1.
Vertragsabschluss & Parteien ^
Dass Maschinen miteinander kommunizieren, ist schon lange möglich. Der Schritt von der Kommunikation zum Vertragsabschluss war dann nicht weit. In Zeiten von Blockchain und Smart Contracts entfernen sich die natürlichen oder juristischen Personen oft immer weiter von dem eigentlichen Vertragsabschluss und den Entscheidungsschritten, die dorthin geführt haben. Doch sind alle Verträge, die unter Zuhilfenahme von M2M (Machine-to-Machine) Technologien abgeschlossen wurden automatisch Smart Contracts?
Das Buzzword «Smart Contract» hat keine einheitliche Definition und wird mitunter auch missverständlich verwendet.1 So wird der Begriff Smart Contract, je nach Ausprägung selbst als Vertrag dargestellt («echte Smart Contracts») oder ist selbst die Umsetzung bestehender Verträge.2 Nach der Definition von Nick Szabo können Smart Contracts im heutigen Kontext als auf einem Netzwerk laufende Programmcodes, die spezifische Vertragsbedingungen verankern, bezeichnet werden. Das Netzwerk, auf dem die Programmcodes laufen, ist eine Blockchain.3 Ein zwischen Maschinen abgeschlossener Smart Contract erfüllt grundsätzlich vier Voraussetzungen: die digitale Form, die Vertragsbestimmungen sind in Programmiersprache, die Durchfügung erfolgt aufgrund von technologiebestimmten Parametern und die Abwicklung ist nicht umkehrbar.4
Aufgrund der bereits zuvor festgelegten Parameter eines Smart Contracts stellt sich die Frage ob es sich um eine Vertragserfüllung per Smart Contract handelt, da lediglich die Abwicklung einer Transaktion erfolgt und dazu ein Vertragsschluss bereits zuvor hätte stattfinden sollen.
ISd § 861 ABGB ist ein Vertrag eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Personen, der für die beteiligten Personen entsprechende Rechtsfolgen auslöst, wofür es für das Zustandekommen Vertrages überstimmende Willenserklärungen bedarf. Per Smart Contract wird die automatische Durchführung einer Transaktion getätigt, sobald die vorab definierten Bedingungen gegeben sind. Hierfür bedarf es kein Zutun eines Dritten, die Vertragsabwicklung erfolgt automatisch. Dabei führt der Smart Contract lediglich aus was bereits zuvor schuldrechtlich vereinbart wurde, dieser übernimmt dann bloß die Abwicklung des Vertrags. Folglich kann hierbei von keinem Vertrag im juristischen Sinn gesprochen werden.5
Anders stellt es sich dar, wenn ein sogenannter Software Agent, der völlig automatisiert und je nach Bedarf zuerst nach einem geeigneten Vertragspartner sucht, mit diesem über Preis und Ware einig ist und sogleich den Vertrag abschließt. Hierbei werden die Vertragsbedingungen bzw. die Verhandlungen, auf Grundlage des Verwenders/Programmierers des Software-Agenten zuvor festgelegt. Aufgrund dieser Befugnisse erfolgt zuerst der Vertragsschluss und sogleich die Abwicklung dessen.6 Dabei handelt es sich nun um einen sogenannten Smart Legal Contract, dem nun mehrere rechtliche Hürden zum erfolgreichen (rechtmäßigen) Vertragsschluss im Wege stehen können.
So gibt es mitunter gesetzliche Formvorgaben um ein Rechtsgeschäft abzuschließen, die essentialia negotii müssen klar definiert sein, die Abgabe sowie Zurechnung von Willenserklärungen müssen klar sein.
ISd des § 883 normiert grundsätzlich Formfreiheit für den Abschluss von Rechtsgeschäften und überlässt es den Parteien, in welcher Form sie den Vertag abschließen.7 Mitunter gibt es davon zahlreiche Ausnahmen, die die Privatautonomie einschränken, bis dato findet sich jedenfalls im österreichischen Recht keine entsprechende Bestimmung dem ein Smart Contract unterliegt, ergo ist diesem die Formfreiheit zuzuschreiben.8
Aufgrund der besonderen Vertragssprache stellt sich die Frage ob sich die Programmiersprache mit dem österreichischen Recht in Einklang zu bringen ist. Hierfür kann allgemein auf die §§ 914 ff ABGB verwiesen werden. Der österreichische Gesetzgeber kennt aufgrund vorherrschender Formfreiheit auch hier bis dato keine Sonderregelungen für Smart Contracts, wonach die jeweilige Programmiersprache für das Vertragswerk und dessen Abwicklung eingesetzt werden kann. Bei etwaigen Unklarheiten in Auslegungsfragen oder Lücken können die Ausregelungsregeln zur Anwendung kommen.9
Ehe man aber zur Vertragsauslegung kommt muss dieser zuallererst gesetzeskonform geschlossen worden sein. Dafür bedarf es Angebot einer Partei und die Annahme(-erklärung) jenes konkreten Angebotes durch den Vertragspartner. Die Art der Kommunikation ist hierbei grundsätzlich irrelevant. So ist grundsätzlich die Nutzung elektronischer Kommunikation, ebenso wie der Abschluss in mündlicher oder schriftlicher Form, möglich.10
Ein wirksames Angebot hat jedenfalls die essentilia negotii zu umfassen, so müssen zumindest Ware und Preis angegeben sein. Bei Angebot und Annahme handelt es sich um einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen, wobei ein Angebot auch einen entsprechenden Bindungswillen erkennen lassen werden muss.
§ 896 ABGB normiert die Merkmale einer Willenserklärung, so muss diese frei, ernstlich, bestimmt und verständlich sein. Sofern die weiteren Voraussetzungen wir Geschäftsfähigkeit, Formerfordernisse und Konsens gegeben ist, würde der Einsatz von Blockchain Technologie dem österreichischem Recht nicht entgegenstehen und ein Vertrag im juristischen Sinn gegeben sein.11
Ein Punkt ist hierbei als problematisch anzuführen, jener der Geschäftsfähigkeit. Um eine Willenserklärung abgeben zu können bzw. der Zurechnung einer solchen bedarf es einer natürlichen Person, die der entsprechende Programm Code jedenfalls nicht ist, so stellt sich der Zurechnung der hinter dem Smart Contract stehenden natürlichen Person. Praktisches Beispiel ist hierfür der «Automatenkauf».
Wird per Smart Contract autonom und automatisch ein Vertrag für die Blockchain-Nutzer geschlossen, so stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wie die mittels Programmcode abgegebene Willenserklärung der hinter ihr stehenden natürlichen Person (dem Blockchain-Nutzer) zugerechnet werden kann. Daraus ergeben sich zwei Ansätze:
Einerseits kann argumentiert werden, dass ein Smart Contract im Einzelfall intelligenter als seine Nutzer sein kann. Das System trifft demnach Entscheidungen, die den Horizont des Nutzers übersteigen. In diesem Fall könnte die «Willenserklärung» des Smart Contract wohl nicht dem Nutzer zugerechnet werden.12 Allerdings müssen de lege lata wirksame Willenserklärungen zwingend auf der Willensbetätigung eines Menschen beruhen.13 Zur Lösung dieses Problems wurde in Fachkreisen die Figur der ePerson ins Spiel gebracht. Die ePerson wäre ein Rechtssubjekt sui generis, ein Hybrid aus natürlicher und juristischer Person mit eigener Rechtspersönlichkeit, der sämtliche Entscheidungen (samt Haftungsfragen) zugerechnet werden können.14
Weitaus zutreffender kann andererseits argumentiert werden, dass Blockchain-Anwendungen und Smart Contracts lediglich Werkzeuge zur Abgabe von Willenserklärungen sind: Sie unterstützen natürliche bzw. juristische Personen zur Formulierung ihres Willens. Derjenige, der sich solcher Werkzeuge bedient, hat sich deren Handeln wohl auch zuzurechnen. Der Smart Contract erklärt eben keinen Willen iSd §§ 861 ff ABGB.15 Die Zurechnung und Behandlung von Willenserklärungen per Computer bzw. Smart Contract muss wie bei herkömmlichen Willenserklärungen erfolgen. Die Willenserklärung muss demnach den stets hinter den Maschinen stehenden natürlichen oder juristischen Personen – also nicht einer fiktiven ePerson – zugerechnet werden.16 An dieser Stelle kann auch die Aussage des Ethereum Co-Founders, zugleich eine Galionsfigur in der Blockchain-Welt, Vitalik Buterin, herangezogen werden: «Die Technologie an sich kontrolliert nichts, die Blockchain an sich hat keine Macht. Es ist nur eine Plattform, über die Leute zusammenarbeiten können. Am Ende ist jede Handlung von Blockchain immer von Menschen ausgelöst.»17
Smart Contracts stellen keinen Selbstzweck dar: Die Vertragsparteien wollen eben immer etwas ganz Bestimmtes, ob sie es nun per Smart Contract erwerben wollen oder steinzeitlich mit Handschlag – es ist nicht daran zu rütteln, dass diese Vorgänge einfach durch die jeweiligen zivilrechtlichen Vertragsnormen erfassbar sind44 und Willenserklärungen – auch unter Zuhilfenahme von Maschinen – ihren Nutzern zugerechnet werden können.
2.
Zurechnung ^
Auch wenn die Maschine nur das Mittel zum Zweck des Smart Contracts ist, stellt sich die Frage, wem allfällige technische Fehler der Maschine zuzurechnen sind. Bedient sich ein Vertragspartner einer Maschine als Hilfsmittel zum Vertragsabschluss, wird er diese in der Regel bei einem anderen Unternehmer gekauft haben. In seltenen Fällen ist der Vertragspartner selbst der Entwickler der Technologie, die den Vertragsabschluss ermöglicht. Zwischen den Unternehmen wird Haftung und ein allfälliger Regress vertraglich geregelt sein; letzterer ist aber durchaus möglich. Der Hersteller der Maschine kann gegenüber dem Endnutzer beschränkt auf Basis des PHG haften; ansonsten muss der Hersteller nur dem unmittelbar Geschädigten Ersatz leisten.18 Allgemein werden dem Vertragspartner, der die Maschine ausgewählt hat, auch deren allfällige Fehler zuzurechnen sein.
Eine weitere Voraussetzung ist die Verursachung des Schadens durch den Schädiger; Schäden, die außerhalb jeglicher Lebenserfahrung liegen, sind jedoch ausgeschlossen.19 Hier setzt das Problem im M2M-Bereich an. Gerade wenn der Smart Contract durch «Entscheidungen» der Maschinen, basierend auf äußeren Umständen oder gar AI beeinflusst wird, kann man die Grenzen der Lebenserfahrung überschreiten. Auch wenn die Verkettung der Umstände, die zu einem Fehler führen, außergewöhnlich sein können, muss die Lebenserfahrung dahingehend erweitert werden, dass gerade bei AI die Entscheidungskette von Maschinen nicht immer nachvollziehbar ist. Die mangelnde Nachvollziehbarkeit kann aber im Ergebnis nicht zu einer mangelnden Haftung der Partei führen, die sich der fehlerhaften Maschine bedient.
3.
Fazit ^
Die Maschine wird – jedenfalls in nächster Zukunft – nicht für die Personen haften, die sie nutzen. Die Herausforderungen werden in nächster Zeit mehr in der Frage bestehen, wem Entscheidungen und Fehler zuzurechnen sind.
- 1 Vgl. Müller, Bitcoin, Blockchain und Smart Contracts, ZfIR 2017, 609.
- 2 Hanzl/Rubey, The smartest contract?, Zak 2018/350 (184).
- 3 Vgl. Müller, Bitcoin, Blockchain und Smart Contracts, ZfIR 2017, 609.
- 4 Welten/Ozsvar, «Smart Contracts aus rechtlicher Sicht», in: Binder Grösswang (Hrsg), Digital Law, LexisNexis, S 14.
- 5 Smets/Kapeller, Smart Contracts: Vertragsabschluss und Haftung, ÖJZ 2018/39 (295).
- 6 Buchleitner/Rabl, Blockchain und Smart Contracts – Revolution oder alter Wein im digitalen Schlauch?, ecolex 2017, 4 [7].
- 7 Perner/Spitzer/Kodek, Bürgerliches Recht5 (2016) S 63.
- 8 Vgl. Zankl, Bürgerliches Recht8 (2017), Rz 37a und auch Smets/Kapeller, Smart Contracts: Vertragsabschluss und Haftung, ÖJZ 2018/39 (294f).
- 9 Vgl. Buchleitner/Rabl, Blockchain und Smart Contracts – Revolution oder alter Wein im digitalen Schlauch?, ecolex 2017, 4 [9].
- 10 Wiebe, in: Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 861, Rz 10 (Stand 1. Januar 2018, rdb.at).
- 11 Smets/Kapeller, Smart Contracts: Vertragsabschluss und Haftung, ÖJZ 2018/39 (296).
- 12 Eisenberger, Digitalisierung und Selbstbestimmung, ALJ 2017, 140.
- 13 Richter, Abschluss von Rechtsgeschäften (Stand 4. Dezember 2018, Lexis Briefings in lexis360.at).
- 14 Schweighofer/Menzel Kreuzbauer, Auf dem Weg zur ePerson, ARD 5269/40/2001.
- 15 Riedler, in: Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar4 (2014) zu § 861 ABGB, Rz 3.
- 16 Riedler, in: Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar4 (2014) zu § 861 ABGB, Rz 1.
- 17 Sixt, Bitcoins und andere dezentrale Transaktionssysteme (2017), Springer Gabler, 194.
- 18 Wagner, in: Schwimann/Kodek (Hrsg), ABGB Praxiskommentar4 (2016) zu § 1293 ABGB, Rz 21.
- 19 RIS-Justiz RS0098939.