1.
Einleitung ^
Beim vorliegenden Beitrag handelt es sich um eine gekürzte Version einer Seminararbeit des Autors, welche im Mai 2018 an der Universität Wien verfasst wurde.
Dieses Thema wurde hauptsächlich aus persönlichem Interesse gewählt, da ich mich bereits mehrfach mit dem Konflikt zwischen dem Schutz von Urheberrechten (alleinige Entscheidung über Vervielfältigung, etc.) und der grundlegenden Forderung einer modernen Gesellschaft, die gerne unbeschränkten Zugriff auf Wissen haben möchte, auseinandergesetzt habe. Dies lässt sich an mehreren Beispielen verdeutlichen:
- In der heimischen Musikbranche ist ein starker Umbruch zu bemerken, da internationale Sharing- und Streamingdienste (etwa Youtube, Soundcloud, iTunes oder Spotify) eine wesentliche Vermarktungsplattform für urheberrechtlich geschützte Werke sind. Musiker und Plattenfirmen bzw. Leistungsschutzgesellschaften möchten mit der Veröffentlichung Einnahmen generieren, Musikkonsumenten hingegen möchten gerne kostenlos die bestehende musikalische Vielfalt nutzen.1
- In einer anderen Seminararbeit habe ich die EuGH-Entscheidung Bonnier Audio AB u.a. gegen Perfect Communication Sweden AB2 analysiert, in der ein Nutzer urheberrechtlich geschützte Werke über einen FTP-Server der Allgemeinheit zugänglich gemacht hat. Bonnier Audio AB ist der Rechteinhaber an den urheberrechtlich geschützten Werken. Der Internetdienstleister, über den der rechtswidrige Datenaustausch stattgefunden haben soll, ist Perfect Communication Sweden AB. Bonnier Audio BA beantragte eine Auskunftsverfügung gegen Perfect Communication Sweden AB, um an die Nutzerdaten (Name und Adresse) heranzukommen. Es war also im Grunde ein Konflikt zwischen dem Schutz personenbezogener Daten und des Privatlebens einerseits und dem Schutz des geistigen Eigentums andererseits, der von den Gerichten zu lösen war.
- Auch die Pharmabranche ist von dieser Diskussion laufend betroffen: Sollen Menschen in Schwellenländern Zugang zu leistbaren Medizinprodukten und Medikamenten bekommen? Es bräuchte in Krisensituationen eine große Menge an sofort verfügbaren Generika, welche die Bevölkerung vor weiteren Ansteckungen und damit einer unkontrollierbaren Ausbreitung der Krankheit effektiv schützt. Auf der anderen Seite stehen die Profitinteressen von Unternehmen und deren Umgang mit Patentrechten bzw. geschützten Rezepturen.3
Wie sich aus den soeben dargestellten Beispielen ableiten lässt, ist es ein heikles Gleichgewicht, das Nutzer, Rechteinhaber und im Streitfall auch Gerichte beim Schutz von Urheberrechten beschäftigt. Im Fall von Google lässt sich gut nachvollziehen, wie eine Gruppe von Rechteinhabern gegen einen internationalen Konzern vorgeht, um ihre Ansprüche durchzusetzen.
Die Kurzfassung der Seminararbeit thematisiert schwerpunktmäßig aktuelle Entwicklungen im Urheberrecht. Die vollständige Seminararbeit geht darüber hinaus insbesondere auf die Facetten und Auswirkungen der Entscheidung Authors Guild, Inc. vs. Google, Inc.4 ein – dabei wird zunächst das Geschäftsmodell von Google Books beleuchtet, in weiterer Folge werden die Klagen von Association of American Publishers, Inc. und Authors Guild, Inc. sowie die Vergleichsverhandlungen dargestellt. Die Fair Use-Doktrin ist hierbei von besonderer Bedeutung, da unter vier bestimmten Voraussetzungen Werke von Dritten (z.B. Google) publiziert werden dürfen. Es folgt in der Seminararbeit eine Rechtsvergleichung verschiedener Staaten (unter anderem Österreich, Polen und Südkorea), um die unterschiedliche Herangehensweise in Bezug auf die Verwertungsrechte zu verdeutlichen. Mehrere Kritikpunkte werden in diesem Zusammenhang diskutiert, um eine vollständige Darstellung des Falls bieten zu können.
2.
Klagen gegen Google Books und Fair Use-Doktrin ^
In der vollständigen Seminararbeit sind die folgenden Abschnitte detaillierter beschrieben. Im Fall Authors Guild, Inc. v. Google, Inc. ging es zentral um die Frage, ob Google mit der Datenbank «Google Book Search» (Bücher werden gescannt und in Auszügen digital zur Verfügung gestellt, man kann gezielt nach Buchtitel, Verlag, Autor oder Stichworten suchen) die Urheberrechte der Autoren verletzt. Alle Instanzen haben dabei jeweils festgestellt, dass Google die Fair Use-Bestimmungen einhält und weiterhin digitalisierte Bücher in Auszügen auf der Webseite angeboten werden dürfen. Es wurde dabei kritisiert, dass Google nicht eine Vielzahl urheberrechtlich geschützte Werke in Volltext in der Datenbank abspeichern dürfe, da mit dieser exzessiven Verarbeitung die Fair Use-Doktrin ausgehebelt werde – Google hingegen betrachtet die Abrufbarkeit der Werke als «Karteikartenkatalog für das digitale Zeitalter».
In Österreich hat prinzipiell der Urheber das alleinige Verwertungsrecht an seinen Werken (dies umfasst unter anderem Vervielfältigung, Verbreitung, Vermieten/Verleihen, Zurverfügungstellen – siehe hierzu §§ 14 ff. des österreichischen Urheberrechtsgesetzes [öUrhG]). Zwischen den einzelnen Autoren und Google gibt es keinen Vertrag, welcher die Werknutzungsbewilligung bzw. das Werknutzungsrecht (§ 24 öUrhG) regeln würde.
Die Fair Use-Doktrin sieht vor, dass Dritte auch ohne Zustimmung bzw. Vertrag mit dem Urheber deren Werke publizieren dürfen, wenn dies a) der öffentlichen Bildung dient (Zweck und Art der Verwendung – wobei es jedoch maßgeblich darauf ankommt, ob diese umgestaltend ist), dabei b) der künstlerische Stellenwert berücksichtigt wird, wenn c) nur Auszüge («snippets») des Gesamtwerks präsentiert werden (Umfang und Bedeutung des Ausschnitts im Verhältnis zum ganzen Werk) und wenn d) keine beträchtlichen Auswirkungen auf die Verwertungsrechte des Urhebers zu erwarten sind (solange noch genügend Leute die Werke des Autors kaufen, können die Bücher auch auf Google gezeigt werden). Urheber können somit keine Unterlassung oder einen finanziellen Ausgleich verlangen, wenn zwar deren Urheberrechte verletzt werden, die Handlung aber als «Fair Use» angesehen wird.
Vergleichbar damit sind die sog. Schrankenregelungen im deutschsprachigen Raum, dazu zählen unter anderem die Vervielfältigung zum eigenen und zum privaten Gebrauch, Vervielfältigung für Bildungszwecke (Schulen, Universitäten) oder das Zitieren im Rahmen wissenschaftlicher Arbeiten (§§ 42 und 42 f. öUrhG).
Zusammenfassend ist diese Entscheidung Efroni zufolge als Erfolg für die Informationsfreiheit zu werten, jedoch wird dadurch die Durchsetzbarkeit von Urheberrechten bei neuen Verwertungsmodellen in Frage gestellt.5 Google wird nicht innerhalb der Schrankenregelungen tätig (weder Privatgebrauch, noch primär Bildungszweck, noch explizit für wissenschaftliche Arbeiten gedacht) und bewegt sich meines Erachtens in der Grauzone der Fair Use-Doktrin (wenn ein einziges Unternehmen 20 Millionen Bücher digitalisiert anbietet, hat dies sehr wohl Auswirkungen auf die Verwertung durch die Autoren – auch wenn damit keine unmittelbare Konkurrenz für bestehende Märkte entsteht). Die Nutzung durch Google sei jedoch sehr «umgestaltend», da mit der Indexierung Wissenschaftler, Bibliotheken, Menschen mit Lesebehinderungen und die Allgemeinheit einen besseren Zugang zu Wissen (etwa für Textanalyse, Data Mining) bekomme – kommerzielle Motive (Werbung) sind nicht maßgeblich, das Anzeigen von Snippets kann zudem den Kauf und das Lesen des vollständigen Buches nicht ersetzen.
3.
Künftige Verwertungsmodelle ^
Wie die Fair Use-Doktrin bzw. entsprechende Regelungen in anderen Staaten zeigen, sind Gestaltungsspielräume für innovative Verwertungsmodelle vorhanden. In der Folge werden daher einige Ansätze beschrieben, um einen Überblick über künftige Nutzungsmöglichkeiten zu gewinnen.
Zunächst ist auf die von Bacher in seiner Diplomarbeit6 vorgestellten Digitalisierungsprojekte näher einzugehen. Als deutsches Pendant zu Google Books versteht sich die Digitalisierungsinitiative «libreka!», welche 2007 vom Börsenvereins des Deutschen Buchhandels ins Leben gerufen wurde. Verlage können dabei ihre eBooks einstellen oder einscannen lassen. Dabei kann nach Angaben der Betreiber mittlerweile auf 2,4 Millionen Bücher zugegriffen werden.7 Libreka! ist Lucke zufolge eine Initiative, welche die erheblichen urheberrechtlichen Bedenken gegen Google Books zu lösen imstande ist.8 Im Juni 2005 verabschiedete die Europäische Kommission die Initiative «i2010: Europäische Informationsgesellschaft 2010», welche sich u.a. die Schaffung digitaler Bibliotheken zum Ziel gesetzt hat. Weitere Schwerpunkte der Digitalisierungsoffensive befassen sich eingehend mit der «Schaffung eines offenen und wettbewerbsfähigen EU-Binnenmarkts für die Dienste der Informationsgesellschaft und der Medien», einer «Erhöhung der EU-Investitionen in die Forschung auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) auf 80%» sowie der «Förderung einer Informationsgesellschaft, die alle Menschen einbezieht».9 Mit der Initiative Europeana wurde eine umfassende Plattform zur Archivierung des kulturellen Erbes (mittlerweile sind dort über 50 Millionen Kunstwerke, Gegenstände, Bücher, Videos und Klänge abrufbar) geschaffen. Diese beiden Projekte sind kostenlos zugänglich und wie Bacher kritisch anmerkt, ist dabei zu hinterfragen, ob die Initiatoren damit tatsächlich gemeinnützige Zwecke verfolgen oder doch letztendlich aus wirtschaftlichen Motiven (beispielsweise Verarbeitung personenbezogener Daten, welche die Nutzer dem Betreiber übermitteln) handeln.
Im Kontext der Google Books-Entscheidung sind Möglichkeiten zur Durchsetzung der wirtschaftlichen Interessen der Rechteinhaber sowie moderne Verbreitungswege von Büchern näher zu diskutieren. Dabei sticht zunächst das Medium eBook hervor – auf einem sog. eBook-Reader werden viele Bücher (Text, Illustrationen, etc.) digital abgespeichert, das Endgerät dient zur beliebigen Wiedergabe der Werke. Zusätzliche Werke können sowohl offline als auch über eine Internetverbindung geladen werden – dabei stellt sich die Buchbranche jedoch berechtigterweise die Frage nach der Überprüfung der Urheberrechte. Theoretisch könnte nun jedermann vorhandene Bücher digitalisieren und als eBook anbieten, die illegale Weitergabe oder Verbreitung ist so gut wie nicht kontrollierbar. EBooks haben sich rückwirkend wohl aus einer Vielzahl an Gründen nie so Recht am Markt durchsetzen können – es wurden keine Standards bezüglich des Dateiformats gefunden, sodass eine geräteübergreifende Weitergabe nicht möglich war, Kopierschutzmechanismen und teils schlechte Lesbarkeit bei kurzer Lebensdauer der Geräte trugen ihr Übriges bei. Bei DRMS handelt es sich um einen Unterfall technischer Schutzmaßnahmen – digitale Inhalte können hiermit vertrieben werden. Hauptfunktionen von DRMS sind «Zugangskontrolle, Nutzungskontrolle, Abrechnung und Management von Rechtsverletzungen (Wahrung der Integrität, Sicherstellen der Authentizität und Unterstützung der Strafverfolgung)»10. Damit ist die Rechtsdurchsetzung möglich, auch Zahlungssysteme können abgebildet werden – die wirtschaftlichen Interessen der Rechteinhaber können einfacher verfolgt werden, da durch unerlaubte Vervielfältigung kein Marktgleichgewicht bezüglich Angebot und Nachfrage hergestellt werden kann.11
Gerhalter stellt in seiner Diplomarbeit «Urheberrechtsabgaben und der ‹gerechte Ausgleich› im österreichischen und europäischen Recht» eine Kulturflatrate sowie CreativeCommons-Lizenzen als Lösungsansätze für den Urheberrechtskonflikt vor.12 Dabei denkt er an eine Pauschalvergütung, die an alle Rechteinhaber digitaler Inhalte verteilt wird. Mit diesem Pauschalbetrag wäre die nicht-kommerzielle Weitergabe von urheberrechtlich geschützten Werken legal möglich, da jedermann eine derartige Abgabe mitträgt. Diese Methode wäre wesentlich effizienter und günstiger als die Nachverfolgung einzelner Transaktionen, da Werbekampagnen, Strafanzeigen, zivilrechtliche Unterlassungsklagen und der Einsatz von DRMS bislang nur mäßig erfolgreich waren. Diese Herangehensweise ist vergleichbar mit einer Paywall (bei einigen Tageszeitungen üblich, die einige Inhalte kostenlos anzeigen, aber zugleich qualitativ hochwertige Inhalte produzieren und nur einem eingeschränkten – zahlungswilligen – Nutzerkreis zur Verfügung stellen). Deren Nutzer sind sich bewusst, dass die Erstellung von aktuellen Inhalten mit einigem Aufwand verbunden ist und sind bereit, einen geringen Beitrag zu leisten. Ein weiteres Modell ist eine Art «Internetsteuer», bei der bspw. der Provider vom Kunden einen Centbetrag erhebt und an die Künstler weitergibt (vergleichbar mit der GIS-Gebühr). Gerhalter diskutiert weiters CreativeCommons-Lizenzen, dabei handelt es sich um eine gänzlich andere Herangehensweise. Urheber räumen jedermann beliebige Nutzungs- und Gestaltungsrechte nach einem Baustein-Prinzip (Verpflichtung der Namensnennung, nicht-kommerzielle Verwendung, Weitergabe unter gleichen Bedingungen, keine Bearbeitungen) ein. Rechtlich betrachtet sind dies vorformulierte Urheberverträge, mit welchen der Urheber beliebigen Nutzern nicht-exklusive Werknutzungsbewilligungen erteilen kann. Bekannt sind derartige Modelle bspw. bei Schriftarten, Fotos oder Tonfolgen. Als Kritikpunkte sind dabei der Konflikt zwischen der Lizenzerteilung und der Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften, teilweise schwierig durchschaubare Lizenzbedingungen (fehlende Aufklärung über Haftungs- und Gewährleistungsfragen) sowie komplizierte Rechtedurchsetzung gegenüber Lizensierung durch Nichtberechtigte (etwa Weitergabe unter einschränkenden Rahmenbedingungen, obwohl diese gemäß der «Weitergabe unter gleichen Bedingungen» nicht zulässig wäre) anzuführen.13
In Bezug auf die CreativeCommons-Lizenzen ist auch auf die Entwicklungen bei den Endnutzer-Lizenzvereinbarungen (auch als EULA – End User License Agreement – bekannt) hinzuweisen. Dabei bestätigt der Endnutzer einer Software (beispielsweise ein Computerprogramm), dass er die Bedingungen des Herstellers in puncto Nutzung, Weitergabe und Kopieren akzeptiert. Erst nach der Erteilung der Zustimmung kann der Endnutzer mit der Installation des Programms beginnen.14 Die Wirksamkeit ist jedoch zu hinterfragen, da diese Lizenzbestimmungen häufig überdurchschnittlich lang bzw. unverständlich verfasst sind und daher selten vollumfassend vom Endnutzer gelesen werden. Hinzu kommt, dass der Softwareentwickler die Zustimmung nur bei einer aktiven Internetverbindung aufseiten des Endnutzers erhält – gerade bei älteren PCs bzw. in ländlichen Regionen ohne dauerhafter Internetanbindung können die Endnutzer nur lokal (nicht aber gegenüber dem Softwareentwickler) zustimmen.
Wie bereits an anderer Stelle ausführlicher beschrieben, bietet die Blockchain-Technologie vielfältige Nutzungsmöglichkeiten in Bezug auf Lizenzverwaltungssysteme.15 In der Folge werden die Einzelheiten anhand des Kunstmarktes diskutiert. Der Wert eines Kunstwerks wird Vogler zufolge stark über die Knappheit definiert.16 Wenn bspw. von Picasso oder Van Gogh viele Millionen Originalgemälde existierten, würde ein einzelnes Werk wohl kaum für hohe Preise versteigert werden können. Bei analoger Kunst können Experten u.a. durch die sog. Provenienz (Kenntnis über Vorbesitzer) bestimmen, ob ein Gemälde echt oder gefälscht ist. Bei digitaler Kunst kann infolge der einfachen Vervielfältigungsmöglichkeit nicht unterschieden werden, ob dies eine vom Urheber lizensierte/autorisierte Version ist, die zum Kauf angeboten wird. Vogler sieht in der Blockchain-Technologie die Möglichkeit, technisch und rechtlich limitierte Kunstgegenstände abzubilden und hat damit einen Marktplatz für virtuelle Güter geschaffen. Das Nutzungsrecht an einem Kunstwerk wird im Rahmen der Transaktion an den Käufer weitergegeben, beim Verkäufer erlischt es. Der virtuelle Gegenstand ist damit auf ein einziges Exemplar limitiert, da immer nur der jeweilige Eigentümer laut Blockchain Zugriff auf den Speicherplatz des Kunstwerks hat. Screenshots o.ä. Vervielfältigungen des digitalen Gemäldes können auf diese Weise nicht unterbunden werden. Übertragen auf die physische Welt wäre dies ein einzigartiger Schlüssel für ein Schließfach (in dem sich das physische Kunstwerk befindet), welcher gegen Bezahlung des Kaufpreises über-geben wird. Dabei kann auch nicht verhindert werden, dass jemand ein Foto vom Gemälde macht – aber dieses Foto wird kaum an Wert gewinnen, solange das Originalgemälde existiert. Mit einer derartigen Lizensierung können Kunstschaffende ihre virtuellen Werke aufbewahren und handeln. Es wird eine nachvollziehbare und schwierig manipulierbare Dokumentation bereitgestellt, welche die exklusiven Nutzungsrechte digital abbildet.17
Ein weiterer Aspekt der Urheberrechte wird deutlich, wenn man ein Musikstück oder ein Foto im Internet findet, dieses für eigene Zwecke verwenden möchte und daher überlegt, vom Urheber für einen geringen Geldbetrag die nicht-exklusiven Nutzungsrechte zu erwerben. Pon hat es sich zum Ziel gesetzt, eine riesige Datenbank anzulegen und darin die Urheber jedes einzelnen im Internet verfügbaren virtuellen Kunstwerks anzuführen. Diese Urheberrechtsinformationen lassen sich gewinnbringend vermarkten, wenn bspw. ein Museum eine zeitlich begrenzte Lizenz für ein Gemälde erwerben will. Mit der Blockchain werden hohe Ausgaben für Transport, Versicherung oder Instandhaltung des Gemäldes eingespart, dennoch existiert lediglich eine begrenzte Stückzahl des digitalen Kunstwerks. Der Urheber kann seine Güter kostenlos in der Blockchain registrieren und erhält monetäre Anerkennung für seine kreative Leistung, hinzu kommen die Nennung des Namens und die leichtere Verfolgbarkeit bei Urheberrechtsverletzungen.18
Das Lizenzverwaltungssystem Loudr.fm wurde im April 2018 vom Musik-Streaming-Dienst Spotify übernommen. Der strategische Zukauf von Loudr.fm soll Spotify vor Rechtsstreitigkeiten mit Musikrechte-Inhabern schützen, da diese automatisiert bei der Nutzung entlohnt werden. Spotify war zuvor von einem US-Label auf Schadenersatzzahlungen in Milliardenhöhe verklagt worden, da dem Kläger zufolge tausende Lieder unerlaubt verwendet (gestreamt) worden waren.19
Ein weiterer Konfliktbereich ergibt sich aus der Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Inhalten. Als Fallbeispiel dient dabei der Streaming-Dienst Twitch, welcher den Nutzern live Spielszenen aus Computerspielen präsentiert. Einerseits wollen die Entwickler ihre Spiele bekannter machen und lassen von Profis schwierige Spielszenen durchspielen, andererseits sind Computerspiele (inklusive Grafiken, Sounds, Spielidee und Programmiercode) urheberrechtlich geschützte Werke. Hermann erwägt ob des Fehlens entsprechender technischer Beschränkungsmechanismen von Seiten der Spieleentwickler gar eine konkludente Einwilligung. Auch der Spieler selbst könnte urheberrechtlichen Schutz genießen, der durch die «Clips»-Funktion (Isolierung einzelner Spielsequenzen durch Dritte, welche per se nicht replizierbar sind) beeinträchtigt wird. Twitch selbst räumt sich entgegen des Verbots der unangemessenen Benachteiligung mittels AGB umfassende Nutzungsrechte ein, auch bei Löschung des Accounts durch den Spieler können weiterhin Inhalte verbreitet werden – hinzu kommt, dass die Spieler auf derartigen Plattformen oftmals ihre wirtschaftliche Existenz über viele Monate oder Jahre aufgebaut haben und letztendlich keine adäquate Kontrolle über die von ihnen erstellten Inhalte haben.20
Viele weltweit agierende Streaming-Anbieter (wie etwa Amazon) haben zum Schutz ihrer urheberrechtlich geschützten Inhalte auf technische Beschränkungsmechanismen gesetzt – konkret auf Geoblocking. Ein in Österreich lebender Nutzer abonniert bspw. Amazon Prime und kann im Heimatland problemlos auf alle Inhalte zugreifen. Kaum verreist der Nutzer jedoch in ein anderes Land, greift der Geoblocking-Mechanismus. Dabei verhindert der Anbieter mit technischen Mitteln (Abfrage der IP-Adresse) den Zugriff auf die nur in Österreich verfügbaren Inhalte. Der einzelne Nutzer könnte diese Blockade etwa mittels VPN-Zugang umgehen, jedoch sind dafür qualifizierte PC-Kenntnisse von Nöten. Diese geographische Einschränkung widerspricht den Grundsätzen der Europäischen Union, daher hat sich die Verordnung (EU) 2017/112821 zum Ziel gesetzt, genau diese Diskriminierung von Streaming-Konsumenten aufzuheben. Darin ist festgehalten, dass für die Nutzung eines bestehenden Abo-Dienstes im EU-Ausland keine zusätzlichen Kosten eingehoben werden dürfen. Diese Verordnung hat jedoch zahlreiche Ausnahmen vorgesehen, diese betreffen bspw. öffentlich-rechtliche Sender, die Livestreaming oder Mediatheken anbieten – diese können, müssen aber nicht im Ausland verfügbar sein (dies führt dazu, dass die ORF-TVthek in einem in Österreich fahrenden Zug, der sich über das tschechische Mobilfunknetz einwählt, nicht abgerufen werden kann). Es fehlt zudem eine konkrete Definition, wie lange der Auslandsaufenthalt dauern darf, innerhalb dessen die Streaming-Dienste uneingeschränkt verfügbar sein müssen. So kann es passieren, dass die Dienste für einen einwöchigen Urlaubsaufenthalt abrufbar sind, jedoch der Austauschstudent mit einem viermonatigen Aufenthalt seine Abo-Dienste nicht vollumfänglich nutzen kann. Diese Verordnung trägt damit Illsinger zufolge insgesamt zum Konsumentenschutz bei, jedoch sind die Unklarheiten und Ausnahmen wie etwa für Mediatheken zu überdenken. Die Medienindustrie versuche damit weiterhin, die äußerst lukrativen Länderlizenzen soweit nur möglich zu verteidigen.22
In diesem Umfeld sind weitere spannende Bereiche anzuschneiden, diese werden jedoch aufgrund Platzmangels nicht ausführlicher erörtert:
- Data Mining/Algorithmen: Hierbei könnte ein Konflikt zwischen urheberrechtlich geschützten Inhalten und der Nutzung für Forschungszwecke entstehen. Google könnte bspw. Suchergebnisse anhand der Lesegeschwindigkeit anderer Nutzer anzeigen und so illegal verbreitete Inhalte höher ranken, da diese zumeist attraktiver aufbereitet wurden.
- Links: Es stellt sich die Frage, ob das Setzen und der somit jedermann ermöglichte Abruf eines Links auf urheberrechtlich geschützte Inhalte bereits eine Rechtsverletzung an sich darstellt, also ob es neben dem Vervielfältigungsrecht des Rechteinhabers auch eine Ausschlussmöglichkeit von der Nutzung geben sollte.
- Werkhöhe: Die bislang relativ klar abgegrenzte Frage der Werkhöhe gelangt durch zunehmende Social Media-Beeinflussung wieder ins Wanken. So können urheberrechtlich geschützte Fotos (bspw. von Instagram) als Grundlage für eigene Werke herangezogen werden, mit einer Bildersuchmaschine können jedoch rasch die ursprünglichen Urheber herausgefunden werden, die sich möglicherweise gegen eine missbräuchliche Verwendung deren Werke zur Wehr setzen möchten. Dies ist umso heikler, als die im Internet einmal hochgeladenen (und möglicherweise als peinlich empfundenen) Ergebnisse kaum mehr zu löschen sind.
4.
Fazit ^
In Bezug auf die Fair Use-Doktrin ist die Google Books-Entscheidung als Erfolg für die Informationsfreiheit zu werten, jedoch muss ein adäquater Ausgleich mit den wirtschaftlichen Interessen der Rechteinhaber gefunden werden – es könnte sonst der Eindruck verbreitet werden, «was nichts kostet, ist nichts wert» – und dies ist gerade in jenem Fall zu vermeiden, da oftmals teure oder schwierig erhältliche Bücher zugänglich gemacht werden. Die Durchsetzung von Urheberrechten ist bei neuen Verwertungsmodellen (bspw. eBooks, Livestreaming, Umgestaltung von Fotos) erheblich schwieriger als noch im «analogen Zeitalter». Dabei ist auch auf die sog. Buchpreisbindung zu berücksichtigen, demnach dürfen gedruckte Bücher nur zu einem gewissen Mindestpreis verkauft werden – Google etabliert sich damit als Konkurrenz zu klassischen Buchverlagen bzw. Medienhäusern und stellt hochqualitative Inhalte zur kostenlosen Abrufbarkeit bereit. Google nutzt m.E. eine Grauzone, da diese Vorgehensweise bei 20 Millionen Büchern sehr wohl Auswirkungen auf die Verwertung durch die Autorenschaft als Ganzes hat – auch wenn damit keine unmittelbare Konkurrenz für bestehende Märkte entsteht. Die von Google angestrebte Nutzung ist als «sehr umgestaltend» (highly transformative) zu bezeichnen, da neuartige Zugänge (über Vorschaubilder und Rezessionen) geschaffen wurde – eine Form der intelligenten Karteikarten könnte den Bildungssektor erobern und etwa lernschwache Schüler unterstützen. Etwaige kommerzielle Motive (Werbung) sind in diesem Zusammenhang nicht maßgeblich. Nicht zuletzt kann das Anzeigen von Snippets niemals den Kauf und das Lesen des vollständigen Buches ersetzen – aber es kann dem Nutzer bereits einen ersten Eindruck geben und ihn damit entweder von der Kaufentscheidung abhalten oder ihn darin bestärken. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass ich die Google Books-Entscheidung und deren potenzielle Auswirkungen nach wie vor kritisch sehe, da für mich einem Anbieter mit Monopolstellung am Suchmaschinenmarkt nicht derart umfassende Verwertungsrechte zulasten der Autoren (diese haben keinerlei Wahlmöglichkeiten, ob sie an diesem Projekt teilnehmen möchten) zugestanden werden dürften.
Diese Seminararbeit ist damit auch speziell im Hinblick auf die angesprochenen neuartigen Verwertungsmöglichkeiten (CreativeCommons-Lizenzen, DRMS, Digitalisierungsinitiative, Geoblocking, Livestreaming, Data Mining, Links) ein neuerlicher Anreiz, mich vermehrt mit meinem Spezialgebiet – dem IT-Recht – auseinanderzusetzen und die Facetten intensiver zu bearbeiten. Ich bin mir sicher, dass die rasch fortschreitende Technologisierung künftig einige weitere richtungsweisende Trends ermöglichen wird, die unter dem sich wie ein roter Faden durch das gesamte Urheberrecht durchziehenden Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Rechteinhaber und dem Interesse der Allgemeinheit an einem freien Zugang zu Wissen zu analysieren sein werden. Gesetzgeber und Gerichte werden sich ebenfalls mit den sich ändernden Rahmenbedingungen auseinandersetzen und möglicherweise neue Lösungsansätze zur fairen Verteilung von Erlösen erarbeiten müssen, die die aktuellen Gegebenheiten wiederspiegeln, es ist somit Aufgabe der Juristen, sich laufend mit der Aktualität der Gesetze auseinanderzusetzen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen, die diesen Änderungen gerecht werden.
Mag. Joachim Galileo Fasching, LL.M. hat Rechtswissenschaften an der Universität Salzburg (Diplomarbeit zum Auskunftsbegehren im Datenschutzrecht) und anschließend Informations- und Medienrecht an der Universität Wien (Masterthesis zu Anwendungsbereichen der Blockchain-Technologie und ausgewählten Rechtsfragen) studiert. Er ist nun in Wien als Geschäftsführer einer Beratungsfirma mit den Schwerpunkten Datenschutz, E-Commerce und Trendforschung tätig.
Die vollständige Seminararbeit steht hier zum Download bereit.
- 1 Joachim Galileo Fasching, Trends der Musikbranche, Salzburg 2015.
- 2 EuGH 19. April 2012, Rs. C-461/10 – Bonnier Audio AB u.a. gegen Perfect Communication Sweden AB.
- 3 Tido von Schoen-Angerer, Die «Apotheke der Armen» ist in Gefahr Gefahr, 21. April 2004, http://sciencev2.orf.at/stories/1645438/index.html (alle Websites zuletzt besucht am 18. Mai 2018).
- 4 United States Court of Appeals for the Second District 16. Oktober 2015, No. 13-4829 – Authors Guild v. Google, Inc.
- 5 Zohar Efroni, Faire Entscheidung dank Fair Use, 18. November 2013, https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/google-books-projekt-autoren-urheberrecht-fair-use/.
- 6 Andreas Michael Bacher, Diplomarbeit eBooks – Urheberrechtliche Fragestellungen, auch im Hinblick auf DRM, Graz (2011), 27 ff. m.w.N.
- 7 Libreka!, Libreka: E-Book-Auslieferung einfach und professionell, https://info.libreka.de/.
- 8 Bettina Lucke, Die Google Buchsuche nach deutschem Urheberrecht und US-amerikanischem Copyright Law, Frankfurt am Main, Verlag Peter Lang, 2010.
- 9 Europäische Kommission, Pressemitteilung «Europäische Kommission startet 5-Jahres-Strategie zur Ankurbelung der digitalen Wirtschaft», 1. Juni 2005, http://europa.eu/rapid/press-release_IP-05-643_de.htm.
- 10 Gerhard Fränkl, Digital Rights Management in der Praxis – Hintergründe, Instrumente, Perspektiven, (und) Mythen, VDM Verlag Dr. Müller, 2005, 23 ff.
- 11 Bacher (Fn. 5), 27 ff. m.w.N.
- 12 Marek Gerhalter, Diplomarbeit Urheberrechtsabgaben und der «gerechte Ausgleich» im österreichi-schen und europäischen Recht, Graz 2012, 95 ff. m.w.N.
- 13 Gerhalter (Fn. 12).
- 14 ITWissen, EULA (end user license agreement), https://www.itwissen.info/EULA-end-user-license-agreement-Endbenutzer-Lizenzvereinbarung.html.
- 15 Joachim Galileo Fasching, Masterthesis Anwendungsbereiche und ausgewählte Rechtsfragen der Blockchain-Technologie, Wien 2017, 27 f.
- 16 Rudi Seifert, Die Blockchain-Lizenz für digitale Kunstwerke, 17. April 2015, https://bitcoinblog.de/2015/04/17/die-blockchain-lizenz-fur-digitale-kunstwerke/.
- 17 Seifert (Fn. 14).
- 18 Friedemann Brenneis, Mit der Bitcoin-Blockchain digitale Rechte sichern, 29. August 2015, http://www.deutschlandfunk.de/urheberrechte-mit-der-bitcoin-blockchain-digitale-rechte.684.de.html?dram:article_id=329655.
- 19 Christof Baumgartner, Spotify schluckt nach Börsengang Loudr.fm, 16. Aprikl 2018, https://computerwelt.at/news/spotify-schluckt-kurz-nach-boersengang-loudr-fm/.
- 20 Nicolas Hermann, Die urheberrechtlichen Probleme vom Twitch-«Clips», 23. Januar 2018, https://gameslaw.online/die-urheberrechtlichen-probleme-vom-twitch-clips/.
- 21 Verordnung (EU) 2017/1128 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 zur grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltediensten im BinnenmarktText von Bedeutung für den EWR, ABl. 168/1 vom 30. Juni 2017.
- 22 Werner Illsinger, Netflix im Ausland schauen?, 3. April 2018, https://digisociety.at/2018/04/03/netflix-im-ausland-schauen/.