1.
Einführung ^
2.
Umfragedesign ^
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage konnten über einen Link die Umfrage ausfüllen. Insgesamt haben 117 Personen an der Umfrage teilgenommen, was einer Rücklaufquote von 22,5% bezogen auf die Zahl der konkret angeschriebenen Adressaten entspricht, ein für eine derartige Umfrage sehr guter Wert. Die Datenbank der beim Europarat angesiedelten europäischen Kommission für Effizienz im Justizwesen (European Commission for the Efficiency of Justice (CEPEJ)) weist nach den neuesten verfügbaren Daten aus dem Jahr 2014 1‘290 Berufsrichter für die Schweiz aus.3 Somit haben 9,1% aller Berufsrichter an der Umfrage teilgenommen.
Zu den Designkriterien für diese Umfrage gehören folgende Überlegungen:
- Die Umfrage sollte in relativ kurzer Zeit – etwa fünf bis zehn Minuten – auszufüllen sein.
- Die Erhebungsinstrumente sollten dabei vergleichsweise einfach gestaltet sein.
- Neben Mehrfachauswahlfragen haben wir den Richterinnen und Richtern vor allen Likert-Skalen4 vorgelegt, aus denen ein Wert innerhalb eines bestimmten Spektrums zu bestimmen war. Dabei kamen fünf- und siebenstufige Likert-Skalen5 zum Einsatz.
- Nur wenige freie Textfragen ergänzen die Umfrage – vor allem dort, wo wir von den Teilnehmern weitere Hinweise zu Aspekten erwartet haben, die ansonsten nicht in der Umfrage Berücksichtigung gefunden hatten.
3.
Aufbau des Fragebogens ^
3.1.
Angaben zur richterlichen Tätigkeit ^
3.2.
Nutzung von Visualisierungen ^
3.3.
Kontext, in dem Visualisierungen auftreten ^
3.4.
Eigenproduktion von Visualisierungen ^
Einen weiteren Aspekt stellt die Verwendung selbst produzierter Bilder dar. Daher ist in dem Fragebogen danach gefragt, zu welchem Einsatzzweck Visualisierungen angefertigt werden. Als mögliche Zwecke sind die Verdeutlichung von Sachverhalten sowie die Darstellung rechtlicher und zeitlicher Zusammenhänge (zum Beispiel mithilfe eines Zeitstrahls) vorgegeben. Zudem steht ein Feld Sonstiges zur Formulierung von Freitextantworten zur Verfügung. Komplementär zum Einsatzzweck wird auch abgefragt, welche Medien bzw. Geräte für Visualisierungen genutzt werden. Die Befragten können dabei die jeweilige Nutzungsintensität angeben für:
- Notizzettel/Karteikarten/Post-Its
- Papier/Notizblock/Heft
- Flipchart/Moderationskoffer
- Computer/Tablets/Smartphone
- Fotoapparat/Videokamera
- Sonstiges (Freitextantworten).
3.5.
Adressaten selbst produzierter Visualisierungen ^
3.6.
Sonstiges / Demographie / Abschluss ^
Im letzten Teil der Umfrage besteht die Möglichkeit, Beobachtungen, Ideen und Anregungen mit Bezug zu Visualisierungen mitzuteilen. Abschließend werden demographische Angaben zur Berufserfahrung und dem Geschlecht der Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfasst. Für die Umfrage wird Anonymität zugesichert, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können aber eine Mailadresse angeben, soweit sie die Ergebnisse der Studie zugesandt bekommen wollen.
4.
Ergebnisse ^
4.1.
Art der richterlichen Tätigkeit ^
Zu dieser Frage geben 70% der Teilnehmer an, als Einzelrichter tätig zu sein und 86% als Mitglied eines Kollegialgerichts, jeweils etwa 11% nennen Tätigkeiten in der Ausbildung bzw. in der Gerichtsverwaltung. Es besteht also zu einem erheblichen Teil eine Tätigkeit sowohl als Einzelrichter/-in als auch als Mitglied eines Kollegialgerichts. Jeweils knapp 55% geben an, erstinstanzlich bzw. in einer Rechtsmittelinstanz zu arbeiten. Hier ist die Überlappung offenbar deutlich geringer. In jedem Fall sind die Befragten ganz überwiegend in der gerichtlichen Praxis und nur zu einem kleinen Teil (auch) in der Verwaltung und der Ausbildung tätig.
4.2.
Nutzung von Visualisierungen ^
Bei der Frage zur Nutzung von Visualisierungen ergibt sich folgendes Bild (Abbildung 2):
Die nachfolgenden Fragen beziehen sich auf die Nutzungsintensität bei den verschiedenen Visualisierungstypen, wobei es hier um die nicht selbst produzierten Visualisierungen geht. Die Kategorie Schaubilder und Diagramme wird weiter unterteilt in logische Bilder, Diagramme und Tabellen. Tabelle 1 gibt die Ergebnisse der Umfrage wieder.
(Intensität: 1 = nie, …, 7 = täglich) | |||||||
Visualisierung | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 |
Fotos | 11,1% | 27,4% | 29,9% | 20,5% | 7,7% | 2,6% | 0,9% |
Videos/Filme | 31,6% | 41% | 17,9% | 9,4% | 0% | 0% | 0% |
Logische Bilder | 20,5% | 42,7% | 11,1% | 16,2% | 5,1% | 3,4% | 0,9% |
Diagramme | 36,8% | 41% | 6% | 5% | 0% | 0,9% | 0,9% |
Tabellen | 5,1% | 23,9% | 21,4% | 14,5% | 20,5% | 10,3% | 4,3% |
Comics/Cartoons | 95,7% | 4,3% | 0% | 0% | 0% | 0% | 0% |
Karten | 15,4% | 35,9% | 14,5% | 23,9% | 5,1% | 4,3% | 0,9% |
Pläne/Skizzen | 11,1% | 25,6% | 19,7% | 29,1% | 8,5% | 5,1% | 0,9% |
Tabelle 1: Nutzungsintensität für unterschiedliche Visualisierungstypen
Deutlich wird, dass Fotos, Tabellen, Pläne/Skizzen und Karten zu den Visualisierungstypen gehören, für die auch relativ hohe Werte in den Nutzungskategorien 4 bis 7 auftreten. Fasst man zusammen, wie viele der Befragten die Nutzungshäufigkeit auf einer Skala von 1 (nie) bis 7 (täglich) ab Stufe 4 für die verschiedenen Visualisierungstypen angeben, kommt man zu folgender Reihung: Tabellen liegen mit knapp 50% vor Plänen/Skizzen (ca. 44%), Karten (ca. 34%), Fotos (ca. 32%), Logischen Bildern (26%), Videos/Filmen (ca. 9%) und Diagrammen (knapp 7%). Comics und Cartoons bilden das Schlusslicht. Interessant ist dabei allerdings, dass immerhin fünf Teilnehmer (4%) ihre eigene Nutzungsintensität nur der zweitniedrigsten Kategorie zuordnen (also häufiger als nie), immerhin ein höherer Wert als bei der zunächst abgefragten Bekanntheit des Visualisierungstyps. Dabei dürfte der Unterschied kaum daraus resultieren, dass bei der Frage nach der Bekanntheit aus Vereinfachungsgründen lediglich Comics und bei der Frage nach der Nutzung Comics und Cartoons genannt sind. Bei den anderen Kategorien ergeben sich hingegen (nachvollziehbar) meist höhere Werte für den Bekanntheitsgrad als für die Nutzungsintensität, etwa wenn 94% der Befragten angeben, dass sie Fotos aus ihrem beruflichen Umfeld kennen, aber über 11% angeben, sie nie zu nutzen. Weniger nachvollziehbar erscheint hingegen der Umstand, dass nur 20,5% der Teilnehmer angeben, dass sie nie logische Bilder benutzen, aber gleichzeitig nur 62,4% der Befragten Schaubilder und Diagramme aus ihrem beruflichen Umfeld bekannt sind. Hier war möglicherweise nicht hinreichend klar, dass sich logische Bilder auch unter den Begriff Schaubilder fassen lassen.
4.3.
Kontext, in dem Visualisierungen genutzt werden ^
Bei der Frage, bei welchen Tätigkeiten die befragten Richterinnen und Richter mit Visualisierung zu tun haben, weisen das Aktenstudium sowie die interne Kommunikation mit Kollegen die stärksten Werte auf, wobei das Aktenstudium die einzige Kategorie ist, in der auch die höchste Nutzungsintensität (täglich) einen positiven Wert mit 8% aufweist. Insgesamt geben 59% der Befragten auf der Skala 1 (nie) bis 7 (täglich) für die Tätigkeit Aktenstudium die Werte 4 und mehr an, für die interne Kommunikation mit Kollegen entfallen auf diese Häufigkeitskategorien etwas über 30%, für den Kontext Verhandlung etwas über 20%. Lediglich fünf Teilnehmer geben die Häufigkeitskategorien 4 bis 7 für die Situation Urteilsverkündung an. Diese Tendenz zeigt sich auch, wenn man sich ansieht, wie hoch der Anteil der Richterinnen und Richter ist, die in den jeweiligen Situationen nie mit Visualisierungen zu tun haben: Über 70% der Befragten haben bei der Urteilsverkündung nie damit zu tun, für die Situation Verhandlung geben dies nur 24% an, für die interne Kommunikation liegt der Anteil bei 12%, beim Aktenstudium ist der Prozentsatz am niedrigsten. Nur zwei Teilnehmer (1,7%) geben an, beim Aktenstudium nie mit Visualisierungen zu tun zu haben.
4.4.
Eigenproduktion von Visualisierungen ^
4.4.1.
Einsatzzweck ^
Im Feld Sonstiges nennen die Teilnehmer als zusätzliche Einsatzmöglichkeiten unter anderem die spielerische Nutzung von Visualisierungen («Zeitvertreib»), die Rolle von Visualisierungen in der militärischen Führungsausbildung (möglicherweise ein Schweizer Spezifikum), den Einsatz zur Strukturierung von Beratungen, die Nutzung von Excel-Tabellen für die Darstellung finanzieller Verhältnisse, die Nutzung von Tabellen mit Berechnungsmöglichkeiten sowie die Nutzung der Tabellenfunktion von MS Word für eigene persönliche Notizen.
4.4.2.
Genutzte Medien ^
Bei den genutzten Medien liegen Papier, Notizblock, Heft mit sehr hohen Nutzungsdaten klar vorne. Lediglich 8% geben an, diese Medien nicht für Visualisierungen zu nutzen, 75% nennen die Häufigkeitskategorien 3 bis 5. Danach folgen kleinteilige papiergebundene Trägermedien wie Notizzettel, Karteikarten und Post-Its, die ca. 29% nie verwenden und für die knapp 49% eine Nutzungshäufigkeit von 3 bis 5 nennen. Flipcharts bzw. Moderationskoffer kommen dagegen deutlich seltener zum Einsatz – immerhin 73% der Befragten geben an, sie niemals zu verwenden, knapp 12% nennen die Häufigkeitskategorien von 3 bis 5. Auch die Nutzung elektronischer Geräte wie Computer, Tablet oder Smartphone ist mittlerweile verbreitet. Zwei Drittel setzen sie für Visualisierungen ein, davon knapp 43% mit der Häufigkeit 3 bis 5, 10% von allen verwenden sie mit der höchsten Intensitätsstufe. Ein gutes Drittel (34%) gibt an, solche Geräte niemals für diesen Zweck zu nutzen. In der ergänzenden Freitext-Frage werden als weitere Medien «Modelle» genannt sowie ausgedruckte Excel-Tabellen. Als Geräte werden zusätzlich Beamer und Visualizer erwähnt.
4.5.
Adressaten selbst produzierter Visualisierungen ^
4.6.
Abschließende Freitext-Frage ^
4.7.
Demographische Angaben ^
5.
Fazit ^
Es lässt sich festhalten, dass die meisten Visualisierungstypen (mit Ausnahme von Comics) der weit überwiegenden Mehrheit der an der Umfrage teilnehmenden Richterinnen und Richter aus ihrem beruflichen Umfeld bekannt sind. Damit ist klar, dass Visualisierungen zum Arbeitsalltag von Richterinnen und Richtern gehören. Visualisierungen spielen also in der Praxis eine weit größere Rolle als in der juristischen Forschungs- bzw. Fachliteratur, die Ergebnisse von Mielke/Wolff 2005 dürften 2018 nicht wesentlich anders ausfallen, wenn auch in neueren Zeitschriftenpublikationen grafische Darstellungen nach Eindruck der Autoren zunehmen.
6.
Literatur ^
Boehme-Neßler, Volker (2017), Die Macht der Algorithmen und die Ohnmacht des Rechts. Wie die Digitalisierung das Recht relativiert, NJW 2017, S. 3031–3037.
Hahn, Tamara/Mielke, Bettina/Wolff, Christian (2014), Klassifikation von Darstellungsformen in der Rechtsvisualisierung. In: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter (Hrsg.), Transparenz, Tagungsband des 17. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2014, Österreichische Computer Gesellschaft & Erich Schweighofer, Wien, S. 491–502.
Heddrich, Jürgen/Sachs, Lothar (2017), Angewandte Statistik. Methodensammlung mit R. 15., überarbeitete und erweiterte Auflage, Springer Spektrum, Berlin/Heidelberg.
Heddier, Marcel/Heide, Tobias/Knackstedt, Ralf (2012), Research Portal Multisensory Law und YourResearchPortal.com. In: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter (Hrsg.), Transformation juristischer Sprachen, Tagungsband des 15. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2012, Österreichische Computer Gesellschaft, Wien, S. 373–380.
Matell, Michael S./Jacoby, Jacob (1971), Is there an Optimal Number of Alternatives for Likert Scale Items? Study I: Reliability and Validity, Educational and Psychological Measurement, 31(3), S. 657–674.
Mielke, Bettina/Walser Kessel, Caroline/Wolff, Christian (2017), 20 Jahre Rechtsvisualisierung – Bestandsaufnahme und Storytelling. In: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter/Sorge, Christoph (Hrsg.), Trends und Communities der Rechtsinformatik, Tagungsband des 20.Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2017, Österreichische Computer Gesellschaft & Erich Schweighofer, Wien, S. 377–386.
Mielke, Bettina/Wolff, Christian (2005), Visualisierungsformate im Recht. In: Schweighofer, Erich/Liebwald, Doris/Augeneder, Silvia/Menzel, Thomas (Hrsg.), Effizienz von e-Lösungen in Staat und Gesellschaft, Aktuelle Fragen der Rechtsinformatik 2005, Boorberg, Stuttgart et al. 2005, S. 618–626.
Mielke, Bettina/Wolff, Christian (2018), Tagebuchstudie zum Einsatz von Visualisierungen in der richterlichen Praxis, in diesem Band.
Röhl, Klaus F./Ulbrich, Stefan. (2007), Recht anschaulich. Visualisierung in der Juristenausbildung, Herbert von Halem Verlag [edition medienpraxis, Bd. 3], Köln.
- 1 https://docs.google.com/forms (alle Websites abgefragt am 2. Januar 2018).
- 2 http://www.svr-asm.ch/de/index.htm.
- 3 https://www.coe.int/t/dghl/cooperation/cepej/evaluation/2016/STAT/default.asp.
- 4 Die nach Rensis Likert benannten Likert-Skalen dienen dazu, in Fragebogen Antwortmöglichkeiten zu einer Frage mit einer Ordinalskala zu erfassen, vgl. Hedderich/Sachs 2017, 23.
- 5 Siebenstufige Likert-Skalen wurden für die Fragen verwendet, bei denen zu erwarten war, dass die Teilnehmer stärker differenzieren können (Frage nach dem Vorkommen von Visualisierungen und dem jeweiligen Kontext allgemein), während die fünfstufigen Skalen bei den spezielleren Fragen genutzt wurden, wie z.B. nach dem Zweck selbst produzierter Visualisierungen. Zu Frage der optimalen Item-Zahl in Likert-Skalen vgl. Matell/Jacoby 1971.
- 6 Zur Revision des schweizerischen Zivilprozessrechts siehe BBl 2006 7221 ff., insb. S. 7240.
- 7 Zur Revision des schweizerischen Strafprozessrechts siehe BBl 2005 1085 ff., insb. S. 1110.
- 8 Vgl. Hahn/Mielke/Wolff 2014, S. 492 ff.; Heddier/heide/Knackstedt 2012, S. 373 ff.; Mielke/Walser Kessel/Wolff 2017, S. 379 f., Röhl/Ulbrich 2007, S. 53 ff.