Jusletter IT

20 Jahre Rechtsvisualisierung – Bestandsaufnahme und Storytelling

  • Authors: Bettina Mielke / Caroline Walser Kessel / Christian Wolff
  • Category: Articles
  • Region: Germany, Switzerland
  • Field of law: Legal Visualisation, Multisensory Law
  • Collection: Conference Proceedings IRIS 2017
  • Citation: Bettina Mielke / Caroline Walser Kessel / Christian Wolff, 20 Jahre Rechtsvisualisierung – Bestandsaufnahme und Storytelling, in: Jusletter IT 23 February 2017
Der Beitrag gibt einen Überblick zur Entwicklung der Visualisierungen im Rahmen des Internationalen Rechtsinformatik-Symposions (IRIS), das in diesem Jahr zum zwanzigsten Mal stattfindet. Dazu erfolgt die Erfassung aller visuellen Darstellungen in allen IRIS-Bänden, und zwar unabhängig davon, ob die jeweiligen Beiträge sich mit Rechtsvisualisierung als Thema auseinandersetzen oder Visualisierungen «lediglich» als Mittel der Argumentation, zur Illustration etc. verwenden. Anschließend ordnen wir die Visualisierungen in ein Kategorisierungsschema ein, um eine Bestandsaufnahme zur Häufigkeit von Visualisierungen und zur Art der visuellen Mittel im Zeitverlauf des IRIS zu erhalten. Parallel dazu wird im Wege des Storytellings eine visuelle Geschichte zum Nutzen von Visualisierungen in klassischen Lehr-Lernsituationen dargestellt.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einführung
  • 2. Ein visuelles Storytelling zur Rechtsvisualisierung
  • 3. Corpusaufbau und Methode
  • 3.1. Kategorienschema
  • 3.1.1. Theoretische und empirische Herleitung
  • 3.1.2. Aufbau des Kategorienmodells
  • 3.2. Hinweise zur Durchführung der Kategorisierung
  • 4. Analyse und Ergebnisse
  • 4.1. Verwendete Visualisierungen im zeitlichen Verlauf
  • 4.2. Verteilung zwischen Artikeln zur Rechtsvisualisierung und sonstigen Artikeln
  • 4.3. Eigene Bilder vs. Bildzitate
  • 4.4. Art der verwendeten Visualisierungen
  • 4.5. Änderungen im Zeitverlauf
  • 5. Fazit und Ausblick
  • 6. Literatur

1.

Einführung ^

[1]
Das diesjährige 20. Internationale Rechtsinformatik-Symposion (IRIS) ist Anlass, eine Bestandsaufnahme zu Häufigkeit und Art der dort verwendeten Visualisierungen vorzunehmen. Seit 2002 gibt es eine eigene Themengruppe Visualisierung im Recht bzw. Rechtsvisualisierung. Seither sind 98 Artikel dazu in den Tagungsbänden bis 2016 erschienen, die insgesamt 767 Seiten füllen (von insgesamt 1‘267 Artikeln in allen Tagungsbänden mit einer Gesamtseitenzahl von 9‘353, siehe dazu unten). Das Thema Rechtsvisualisierung ist einer der Schwerpunkte des IRIS. Interessant erschien uns in diesem Zusammenhang, inwieweit die IRIS-Bände Visualisierungen enthalten und ob über die Jahre eine Entwicklung hinsichtlich des Vorkommens bzw. der Qualität zu erkennen ist. Dabei wurden alle Visualisierungen untersucht, unabhängig davon, ob sie sich in Beiträgen zum Thema Visualisierung finden oder in Aufsätzen zu anderen Schwerpunkten. Allgemein gilt die Rechtswissenschaft als «bildfern»1, während die Informatik von Abbildungen in Form von Schemazeichnungen, Diagrammen etc. geprägt ist, die bekannteste visuelle Sprache ist dabei sicher die Unified Modeling Language (UML)2. Im Schnittbereich von Recht und Informatik ist somit ein verstärktes Vorkommen der visuellen Elemente gegenüber der reinen Rechtswissenschaft zu erwarten.

2.

Ein visuelles Storytelling zur Rechtsvisualisierung ^

[2]
Visualisierung ist kein Selbstzweck. Man verbindet mit dem Einsatz visueller Darstellungsformen unterschiedliche Absichten, besonders prominent ist das Ziel, durch visuelle Darstellung komplexe Zusammenhänge anschaulich und besser verständlich vermitteln zu können.3 Zudem geht es darum, große oder sehr große Datenmengen durch Visualisierung überhaupt erst erfassbar zu machen – ein Aspekt, der in der Rechtswissenschaft, soweit nicht die Rechtstatsachenforschung betroffen ist, von geringerer Bedeutung ist. Auf jeden Fall hofft man, durch visuelle, multimediale oder multisensorische Aufbereitung traditionelle Lehr-Lern-Situationen abwechslungsreicher und spannender erscheinen zu lassen. Diese Erwartung stellen wir ergänzend zur Auswertung der Visualisierungen in den IRIS-Bänden in Form einer visuellen Geschichte dar. Das sogenannte Storytelling4 – in diesem Fall ein visuelles Storytelling – wird seit einigen Jahren als wichtige neue Kreativtechnik angesehen. Dabei gehen wir – die visuelle Geschichte hat Caroline Walser Kessel konzipiert und gezeichnet – von einer klassischen Unterrichtssituation, etwa einer Vorlesung aus.
[3]
Die Thematik der vorstehenden Geschichten stimmt ein auf die nachfolgende Kategorisierung der Visualisierungen, wobei wir uns des dialektischen Spannungsverhältnisses zwischen Storytelling und kreativer Gestaltung einerseits und empirischer Auswertung andererseits bewusst sind. Die visuelle Geschichte zeichnet pointiert ein Idealbild von der Wirkmächtigkeit des Bildes, während die nachfolgende Auswertung die eigentliche Medienwirkung gar nicht erfassen kann, sondern vor allem eine Bestandsaufnahme zur Verwendung der Visualisierungen in 20 Jahren IRIS zum Ziel hat.

3.

Corpusaufbau und Methode ^

[4]
Visuelle Methoden, also die wissenschaftliche Arbeit mit Hilfe visuellen Materials ist ein noch junger Trend in den Sozialwissenschaften und lässt sich als Reaktion auf die zunehmende Visualisierung (iconic turn) verstehen. Empirische Studien zum Einsatz visuellen Materials in wissenschaftlichen Texten haben aber noch Seltenheitswert.5 Als Datencorpus dienten uns die Printausgaben und die elektronischen Fassungen aller IRIS-Bände von 2000 bis 2016 (1998 und 1999 sind keine Proceedings erschienen), die uns durch die Herausgeber Erich Schweighofer und Franz Kummer als PDF-Druckvorlagen für alle Bände außer 2012 und 2014 (dort Download der HTML-formatierten Artikel des Jusletter IT) zur Verfügung gestellt wurden.
[5]
Zunächst haben wir die Artikel aller bis einschließlich 2016 erschienenen IRIS-Bände intellektuell ausgewertet, die jeweiligen Visualisierungen markiert und anschließend kategorisiert. Wir haben dabei alle Abbildungen berücksichtigt, unabhängig davon, ob sie eine Bildunterschrift tragen oder nicht, da vor allem in frühen Bänden Formatierungsstandards noch weniger einheitlich umgesetzt wurden (fallweise Abbildungen und Tabellen ohne Bildunterschrift).6

3.1.

Kategorienschema ^

[6]
Ansätze zur Systematisierung von Rechtsvisualisierungen unterscheiden meist zwischen gegenständlichen (realistischen und nichtrealistischen) und logischen Bildern.7 Zu den logischen Bildern im weiteren Sinne gehören auch die visuellen Aufbereitungen quantitativer Daten in Tabellen, Kurven und Diagrammen.8

3.1.1.

Theoretische und empirische Herleitung ^

[7]
Die Methodik orientiert sich am Verfahren der Inhaltanalyse nach Mayring 2015 und verbindet ein Aufgreifen der in der Literatur zur Rechtsvisualisierung vorgeschlagenen Kategorien mit der Analyse einer Stichprobe und deren anschließender Überprüfung und Verfeinerung: Anhand der gängigen Systematisierungsansätze und aufgrund einer ersten Durchsicht der IRIS-Bände 2001, 2004, 2007 und 2015 haben wir zunächst ein Kategorisierungsschema entwickelt, das wir in weiteren Durchgängen validiert haben, wobei Farbe und Bewegtbilder mangels Vorkommens nicht analysiert werden konnten.

3.1.2.

Aufbau des Kategorienmodells ^

[8]

Wir haben die Visualisierungen in folgende Typen von Abbildungen untergliedert, für einige Abbildungstypen hat Caroline Walser Kessel Vignetten als bildliche Metaphern angefertigt:

  1. Abbildung von Quellcode (Besonderheit im Bereich der Rechtsinformatik)
  2. Datenbilder
    1. Tabellen und weitere Formen strukturierten und typografisch gestalteten Texts
    2. Visualisierung von größeren Textmengen, z.B. word clouds (Wortwolken)
    3. Standardisierte Diagrammtypen (z.B. Balkendiagramm, Tortengramm, Netzdiagramm)
  1. Logische Bilder mit Unterkategorien
    1. Logische Bilder mit dynamischem Aspekt
      1. Flussdiagramme (Datenflusspläne, Ablaufdiagramme)
      1. Logisches Bild eines Zeitverlaufs
      2. Entscheidungsbaum
    1. Logische Bilder einer Struktur (z.B. Hierarchie, Bäume, Netzwerke, Pyramide, Mischformen)
      1. Logisches Bild einer Systemarchitektur (unterschiedliche Abstraktionsebenen)
      2. Logisches Bild eines Datenmodells
      3. Logisches Bild einer Wissensstruktur oder eines Wissensmodells / einer Ontologie
[9]

Zusätzlich erfolgte eine Analyse danach, ob die logischen Bilder durch bildliche Elemente ergänzt sind, etwa im Sinne einer modernen Infographik9. Dabei haben wir danach unterschieden, ob die logischen Bilder mit realistischen, ikonischen oder Comic-Elementen kombiniert sind.

  1. Gegenständliche Abbildungen
    1. Screenshots, z.B. auch als Abbild einer strukturierten Systemausgabe
    1. Abbildung eines Dokuments, Buchcovers etc.
    2. Comics und Cartoons
    3. Fotografien
    4. Abbildungen einzelner ggf. typografisch gestalteter Wörter
    5. Kartografische Abbildungen
[10]
Schließlich differenzierten wir, ob es sich um von den Autoren der jeweiligen Beiträge gestaltete Abbildungen oder bildliche Zitate handelt.

3.2.

Hinweise zur Durchführung der Kategorisierung ^

[11]
Die Systematisierung und Kategorisierung der Visualisierungen erfolgte immer durch zwei der Autoren, um einen möglichst einheitlichen Standard zu gewährleisten, auf eine explizite Berechnung der Intercoderreliabilität10 haben wir dabei verzichtet. Erwartungsgemäß gab es eine Reihe von Zweifelsfragen. Entscheidungen erfolgten auf der Basis gemeinsamer Diskussionen und unter Berücksichtigung der Bildunterschriften, der Titel der Aufsätze, der vergebenen Schlagworte, ggf. auch der vorangestellten Abstracts sowie der Textkapitel, in denen die Abbildungen vorkommen.
[12]
Nicht als Visualisierung gewertet haben wir (die insgesamt sehr seltenen) Formeln, auch in abgesetzter Form (z.B. im IRIS-Band 2002, S. 35), da sie unseres Erachtens Sprache darstellen und keine Abbildungen.
[13]
Relativ einfach war die Einteilung in die Kategorien Tabellen und Datenbilder, während die Einordnung in die verschiedenen Unterkategorien von logischen Bildern nicht immer leicht vorzunehmen war, da die Grenzen fließend sind: Insbesondere bereitete es Schwierigkeiten, zu bewerten, ob es sich um einen Datenflussplan oder das logische Bild einer Wissensstruktur handelt. Als Datenflussplan haben wir eine Abbildung dann gewertet, wenn tatsächlich ein konkreter Ablauf mit präziser Reihenfolge erkennbar ist, sonst als logisches Bild einer Wissensstruktur, jeweils unter Berücksichtigung der oben genannten inhaltlichen Bezüge.
[14]
Schwierig war oftmals auch die Frage zu entscheiden, ob es sich um eine vom Autor des Beitrags selbst gestaltete Visualisierung handelt oder um ein bildliches Zitat. Problematisch war dies gerade bei der Einordnung von Screenshots. Wir haben dann ein bildliches Zitat angenommen, wenn davon auszugehen war, dass der Autor die abgebildete Software oder Website nicht selbst entwickelt hat. Als eigene Visualisierung haben wir es dagegen gewertet, wenn die Screenshots bearbeitet waren, etwa durch Pfeile, Einkreisungen etc. Abbildungen «nach» bzw. «angelehnt an» wurden ebenfalls als eigene Abbildungen gezählt. Grundsätzlich sind wir von einer eigenen Visualisierung ausgegangen, wenn keine Quelle angegeben ist (die Möglichkeit fehlender Zitationen oder gar Plagiaten wurde nicht berücksichtigt).
[15]
Bei unserer Entscheidung, ob es sich um einen Aufsatz mit dem Thema Rechtsvisualisierung handelt, war die Zuordnung der Herausgeber zu diesem Themenkreis maßgeblich, daneben die Titel und die Schlagwörter. Wenn sich hier ein expliziter Bezug zur Rechtsvisualisierung fand, haben wir den entsprechenden Artikel als Artikel zur Rechtsvisualisierung gewertet, auch wenn er (da daneben andere Aspekte angesprochen wurden) in den IRIS-Bänden einem anderen Themengebiet zugeordnet ist.

4.

Analyse und Ergebnisse ^

[16]
Nachfolgend sind die Ergebnisse unserer Analyse dargestellt. Bei Zählung der Paginierung mit arabischen Ziffern, ggf. mit Vorwort und Inhaltsverzeichnis bis hin zur letzten Beitragsseite (ohne Autorenindex und Inhaltsangabe am Ende) haben alle IRIS-Bände zusammen einen Umfang von 9‘353 Seiten und enthalten insgesamt 1‘267 Artikel zu unterschiedlichen Themen der Rechtsinformatik, der Rechtstheorie und der Rechtsvisualisierung (einschließlich der Abstracts, die in manchen Bänden als Kurzbeiträge zu finden sind), in denen sich insgesamt 1‘281 Visualisierungen befinden. Dabei schwankt der Umfang der jeweiligen IRIS-Bände von 230 Seiten im Jahr 2000 bis 692 Seiten im Jahr 2014.11 Bei den oft kleinteiligen Abbildungen haben wir die Lesbarkeit bewertet. Insgesamt 90 Abbildungen (entspricht 7%) sind kaum oder nicht lesbar.

4.1.

Verwendete Visualisierungen im zeitlichen Verlauf ^

[17]

Um die Verwendung von Visualisierungen im zeitlichen Verlauf darzustellen, wurden die Abbildungen im Verhältnis zur Anzahl der Artikel und zum Seitenumfang der Tagungsbände berechnet. Die nachfolgende Tabelle zeigt die durchschnittliche Anzahl von Visualisierungen pro Artikel im Zeitverlauf. Es zeigt sich dabei eine deutliche Zunahme der Abbildungen bezogen auf die Zahl der Artikel. Ähnlich sieht es bei der durchschnittlichen Anzahl von Abbildungen pro Seite aus, die von 0,09 Visualisierungen pro Seite im Jahr 2000 auf 0,20 Visualisierungen pro Seite im Jahr 2016 gestiegen ist. Umgekehrt bedeutet dies, dass im IRIS-Band aus dem Jahr 2000 im Durchschnitt nur etwa alle zehn Seiten eine Visualisierung zu finden ist, während im Jahr 2016 durchschnittlich etwa alle fünf Seiten eine Abbildung kommt. Die höchste Zahl an Visualisierungen ergibt sich dabei für 2015 (auf ca. vier Seiten kommt eine Visualisierung), die niedrigste Zahl an Visualisierungen enthält der IRIS-Band 2001 (nur alle 25 Seiten kommt eine Visualisierung vor).

4.2.

Verteilung zwischen Artikeln zur Rechtsvisualisierung und sonstigen Artikeln ^

[18]
Die Auswertung zeigt, dass verhältnismäßig mehr Artikel zur Rechtsvisualisierung Abbildungen enthalten als die Artikel zu anderen Themen. Dies entspricht den Erwartungen, überraschend ist eher, dass doch eine ganze Reihe von Artikeln zur Rechtsvisualisierung selbst keine Abbildung enthält, nämlich insgesamt 19 von 98 Beiträgen. Interessant ist, dass in den Bänden 2002 und 2003 ein sehr hoher Anteil der Visualisierungen auf die Artikel zur Rechtsvisualisierung entfällt (41% und 30%), während dieser Anteil bis 2008 deutlich auf unter 20% sinkt. Ab 2008 steigt der Anteil wieder an auf jeweils über 20%, davon in fünf Fällen auf über 30%, im Jahr 2010 sogar auf über 40%, wobei die Zahl der Aufsätze zum Thema Rechtsvisualisierung ab 2010 mit zwischen sieben und zehn Beiträgen pro Band relativ stabil ist.

4.3.

Eigene Bilder vs. Bildzitate ^

[19]
Die überwiegende Zahl der verwendeten Abbildungen stellen dabei eigene Visualisierungen dar (978), in deutlich weniger Fällen handelt es sich um ein bildliches Zitat (276), in 15 Fällen war nicht entscheidbar, ob es sich um eine eigene Visualisierung oder ein Bildzitat handelt. Im Zeitverlauf ist das Verhältnis von eigenen Visualisierungen zu Bildzitaten sehr unterschiedlich, so schwankt der Anteil der Bildzitate von knapp 7% bis zum höchsten Wert von knapp 37%, wobei sich die wenigsten Bildzitate im IRIS-Band 2003 befinden und der höchste Anteil im IRIS-Band 2004 ist. Ein ähnlich hoher Wert von knapp 37% findet sich in den Jahren 2011 und 2014, während in den Jahren 2013, 2015 und 2016 der Anteil der Bildzitate wieder unter 20% liegt. Eine Tendenz im Zeitverlauf ist damit nicht feststellbar.

4.4.

Art der verwendeten Visualisierungen ^

[20]

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Art der verwendeten Visualisierung nach den gewählten Unterkategorien und dem häufigsten Vorkommen:

  Typ Anzahl
Abbildung Quellcode 24
Datenbilder Tabellen 260
Visualisierung von größeren Textmengen (z.B. Wortwolken) 7
Standardisierte Diagrammtypen 107
Summe Datenbilder 374
Logische Bilder Dynamik Flussdiagramme (Datenflusspläne, Ablaufdiagramme, Prozessdiagramme) 108
Logisches Bild eines Zeitverlaufs 13
Entscheidungsbaum 4
Zwischensumme logische Bilder Dynamik 125
Logische Bilder Struktur Logisches Bild einer Systemarchitektur 47
Logisches Bild eines Datenmodells 16
Logisches Bild einer Wissensstruktur oder eines Wissensmodells/einer Ontologie 372
Zwischensumme logische Bilder Struktur 435
  Summe logische Bilder insgesamt 560
Gegenständliches Screenshots, z.B. auch als Abbild einer strukturierten Systemausgabe 230
Abbildung eines Dokuments, Buchcovers etc. 30
Comics und Cartoons 30
Fotografien 5
Abbildungen einzelner ggf. typografisch gestalteter Wörter 4
Kartografische Abbildungen 7
Summe gegenständliche Abbildungen 306
  Sonstiges (z.B. Bilder einzelner Symbole, Schaltflächen, 3D-Visualisierungen) 17
Gesamtsumme 1.281

Tabelle 1: Absolute Anzahl der Visualisierungen in allen IRIS-Bänden 2000 bis 2016

[21]
Es zeigt sich, dass die Anzahl der verwendeten logischen Bilder erwartungsgemäß am höchsten ist, vor allem wenn man die Kategorie der Datenbilder hinzunimmt. Der Anteil der gegenständlichen Abbildungen macht nur ein Viertel an allen Abbildungen aus, wobei Screenshots, die ebenfalls nur selten gegenständliche Abbildungen zum Gegenstand haben, ganz stark dominieren. Dies ändert sich nur geringfügig, wenn man die Zahl der logischen Bilder hinzufügt, in denen diese mit einer bildlichen Darstellung kombiniert sind. Insgesamt finden sich acht Fälle, in denen ein logisches Bild mit einer realistischen Darstellung kombiniert ist, in 89 Fällen enthalten die logischen Bilder ikonische Elemente, die allerdings meist einen hohen Abstraktionsgrad aufweisen (z.B. schematische Darstellungen von Personen, Gegenständen etc.). Nur wenige Abbildungen erreichen einen Komplexitätsgrad wie er heute bei aufwändig produzierten Infografiken üblich geworden ist12.
[22]

In den IRIS-Bänden finden sich bildhafte Darstellungen im engeren Sinn im Gegensatz zu unserer Bildgeschichte nur selten, lediglich fünf Fotografien und 30 Comics/Cartoons in allen Bänden. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein wissenschaftlicher Tagungsband hinsichtlich der Abbildungen andere Charakteristika aufweist als ein Lehrbuch.

4.5.

Änderungen im Zeitverlauf ^

[23]
Hinsichtlich der Verwendung der verschiedenen Visualisierungsarten über die Jahre hinweg lässt sich feststellen, dass es bei einigen Darstellungsformen keinen eindeutigen Verlauf gibt, wie etwa bei der Verwendung von Quellcode, Flussdiagrammen, der Darstellung eines Zeitverlaufs sowie bei Entscheidungsbäumen. Letztere kommen dabei insgesamt nur viermal in drei IRIS-Bänden vor, was angesichts der Materie etwas überraschend ist. Wenig Änderung in der Verwendungshäufigkeit ergibt sich auch bei der Darstellung von Systemarchitekturen und Datenmodellen.
[24]
Tabellen und Standarddiagramme nehmen im Zeitverlauf zu, ebenso die Darstellung von Wissensstrukturen. Die Verwendung gegenständlicher Abbildungen erhöht sich im Zeitverlauf nur geringfügig.

5.

Fazit und Ausblick ^

[25]
Ist der iconic turn in der Rechtswissenschaft angekommen? Oder ist es eher doch nur ein «iconic Turnchen», das wir im Kontext des IRIS beobachten? Unstrittig ist jedenfalls, dass das Thema Rechtsvisualisierung ein wichtiges Themenfeld und eines der Alleinstellungsmerkmale des IRIS ist. Bei fast 1‘300 Abbildungen in den untersuchten Tagungsbänden ist sicher nicht mehr von einem Randphänomen zu sprechen. Gleichzeitig ist ein klarer Trend zu erkennen, d.h. die relative Anzahl von Abbildungen in den Beiträgen ist im Beobachtungszeitraum erheblich gestiegen. Dass dieses Phänomen – die Visualisierung als solche – dann selbst wieder zum Gegenstand einer Studie wird, wie in diesem Beitrag, liegt ebenfalls im Trend der Zeit: In den Sozialwissenschaften ist man seit einigen Jahren dabei, visuelle Methoden als Erweiterung der traditionellen Instrumente zu erforschen13 – in einer visuell geprägten Kultur wird Visuelles auch zur Methode.
[26]
Auf der Basis der Detailklassifikation aller Abbildungen liegt als nächster Schritt der Aufbau einer IRIS-Bilddatenbank nahe, die weitergehende formale und inhaltliche Analysen der Abbildungen ermöglichen kann. Interessant wäre auch der Vergleich der Visualisierungsanteile und -arten in unterschiedlichen Disziplinen.
[27]

Abschließend soll noch einmal ein Bild zu Wort kommen: Was sind illustrierte Handschriften wie der Sachsenspiegel anderes als – sehr gegenständliche – Rechtsvisualisierungen? Insofern kann die Rechtsvisualisierung auf eine noch deutlich längere Tradition zurückblicken.

6.

Literatur ^

Brunschwig, Colette (2003), Tabuzone juristische Reflexion. Zum Mangeln an Bildern, die geltendrechtliche Inhalte visualisieren. In: Schweighofer, Erich/Menzel, Thomas/Kreuzbauer, Günther/Liebwald, Doris (Hrsg.), Zwischen Rechtstheorie und e-Government, Aktuelle Fragen der Rechtsinformatik 2003, Verlag Österreich, Wien 2003, S. 411–420.

Cabanac, Guillaume/Hartley, James/Hubert, Gilles (2014), Solo versus collaborative writing: Discrepancies in the use of tables and graphs in academic articles. Journal of the Association for Information Science and Technology, 65(4), S. 812–820. doi:10.1002/asi.23014.

Grauel, Ralf/Schwochow, Jan (2012), Deutschland verstehen. Eine Lese-, Lern- und Anschaubuch, die Gestalten Verlag, Berlin 2015.

Hahn, Tamara/Mielke, Bettina/Wolff, Christian (2014), Klassifikation von Darstellungsformen in der Rechtsvisualisierung. In: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter (Hrsg.), Transparenz, Tagungsband des 17. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2014, books@ocg.at, Wien 2014, S. 491–502.

Heddier, Marcel/Heide, Tobias/Knackstedt, Ralf (2012), Research Portal Multisensory Law und YourResearchPortal.com. In: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter (Hrsg.), Transformation juristischer Sprachen, Tagungsband des 15. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2012, books@ocg.at, Wien 2012, S. 373–380.

Kahlig, Wolfgang (2008), UML für juristische Anwendungen. In: Schweighofer, Erich/Geist, Anton/Heindl, Gisela/Szücs, Christian (Hrsg.), Komplexitätsgrenzen der Rechtsinformatik, Tagungsband des 11. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2008, Boorberg, Stuttgart et al. 2008, S. 579–584.

Mayring, Philipp (2015), Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, 12. aktualisierte und überarb. Aufl., Beltz, Weinheim 2015.

Mielke, Bettina/Wolff, Christian (2005), Visualisierungsformate im Recht. In: Schweighofer, Erich/Liebwald, Doris/Augeneder, Silvia/Menzel, Thomas (Hrsg.), Effizienz von e-Lösungen in Staat und Gesellschaft, Aktuelle Fragen der Rechtsinformatik 2005, Boorberg, Stuttgart et al. 2005, S. 618–626.

Mielke, Bettina/Wolff, Christian (2017A), Auswertung der Abbildungen in den Tagungsbänden des Internationalen Rechtsinformatik-Symposions Salzburg 2000–2016. Arbeitsbericht, Lehrstuhl für Medieninformatik, Institut für Information und Medien, Sprache und Kultur, Universität Regensburg, Januar 2017, online: http://epub.ur.de.

Mielke, Bettina/Wolff, Christian (2017B), Trend Mining IRIS: 20 Jahre Entwicklung der Rechtsinformatik. In: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter/Sorge, Christoph (Hrsg.), Tagungsband des 20. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2017, books@ocg.at, Wien 2017, in diesem Band.

Nomata, Yuya/Hoshino, Junichi (2005), Graphical digital storytelling: visualizing personal histories and relationships. Paper presented at the ACM SIGGRAPH 2005 Sketches, ACM, New York 2005.

Röhl, Klaus F./Ulbrich, Stefan. (2007), Recht anschaulich. Visualisierung in der Juristenausbildung. Herbert von Halem Verlag [edition medienpraxis, Bd. 3], Köln 2007.

Rose, Gillian (2016).Visual Methodologies. An Introduction to Researching with Visual Materials. 4. Auflage, SAGE Publications, Los Angeles 2016.

Schwochow, Jan/Ramge, Thomas (2016), Wirtschaft verstehen. Eine Einführung in 111 Infografiken, Econ (Ullstein Buchverlage) Berlin 2016.

Walser Kessel, Caroline/Lachmayer, Friedrich/Cyras, Vytautas/Parycek, Peter/Weng, Yueh-Hsuan (2016), Rechtsvisualisierung als Vernetzung von Sprache und Bild – Anmerkungen zum Buch «Kennst Du das Recht?». In: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter/Borges, Georg (Hrsg.), Netzwerke, Tagunsgband des 19. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2016, books@ocg.at, Wien 2016, S. 365–371.

  1. 1 Vgl. etwa Brunschwig 2003, Röhl/Ulbrich 2007. Dies zeigt auch die Untersuchung bekannter juristischer Fachzeitschriften, die nur sehr wenige Visualisierungen aufweisen, Mielke/Wolff 2005, S. 618 ff.
  2. 2 Vgl. zu juristischen Anwendungen der UML etwa Kahlig 2008, S. 579 ff.
  3. 3 Vgl. Rose 2016, S. 330 ff.
  4. 4 Vgl. Nomata/Hoshino 2005.
  5. 5 Ein jüngeres Beispiel ist die Studie von Cabanac/Hartley/Hubert 2014, in der gezeigt wird, dass in Zeitschriftenartikeln die Zahl der Autoren mit der Anzahl von Tabellen und Abbildungen korreliert.
  6. 6 Die Auswertung der einzelnen Tagungsbände mit den seitengenauen Zuordnungen aller Abbildungen zu den verschiedenen Typen steht als Arbeitsbericht im Sinne der Verfügbarmachung von Forschungsprimärdaten über den Publikationsserver der Universität Regensburg zur Verfügung, vgl. Mielke/Wolff 2017A.
  7. 7 Vgl. etwa Hahn/Mielke/Wolff 2014, S. 492 ff.; Heddier/heide/Knackstedt 2012, S. 373 ff.; Röhl/Ulbrich 2007, S. 53 ff.; Walser Kessel/Lachmayer/Cyras/Parycek/Weng 2016, S. 366 ff.
  8. 8 Röhl/Ulbrich 2007, S. 63.
  9. 9 Vgl. etwa Röhl/Ulbrich 2007, S. 164 ff. Zu Beispielen komplexer Infographiken siehe Grauel/Schwochow 2012 und Schwochow/Ramge 2016.
  10. 10 Mayring 2015, S. 124.
  11. 11 Details hierzu vgl. Mielke/Wolff 2017B.
  12. 12 Vgl. etwa Grauel/Schwochow 2012 und Schwochow/Ramge 2016.
  13. 13 Vgl. etwa Rose 2016.