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Fairness als Trend der elektronischen Vergabe

  • Author: Gerlinde Birnbacher
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Procurement
  • Collection: Conference Proceedings IRIS 2017
  • Citation: Gerlinde Birnbacher, Fairness als Trend der elektronischen Vergabe, in: Jusletter IT 23 February 2017
Die seit März 2016 gültige Novelle des BVergG 2006 sieht die Vergabe von Leistungen nach dem Bestbieterprinzip vor. Zur fairen Vergabe entwickelte das Land Salzburg in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer einen Fairnesskatalog mit vorgeschlagenen Kriterien. Die Erschwernis im Vergabeverfahren liegt nun darin, einerseits diese Kriterien einzuhalten und andererseits das Bundesvergabegesetz anzuwenden. Wie die jüngste Judikatur zeigt, kann die Anwendung dieser Kriterien in öffentlichen Ausschreibungen vergaberechtlich unzulässig sein. Die diesbezügliche Divergenz soll diskutiert werden.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Ausgangslage
  • 2. Grundlage BVergG-Novelle 2015
  • 2.1. Bestangebotsprinzip für Vergabeverfahren
  • 2.2. Transparenz bei Subvergaben
  • 2.3. Auskunft aus Verwaltungsstrafevidenzen
  • 2.4. Elektronische Vergabe
  • 3. Elektronische Vergabe als Trend in Vergabeverfahren
  • 4. Fairnesskataloge als Trend in Vergabeverfahren
  • 5. Fairnesskataloge und ihre «fairen» Kriterien
  • 6. Fairnesskataloge und ihre Anwendbarkeit
  • 7. Fazit

1.

Ausgangslage ^

[1]
Der öffentliche Auftraggeber ist verpflichtet, bei der Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen das Bundesvergabegesetz1 anzuwenden. Die seit März 2016 gültige Novelle 2015 des BVergG1 basiert bei der Vergabe von Leistungen auf der Präferenz des «Bestangebotsprinzips» (auch Bestbieterprinzip genannt). Die bisher meist gängige Praxis des «Billigstangebotsprinzips», welches ausschließlich nach dem Kriterium «Preis» Vergaben zuließ, sollte mit der Umsetzung der Novelle 2015 verhindert werden. Neuerungen der Novelle 2015 verfolgen die Grundsätze der Transparenz, der Gleichbehandlung sowie der Nichtdiskriminierung und sollen durch Anwendung des «Bestangebotsprinzips» zu mehr Transparenz bei Subvergaben, zu Qualitätsverbesserungen wie auch zum Vermeiden von Lohn- und Sozialdumping durch Auskunftseinholung aus der Verwaltungsstrafevidenz des Bundministeriums für Finanzen und der Wiener Gebietskrankenkasse bei öffentlichen Vergaben beitragen. Interessensgruppen, wie z.B. Wirtschaftskammer oder Arbeiterkammer, entwickelten Kataloge zur fairen Vergabe durch Bestbieterkriterien, insbesondere bei Bauaufträgen. So wurde z.B. der Fairnesskatalog der Wirtschaftskammer Salzburg gemeinsam mit dem Land Salzburg entwickelt2, der bei öffentlichen Vergaben des Landes Salzburg angewandt werden soll. Dabei verfolgt das Land Salzburg gemeinsam mit der Wirtschaftskammer das Ziel, die Chancen für kleinere und mittlere Unternehmen (sog. KMUs) auf eine Auftragsvergabe bei öffentlichen Ausschreibungen in Stadt und Land Salzburg zu erhöhen.3 Andere Initiativen, wie z.B. die Sozialpartner-Initiative (bestehend aus Fachgewerkschaften, Bundesinnungen und Fachverbänden) befassen sich ebenfalls mit der Ausarbeitung von Qualitätskriterien und präsentieren ihren Bestbieterkriterienkatalog4, welcher den öffentlichen Auftraggeber bei der Formulierung seiner Ausschreibungskriterien unterstützen soll. Im Rahmen des Verkehrswegebaues entwickelten andere Auftraggeber eigene Qualitätskriterien im Rahmen der Abwicklung ihrer Vergabeverfahren.

2.

Grundlage BVergG-Novelle 2015 ^

[2]
Mit 1. März 2016 ist die umfassende Novelle 2015 des Bundesvergabegesetzes 20065 in Kraft getreten. Im Überblick werden insbesondere folgende Neuerungen dargestellt.

2.1.

Bestangebotsprinzip für Vergabeverfahren ^

[3]
In § 79 Abs. 3 BVergG für den klassischen Bereich und § 236 Abs. 3 BVergG für den Sektorenbereich wird ein Katalog an Fällen festgelegt, in denen verpflichtend das Bestangebotsprinzip durch Bewertung nach Preis und preisfremden Kriterien (z.B. Qualität) anzuwenden ist. So ist seit der Novelle 2015 das Bestangebotsprinzip als Zuschlagskriterium bei Bauaufträgen ab einem Anschaffungswert ab 1‘000‘000,00 Euro ebenso zwingend vorgeschrieben wie bei geistigen Dienstleistungen und bei der Beschaffung bestimmter Lebensmittel, im Weiteren bei der Zulassung von Alternativangeboten oder bei im Wesentlichen funktionalen Leistungsbeschreibungen. Das bedeutet, dass bei der Anwendung des Bestbieterprinzips der Zuschlag dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt werden muss.

2.2.

Transparenz bei Subvergaben ^

[4]
Die Novelle 2015 sieht auch neue Bestimmungen für Subunternehmer vor und beinhaltet auch eine neue Definition des Begriffs «Subunternehmer». «Der Subunternehmer wird als Unternehmer, der Teile des an den Auftraggeber erteilten Auftrags ausführt, definiert. Keine Subunternehmerleistung ist die bloße Lieferung von handelsüblichen Waren oder Bestandteilen die zur Erbringung der Leistung erforderlich ist6». Mit dieser neuen Definition wird klargestellt, dass die bloße Lieferung von Waren oder Bestandteilen zur erforderlichen Leistungserbringung keine Subunternehmerleistung darstellt. Gleichzeitig wird durch die neue Begriffsbestimmung nicht nur der direkte Subunternehmer umfasst, sondern alle in der Auftragskette beauftragten Subunternehmer. Die bisherigen Bestimmungen zur Weitergabe von Leistungen an Subunternehmer7 sehen teilweise Einschränkungen der Weitervergabe vor. Durch die Anwendung zweier Regelungen der Vergaberichtlinien8 kann der öffentliche Auftraggeber festlegen, dass bestimmte kritische Leistungsbestandteile vom Bieter oder, bei einem Bieter einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern, von einem Gruppenmitglied ausgeführt werden.

2.3.

Auskunft aus Verwaltungsstrafevidenzen ^

[5]
Weiters ist für öffentliche Auftraggeber die Einholung von Auskünften9 über Verurteilungen aus dem Verwaltungsstrafevidenzen des Bundesministeriums für Finanzen und der Wiener Gebietskrankenkasse als Kompetenzzentrum für Lohn- und Sozialdumping Bekämpfung für alle in Betracht kommenden Bewerber, Bieter und Subunternehmer, verpflichtend.

2.4.

Elektronische Vergabe ^

[6]
Mit Inkrafttreten der Vergaberichtlinie 2014/24/EU wird die elektronische Durchführung von Vergabeverfahren verbindlich vorgeschrieben. Dies betrifft die Bekanntmachung in elektronischer Form, die elektronische Verfügbarkeit der Ausschreibungsunterlagen, eine ausschließliche elektronische Kommunikation in allen Verfahrensstufen und elektronische Übermittlung von Teilnahmeanträgen und Angeboten10. Seit 18. April 2016 müssen Bekanntmachungen in elektronischer Form veröffentlicht werden sowie Auftragsunterlagen elektronisch verfügbar gemacht werden11. Bis spätestens 18. Oktober 201812 sind die Kommunikation und der Informationsaustausch mithilfe elektronischer Kommunikationsmittel durchzuführen, insbesondere die Einreichung von Teilnahmeanträgen und Angeboten, sofern es sich nicht um ein Vergabeverfahren einer zentralen Beschaffungsstelle handelt, dort ist die Umsetzungsfrist der 18. April 201713. Zur Beschleunigung von Vergabeverfahren werden die elektronische Bekanntmachung und die elektronische Zurverfügungstellung von Ausschreibungsunterlagen über Auftraggeber-Plattformen umgesetzt. In diesem Sinne werden Vergabeverfahren je nach Art des Verfahrens bereits mit den erforderlichen Schritten, von der Bekanntmachung, Zurverfügungstellung der Ausschreibungsunterlagen, Mitteilungen, Informationsaustauch und elektronische Angebotsabgabe, über diese Plattformen abgewickelt und dokumentiert. Die Anwendung des Bestbieterprinzips kann den öffentlichen Auftraggeber bei der Auswahl der Kriterien vor die Herausforderung stellen, neben dem Preis weitere Zuschlagskriterien zu formulieren, die einerseits dem BVergG entsprechen und andererseits die Anwendung entsprechender Qualitätskriterien zulassen. Wie die jüngste Judikatur zeigt, kann die Anwendung von bisher für «fair» gehaltene (Zuschlags-)Kriterien in öffentlichen Ausschreibungen unzulässig sein. In diesem Beitrag soll die Anwendbarkeit der von den Interessenvereinigungen vorgeschlagenen Bestbieterkriterien und die Divergenz zur aktuellen Judikatur14 betrachtet werden.

3.

Elektronische Vergabe als Trend in Vergabeverfahren ^

[7]
In den Vorschriften über die Kommunikation ist in der Richtlinie15 vorgesehen, dass die Kommunikation so auch der Informationsaustausch, die Zurverfügungstellung von Unterlagen wie auch die Angebotsabgabe des gesamten Vergabeverfahrens elektronisch abgewickelt werden soll. Dazu kann sich der öffentliche Auftraggeber Ausschreibungsplattformen bedienen, die ihre technischen Merkmale den Richtlinien entsprechend fair ausrüsten. Zu beachten ist dabei, dass sie allgemein verfügbar, nichtdiskriminierend sowie mit den allgemein verbreitenden Erzeugnissen der IKT16 kompatibel sein müssen, damit die Bieter gleichbehandelt werden können. Dabei darf der Zugang von Wirtschaftsteilnehmern zu Vergabeverfahren nicht eingeschränkt werden. Die Sicherstellung der Vertraulichkeit des gesamten Kommunikations- und Informationsaustausches ist dabei ebenso zu gewährleisten wie die Integrität der Daten und die Datenspeicherung. Ziel ist es, die Vergabeverfahren zu vereinfachen und die Abwicklung mit Hilfe der elektronischen Ausschreibung zu optimieren und effizienter zu gestalten. Die dabei auftretende Herausforderung für potentielle Bieter ist die rechtzeitige Information über die elektronische Verfahrensabwicklung über die Ausschreibungsplattform und gegebenenfalls die Anschaffung der erforderlichen Bürgerkarten zur Leistung der elektronischen Unterschrift bei Angebotsabgabe. Das Hochladen der abzugebenden Unterlagen, wie Teilnahmeantragsunterlagen oder Angebotsunterlagen, ist dabei von den Bietern so rechtzeitig vorzunehmen, dass die entsprechenden Unterlagen vor dem Abgabetermin über die Plattform eingereicht werden können. Zur Senkung des Verwaltungsaufwandes und zur einfacheren und fairen Überprüfung relevanter Informationen über Unternehmen von Wirtschaftsteilnehmer, wie z.B. Kapazitäten eines Wirtschaftsteilnehmers, wurde die Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) als ein wesentliches Ziel der Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU eingeführt. Diese EEE17 dient als vorläufiger Nachweis der Eignung von Wirtschaftsteilnehmer und soll Bescheinigungen von Behörden oder Dritten ersetzen. «Dabei handelt es sich um eine förmliche Erklärung des Wirtschaftsteilnehmers, dass er sich in keiner Situation befindet, in der Wirtschaftsteilnehmer ausgeschlossen werden oder ausgeschlossen werden können, und dass er die einschlägigen Eignungskriterien und gegebenenfalls die objektiven Vorschriften und Kriterien erfüllt, die zur Verringerung der Zahl geeigneter Bewerber, die zur Teilnahme aufgefordert werden sollen, festgelegt wurden. Ziel der EEE ist die Reduzierung des Verwaltungsaufwands, der sich aus der Notwendigkeit ergibt, eine Vielzahl von Bescheinigungen oder anderen Dokumenten beizubringen, die die Ausschlussgründe und Eignungskriterien betreffen18». Die verpflichtende Anwendung dieser EEE in elektronischer Form wird in der Richtlinie 2014/24/EU19 mit 18. April 2018 angegeben. Derzeit kann die EEE über den EEE-Dienst der Europäischen Kommission20 aufgerufen und vom Wirtschaftsteilnehmer ausgefüllt und den Abgabeunterlagen beigefügt werden. Die derzeitige Praxis zeigt jedoch, dass diese EEE einerseits noch nicht von allen öffentlichen Auftraggebern verwendet und andererseits von Wirtschaftsteilnehmern auch noch nicht abgegeben wird.

4.

Fairnesskataloge als Trend in Vergabeverfahren ^

[8]
Der Intention des Gesetzgebers, durch die Novellierung des BVergG Vergabeverfahren als «Bestangebotsprinzip» anstatt wie bisher als «Billigstangebotsprinzip» durchzuführen, soll mit der Umsetzung vergaberechtlicher Grundsätze der Transparenz, Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung erreicht werden und kann gleichzeitig als Maßnahme zur Konjunkturbelebung angesehen werden. Die Präferenz des «Bestangebotsprinzips» wird von öffentlichen Auftraggebern aufgenommen und findet in den Vergabeverfahren mit Textierungen von Qualitätskriterien Anwendung. Diesbezüglich sollen die Bestimmungen so einfach und übersichtlich wie möglich definiert werden. Einen zentralen Begriff bilden hierbei die Zuschlagskriterien ab. Der Begriff des «wirtschaftlich günstigsten Angebots» wird bereits in Richtlinien21 als Zuschlagskriterium verwendet. Die bisherige Praxis zeigt meist die Anwendung des «Billigstangebotsprinzips». Dass konnte im Rahmen der Leistungsbeschreibung mit sehr hohen Qualitätsanforderungen oder mit hohen Eignungsanforderungen einerseits und anderseits mit hohen Aufwand der Bewertungen bei gering zu erwartenden Qualitätsnachweisen erläutert werden. Der Begriff des «wirtschaftlich günstigen Angebotes» sollte weiters als übergeordnetes Konzept Verwendung finden, jedoch sollte, um Unklarheiten zu vermeiden, eine andere Begriffsbezeichnung, nämlich die des «besten Preis-Leistungsverhältnisses22» benutzt werden. Die öffentliche Auftragsvergabe von Leistungen soll auf Grundlagen objektiver Kriterien, die die Einhaltung der Grundsätze der Transparenz, der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung23 ebenso gewährleisten wie die Einhaltung der geforderten Qualitätsstandards, erfolgen. Damit soll die Objektivität, welche stets auch eine Kosten-Preiskomponente beinhalten sollte, bei der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes auf Grundlage des besten Preis-Leistungsverhältnisses sichergestellt werden. Dem öffentlichen Auftraggeber ist es dabei freigestellt die Qualitätsstandards in Form von technischen Spezifikationen oder von Bedingungen für die Ausführung des Auftrages festzulegen. Dabei ist für die notwendige Transparenz zu sorgen, sodass jeder Wirtschaftsteilnehmer oder eine Bietergemeinschaft von einer Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern angemessen über die Kriterien und Regelungen, die der Zuschlagsentscheidung zu Grunde liegen, informiert werden kann. Zur genauen Beschreibung der Zuschlagskriterien sind deren Berechnung und relativen Gewichtung anzuführen. Herbei ist darauf Bedacht zu nehmen, dass die Kriterien die Komplexität und Schwierigkeit des Ausschreibungsgegenstandes widerspiegeln und darauf abgestimmt sind. Die von Interessengruppen erarbeiteten Bestbieterkriterien werden dem öffentlichen Auftraggeber für die Erstellung der Ausschreibungsunterlagen zur Verfügung gestellt. Angeführt seien hier der Fairnesskatalog der Wirtschaftskammer Salzburg, der gemeinsam mit dem Land Salzburg erarbeitet wurde, und der Bestbieterkriterienkatalog, erarbeitet von der Interessensgruppe der Sozialpartner-Initiative FAIRE VERGABEN sichern Arbeitsplätze. Bereits gängige Praxis ist die Anwendung von Qualitätskriterien in Ausschreibungen des Verkehrswegebaus, welche in den jeweiligen Unternehmen erarbeitet wurden.

5.

Fairnesskataloge und ihre «fairen» Kriterien ^

[9]
Es sind Unterschiede, aber auch ähnliche Ansätze in Themenbereichen einzelner Kriterienkataloge festzustellen. So legt etwa der Fairnesskatalog der Wirtschaftskammer den Schwerpunkt bei seinen Bestbieterkriterien auf den sozialen Bereich, indem Kriterien, wie z.B. Beschäftigung von Lehrlingen/Auszubildenden, Beschäftigung von älteren Dienstnehmern und die Beschäftigung von Frauen neben dem Subunternehmerschutz und dem Umweltschutz im Baubereich, in das Bewertungsschema aufgenommen werden können. Ein breiteres Spektrum an aussagekräftigeren und projektbezogenen Anwendungsmöglichen können die Bestbieterkriterien des Kataloges der Arbeiterkammer bieten. Darin werden nicht nur Kriterien für den Bereich Soziales und Umwelt vorgesehen sondern auch Qualifikationen des Schlüsselpersonals und der Baustellenabwicklung. In beiden Katalogen sind für den Bereich Soziales Zuschlagskriterien für die Beschäftigung von älteren Arbeitnehmern/Dienstnehmern und für die Beschäftigung von Lehrlingen/Auszubildende beschrieben. Ebenso findet der Umweltschutzgedanke seinen Niederschlag in der Formulierung eines Zuschlagskriteriums zur Verringerung von Transportkilometern. Weitere Kriterien für diese beiden Bereiche formuliert der Bestbieterkriterienkatalog indem eine «Zusätzliche Erhöhung der Arbeitssicherheit auf der Baustelle» oder die «Technische Ausstattung der einzusetzenden Fahrzeuge»24 bewertet werden kann. Weitere Zuschlagskriterien finden sich unter der Überschrift «Wirtschaft». Damit soll die fachliche Qualifikation des Schlüsselpersonals in Form von Referenzprojekten, Ausbildung und Berufserfahrung sowie die Personalentwicklung und Weiterbildung in das Bewertungsschema aufgenommen werden. Der vom Unternehmen vorgesehene «Facharbeitereinsatz auf der Baustelle» könnte ebenfalls als Zuschlagskriterium Anwendung finden. Vor Verwendung der Zuschlagskriterien der «Erhöhung der Qualitätssicherung»25 und der «Optimierung der projektspezifischen Sperrzeiten»26 sollte geprüft werden, ob die Anwendung dem beschriebenen Leistungsgegenstand entsprechen kann. Jedenfalls sind die vorgeschlagenen Zuschlagkriterien zu prüfen, ob diese für die ausgeschriebenen Leistungsanforderungen anwendbar sind. Der bei der Anwendung der Qualitätskriterien entstehende Dokumentationsaufwand des Auftragnehmers und der Prüfaufwand des Auftraggebers sollen ferner beachtet werden. Um dem Grundsatz der Transparenz durch die gewählten Kriterien Rechnung zu tragen, müssen sowohl die Methode der Bewertung als auch alle zum Einsatz kommenden Parameter wie Berechnung, Gewichtung und Bewertung in den Ausschreibungsunterlagen so klar wie möglich formuliert werden. Besonders ist darauf zu achten, dass keine Methoden oder Parameter Anwendung finden, die nicht in den Ausschreibungsunterlagen beschrieben wurden. In der Definition einzelner Parameter wie auch der Bewertungsmethode ist darauf Bedacht zunehmen, dass ein nachträgliches Verschieben der Gewichtung von Parametern ausgeschlossen werden kann. Die Bewertungsmethode, Gewichtung und Berechnungsmethode sollen in den Ausschreibungsunterlagen so ausreichend beschrieben und dargelegt werden, dass die Angaben von jedem Wirtschaftsteilnehmer in gleicher Weise ausgelegt werden können. Wenn Vergabekriterien nicht ausreichend definiert sind, sondern nur mit allgemeinen Definitionen verfasst wurden, wird es zum Glückspiel, ob Wirtschaftsteilnehmer die Kriterien erfüllen können oder nicht. Daraus resultiert, dass ein Vergabeverfahren nicht den Vorgaben von Objektivität und Transparenz entspricht. Mit der Anwendung vorgeschlagener Bestbieterkriterien und entsprechenden Bewertungs- und Berechnungsmethoden kann das vom BVergG geforderte Bestangebotsprinzip eingehalten werden. Dabei sollen jedoch Entscheidungen des LVwG beachtet und die Hinwiese und Empfehlung der Katalogersteller berücksichtigt werden.

6.

Fairnesskataloge und ihre Anwendbarkeit ^

[10]
Die Erschwernis bei der Erstellung von Ausschreibungsunterlagen liegt für den öffentlichen Auftraggeber nun darin, dass einerseits die Anwendung des BVergG gesetzlich verbindlich vorgeschrieben ist und anderseits die von Interessensgruppen zur Verfügung gestellten Bestbieterkriterien Anwendung finden sollen. Die Ausarbeitungen von Eignungs-, Auswahl- und Zuschlagskriterien, welche den vergaberechtlichen Grundsätzen entsprechen müssen, obliegt jedenfalls dem öffentlichen Auftraggeber. In den verschiedenen Katalogen angeführte Vergabekriterien zielen auch auf Unternehmensstrukturen ab, sind für den öffentlichen Auftraggeber jedoch nicht bindend. Empfohlene Kriterien wie z.B. Beschäftigung von Frauen, Personen im Ausbildungsbildungsverhältnis oder älterer Arbeitnehmer, sind daher vor Aufnahme in Ausschreibungslagen kritisch zu betrachten. Das LVwG entschied über zwei der Zuschlagskriterien, Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und Personen in einem Ausbildungsverhältnis. In einer Ausschreibung des Landes Salzburg zur Errichtung von Lärmschutzwänden wurden diese beiden Punkte als Zuschlagskriterien verwendet. Dabei wurde für die Formulierung der Zuschlagskriterien der Fairnesskatalog der Wirtschaftskammer als Grundlage herangezogen, in dem diese empfohlen wurden. Die Anwendung der Zuschlagskriterien basierte auf der Begründung eines Regierungsbeschlusses der Salzburger Landesregierung, dass auf Maßnahmen zur Umsetzung sozialpolitischer Belange Bedacht genommen werden soll. In diesem Fall waren beide Kriterien unternehmensbezogen verfasst. Dem von Wirtschaftsteilnehmern hierauf eingebrachten Nachprüfungsantrag auf Nichtigkeitserklärung für die angeführten Punkte wurde vom LVwG stattgegeben. Im Entscheid des LVwG27 wird dem Nachprüfungsantrag dahingehend stattgegeben, dass Zuschlagskriterien jedenfalls auftragsbezogen verwendet werden müssen. Ein bloß unternehmensbezogenes Zuschlagskriterium ohne konkretem Konnex zum aktuell ausgeschriebenen Auftrag ist demnach nicht zulässig. Tatsächlich entspricht dieses Ergebnis bereits älterer Judikatur28, wonach die Kriterien Anzahl der Referenzprojekte und der firmeneigenen Mitarbeiter ohne weitere Präzisierungen nicht auftragsbezogen und daher bloße Eignungskriterien, nicht aber Zuschlagskriterien darstellen können. Umso mehr verwundert es, wie solche – nicht auftragsbezogene – Zuschlagskriterien nach wie vor Eingang in die Fairnesskataloge finden konnten.

7.

Fazit ^

[11]
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass einerseits durch die Anwendung von e-Vergabeverfahren über Ausschreibungsplattformen die Abwicklung für die Auftraggeber zeitsparender und kosteneffektiver durchgeführt werden können, anderseits die technischen Voraussetzungen derart gestaltet werden müssen, dass interessierte Wirtschaftsteilnehmer an den Vergabeverfahren teilnehmen können und die vergaberechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenz eingehalten werden können. Zur Vermeidung von zusätzlichem Verwaltungsaufwand und zur besseren Vergleichbarkeit kann der öffentliche Auftraggeber bereits jetzt die Abgabe der Einheitliche Europäische Eigenerklärung, vom Dienst der Europäischen Kommission elektronisch zum Ausfüllen oder Ausdrucken zur Verfügung gestellt, zum Eignungsnachweis verlangen. Die Anwendbarkeit der in den Fairnesskatalogen empfohlenen Zuschlagskriterien ist im Einzelfall zu hinterfragen; diese sind vergabegemäß auftragsbezogen zu formulieren. Die Bewertungs- und Berechnungsmethoden müssen dabei so gewählt werden, dass ein nachträgliches Verschieben der Gewichtung von Parametern nicht möglich ist. Alle Parameter der Zuschlagskriterien ebenso wie die Bewertung- und Berechnungsmethoden sollen in den Ausschreibungsunterlagen so genau definiert werden, dass spätere Unklarheiten und Missverständnisse in der Anwendung möglichst ausgeschlossen werden können. In diesem Rahmen bleibt es jedem Auftraggeber überlassen, die für den jeweiligen Auftrag besten Kriterien zu definieren um dem Bestangebotsprinzip Rechnung tragen zu können.
  1. 1 Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2006 – BVergG; BGBl I Nr. 17/2006, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 7/2016 und BGBl II Nr. 250/2016 (Stand 28. Dezember 2016).
  2. 2 Siehe unter https://www.wko.at/Content.Node/service/s/Fairnesskatalog.pdf.
  3. 3 Vgl. Fairnesskatalog, Wirtschaftskammer Salzburg, Salzburg (Stand 2014).
  4. 4 Vgl. Bestbieterkriterienkatalog, Sozialpartner-Initiative Faire Vergaben sichern Arbeitsplätze (Stand Juli 2016)..
  5. 5 BGBl I Nr. 7/2016.
  6. 6 § 2 Z 33a des BVergG BGBl I Nr. 17/2006 (Fassung 30. Dezember 2016).
  7. 7 § 83 des BVergG BGBl I Nr. 17/2006 (Fassung 30. Dezember 2016).
  8. 8 Art. 63 Abs. 2 der RL 2014/24/EU und Art. 79 Abs. 3 der RL 2014/25/EU.
  9. 9 § 84 des BVergG BGBl I Nr. 17/2006 (Fassung 30. Dezember 2016).
  10. 10 ErwGr. 52 der RL 2014/24/EU.
  11. 11 Art. 90 Abs. 1 der RL 2014/24/EU.
  12. 12 Art. 90 Abs. 2 Unterabsatz 1 der RL 2014/24/EU.
  13. 13 Art. 90 Abs. 2 Unterabsatz 2 der RL 2014/24/EU.
  14. 14 LVwG Salzburg 23. September 2016, 405-5/18/1/18-2016, 405-5/19/1/18-2016, 405-5/20/1/18-2016.
  15. 15 Art. 22 der RL 2014/24/EU.
  16. 16 Informations- und Kommunikationstechnologie, insbesondere die Festlegung der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012. Art. 13 und 14 für den IKT-Bereich, Technische Spezifikationen.
  17. 17 Durchführungsverordnung (EU) 2016/7 der Kommission vom 5. Jänner 2016 zur Einführung des Standardformulars für die Einheitliche Europäische Eigenklärung.
  18. 18 Anhang 1 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EU) 2016/7 der Kommission vom 05. Jänner 2016 zur Einführung des Standardformulars für die Einheitliche Europäische Eigenklärung.
  19. 19 Art. 59 Abs. 2 Unterabsatz 2 der RL 2014/24/EU.
  20. 20 https://ec.europa.eu/tools/espd/filter?lang=de.
  21. 21 RL 2004/17/EG und RL 2004/18/EG.
  22. 22 ErwGr. 89 der RL 2014/24/EU.
  23. 23 ErwGr. 90 der RL 2014/24/EU.
  24. 24 Vgl. Wirtschaftskammer Salzburg, Fairnesskatalog, Salzburg, Stand 2014, S. 5 ff.
  25. 25 Vgl. Wirtschaftskammer Salzburg, Fairnesskatalog, Salzburg, Stand 2014, S. 28 ff.
  26. 26 Vgl. Wirtschaftskammer Salzburg, Fairnesskatalog, Salzburg, Stand 2014, S. 30 ff.
  27. 27 LVwG Salzburg 23. September 2016, 405-5/18/1/18-2016, 405-5/19/1/18-2016, 405-5/20/1/18-2016.
  28. 28 Bundes-Vergabekontrollkommission/Gutknecht, Brigitte, Anm.-ZVB, 4. November 2002, S-88/02-13, S-89/02-10, RIDA-Nummer: 0126224.