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Rechtsvergleich und Lösungsansätze zur Providerhaftung in Deutschland und der Schweiz

  • Author: Pirmin Schenk
  • Category: Articles
  • Region: Switzerland
  • Field of law: Telecommunications law, IP Law
  • Citation: Pirmin Schenk, Rechtsvergleich und Lösungsansätze zur Providerhaftung in Deutschland und der Schweiz, in: Jusletter IT 24 May 2018
The passive legitimation of providers for legal violations in the internet is the result of jurisdiction on the one hand and Art. 28 CC on the other hand. The rules in the CO are applicable for damage claims. In Germany, a liability privilege exists through the Telemedia Act. Additionally, there is a right to third-party information as well as a breach of duty of care according to property law. A provider privilege, data storage, data filter systems, blocking orders as well as limitations of liability for providers are presented and critically evaluated as solution approaches for Switzerland. A legal regulation for liability of providers is indicated. (ah)

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Rechtslage in der Schweiz
  • 2.1. Passivlegitimation des Internetproviders
  • 2.2. Abwehransprüche bei der Verletzung von Urheber- und Markenrechten
  • 2.3. Anspruchsgrundlagen für Schadensersatzklagen gegen den Provider
  • 3. Rechtslage in Deutschland
  • 3.1. Regelung der Providerhaftung im deutschen Telemediengesetz
  • 3.2. Anspruchsgrundlagen aus dem Immaterialgüterrecht und dem allgemeinen Zivilrecht
  • 3.2.1. Anspruchsgrundlage § 97 UrhG
  • 3.2.2. Anspruchsgrundlage der Verkehrspflichtendogmatik
  • 3.2.3. Drittauskunftsanspruch gestützt auf § 101 Abs. 2 UrhG
  • 3.2.4. Anspruchsgrundlage § 14 MarkenG
  • 3.2.5. Richterrechtliche Störerhaftung aus § 1004 Abs. 1 BGB
  • 4. Vergleich der untersuchten Rechtslagen
  • 4.1. Spezialgesetzliche Regelung der Providerhaftung
  • 4.2. Urheberrechtlicher Drittauskunftsanspruch aus § 101 UrhG
  • 4.3. Abwehransprüche gegen den Provider aus Gesetz und Gefahrensatz
  • 5. Lösungsansätze zur Providerhaftung in der Schweiz
  • 5.1. Providerprivilegierungen in der Schweiz
  • 5.2. Datenspeicherung zu Informationszwecken
  • 5.3. Datenfiltersysteme
  • 5.4. Sperrverfügungen
  • 5.5. Haftungsausschluss durch den Provider
  • 5.6. Weitere präventive Massnahmen
  • 6. Zusammenfassung und Fazit

1.

Einleitung ^

[1]

In juristischen Fachkreisen stellt sich bis zum heutigen Tage die Frage nach der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit von Internetprovidern bei Rechtsverletzungen im Internet. Dies insbesondere auch deshalb, weil die Stellung und die Sorgfaltspflichten der Provider mangels spezialgesetzlicher Normen in der Schweiz nicht klar geregelt sind.1 Dabei ist die Rechtsmissachtung im Internet nicht etwa eine Einzelfallerscheinung. So wurden gemäss Studien aus dem Jahr 2011 für durchschnittlich 37.9% aller abgespielten Musikdateien nichts bezahlt.2 Wer sich im Internet bewegt, kann dies dank der Massennutzung und der globalen Verflechtung des Onlinebereichs grösstenteils anonym tun. Folglich ist es für Betroffene einer Rechtsverletzung nahezu unmöglich die jeweiligen Verursacher zu finden und diese juristisch zu belangen.3 Aufgrund dieser Schwierigkeiten sind die Betroffenen oftmals versucht, die identifizierbaren Beteiligten an der Verletzung ins Recht zu fassen. Zu diesen Beteiligten gehören im Onlinekontext in erster Linie die Provider.4

[2]

Der folgende Aufsatz ist ein Auszug aus meiner Bachelorthesis des Lehrgangs Wirtschaftsrecht im Frühling 2016, welcher an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) angeboten wird. Er befasst sich mit der Rechtslage zur Providerhaftung für Rechtsverletzungen durch die Providerkunden in der Schweiz und in Deutschland. Mit einer rechtsvergleichenden Darstellung soll ein genereller Überblick über die verschiedenen Rechtsysteme ermöglicht werden. Im Anschluss versucht der vorliegende Auszug denkbare Lösungsansätze für die Klärung der Rechtslage in der Schweiz vorzustellen und kritisch zu erläutern.

2.

Rechtslage in der Schweiz ^

2.1.

Passivlegitimation des Internetproviders ^

[3]

Vorgängig stellt sich bei der Providerhaftung die grundlegende Frage, weshalb ein Provider überhaupt in Anspruch genommen wird, wenn dieser nichts anderes tut, als eine Internetseite zu betreiben oder einen Internetanschluss anzubieten. Eine Begründung für diese Frage der Passivlegitimation des Providers lässt sich vorab im Rechtsinstitut des «Sekundärstörers» finden. Der Sekundärstörer ist im Gegensatz zum Primärstörer nicht hauptverantwortlich für die Verletzung der betroffenen Person, sondern wirkt vielmehr als indirekter Störer an der Verletzungshandlung des Primärstörers mit. Somit kann der Sekundärstörer zwar in eine Verletzungshandlung involviert sein, erfüllt jedoch nicht zwingend selber die Voraussetzungen für negatorische oder reparatorische Ansprüche aus der Verletzung des entsprechenden Rechts. Gerade bei Urheberrechts- und Persönlichkeitsverletzungen im Internet können Provider insbesondere deshalb als Sekundärstörer erachtet werden, weil sie durch das Angebot einer Internetplattform oder eines Internetanschlusses die Verletzungshandlung des Primärstörers erst möglich machen.5

[4]

Das Bundesgericht hat bereits in einem Entscheid aus dem Jahr 2011 darauf hingewiesen, dass sich im Bereich des Persönlichkeitsrechts der Anspruch auf Abwehrklagen im Sinne von Art. 28 Abs. 1 des Zivilgesetzbuches (ZGB) auch im Onlinekontext gegen jeden richte, welcher die Persönlichkeitsverletzung zulässt oder sie begünstigt.6 Anders als im europäischen Rechtsraum fehlt es dabei in der Schweiz an einer spezialgesetzlichen Haftungsprivilegierung der Provider. Wie weiter unten noch aufzuzeigen sein wird, befreit eine solche den Provider unter gewissen Voraussetzungen von der entsprechenden Haftung für Rechtsverletzungen seiner Nutzer.7 Der Schweizer Gesetzgeber sieht bisher von einer derartigen Providerprivilegierung ab, um den betroffenen Personen die Möglichkeit zu geben, gegen diejenigen Beteiligten vorzugehen, welche die wirksamsten Möglichkeiten besitzen, die Verletzung zu unterbinden. Ob sich der Gesetzgeber bei diesen Überlegungen auch über die massive Weite der Passivlegitimation im Onlinebereich im Klaren war, ist zweifelhaft.8

[5]

Grundsätzlich lässt sich die Meinung vertreten, wonach bei der Passivlegitimation des Providers auf seine Kenntnis des widerrechtlichen Inhaltes abzustellen sei.9 Dagegen führt das Bundesgericht im Urteil 5A_792/2011 vom 14. Januar 2013 aus, der Betrieb eines Internet-Blogs könne dazu führen, dass der Provider für persönlichkeitsverletzende Äusserungen seiner Kunden in Anspruch genommen werde und unrechtmässige Inhalte löschen müsse. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Internetprovider vorgängig über den widerrechtlichen Inhalt auf seiner Internetseite aufgeklärt worden sei oder anderweitig vom persönlichkeitsverletzenden Eintrag wusste, beziehungsweise wissen musste.10 Inwiefern diese umfassende Passivlegitimation aus Art. 28 ZGB auch auf die Bereiche des Immaterialgüterrechts auszudehnen ist, scheint fraglich, da weder das Markenschutzgesetz (MSchG) noch das Urheberrechtsgesetz (URG) ein solches Ausmass der Passivlegitimation vorsieht.11 Da es sich gerade beim Urheberrecht ebenfalls um ein Persönlichkeitsrecht im weiteren Sinne handelt, kann eine analoge Anwendung der Passivlegitimation jedoch durchaus vertreten werden. Wird diese plausible Meinung weiterverfolgt, stellt sich im Anschluss die Frage, gestützt auf welche Anspruchsgrundlagen im Immaterialgüterrecht, Abwehransprüche gegen den Provider geltend zu machen sind. Diese Anspruchsnormen werden im folgenden Abschnitt kurz vorgestellt und erläutert.

2.2.

Abwehransprüche bei der Verletzung von Urheber- und Markenrechten ^

[6]

Mit Art. 10 Abs. 2 URG ist das Wahrnehmbarmachungs- und Verbreitungsrecht urheberrechtlich exklusiv geschützt. Dagegen verstösst der Provider insbesondere dann, wenn er geschützte Informationen für Dritte bereithält, welche durch seine Kunden hochgeladen werden. Ob der Accessprovider, welcher lediglich den Internetanschluss anbietet, auch gegen diese Urheberrechte verstossen kann, ist dabei fraglich.12 Anders als bei der Urheberrechtsverletzung ist bei der widerrechtlichen Nutzung einer Marke die Verantwortlichkeit des Providers abzulehnen. Dies wird damit zu begründen sein, dass es einem Provider regelmässig am Gebrauch des geschützten Zeichens im Sinne von Art. 11 Abs. 1 MSchG fehlt.13 Gemäss Weber ist der Provider somit, anders als im Urheberrecht, nicht einmal dann für eine Markenschutzverletzung verantwortlich, wenn er Kenntnis vom widerrechtlichen Gebrauch der Marke durch seine Nutzer hat. Dies gilt gleichermassen für reparatorische Ansprüche als auch für solche negatorischer Art. 14

2.3.

Anspruchsgrundlagen für Schadensersatzklagen gegen den Provider ^

[7]

Neben Art. 28a Abs. 2 ZGB erklärt auch Art. 62 Abs. 2 URG die Bestimmungen des Obligationenrechts (OR) für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen als anwendbar. Somit können allfällige Schadensersatzansprüche für Persönlichkeits- und Urheberrechtsverletzungen gestützt auf Art. 10 Abs. 2 URG (im Falle des Urheberrechts) i.V.m. Art. 28a Abs. 3 ZGB i.V.m. Art. 50 Abs. 1 OR i.V.m. Art. 41 Abs. 1 OR geltend gemacht werden.

[8]

Während Frech den Accessprovider vollständig von der Haftung entbinden möchte, schlägt er für den Hostprovider vor, Schadensersatzansprüche nur dann zuzulassen, wenn dieser die widerrechtlichen Inhalte nach der Abmahnung nicht entfernt.15

[9]

Dieser Privilegierungsforderung ist, wie oben dargestellt, der Schweizer Gesetzgeber bis heute nicht nachgekommen. Insbesondere Art. 41 Abs. 1 OR ist somit grundsätzlich als Haftungsgrundlage gegen den Internetprovider denkbar, sofern dieser als Gehilfe zur Rechtsverletzung im Sinne von Art. 50 Abs. 1 OR erachtet wird. Vorausgesetzt für die Haftung des Beteiligten an einer unerlaubten Handlung des Schädigers ist, neben dem Kausalzusammenhang zwischen dem Gehilfenbeitrag und dem Schaden des Betroffenen, ein Verschulden des Gehilfen. Während der Kausalzusammenhang zwischen dem Angebot des Hostproviders und der Verletzung des Geschädigten noch plausibel erscheinen mag,16 ist die Kausalität zum Accessprovider schon eher fraglich.17 Gegen die Kausalität spricht insbesondere die fehlende Nähe zwischen dem Angebot des Accessproviders und den Rechtsverletzungen seiner Kunden im Internet.18 Wird die Kausalität dennoch bejaht, wäre sodann eine Abstufung der Verantwortlichkeit des Accessproviders zu dieser des Hostproviders angezeigt.19

[10]

Eine weitere sich stellende Frage ist die nach dem Verschulden des Providers an der Rechtsverletzung durch seine Nutzer. Vorab muss dabei geklärt werden, welche Sorgfaltspflichten beim Angebot von Internetdienstleistungen gelten.20 Da in der Schweiz die Sorgfaltspflichten nicht gesetzlich geregelt sind, hat die Swiss Internet Association (SIMSA) im Sinne der Selbstregulierung den Code of Conduct Hosting herausgegeben. Diese privaten Richtlinien sehen vor, welche Regeln der Provider beachten sollte, um eine rechtliche Inanspruchnahme zu verhindern. So empfiehlt der Code of Conduct Hosting den Providern, sich am «Notice-and-take-down» Prinzip zu orientieren, sieht aber aus Verhältnismässigkeitsgründen von einer generellen Kontrollpflicht ab.21 Folglich hat der Provider bei Kenntnis eines rechtswidrigen, mit seinem Angebot zusammenhängenden Inhalts die entsprechenden Massnahmen zu treffen, um die Rechtsverletzung zu unterbinden. Wie im Code of Conduct Hosting angedeutet wird, ist eine weitergehende Kontrollpflicht unverhältnismässig. Dies, weil es dem Hostprovider weder möglich noch zuzumuten ist, laufend sämtliche Informationen auf seiner Internetplattform zu kontrollieren.

[11]

Das gilt erst recht für den Accessprovider, welcher bereits technisch keine Kontrollmöglichkeiten besitzt.22 Zudem würde es mutmasslich an der Bereitschaft der Providerkunden fehlen, den Provider für derartige Kontrolltätigkeiten bezahlen zu müssen.

[12]

Abschliessend können Rechtsuchende für Schadensersatzansprüche gegen den Provider allenfalls auch auf den privatrechtlich geprägten Gefahrensatz verwiesen werden.23 Dieser allgemein anerkannte Grundsatz besagt, dass «derjenige, der einen Zustand schafft, welcher einen anderen schädigen könnte, dazu verpflichtet ist, die zur Vermeidung des Schadens erforderlichen Vorsichtsmassnahmen zu treffen».24

[13]

Diese Überzeugung verkennt jedoch, dass das Angebot eines Providers nicht eine grössere Gefahr schafft als dies ein Telefonanbieter mit dem Angebot eines Telefonanschlusses tut. Es handelt sich bei der Leistung der Provider vielmehr um gesellschaftlich erwünschte Angebote, die grossmehrheitlich legal eingesetzt werden, weshalb der Gefahrensatz als Haftungsgrundlage für Provider abzulehnen ist. 25

[14]

Zwischenfazit: Während die Passivlegitimation des Internetproviders für Verletzungen absoluter Rechte aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hergeleitet werden kann, stellt Art. 10 Abs. 2 URG (für die Urheberrechte) i.V.m. Art. 28a Abs. 3 ZGB i.V.m. Art. 50 OR i.V.m. Art. 41 OR für die Persönlichkeitsverletzungen eine entsprechende Haftungsgrundlage dar. Diese Anspruchsgrundlage dürfte insbesondere durch den Hostprovider dann erfüllt sein, wenn er widerrechtliche Inhalte trotzt Abmahnung nicht entfernt. Eine generelle Kontrollpflicht, wie auch die Haftung des Providers aus dem privatrechtlichen Gefahrensatz, ist dagegen abzulehnen.

3.

Rechtslage in Deutschland ^

3.1.

Regelung der Providerhaftung im deutschen Telemediengesetz ^

[15]

Wie in vielen anderen Rechtsbereichen hat der deutsche Gesetzgeber auch im IT-Recht diverse EU-Richtlinien in die deutsche Rechtsordnung inkorporiert. Besonders bedeutsam für die Providerhaftung ist die Richtlinie 2000/31/EG (E-Commerce-Richtlinie)26. Diese regelt die Haftung der Internetprovider für Rechtsverletzungen im Internet und bildet die völkerrechtliche Grundlage des deutschen Telemediengesetzes (TMG).27 Das TMG stellt jedoch nicht etwa selbständige Anspruchsgrundlagen zur Verfügung,28 vielmehr privilegiert es unter gewissen Voraussetzungen den Provider bei Schadensersatzansprüchen der Internetnutzer.29 Keine Privilegierung durch das TMG erfährt der Provider für Inhalte, welche er selber produziert hat oder für welche er den Anschein der eigens produzierten Inhalte erweckt.30 Ebenfalls können privatrechtliche Abwehransprüche gegen den Provider nach wie vor uneingeschränkt geltend gemacht werden.31 Die Privilegierung schützt den Provider somit vor der Haftung für fremde Inhalte, welche er lediglich speichert, durchleitet oder zwischenspeichert. Damit der Provider aber in den Genuss der Privilegierung gemäss §§ 8–10 TMG kommt, hat er nach Kenntnis der widerrechtlichen Inhalte diese unmittelbar zu löschen oder den Zugang zu ihnen zu sperren.32 Zusammengefasst verfolgten das TMG wie auch die E-Commerce-Richtlinie das «notice and take down» Prinzip. Die beiden Erlasse verzichten dabei darauf, dem Provider die Pflicht einer laufenden Kontrolle aufzuerlegen.33 Wie eingehend erwähnt, bietet das TMG keine selbständigen Anspruchsgrundlagen gegen den unsorgfältig handelnden Internetprovider. Die Anspruchsgrundlagen gegen Provider finden sich je nach Rechtsgebiet entweder im deutschen Urheberrechtsgesetz (UrhG) oder aber im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Auf diese Anspruchsnormen soll im folgenden Abschnitt eingegangen werden.

3.2.

Anspruchsgrundlagen aus dem Immaterialgüterrecht und dem allgemeinen Zivilrecht ^

3.2.1.

Anspruchsgrundlage § 97 UrhG ^

[16]

Um die unrechtmässige Verbreiterung von urheberrechtlich geschützten Werken zu verhindern und erlittene Schäden durch Rechtsverletzungen geltend zu machen, kann § 97 UrhG angerufen werden. Diese Anspruchsgrundlage richtet sich jedoch nur gegen den direkten Verursacher der Verletzung und nicht gegen den mittelbaren Sekundärstörer, um die Terminologie der Schweiz aufzunehmen. Es ist bis anhin nicht abschliessend geklärt, ob der Provider beim Angebot von Speicherplatz zur Verbreiterung von digitalen Werken, wie etwa Bild-, Musik- oder Filmdateien als direkter Verursacher der Verletzung zu gelten hat und somit gestützt auf § 97 UrhG in Anspruch genommen werden kann.34 Im Gegensatz zum Hostprovider dürfte der Accessprovider nicht als direkter Verursacher im Sinne von § 97 UrhG zu qualifizieren sein. Einerseits stellt sich die Frage, ob zwischen dem Angebot des Accessproviders und der Urheberrechtsverletzung überhaupt ein adäquater Kausalzusammenhang besteht. Andererseits besitzt der Accessprovider keine zumutbare Möglichkeit, die drohende oder erfolgte Verletzung zu verhindern, beziehungsweise zu beseitigen.35 Für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs gestützt auf § 97 Abs. 2 UrhG ist sodann ein Verschulden durch absichtliches oder fahrlässiges Handeln erforderlich. Für die Frage der Sorgfaltspflichten kann dabei, anders als in der Schweiz, auf die §§ 8–10 TMG verwiesen werden.36

3.2.2.

Anspruchsgrundlage der Verkehrspflichtendogmatik ^

[17]

Ebenfalls ein Verstoss des Providers gegen seine Sorgfaltspflichten liegt gemäss Brüggemann vor, wenn dieser von seinen deliktsrechtlichen Verkehrspflichten abweicht. Gemäss dieser Verkehrspflichtendogmatik haftet als Verursacher einer Verletzung, wer in seinem Herrschaftsbereich eine Gefahr schafft und bei Bestehen dieser Gefahr nicht die notwendigen und zumutbaren Massnahmen trifft, um Dritte vor dieser Gefahr zu schützen.37 Im gleichen Sinne hielt zudem der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) in einem Fall gegen eBay fest, dass mit der Betreibung einer Internetverkaufsplattform eine Gefahr geschaffen werde, aus welcher ein Schadensersatzanspruch resultieren könne.38 Wie oben ausgeführt, schafft die Tätigkeit des Providers keine grössere Gefahr als andere sozial übliche Telekommunikationsangebote.39 Aus diesem Grund ist von einer isolierten Anwendung der Verkehrspflichtendogmatik, welche weitergehende Schutz- und Kontrollpflichten als das «notice and take down» Prinzip verlangt, abzusehen.

3.2.3.

Drittauskunftsanspruch gestützt auf § 101 Abs. 2 UrhG ^

[18]

Ein weiteres Rechtsinstitut bei der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen in Deutschland ist der Drittauskunftsanspruch gegen die an der Verletzung unmittelbar oder mittelbar beteiligten Personen. Voraussetzung für diesen Auskunftsanspruch ist entweder die Klageerhebung durch den verletzten Urheber gegen den primären Verursacher, oder aber das Vorliegen einer offensichtlichen und für den Provider erkennbaren Urheberrechtsverletzung.40

[19]

Ist also eine dieser Voraussetzungen gegeben, kann der betroffene Urheber Informationen zur Identifikation des sich hinter der IP-Adresse versteckenden Verursachers beim Provider einholen. Selbst wenn das Rechtsinstitut des Drittauskunftsanspruchs vorab als zielführend angesehen werden kann, stellen sich doch diverse Fragen bezüglich der Beweiskraft und Verfassungsmässigkeit dieses Rechtsbehelfs. Vorab macht ein Drittauskunftsanspruch gegen den Provider nur dann Sinn, wenn dieser die Daten freiwillig speichert, wozu der Urheber den Provider mit § 101 Abs. 2 UrhG jedoch nicht zwingen kann.41 Zu einer Datenspeicherung wird sich der Provider wohl auch nicht verführen lassen, weil die Datenspeicherung des Providers gegen Art. 6 der Richtlinie 2002/58/EG (Datenschutz-Richtlinie)42 verstösst.43 Eine zusätzliche Problematik besteht in der Nutzung der IP-Adresse durch fremde Personen. Zwar kann zum Beispiel ein Accessprovider grundsätzlich darüber Auskunft geben, welcher Nutzer zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung die jeweilige IP-Adresse zugeteilt erhalten hat. Ob es sich bei diesem Nutzer sodann auch tatsächlich um den wirklichen Verursacher der Urheberrechtsverletzung handelt, bleibt allerdings ungeklärt. Zu denken sei diesbezüglich etwa an offene Wireless-Netzwerke, welche von beliebigen Personen genutzt werden können und nicht nur vom Inhaber der IP-Adresse. Zu Ende gedacht, müsste dem Netzwerkinhaber die Pflicht auferlegt werden, den jeweiligen Verursacher in seinem Netzwerk nachzuverfolgen, beziehungsweise sein Netzwerk vor dieser widerrechtlichen Nutzung zu schützen. Diese Vorkehren dürften dem Netzwerkinhaber jedoch nur bei geringem Aufwand, zum Beispiel durch passwortgeschützten Zugang zum Netzwerk, zumutbar sein.44 Was die Verfassungsmässigkeit des Drittauskunftsanspruchs angeht, sei auf das Fernmeldegeheimnis verwiesen, in welches grundsätzlich nur mit einem Rechtfertigungsgrund eingegriffen werden darf. Ob eine Urheberrechtsverletzung ein ausreichender Rechtfertigungsgrund darstellt, um in das Fernmeldegeheimnis einzugreifen, ist ebenfalls zweifelhaft.45

3.2.4.

Anspruchsgrundlage § 14 MarkenG ^

[20]

Vergleichbar mit der Schweiz haftet der Hostprovider grundsätzlich auch in Deutschland nicht aus einer Verletzung des Markenschutzrechtes (Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen [MarkenG]), wenn nicht er selber, sondern seine Kunden das entsprechend geschützte Zeichen verwenden. Dies bedeutet hingegen nicht, dass gegen den Provider in Deutschland keine Abwehr- und Beseitigungsansprüche gestützt auf § 14 Abs. 2 MarkenG geltend gemacht werden könnten.46 Präjudizierend für Deutschland hielt der EuGH im Urteil C-324/09 vom 12. Juli 2011 diesbezüglich fest, das sekundäre Unionsrecht erlaube es dem Markeninhaber, einem Onlinemarktplatzbetreiber zu verbieten, ein Schlüsselwort im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes zu verwenden, welches aufgrund der Identität mit der Marke durch den durchschnittlichen Nutzer nicht von dieser zu unterscheiden sei. Während in der Schweiz bei Markenrechtsverletzungen auch Abwehransprüche gegen den Provider abgelehnt werden, sind diese gemäss dem soeben genannten Urteil in Deutschland möglich.47

3.2.5.

Richterrechtliche Störerhaftung aus § 1004 Abs. 1 BGB ^

[21]

Aus § 1004 Abs. 1 BGB des deutschen Sachenrechts hat der BGH eine Schutznorm gegen die Verletzungen diverser anderer, absoluter Rechte abgeleitet. Gemäss dem Bundesgerichtshof haftet als Störer, analog der Bestimmung von § 1004 Abs. 1 BGB, wer bei der Verletzung absoluter Rechte durch Unterlassung willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Dabei bejaht der BGH insbesondere auch, was in der Schweiz mehrheitlich abgelehnt wird, nämlich die adäquate Kausalität zwischen der Tätigkeit eines Accessproviders und der Verletzung absoluter Rechte.48 Da auch die Persönlichkeit ein absolut geschütztes Rechtsgut darstellt, könnte nach hier vertretener Meinung die richterliche Störerhaftung in Analogie zu § 1004 Abs. 1 BGB aus dem Sachenrecht allenfalls auch auf Persönlichkeitsverletzungen durch den Provider angewendet werden. Es sei jedoch noch einmal allgemein in Erinnerung gerufen, dass dank der Privilegierung des Providers in § 8 TMG auch nach dieser Störerhaftung nur derjenige Provider haften wird, welcher gegen das «notice and take down» Prinzip verstösst.49

4.

Vergleich der untersuchten Rechtslagen ^

[22]

Nachdem die Rechtslagen zur Providerhaftung in Deutschland und in der Schweiz vorgestellt worden sind, ist im folgenden Teil ein entsprechender Vergleich der gefundenen Erkenntnisse zu präsentieren.

4.1.

Spezialgesetzliche Regelung der Providerhaftung ^

[23]

Wie oben bereits mehrfach angesprochen, fehlt es im Vergleich zur deutschen Rechtsordnung in der Schweiz an einer mit § 8 Abs. 1 TMG vergleichbaren gesetzlichen Haftungsprivilegierung des Providers.50 Während diese Privilegierung den Provider lediglich dann vor reparatorischen Ansprüchen bewahrt, wenn er das «notice and take down» Prinzip befolgt, kann der unsorgfältige Provider, analog zur Rechtslage in der Schweiz, nach wie vor in die Verantwortung genommen werden. Aus dem «notice and take down» Prinzip ergibt sich sodann weiter, dass negatorische Ansprüche auch trotz der Privilegierung in Deutschland uneingeschränkt vorgebracht werden können; dies ebenfalls in Analogie zur Schweiz. Während die Sorgfaltspflichten in Deutschland gesetzlich in den §§ 9 und 10 TMG verankert sind, behilft man sich in der Schweiz mit dem Verweis auf private Regelwerke, wie den Code of Conduct Hosting der SIMSA. Es ist abschliessend nicht von der Hand zu weisen, dass die gesetzliche Verankerung der Sorgfaltspflichten in Deutschland für den Provider eine grössere Rechtssicherheit zu schaffen vermag als der Verweis auf ein privates Regelwerk, welches im besten Fall im Rahmen richterlicher Würdigung berücksichtigt wird.

4.2.

Urheberrechtlicher Drittauskunftsanspruch aus § 101 UrhG ^

[24]

Ein urheberrechtlicher Drittauskunftsanspruch gegen den Provider, wie in Punkt 3.2.3 beschrieben, existiert in der Schweiz grundsätzlich nicht. Ob allenfalls aus Art. 62 Abs. 1 lit. c URG ein entsprechender Auskunftsanspruch gegen den Provider abgeleitet werden könnte, ist dabei nicht abschliessend geklärt.

[25]

Grundsätzlich ist es auch nicht an den Gerichten, einen rechtlichen Auskunftsanspruch mittels Rechtsprechung zu schaffen, was das Bundesgericht in seinem Entscheid BGE 136 II 508 festgehalten hat. Vielmehr sei es am Gesetzgeber, die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen diesbezüglich zu schaffen.51 Bis dies geschehen wird, beschränken sich die Auskunftspflichten des Providers also wohl auf strafrechtliche Belange.52

4.3.

Abwehransprüche gegen den Provider aus Gesetz und Gefahrensatz ^

[26]

Im Unterschied zur deutschen Rechtsprechung, welche den eigentumsrechtlichen Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB analog auf das Urheberrecht ausgedehnt hat, scheitert eine derartige Ausdehnung des vergleichbaren Art. 641 Abs. 2 ZGB in der Schweiz; dies aufgrund der fehlenden Körperlichkeit der Urheberrechte.53 Ein Abwehranspruch gegen die Verletzung von Urheberrechten ergibt sich dennoch in beiden Ländern aus dem Gesetz. Dies nämlich aus Art. 10 Abs. 2 URG i.V.m. Art. 28a ZGB im Falle der Schweiz und aus § 97 Abs. 1 UrhG im Falle von Deutschland. Was den Gefahrensatz betrifft, erblickt Rosenthal (als Schweizer Autor) in der Tätigkeit eines Providers keine Schaffung einer gefährlichen Situation. Anders zum Teil die Auffassung in Deutschland. So bejahen beispielsweise Brüggemann wie auch der deutsche Bundesgerichtshof im Urteil I-ZR 18/04 vom 12. Juli 2007 die Schaffung einer Gefahr durch den Betrieb des Providers.54 Grundsätzlich ist man sich in Deutschland wie auch in der Schweiz einig, dass dem Provider aufgrund des fehlenden Markengebrauchs keine Verantwortlichkeit zukommt, wenn seine Kunden das Markenrecht verletzen. Während jedoch in der Schweiz selbst ein auf Unterlassung und Beseitigung gerichteter Anspruch des Markeninhabers gegenüber dem Provider verneint wird, sieht der EuGH diese Anspruchsmöglichkeit vor.55

5.

Lösungsansätze zur Providerhaftung in der Schweiz ^

[27]

Nachdem die verschiedenen Rechtslagen in Deutschland und in der Schweiz vorgestellt und verglichen wurden, soll im letzten Abschnitt aufgezeigt werden, welche Lösungsansätze sich für die Schweiz betreffend der Providerhaftung präsentieren.

5.1.

Providerprivilegierungen in der Schweiz ^

[28]

Der Bundesrat vertritt bis heute die Meinung, der Bedarf an Haftungsprivilegien im Bereich des Medienzivilrechts sei nicht angezeigt, da die bestehenden Regelungen ausreichen würden.56 Grundsätzlich ist es für das Bundesgericht möglich, bei der Definition der Sorgfaltspflichten für Provider auf den Code of Conduct Hosting abzustellen und so ein Präjudiz für alle Provider zu schaffen. Trotzdem bietet eine gesetzliche Vorgabe der Sorgfaltspflichten grössere Rechtssicherheit für Provider als ein Präjudiz des Bundesgerichts. Schon nur deshalb, weil das Bundesgericht für die Privilegierung der Provider in seinem Urteil 5A_792/2011 vom 14. Januar 2013 auf den Gesetzgeber verwiesen hat.57 Die Argumentation des Bundesrates vermag somit nicht restlos zu überzeugen.

[29]

Neben der Privilegierung, wie sie das deutsche Telemediengesetz vorsieht, muss eine weitergehende Privilegierung für Accessprovider angestrebt werden, welche auch diese vor negatorischen Ansprüchen schützt. Dies aus dem einfachen Grund, weil ein Accessprovider schlicht die technischen und rechtlichen Möglichkeiten nicht besitzt, die Verletzung absolut geschützter Rechte im Internet zu unterbinden.58

5.2.

Datenspeicherung zu Informationszwecken ^

[30]

Technisch wäre es dem Accessprovider möglich, die Daten seiner Nutzer zu einer Datensammlung zusammenzuführen.59 Wegweisend für Datensammlungen durch den Provider ist dabei der Logistep-Entscheid. In diesem wegweisenden Entscheid hat das Bundesgericht einer privaten Unternehmung aus persönlichkeitsrechtlichen Gründen verboten, IP-Adressen zu sammeln, um diese betroffenen Urhebern anschliessend auszuhändigen und ihnen so eine Klage gegen den Verursacher zu ermöglichen.60 Nach hier vertretener Meinung hat das Bundesgericht durch diesen Entscheid die an sich bereits schwierige Situation der von Verletzungen im Internet betroffenen Personen weiter erschwert. Bei der Beachtung der Grundsätze der Datenbearbeitung61 liesse sich wohl ein Kompromiss zwischen Rechtsdurchsetzung und Datenschutz finden.

5.3.

Datenfiltersysteme ^

[31]

Als weiteres Instrument gegen Rechtsverletzungen sind Datenfilter denkbar, mit welchen sich Kommunikationsinhalte überwachen lassen, denkbar.62 Der Einsatz von Datenfiltern ist insofern problematisch, da einerseits nicht alle rechtswidrigen Daten erfasst werden können und andererseits eventuell rechtmässige Inhalte gefiltert werden.63 Gemäss dem EuGH ist beim Einsatz von Filtersystemen vorab das Verbot der generellen Kontrollpflicht nach der E-Commerce-Richtlinie zu beachten.64  Weiter von Bedeutung ist die Beeinträchtigung der unternehmerischen Freiheit des Providers. Auf Seiten der Nutzer werde zudem das Grundrecht auf Schutz der personenbezogenen Daten aus Art. 8 der Grundrechte-Charta (GrCh) und auch jenes auf freien Empfang oder Sendung von Informationen aus Art. 11 GrCh tangiert. 65 Abschliessend lässt sich festhalten, dass ein Filtersystem zum Schutz der Internetnutzer den wirtschaftlichen Interessen der Provider zu wenig Rechnung trägt und daher auch deshalb als Lösung nicht in Frage kommt.66

5.4.

Sperrverfügungen ^

[32]

Eine andere Möglichkeit zum Schutz der Internetnutzer ist allenfalls die Verfügung von Internetzugangssperren für Rechtsverletzer.67 Das Problem dieser Internetzugangssperren ist jedoch deren einfache Umgänglichkeit.68 Neben der Einschränkung der Informations- und Kommunikationsfreiheit sind überdies bei Sperrverfügungen unter Umständen weitere Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsentfaltung und der Berufsfreiheit in Kauf zu nehmen. Wie bereits beim Drittauskunftsanspruch stellt sich zudem auch hier das Problem der fehlenden Identität zwischen Anschlussinhaber und Verursacher.69 Kommt es sodann zur Sperrung der IP-Adresse von Personen, welche rechtlich unproblematische Inhalte produzieren, setzt sich der Provider einer vertraglichen Haftung gegenüber seinem Kunden aus.70 Trotz dieser Bedenken stützen BGH wie auch EuGH die Möglichkeit, Internetzugänge zu sperren.71 Nach hier vertretener Meinung ist die Sperrung eines Internetzugangs zwar ein möglicher Weg, Urheberrechtsverletzungen zu unterbinden, aufgrund der einfachen Umgänglichkeit wohl aber wenig effektiv.

5.5.

Haftungsausschluss durch den Provider ^

[33]

Eine Möglichkeit des Providers, sich selber vor Haftungsansprüchen zu schützen, besteht allenfalls darin, dass er die Haftung für Verletzungshandlungen anderer Nutzer mit einem Hinweis auf seiner Internetseite ausschliesst.72 Ein Haftungsausschluss ist im vertraglichen Kontext vorab durch Art. 100 OR beschränkt. Da es sich beim Providervertrag oft um einen einfachen Auftrag im Sinne von Art. 394 ff. OR handeln wird, darf die Sorgfaltspflicht sodann gegenüber dem Auftraggeber nicht ausgeschlossen werden, da diese eine vertragswesentliche Pflicht darstellt und somit das Wesen und die Natur des Vertrages ausmacht. Aus den soeben genannten Gründen in Bezug auf den vertraglichen Haftungsausschluss ist im vertraglichen Kontext von einer Haftungsbeschränkung für den Provider abzusehen. In den übrigen Fällen, in welchen eine ausservertragliche Konstellation zwischen Provider und dem Betroffenen vorliegt, ist es dem Provider grundsätzlich möglich, sich mit einem Haftungsausschluss vor Schadensersatzklagen zu schützen. In diesem Fall ist der Haftungsausschluss jedoch so auf der Webseite anzubringen, dass der jeweilige Nutzer unweigerlich von der wegbedungenen Haftung Kenntnis nimmt. 73

5.6.

Weitere präventive Massnahmen ^

[34]

Als weitere Massnahme schlägt Kropp vor, die Erstellung von Verzeichnissen zu unterbinden, welche offensichtlich auf Urheberrechtsverletzungen schliessen lassen. Weiter ist eine Registrierungspflicht für alle Nutzer des Dienstes oder der Aufbau einer Abuse-Abteilung beim Provider denkbar.74 Auf jeden Fall sollten Provider, gleichgültig welcher Art, Kunden über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf hinweisen, dass sie die Rechte Dritter zu wahren haben. Zwar wird dies bei denjenigen Kunden nichts nützen, welche die absoluten Rechte anderer Nutzer mutwillig verletzen, trotzdem gibt es allenfalls auch viele Nutzer, welche sich über die Rechtsverletzung im Internet nicht im Klaren sind.75

6.

Zusammenfassung und Fazit ^

[35]

Die Passivlegitimation des Providers für die Verletzung absoluter Rechte lässt sich aus Art. 50 Abs. 1 OR oder aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ableiten. Im Bereich des Urheberrechts haftet der Provider, wenn er urheberrechtlich geschützte Daten bereithält und kein Privatgebrauch vorliegt. Im Markenrecht hingegen scheitert ein Anspruch durch fehlenden Gebrauch des Zeichens. Weil die Sorgfaltspflichten der Provider nicht spezialgesetzlich geregelt sind, ist auf den Code of Conduct Hosting der SIMSA zu verweisen. Der Gefahrensatz ist als Haftungsgrundlage abzulehnen. Die Providerprivilegierung und das Verbot zur Auferlegung einer generellen Kontrollpflicht der Inhalte im Sinne der E-Commerce-Richtlinie wurden in Deutschland mit dem Telemediengesetz ins nationale Recht implementiert. Bei Verletzungen des Urheberrechts besteht zum einen die Anspruchsgrundlage aus § 97 Abs. 1 und 2 UrhG und mit § 101 UrhG zum anderen ein Drittauskunftsanspruch gegen den Provider. Dieser ist jedoch aufgrund grundrechtlicher Probleme nicht unbestritten. Beim Markenrecht besteht gemäss EuGH ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch. Für den Anspruch auf Schadensersatz hingegen fehlt es regelmässig am aktiven Gebrauch der Marke. Alternativ wird mit § 1004 Abs. 1 BGB auch eine sachenrechtliche Schutznorm für absolute Rechte zur Verfügung gestellt.

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Werden die beiden Rechtslagen von Deutschland und der Schweiz verglichen, lässt sich feststellen, dass einerseits eine spezialgesetzliche Regelung zu den Providern und andererseits ein zivilrechtlicher Drittauskunftsanspruch im schweizerischen Recht fehlen. Unterschiedliche Betrachtungsweisen bestehen gegenüber dem Gefahrensatz und dem Anwendungsbereich des sachenrechtlichen Abwehranspruchs. Der Vergleich der beiden Rechtslagen zeigt zusammengefasst, dass in Deutschland durch das Telemediengesetz für Provider eine grössere Rechtssicherheit herrscht, wenn diese mit rechtswidrigen Inhalten der Internetnutzer konfrontiert werden. In der Schweiz müssen sich die Provider dagegen auf privat erlassene Empfehlungen aus dem Code of Conduct Hosting verlassen, welche keine offizielle Rechtskraft geniessen. Auch in der Schweiz wäre eine spezialgesetzliche Regelung der Sorgfaltspflichten für Provider wünschenswert. Die oben vorgestellten Lösungsansätze stellen dagegen kein befriedigendes Ergebnis zur Problematik der Providerhaftung dar. Während Filtersysteme, Datensammlungen und Sperrverfügungen in einem Spannungsverhältnis mit den Grundrechten der Provider und der Nutzer stehen, fallen andere Lösungen wie die Schaffung einer Abuse-Abteilung aus wirtschaftlichen Gründen ausser Betracht. Schon eher denkbar sind Registrierungspflichten, Haftungsausschlüsse der Provider sowie Verzeichnissperren. Trotzdem vermögen auch diese Vorschläge nicht wirklich das Problem der fehlenden Rechtssicherheit zu kompensieren.

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Diese soeben gemachten Überlegungen legen den Schluss nahe, dass die Schaffung einer spezialgesetzlichen Regelung auch in der Schweiz in Betracht zu ziehen ist. Als Folge davon bleibt zu hoffen, es werde künftig vermehrt gegen den primären Verletzer der absoluten Rechte vorgegangen und weniger gegen den Provider, welcher letztlich nichts anderes tut, als eine gesellschaftlich erwünschte und wirtschaftlich notwendige Dienstleistung zu erbringen.


 

Pirmin Schenk, Bsc ZFH, ist Student an der Universität Luzern.

  1. 1 Heinemann Andreas/Althaus Beat, Posten, Liken, Sharen – Urheberrecht in sozialen Netzwerken, in: Jusletter 12.Oktober 2015, Rz. 40; Rosenthal David, Zivilrechtliche Haftung von Internet-Providern für Unrecht Dritter, in: sic! 2006, S. 511–519, S. 511 f.; Bundesrat, Die zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Provider – Bericht vom 11. Dezember 2015 (https://www.ejpd.admin.ch/dam/data/bj/aktuell/news/2015/2015-12-110/ber-br-d.pdf [alle Websites zuletzt besucht am 9. Mai 2018]), S. 2.
  2. 2 Arbeitsgruppe zur Optimierung der kollektiven Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (AGUR12), Schlussbericht vom 28. November 2013 (https://www.ige.ch/fileadmin/user_upload/recht/national/d/urheberrecht/Schlussbericht_der_AGUR12_
    vom_28_11_2013_DE.pdf
    ), S. 28 f.
  3. 3 Kropp Jonathan, Die Haftung von Host- und Access-Providern bei Urheberrechtsverletzungen, Diss. Berlin, Frankfurt am Main 2012, S. 2; Rigamonti Cyrill P., Providerhaftung – auf dem Weg zum Urheberverwaltungsrecht?, in: sic! 2016, S. 117–134, S. 118; Rosenthal (Fn. 1), S. 516; Bundesrat, Rechtliche Basis für Social Media – Bericht des Bundesrates in Erfüllung des Postulats Amherd 11.3912 vom 29. September 2011 (https://www.bakom.admin.ch/dam/bakom/de/dokumente/2013/10/rechtliche_basisfuersocialmediabericht
    desbundesrates.pdf.download.pdf/rechtliche_basisfuersocialmediaberichtdesbundesrates.pdf
    ), S. 59.
  4. 4 Kropp (Fn. 3), S. 2; Rosenthal (Fn. 1), S. 516.
  5. 5 Schoch Nik/Schüepp Michael, Provider-Haftung «de près ou de loin»?, in: Jusletter 13. Mai 2013, Rz. 4.
  6. 6 Hrubesch-Millauer Stephanie/Brugisser David, Rechtsprechungsübersicht Personenrecht und Einleitungsartikel, AJP 23 (2014), S. 718–729, S. 721; Kernen Alexander, Volle Verantwortlichkeit des Host Providers für persönlichkeitsverletzende Handlungen seines Kunden, in: Jusletter 4. März 2013, Rz. 8; Schoch/Schüepp (Fn. 5), Rz. 3; Sury Ursula, Informatikrecht, Bern 2013, S. 93; Bundesrat (Fn. 1), S. 2; Urteil des Bundesgerichts 5A_792/2011 vom 14. Januar 2013 E. 6.2.
  7. 7 Frech Philipp, Zivilrechtliche Haftung von Internet-Providern bei Rechtsverletzungen durch ihre Kunden, Eine rechtsvergleichende Untersuchung des schweizerischen, des amerikanischen und des deutschen Rechts unter besonderer Berücksichtigung des Urheber- und Markenrechts, Zentrum für Informations- und Kommunikationsrecht der Universität Zürich, Bd. 44, Zürich 2009, S. 296; Hrubesch-Millauer/Bruggisser (Fn. 6), S. 721; Kernen (Fn. 6), Rz. 7; Schoch/Schüepp (Fn. 5), Rz. 3; Urteil des Bundesgerichts 5A_792/2011 vom 14. Januar 2013 E. 6.1.
  8. 8 Schoch/Schüepp (Fn. 5), Rz. 6 f.
  9. 9 Schoch/Schüepp (Fn. 5), Rz. 9.
  10. 10 Schoch/Schüepp (Fn. 5), Rz. 1; Bundesrat (Fn. 1),S. 2; Urteil des Bundesgerichts 5A_792/2011 vom 14. Januar 2013 E. 7.
  11. 11 Schoch/Schüepp (Fn. 5), Rz. 10 ff.
  12. 12 Frech (Fn. 7), S. 296 f.
  13. 13 Rohn Patrick, Zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Internetprovider nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich, Zürich/Basel/Genf 2004, S. 229; Weber Rolf H., E-Commerce und Recht, Rechtliche Rahmenbedingungen elektronischer Geschäftsformen, 2 Aufl., Zürich/Basel/Genf 2010, S. 519.
  14. 14 Weber, E-Commerce (Fn. 13), S. 518.
  15. 15 Frech (Fn. 7), S. 296 f.
  16. 16 Rosenthal (Fn. 1), S. 514 f.; Schoch/Schüepp (Fn. 5), Rz. 32; Weber, E-Commerce (Fn. 13), S. 164.
  17. 17 Rosenthal (Fn. 1), S. 514 f.; Schoch/Schüepp (Fn. 5), Rz. 32; Bundesrat (Fn. 1), S. 61.
  18. 18 Weber, E-Commerce (Fn. 13), S. 164.
  19. 19 Weber Rolf H., Zivilrechtliche Haftung im Internet (http://www.rwi.uzh.ch/oe/zik/archiv/ZivilrechtlHaftungInternet.pdf), S. 6.
  20. 20 Kernen (Fn. 6), Rz. 16; Schoch/Schüepp (Fn. 5), Rz. 40.
  21. 21 Swiss Internet Industry Association (SIMSA), Code of Conduct Hosting (http://simsa.ch/_Resources/Persistent/53642eb64a05528513251596c00840097445f789/130201-simsa-cch-public-web.pdf), Ziff. 5 und 7 (Notice-and-take-down); Bundesrat (Fn. 1), S. 100. Vgl. Ablehnung der Kontrollpflicht in der Lehre: Kernen (Fn. 6), Rz. 16; Rohn (Fn. 13), S. 248; Rosenthal (Fn. 1), S. 513; Sury (Fn. 6), S. 92; Bundesrat (Fn. 1), S. 45.
  22. 22 Kernen (Fn. 6), Rz. 25; Rosenthal (Fn. 1), S. 513; Weber, Haftung (Fn. 19), S. 17; Bundesrat (Fn. 1), S. 45.
  23. 23 Rosenthal (Fn. 1), S. 513.
  24. 24 Rey Heinz, Ausservertragliches Haftpflichtrecht, 4. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2008, Rz. 753.
  25. 25 Rosenthal (Fn. 1), S. 513.
  26. 26 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, ABl. L 178/1 vom 17. Juli 2000.
  27. 27 Kropp (Fn. 3), S. 89; Nagel Arndt Joachim, Providerhaftung nach dem Telemediengesetz, 11. Februar 2008 (http://www.it-recht-kanzlei.de/providerhaftung-stoererhaftung.html), Ziff. 1 (Überblick); Bundesrat (Fn. 1), S. 57.
  28. 28 Nagel (Fn. 27), Ziff. 1 (Überblick).
  29. 29 Brüggemann Sebastian, Der Drittauskunftsanspruch gegen Internetprovider, Urheberrechtsdurchsetzung im Zeitalter digitaler Vernetzung, in: Flechsig Norbert P. et al. (Hrsg.), Schriftenreihe zu Medienrecht, Medienproduktion und Medienökonomie, Bd. 20, Tübingen 2012, S. 78; Nagel (Fn. 27), Ziff. 3 (Haftung des Hostproviders).
  30. 30 § 7 Abs. 1 TMG.
  31. 31 Brüggemann (Fn. 29), S. 78; Kropp (Fn. 3), S. 104.
  32. 32 Brüggemann (Fn. 29), S. 78; Nagel (Fn. 27), Ziff. 3 (Haftung des Hostproviders).
  33. 33 Brüggemann (Fn. 29), S. 78.
  34. 34 Frech (Fn. 7), S. 293 f; zum Begriff des Sekundärstörers vgl. Punkt 2.1.
  35. 35 Frech (Fn. 7), S. 294,
  36. 36 Vgl. Ausführungen zum Telemediengesetz, Punkt 3.1.
  37. 37 Brüggemann (Fn. 29), S. 74 f.
  38. 38 Kropp (Fn. 3), S. 122; Urteil des BGH I ZR 18/04 vom 12. Juli 2007, Rz. 22.
  39. 39 Vgl. Gefahrensatz, Punkt 2.3
  40. 40 Brüggemann (Fn. 29), S. 7.
  41. 41 Kropp (Fn. 3), S. 143 f.
  42. 42 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), ABl. L 201/37 vom 31. Juli 2002.
  43. 43 Brüggemann (Fn. 29), S. 146.
  44. 44 Brüggemann (Fn. 29), S. 86 ff.
  45. 45 Brüggemann (Fn. 29), S. 218.
  46. 46 Frech (Fn. 7), S. 295; Weber, E-Commerce (Fn. 13), S. 517.
  47. 47 Urteil des EuGH C-324/09 vom 12. Juni 2009 – L’Oréal SA und andere gegen eBay International AG und andere, Slg. 2011, I-06011, Rn. 97.
  48. 48 Kropp (Fn. 3), S. 7; Urteil des BGH I ZR 174/14 vom 26. November 2015, Rz. 21.
  49. 49 Vgl. «notice and take down» Prinzip, Punkt 3.1.
  50. 50 Vgl. Passivlegitimation des Internetproviders, Punkt 2.1.
  51. 51 BGE 136 II 508 E. 6.4; Bundesrat (Fn. 1), S. 101.
  52. 52 Weber, E-Commerce (Fn. 13), S. 514.
  53. 53 Arnet Ruth/Belser Eva Maria, Kommentar zu Art. 641 ZGB in: Breitschmid Peter/Rumo-Jungo Alexandra (Hrsg.), Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Sachenrecht, Art. 641–977 ZGB, 2. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2012, Rz. 10 zu Art. 641 Abs. 2 ZGB.
  54. 54 Vgl. Verkehrspflichtendogmatik, Punkt 3.2.2.
  55. 55 Vgl. Abwehranspruch aus § 14 MarkenG, Punkt 3.2.4.
  56. 56 Kernen (Fn. 6), Rz. 14; Bundesrat (Fn. 1), S. 4.
  57. 57 Urteil des Bundesgerichts 5A_792/2011 vom 14. Januar 2013 E. 3.1.
  58. 58 SIMSA (Fn. 21), Ziff. 5 und 7 («notice and take down).
  59. 59 Weber, Haftung (Fn. 19), S. 15.
  60. 60 BGE 136 II 508 S. 509 f.; ARGUR12 (Fn. 2), S. 35.
  61. 61 Art. 4 des Datenschutzgesetzes (DSG).
  62. 62 Brüggemann (Fn. 29), S. 407 ff.
  63. 63 Weber, Haftung (Fn. 19), S. 14.
  64. 64 Urteil des EuGH C-70/10 vom 24. November 2011 – Scarlet Extendet SA gegen Société belge des auteurs, compositeurs et éditeurs SCRL (SABAM), Slg. 2011, I-11959, Rn. 35.
  65. 65 Urteil des EuGH C-70/10 vom 24. November 2011 – Scarlet Extendet SA gegen Société belge des auteurs, compositeurs et éditeurs SCRL (SABAM), Slg. 2011, I-11959, Rn. 48; Charta der Grundrechte der Europäischen Union 2000/C 364/01 vom 18. Dezember 2000 (GrCh).
  66. 66 Heinemann/Althaus (Fn. 1), Rz. 39; Urteil des EuGH C-70/10 vom 24. November 2011 – Scarlet Extendet SA gegen Société belge des auteurs, compositeurs et éditeurs SCRL (SABAM), Slg. 2011, I-11959, Rn. 50 ff.
  67. 67 Brüggemann (Fn. 29), S. 402.
  68. 68 Kropp (Fn. 3), S. 165.
  69. 69 Brüggemann (Fn. 29), S. 402 f.; vgl. Drittauskunftsanspruch gestützt auf § 101 Abs. 2 UrhG, Punkt 3.2.3.
  70. 70 Rohn (Fn. 13), S. 252 f.; Bundesrat (Fn. 1), S. 68.
  71. 71 Urteil des BGH I ZR 139/08 vom 22. Juli 2010, Rz. 74; Urteil des EuGH C-314/12 vom 27. März 2014 – UPC Telekabel Wien GmbH gegen Constatin Film Verleih GmbH und Wega Filmproduktionsgesellschaft GmbH, Rn. 64.
  72. 72 Weber, Haftung (Fn. 19), S. 28 ff.
  73. 73 Weber, E-Commerce (Fn. 13), S. 532.
  74. 74 Kropp (Fn. 3), S. 126.
  75. 75 Kropp (Fn. 3), S. 128.