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VG Köln: Deutsche Telekom verletzt die Netzneutralität

  • Author: Simon Schlauri
  • Category of articles: TechLawNews by Ronzani Schlauri Attorneys
  • Region: Germany
  • Field of law: Telecommunications law
  • Citation: Simon Schlauri, VG Köln: Deutsche Telekom verletzt die Netzneutralität, in: Jusletter IT 4 December 2018
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Mit Beschluss vom 20. November 20181 hat das Verwaltungsgericht Köln eine Anordnung der deutschen Bundesnetzagentur (BNetzA) vom 10. November 20172 bestätigt, gemäss der das Angebot «StreamOn» der deutschen Telekom gegen die europäischen Vorgaben zur «Netzneutralität» verstösst.

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Bei der Netzneutralität geht es um die Frage, ob es Internetprovidern erlaubt sein soll, auf die von ihnen übertragenen Daten Einfluss zu nehmen. Verletzungen der Netzneutralität sind problematisch, weil sie den einfachen Marktzugang für Anbieter von Internetdiensten und damit deren Innovationskraft beeinträchtigen. Hinzu kommen grundrechtliche Bedenken.3 Eine Regelung der Netzneutralität nach dem Vorbild der EU wird derzeit auch in den Eidgenössischen Räten diskutiert.4

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StreamOn ist ein kostenlos buchbares Zusatzangebot für Mobilfunkkunden. Es geht um sogenanntes «Zero-Rating». Dabei werden die Datenmengen, die von bestimmten Partnerunternehmen der Telekom übertragen werden, nicht auf das nach dem jeweiligen Tarif zur Verfügung stehende Inklusiv-Datenvolumen angerechnet. «Zero-rated» werden bei StreamOn unter anderem die Musikstreaming-Dienste Apple Music und Spotify, aber auch Videostreaming-Dienste wie Netflix oder YouTube.

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Ein wesentlicher Haken des Angebots StreamOn liegt darin, dass die dem Zero-Rating unterstellten Dienste gemäss dem Angebot zugleich verlangsamt werden, und zwar auf 1.7 Megabit pro Sekunde, die keine Übertragung von HD-Signalen mehr zulassen.

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Nach Auffassung der Bundesnetzagentur verletzt diese Verlangsamung von Streamingdiensten die Vorgaben der EU zur Netzneutralität: Eine künstliche Verlangsamung bestimmter Dienste sei nach Art. 3 Abs. 1 der EU-Verordnung 2015/21205 nicht erlaubt, so die BNetzA, und zwar auch dann nicht, wenn der Kunde in die Verlangsamung durch freiwilliges Buchen der Option StreamOn eingewilligt habe.

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Dem ist zuzustimmen, denn eine andere Regelung würde es den Providern erlauben, durch die Hintertür einer technisch nicht gerechtfertigten Produktdifferenzierung diskriminierende Verhaltensweisen fortzuführen. Das Verbot derartiger Diskriminierung bildet jedoch gerade das Fundament der europäischen Netzneutralitätsregulierung (Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung).

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Die BNetzA legte weiter dar, die Drosselung sei technisch nicht zwingend, sondern rein kommerziell begründet, weshalb die gesetzlich vorgesehene Ausnahme für Verkehrsmanagement (Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 Bst. c der Verordnung) nicht anwendbar sei. Diese Norm erlaubt solche Massnahmen im Wesentlichen nur, um vorübergehende Netzüberlastungen zu bekämpfen. Es gehe, so die BNetzA weiter, insbesondere nicht an, bestimmte datenintensive Dienste zu drosseln, um den Netzausbau hinauszuzögern; gerade darin liege eine erhebliche Gefahr für die Innovation.

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Nachdem StreamOn nur bestimmte Streamingangebote erfasste, verletzte das Angebot zudem das Kriterium von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 3 Bst. c der Verordnung, wonach bei Verkehrsmanagement gleichwertige Verkehrsarten gleich zu behandeln sind.

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Problematisch war ferner, dass das Zero Rating von «StreamOn» nur in Deutschland wirksam war und nicht in der ganzen EU. Damit verletzte die Deutsche Telekom nach Auffassung der BNetzA neben den Vorgaben zur Netzneutralität auch die europäische Roamingregulierung.

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Das VG Köln stützte die Anordnung der BNetzA im Rahmen eines Eilverfahrens. Die Telekom hat einen Weiterzug angekündigt.

Simon Schlauri

  1. 1 Az. 1 L 253/18, tinyurl.com/yaoz8o7w.
  2. 2 tinyurl.com/ybbrsq4o.
  3. 3 Zur Netzneutralität bereits TechLawNews 1, August 2013, tinyurl.com/olat47n, TechLawNews 5, März 2015, tinyurl.com/ybf8832c sowie Simon Schlauri, Network Neutrality, Habil. Zürich 2010, tinyurl.com/ljp4med.
  4. 4 Vgl. etwa inside-it.ch, Ständerat kratzt an Netzneutralität, www.inside-it.ch/articles/52829.
  5. 5 tinyurl.com/yddq3orh.