, das auch online zur Verfügung steht und kostenlos konsultiert werde kann. Damit die zertifizierte E-Mail auch ausgiebig genutzt wird, werden verschiedenste staatliche Dienste nur mehr in dieser Form angeboten, etwa können auch Forderungsanmeldungen in Konkursverfahren grundsätzlich nur mehr per PEC übermittelt werden. Ausländische Unternehmen können zu diesem Zweck über ein eigenes Portal eine PEC einrichten.

7.

Weitere Beispiele ^

[28]
Aber auch in allen anderen europäischen Ländern bestehen Bemühungen in diese Richtung, etwa wurde in Ungarn – bisher eher ein Nachzügler betreffend elektronische Zustellung – 2016 ein staatlicher elektronischer Zustellungsdienst errichtet und im vollen Umfang in Betrieb gesetzt. Dieser ist etwa für Gerichtsverfahren bei anwaltlicher Vertretung zwingend. Auch sind die Unternehmen dazu verpflichtet, ihre elektronischen Zustelladressen im Firmenregister anzuführen, damit sie für die Behörden elektronisch erreichbar sind.
[29]
Ein weiteres bekanntes Beispiel für zumindest den behördlichen Verkehr ist die Datové schránky in Tschechien. Alle juristischen Personen, die im tschechischen Handelsregister eingetragen sind, sowie ausländische Zweigniederlassungen, sind seit dem Jahre 2010 verpflichtet, eine «Datenbox» einzurichten. Für die Gründung und Verwaltung dieser Datenbox ist das Innenministerium verantwortlich. Die Organe der staatlichen Verwaltung (z.B. auch Gerichte oder Gemeinden) sind verpflichtet, mit juristischen Personen über den elektronischen Briefkasten zu kommunizieren bzw. sämtliche Schriftstücke in elektronischer Form an diese Datenbox zuzustellen. Nachrichten, und zwar auch eigenhändig zuzustellende Nachrichten, gelten zum Zeitpunkt der Anmeldung der berechtigten Person bzw. einer beauftragten Person in der Datenbox als zugestellt.
[30]
Um der Vollständigkeit halber auch noch auf die bisher nicht genannten Nachbarländer Slowakei und Slowenien einzugehen, kann festgehalten werden, dass dort zwar gesetzliche Grundlagen für die elektronische Kommunikation vorhanden sind, vergleichbare Regelungen für die Kommunikation mit Behörden oder aber auch private Initiativen ähnlich dem Rulebook in Österreich sind dort aber nicht vorhanden.

8.

Zusammenfassung ^

[31]
Elektronische Nachrichten werden immer wichtiger, dennoch sind E-Mails für offizielle Dokumente nicht wirklich geeignet, da keine Sicherheit bestehen kann, dass der Empfänger sie auch tatsächlich erhalten hat. Offizielle E-Zustellungsdienste können hier Abhilfe schaffen und werden auch in nahezu allen europäischen Ländern eingeführt, wobei allerdings unterschiedliche Maßnahmen zu beobachten sind.
[32]
Österreich hat schon lange ein sehr effizientes E-Zustellungssystem aufgebaut, sowohl auf behördlicher als auch auf privatwirtschaftlicher Seite. Durch die Bürgerkarte bzw. die Handysignatur gibt es hier die Möglichkeit einer effizienten, aber auch sicheren Anmeldung, ein Rulebook regelt dabei das System der Zusammenarbeit. Auch wenn in letzter Zeit Steigerungsraten bei den Teilnehmern zu bemerken sind, ist das System dennoch derzeit nur selten genutzt. Ähnlich ist die Situation bei unseren deutschsprachigen Nachbarn Deutschland und Schweiz. Insbesondere Deutschland hat mit dem De-Mail Gesetz eine Lösung für eine sichere Onlinekommunikation geschaffen, es leidet aber unter Konkurrenzdruck der deutschen Post, die ein anderes System anbietet und die ohnehin geringen Teilnehmerzahlen waren im letzten Jahr sogar weiter rückläufig.
[33]
Anders sieht die Situation in den skandinavischen Ländern, aber auch in Estland, oder Italien aus. So hat Italien z.B. verpflichtend für Gesellschaften eine eigene zertifizierte E-Mail Adresse PEC eingeführt, die den Schriftverkehr mit Einschreiben ersetzen sollte.
[34]
In Skandinavien gibt es einige erfolgreiche Portale, wie etwa das norwegische Altinn.no oder das finnische NetPosti. Hier ist – meist durch staatliche Verpflichtung – eine große Anzahl von Teilnehmern zu beobachten. Etwa muss in Dänemark jeder Bürger, der über 15 Jahre alt ist, einen digitalen Briefkasten haben, um Post von der öffentlichen Behörde zu erhalten. Damit kann auch private (elektronische) Post empfangen und gesendet werden.
[35]
Die absolute Vorreiterrolle hat allerdings Estland über, hier dient die elektronische ID-Karte, die de facto alle erwachsenen Estländer besitzen, als Ausweis, Sozialversicherungskarte und Zugriffskarte für alle digitalen Dienste. Verbunden damit ist auch eine sichere E-Mail Adresse.
[36]
Es zeigt sich dabei also, dass besonders, wenn der Staat verpflichtende Maßnahmen setzt, die auch durch Vergünstigungen und sinnvolle Einsetzmöglichkeiten begleitet werden, die Verbreitung der E-Zustellung deutlich gefördert werden kann.
  1. 1 www.paketda.de/news-oesterreichische-post-briefmengen.html (alle Internetadressen abgerufen am 24. Dezember 2016).
  2. 2 Siehe etwa Markus Knasmüller, Zur Beweiskraft von elektronischen Nachrichten, Sachverständige 4/2015, S. 203–206.
  3. 3 BGBl. I Nr. 10/2004.
  4. 4 www.postserver.at.
  5. 5 www.trustnetz.at.
  6. 6 www.wirtschaftsportalverbund.at.
  7. 7 De-Mail Gesetz vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 266), das zuletzt durch Artikel 3 Absatz 7 des Gesetzes vom 18. Juli 2016 (BGBl. I S. 1666) geändert worden ist.
  8. 8 § 5 (6) De-Mail Gesetz.
  9. 9 Technische Richtlinie De-Mail (BSI TR 01201).
  10. 10 http://www.egovernment-monitor.de/fileadmin/uploads/Studien/2016/160915_eGovMon2016_WEB.pdf.
  11. 11 Unterstützt durch zahlreiche Partner aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft (u.a. Bundeskanzleramt Österreich) unter Schirmherrschaft der Beauftragten der deutschen Bundesregierung für Informationstechnik.
  12. 12 Siehe www.ccc.de/de/updates/2013/stellungnahmedemail.
  13. 13 Quelle: www.norge.no/en/electronic-id.
  14. 14 Quelle: Norwegian eGovernment Program, Seite 47, abrufbar unter www.regjeringen.no/globalassets/upload/FAD/Kampanje/DAN/Regjeringensdigitaliseringsprogram/digit_prg_eng.pdf.
  15. 15 Quelle: www.digst.dk/Servicemenu/English/Digitisation/Digital-Signature/Next-Generation-Digital-Signature.
  16. 16 www.posti.fi/business/receive/electronic-mailbox/.
  17. 17 www.minameddelanden.se.
  18. 18 Quelle: http://e-estonia.com/?component=electronic-id-card.
  19. 19 Gesetzesdekret Nr. 185/2008, Art. 16, Gesetz Nr. 2/2009