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Visuelle Modellierung des Rechts: Vorgehensweise und Praktische Umsetzung für Rechtsexperten

  • Authors: Hans-Georg Fill / Andreas Grieb
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: Legal Visualisation, Multisensory Law
  • Collection: Conference Proceedings IRIS 2017
  • Citation: Hans-Georg Fill / Andreas Grieb, Visuelle Modellierung des Rechts: Vorgehensweise und Praktische Umsetzung für Rechtsexperten, in: Jusletter IT 23 February 2017
Die visuelle Modellierung von Recht und Gesetzen ermöglicht die Reduktion der dem Recht oft inhärenten Komplexität zur Unterstützung von rechtlichen Analysen. Weiterhin kann sie eine Grundlage für nachfolgende laiengerechte Abbildungen des Rechts darstellen. In diesem Beitrag wird auf die Erstellung von visuellen Modellen für Rechtsexperten fokussiert. Dazu wird eine Vorgehensweise zur Erstellung von visuellen Modellen sowie deren praktische Umsetzung mit Methoden der Metamodellierung vorgestellt. Anhand eines Beispiels aus der gerichtlichen Praxis des Mietrechts wird der Ansatz illustriert.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Motivation
  • 2. Grundlagen der Metamodellierung
  • 3. Vorgehensweise zur visuellen Modellierung für Rechtsexperten
  • 4. Technische Umsetzung und Anwendung
  • 5. Conclusio und Ausblick
  • 6. Literatur

1.

Motivation ^

[1]
Die visuelle Modellierung von Recht und Gesetzen ist ein Teilgebiet der Rechtsvisualisierung, das in der Vergangenheit verschiedene Ansätze zur Bewältigung der Komplexität beim Verständnis rechtlicher Normen hervorgebracht hat. Beispielhaft seien die Crosslingual Ontologie for Network-Legistik by Text-Extended Normative Thesaurus (C.O.N.T.E.N.T.) von [Kahlig/Kahlig 2015], die Ansätze von Lachmayer [2016] und die Ansätze von Brunschwig [2011] genannt. Als Adressaten derartiger Modellierungsansätze können drei Benutzergruppen identifiziert werden: 1.) die rechtlichen Laien, die über geringe bis keine Kenntnis von juristischen Normen verfügen, 2.) Fachexperten, die zum Teil weitreichende Kenntnisse von juristischen Normen in ihrem jeweiligen Fachbereich besitzen, z.B. die Personengruppe der Hausverwalter in Bezug auf das Mietrecht, sowie 3.) Rechtsexperten, die ein tiefes Verständnis von zahlreichen juristischen Normen besitzen. Der folgende Beitrag fokussiert auf die Adressatengruppe der Rechtsexperten. Anhand eines Beispiels aus der Rechtspraxis soll vorab die Komplexität des Umgangs mit rechtlichen Normen in diesem Bereich illustriert werden.
[2]
Ausgangspunkt ist ein Fall aus der Rechtsmittelpraxis des Landesgerichts für ZRS Wien:

Seit Anmietung der Wohnung (1983) benützt die Mieterin (wie andere auch) den Dachboden zum Wäschetrocknen. Bei einem Streit einigte sie sich mit den Hauseigentümern (gerichtlicher Vergleich 2009) auf eine Weiterbenützung bis zum Dachbodenausbau nach Herstellung eines Ersatzraumes.

Die Mieterin behauptet, die Hauseigentümer hätten nun den Dachbodenausbau ohne den Ersatzraum begonnen und begehrt die Unterlassung des Ausbaues mit Einstweiliger Verfügung. Die Eigentümer wenden ein, dass sie die Liegenschaft verkauft haben (Wohnungseigentum seit 2005).

[3]
Die Einleitung eines Gerichtsverfahrens ist formalisierter Ausdruck eines Eingriffs in die eigenen Rechte und dessen Abwehr. Nach der Behauptung ist daher eine nicht hinzunehmende Veränderung eingetreten. Der – zumindest subjektiv bisher bestehende – Soll-Zustand weicht vom nunmehrigen Ist-Zustand ab. Das gerichtliche Verfahren zielt darauf ab, diese Behauptungen und die korrespondierenden, rechtlich relevanten Gegenbehauptungen auf ihre rechtliche Relevanz zu untersuchen, dazu Beweise aufzunehmen und daraus die Rechtsfolge abzuleiten, ob das Begehren – meist auf die (Wieder-)herstellung des Soll-Zustandes gerichtet – berechtigt ist oder nicht und eine daraus abgeleitete Anordnung in Form einer Sachentscheidung zu treffen.
[4]
Basis ist hier die Grundstruktur eines Vertragsverhältnisses, das auf Dauer ausgerichtet ist (Dauerschuldverhältnis im Gegensatz zu einem auf einmalige Erfüllung gerichteten Zielschuldverhältnis wie Kauf), sodass im Verlauf der Zeit auch Veränderungen eintreten können wie z.B. ein Eigentümerwechsel auf Vermieterseite, aber auch bauliche Veränderungen durch Vermieter oder Mieter. Konkretisiert werden die jeweiligen Rechte und Pflichten einerseits durch den ursprünglichen Mietvertrag, aber auch spätere einvernehmliche Vertragsänderungen sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen, soweit davon auch vertraglich nicht abgewichen werden kann oder vertraglich keine Vorsorge getroffen wurde.
[5]
In einem ersten Schritt hat daher eine Identifikation der relevanten prozess- und materiellrechtlichen Kriterien zu erfolgen. Zum besseren Verständnis hat es sich in der Praxis bewährt, zunächst die Parteien und ihre normativen Beziehungen, also durch Vertrag und Gesetz, zu visualisieren. Daraus resultiert in der Analyse das Ausscheiden irrelevanter Informationen, im Beweisverfahren die Verifikation der relevanten Informationen sowie die abgeleitete Rechtsfolge und deren Darstellung. Dies dient nicht nur dem eigenen Verständnis und der Ausbildung künftiger Rechtsexperten in der Praxis, sondern fallweise auch zur verbesserten Gestaltung der mündlichen Verhandlung durch Visualisierung im Rahmen der Erörterung mit den Parteien (Laien) und ihren Rechtsvertretern.
[6]
Neben piktoralen Visualisierungen, wie sie vor allem von Verkehrszeichen bekannt sind oder den oben erwähnten Graphiken kann bereits die textuelle Visualisierung zur korrekten Zuordnung der vorliegenden Konstellation unter eine bestimmte Norm, die selbst meist mehrere Fallkonstellationen bereits textuell in Absätze gegliedert enthält, und dann auch zur Hervorhebung positiver und negativer Anspruchsvoraussetzungen dienen.
[7]
Unter welchen Voraussetzungen der Vermieter das Recht zum Betreten des Mietgegenstandes hat und der Mieter dies und die Benützung dulden muss regelt § 8 Abs. 2 MRG:
[8]

 (2) Der Hauptmieter hat das Betreten des Mietgegenstandes durch den Vermieter oder

die von diesem beauftragten Personen

aus wichtigen Gründen zu gestatten, wobei die berechtigten Interessen des Mieters nach Maßgabe der Wichtigkeit des Grundes angemessen zu berücksichtigen sind;

er hat die vorübergehende Benützung und die Veränderung seines Mietgegenstandes bei Vorliegen der folgenden Voraussetzungen zuzulassen:

1. (…)

2. wenn und soweit ein solcher Eingriff in das Mietrecht

zur Beseitigung einer

von seinem oder einem anderen Mietgegenstand

ausgehenden erheblichen Gesundheitsgefährdung oder

zur Durchführung von Veränderungen (Verbesserungen) in einem anderen Mietgegenstand

notwendig,

zweckmäßig und 

bei billiger Abwägung aller Interessen auch zumutbar ist; (…)

[9]
Daneben bestehen bereits strukturelle Visualisierungen durch systematische Aufbereitungen wie die Darstellung durch ein vorangestelltes Inhaltsverzeichnis in neueren Gesetzen wie dem HeizKG (Heizkostenabrechnungsgesetz, BGBl 1992/827 i.d.g.F.) oder Bildung von Abschnitten für Anwendungsbereiche (zeitlich, örtlich, sachlich), Begriffsbestimmungen (z.B. das Wohnungseigentumsgesetz [WEG 2002]).
[10]
Dies führt weiter zu gemischten Visualisierungen wie der Aufspaltung von Normen in Paragraphen, Absätze, literae etc. als Grundform textueller Visualisierung, in Verbindung mit der Visualisierung von Einzelbegriffen als Verhalten (Handeln, Unterlassen oder Dulden) oder von Sachen und ihren Eigenschaften sowie nach Funktionen oder Rechtsfolgen zur kombinierten Visualisierung nach durchdachten Modellierungen.
[11]
Zur Bewältigung der Komplexität, die im Zuge der rechtlichen Prüfschritte auftritt, wird in der Praxis häufig auf visuelle Darstellungen zurückgegriffen. Diese werden insbesondere dazu verwendet, um eine gemeinsame Kommunikationsbasis zu schaffen und darauf aufbauend die rechtlichen Zusammenhänge zu analysieren und mögliche alternative Lösungswege zu diskutieren. Bisher wurden für die Erstellung solcher Darstellungen papier-basierte Formen verwendet. Im Folgenden soll ein Ansatz vorgestellt werden, wie eine elektronische Umsetzung der Darstellungen mit Hilfe von Mitteln der Metamodellierung konzipiert und technisch realisiert werden kann. Neben der elektronischen Verfügbarkeit der Darstellungen können durch die Verwendung von formalen bzw. semi-formalen Modellen zusätzliche Auswertungsmöglichkeiten bereitgestellt werden.
[12]
Im Folgenden werden zu diesem Zweck zuerst einige Grundlagen der Metamodellierung vorgestellt. Anschließend wird eine Vorgehensweise zur visuellen Modellierung für Rechtsexperten vorgestellt. Diese wurde technisch auf der ADOxx Metamodellierungsplattform implementiert, wodurch sie auf einen konkreten Fall angewendet werden konnte. Abschließend wird ein Ausblick auf mögliche weitere Entwicklungen gegeben.

2.

Grundlagen der Metamodellierung ^

[13]
Bevor eine Charakterisierung des Begriffs der Metamodellierung erfolgen kann, sollen zuerst die damit unmittelbar verbundenen Begriffe Modell und Modellierungssprache beschrieben werden. Entsprechend den Definitionen zur Modelltheorie von Stachowiak weist der Begriff des Modells drei grundlegende Merkmale auf: a.) ein Abbildungsmerkmal, b.) ein Verkürzungsmerkmal und c.) ein pragmatisches Merkmal [Stachowiak 1973, S. 131 ff.]. Das Abbildungsmerkmal definiert, dass Modelle Repräsentationen von etwas sind und es somit einen Zusammenhang zwischen einem Modell und einem wie auch immer beschaffenen Original gibt. Das Verkürzungsmerkmal weist darauf hin, dass Modelle im allgemeinen nur diejenigen Attribute bzw. Eigenschaften aufweisen, die für den Erzeuger oder Benutzer des Modells relevant sind. Dies geht direkt in das sogenannte pragmatische Merkmal über, das Auskunft darüber gibt, für wen, für welchen Zweck und für welchen Zeitraum Modelle bestimmt sind. In der konzeptuellen Modellierung kommt zu diesen Merkmalen noch ein weiteres Merkmal hinzu, das hier als konzeptuelles Merkmal bezeichnet werden soll. Darunter wird die Eigenschaft verstanden, dass Modelle auf der Grundlage von zuvor definierten Konzepten erstellt werden, die von einem konkreten Anwendungsfall abstrahieren und damit über einen längeren Zeitraum gültig sind. Eine mögliche Ausprägung von solchen Konzepten sind Modellierungssprachen. Darunter werden künstliche Sprachen verstanden, die für die Beschreibung der Inhalte von konzeptuellen Modellen herangezogen werden. Diese können beispielsweise in textueller oder visueller Form vorliegen. Auch weitere multi-sensorische Formen sind theoretisch denkbar. Erfolgt die Umsetzung von Modellierungssprachen und Modellen mit Hilfe von Informationstechnologie, eröffnet sich zusätzlich noch die Möglichkeit, die sprach-basierten Modelle mit Hilfe von Algorithmen zu verarbeiten. Die Metamodellierung beschäftigt sich nun mit der Entwicklung von Modellierungssprachen und dazugehörigen Algorithmen, sowie Vorgehensweisen zu deren Anwendung. Dabei sind zwei grundlegende Herangehensweisen möglich: Entweder wird die Modellierungssprache im Sinne eines deduktiven Vorgehens (top-down) aus theoretischen Konzepten abgeleitet oder es erfolgt eine induktive Ableitung der Sprachkonstrukte aus bestehenden Modellen oder vorliegenden Darstellungen (bottom-up). Ebenso ist eine Kombination der beiden Herangehensweisen im Sinne eines hybriden Ansatzes möglich.

3.

Vorgehensweise zur visuellen Modellierung für Rechtsexperten ^

[14]
Im vorliegenden Fall wurde ein induktives Vorgehen für die Erstellung einer Modellierungssprache zur Unterstützung der Tätigkeit von Rechtsexperten gewählt. Ähnlich wie im Beitrag von Fill und Haiden [2016], in dem eine Modellierungssprache für die Rechtsberatung durch Notare und Rechtsanwälte im Kontext des Erbrechts beschrieben wurde, wurden dafür als Ausganspunkt bereits in der Rechtspraxis eingesetzte visuelle Darstellungen verwendet. Konkret wurde auf handschriftliche grafische Skizzen von rechtlichen Prüfschritten zwischen Richtern und Rechtspraktikanten zurückgegriffen. Diese dienen insbesondere zur Unterstützung der Kommunikation zwischen erfahrenen und angehenden Rechtsexperten. Der betrachtete Teilbereich ist aus der Rechtspraxis des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien entnommen.
[15]
Auf Grundlage dieser Skizzen wurde eine Formalisierung der dabei verwendeten Konstrukte vorgenommen, um eine erste Version der Modellierungssprache abzuleiten. Dadurch konnte insbesondere geklärt werden, welche Konzepte für die Elemente und Beziehungen in den Skizzen verwendet wurden und wie diese zueinander in Beziehung stehen. Im gegenständlichen Fall wurde für die Formalisierung auf den Typ der UML Klassendiagramme zurückgegriffen. Eine alternative Möglichkeit der Formalisierung wäre auch die Verwendung eines mathematischen Formalismus wie z.B. FDMM (Fill et al. 2012), der eine noch detailliertere Beschreibung ermöglichen würde. Aus Gründen der besseren Verständlichkeit wurde jedoch vorerst auf die mathematische Beschreibung verzichtet. Das entstandene Klassendiagramm konnte in weiterer Folge mit Details für die technische Implementierung der Modellierungssprache angereichert werden – siehe Abbildung 1. So wurden beispielsweise noch abstrakte Klassen (kursiv dargestellt) eingefügt, die für die korrekte Vererbung der möglichen Relationen zwischen Modellierungselementen benötigt werden.
[16]
Für die so definierten Klassen und Relationsklassen wurde anschließend eine grafische Notation hinzugefügt. Diese ist in folgender Tabelle dargestellt. Dabei ist zu beachten, dass die Klasse «Normative Beziehung» auf Basis einer Attributkonfiguration entweder vom Typ «Vertragliche Beziehung» oder «Gesetzliche Beziehung» sein kann und somit zwei unterschiedliche Darstellungen enthalten sind.
[17]
Die Bedeutung der Elemente der auf diese Weise erstellten Modellierungssprache kann wie folgt beschrieben werden: Die Klasse «Partei» steht für Parteien, die für die Beschreibung des zu analysierenden Sachverhalts relevant sind. «Normative Beziehungen» können in den Ausprägungen «Vertragliche Beziehung» oder «Gesetzliche Beziehung» auftreten, je nachdem ob die Grundlage der Beziehung ein Vertrag oder gesetzliche Normen sind. Mit der Klasse «Gesetzesreferenz» kann auf rechtliche Normen verlinkt werden. Diese können entweder elektronisch verfügbar sein, z.B. durch Hyperlinks in das RIS oder in Form von eigenen Modellen vorliegen [Nabizai/Fill 2017]. Die Klasse «Konzept» steht für rechtliche Konzepte, die sich aus gesetzlichen Normen oder normativen Beziehungen ergeben. Die Klasse «Rechtliche Grundlage» wird verwendet, um mehrere andere Elemente zu einer gemeinsamen rechtlichen Grundlage zusammen zu fassen, beispielsweise Kombinationen aus Konzepten und Gesetzesreferenzen. Zur Beschreibung des rechtlichen Rahmens in dem sich der jeweilige Sachverhalt befindet, wird die Klasse «Rechtsrahmen» eingesetzt.
[18]
Die Beziehung «hat Parteienbeziehung» kann gemäß der Spezifikation im Metamodell zur Verbindung von allen Kombinationen der Klassen «Partei» und «Normative Beziehung» verwendet werden. Die Beziehung «steht in Verbindung mit» ermöglicht Verbindungen von allen Klassen mit der Klasse «Konzept» und die Beziehung «referenziert auf» von Verbindungen zwischen allen Klassen.

4.

Technische Umsetzung und Anwendung ^

[19]
Die Modellierungssprache wurde auf der ADOxx Metamodellierungsplattform technisch umgesetzt [Fill/Karagiannis 2013]. Dazu wurde das Metamodell im ADOxx Development Toolkit definiert und die grafische Notation mit Hilfe der GRAPHREP Sprache ergänzt. In Abbildung 2 ist ein Screenshot des von ADOxx auf dieser Grundlage automatisch generierten Modelleditors auf der rechten Seite zu sehen. Links in der Abbildung ist der Modelleditor für visuelle Modelle von Gesetzen zu sehen, auf die über die Gesetzesreferenz-Elemente verlinkt werden kann.
[20]
Zur Illustration der Anwendung der Modellierungssprache wird im Folgenden das eingangs beschriebene Beispiel für die rechtlichen Prüfschritte im Zuge der gerichtlichen Prüfung eines Sachverhalts aufgegriffen. Das zugehörige Modell ist im Detail in Abbildung 3 dargestellt. Darin sind einerseits die rechtlichen Rahmen in Form des EU-Rechts (EU-R), des österreichischen Verfassungsrechts (VfR), des ABGB und des MRG dargestellt. Im vorliegenden Sachverhalt besteht eine normative Beziehung vom Typ vertragliche Beziehung in Form eines Mietvertrags zwischen den Parteien «Mieter» sowie zwei Hauseigentümern. Für die normative Beziehung ist im gegenständlichen Sachverhalt die materiell-rechtliche Grundlage maßgeblich. Diese umfasst die Konzepte «Duldung» und «Unterlassung» mit entsprechenden Gesetzesreferenzen. Hinzu kommt die prozessuale Grundlage in Form der Konzepte «Antrag im außerstreitigen Rechtsweg» für den Fall der Duldung oder Unterlassung auf gesetzlicher Grundlage nach dem MRG und «Klage im streitigen Rechtsweg» auf konkreter vertraglicher Grundlage.
[21]
Für die Durchsetzung eines Rechtsanspruches (materielles Recht) ist daher auch die Ebene des Prozessrechts zu berücksichtigen, also derjenigen Normen, nach denen gerichtliche Verfahren unter fairer Berücksichtigung der Parteienrechte durchzuführen sind. Dabei kommt der Unterscheidung zwischen dem streitigen und dem außerstreitigen Rechtsweg ebenfalls Bedeutung zu, weil auch die weitere Entwicklung durch den Verkauf der Liegenschaft als zeitliche Dimension darauf Einfluss haben kann.
[22]
Mithilfe der Visualisierung kann nicht nur eine Darstellung der gesetzlichen und/oder vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien des Verfahrens, sondern auch der rechtsrelevanten Kriterien erfolgen, mit deren Hilfe die Zuordnung auf den korrekten Rechtsweg erfolgt und damit auch eine klare Entscheidung über die Relevanz nachträglicher Veränderungen ermöglicht.
[23]
Das Rekursgericht (LGZ Wien, 38 R 296/13f) bejahte die konkrete vertragliche Verpflichtung der Eigentümer aus dem Vergleich im Jahr 2009, daher auch den streitigen Rechtsweg und die Passivlegitimation der Eigentümer (Berechtigung diese klagsweise in Anspruch zu nehmen), weil das Beweisverfahren ergeben hatte, dass die Durchsetzung zwar erst nach dem Verkauf begehrt, die dafür aber auch erforderliche Eintragung im Grundbuch erst nach der Klagseinbringung erfolgt war.

5.

Conclusio und Ausblick ^

[24]
Im vorliegenden Beitrag wurde dargestellt, wie ein Ansatz zur visuellen Modellierung zur Unterstützung von Rechtsexperten mit Hilfe der Metamodellierung entwickelt werden kann. Dazu wurde ein induktiver Ansatz gewählt, der auf in der Rechtspraxis eingesetzten visuellen Darstellungen beruht und diese schrittweise auf eine formale Ebene bis hin zu einer technischen Umsetzung als Modellierungswerkzeug führt. Wie bei jedem induktiven Vorgehen, ist es für die weitere Entwicklung des Ansatzes erforderlich, diesen auf weitere Bereiche des Zivilrechts anzuwenden um somit einerseits die bestehenden Konstrukte der Modellierungssprache auf ihre Adäquanz zu überprüfen bzw. unter Umständen weitere Konstrukte zu ergänzen. Dies betrifft insbesondere auch die Evaluierung, inwieweit sich Algorithmen zur Unterstützung der Analyse einsetzen lassen. Für die Zukunft ist geplant, den Ansatz auch für weitere Rechtsbereiche auszudehnen, um auch Sachverhalte des öffentlichen Rechts oder des Strafrechts abbilden und analysieren zu können.

6.

Literatur ^

Brunschwig, Colette R., Visualisierung von Rechtsnormen Legal Design, Zürich 2001.

Fill, Hans-Georg/Redmond, Timothy/Karagiannis, Dimitris, FDMM: A Formalism for Describing ADOxx Meta Models and Models, in: Maciaszek, Leszek,/Cuzzocrea, Alfredo/Cordeiro, José (Hrsg.), Proceedings of ICEIS 2012 – 14th International Conference on Enterprise Information Systems, Vol. 3, SciTePress, Wroclaw 2012, S. 133–144.

Fill, Hans-Georg/Karagiannis, Dimitris, On the Conceptualisation of Modelling Methods Using the ADOxx Meta Modelling Platform, Enterprise Modelling and Information Systems Architectures – An International Journal, 2013, Vol. 8, Issue 1, S. 4–25.

Kahlig, Wolfang/Kahlig, Eleonora, Rechtsvisualisierung – Viribus Unitis – mit C.O.N.T.E.N.T., in: Jusletter IT, IRIS, 2015, 26. Februar 2015.

Kramer, Ernst A., Juristische Methodenlehre, 2. Auflage, München/Basel/Wien 2005, S. 76.

Koziol, Helmut/Welser, Rudolf/Kletecka, Andreas, Grundriss des bürgerlichen Rechts, Band I: Allgemeiner Teil. Sachenrecht, Familienrecht, 14. Auflage, Wien 2014, Rz. 49 ff.

Lachmayer, Friedrich, Rechtsvisualisierung, Legalvisualization.com, http://www.legalvisualization.com/rechtsvisualisierung (aufgerufen am 1. Dezember 2016).

Nabizai, Arzo/Fill, Hans-Georg, Eine Modellierungsmethode zur Visualisierung und Analyse von Gesetzestexten, in diesem Band. Online erscheint der Beitrag in: Jusletter IT 23. Februar 2017.

Riss, Olaf, in: Hausmann, Till/Vonkilch, Andreas (Hrsg.), Österreichisches Wohnrecht – MRG, 3. Auflage, Wien 2013, Rz. E 1 ff. zu § 1 MRG.

Stachowiak, Herbert, Allgemeine Modelltheorie, Springer, Berlin 1973.

Würth, Helmut/Zingher, Madeleine/Kovanyi, Peter, Miet- und Wohnrecht Band I, 23. Auflage, Wien 2015, Rz. 4 ff., Vor § 1 MRG.