Jusletter IT

Asterix und das Atomkraftwerk – Das Urheberrecht und gesellschaftspolitische Debatten

  • Author: Clemens Thiele
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: IP Law, IP-Law
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2019
  • Citation: Clemens Thiele, Asterix und das Atomkraftwerk – Das Urheberrecht und gesellschaftspolitische Debatten, in: Jusletter IT 21. February 2019
Ausgangspunkt der Überlegungen zum Verhältnis zwischen Urheberrecht und Meinungs- und Kunstfreiheit bildet ein historisches Ereignis. Vor mehr als vierzig Jahren nahm die Anti-Atom Bewegung in Österreich Fahrt auf. Die Volksabstimmung im Jahr 1978 über das AKW Zwentendorf endete mit einem knappen NEIN gegen die wirtschaftliche Nutzung der Kernenergie. Vor der Abstimmung setzten zwei österreichische Aktivisten ein erfundenes, aber dennoch täuschend echt gemachtes, völlig neu getextetes Comic-Heft der Asterix-Reihe in Umlauf mit dem Titel «Asterix und das Atomkraftwerk». Dieses Werk fand (ohne Internet!) rasche Verbreitung in Westeuropa und wurde in mehrere Sprachen übersetzt, obwohl es nie im Buch- und Zeitschriftenhandel zu erwerben war. Der Beitrag stellt anhand dieses Anschauungsobjektes die Frage nach der privaten Zensur durch das Urheberrecht im Internetzeitalter.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Der Ausgangsfall
  • 2. Der Urheberrechtseingriff
  • 3. Die Schranke der Parodiefreiheit
  • 4. Die Meinungsfreiheit im Urheberrecht
  • 5. Zusammenfassung
  • 6. Literatur

1.

Der Ausgangsfall ^

[1]

Der Sachverhalt darf schon fast als historisch bezeichnet werden, immerhin sind seither mehr als 40 Jahre vergangen. In den Monaten vor der Volksabstimmung über das Atomkraftwerk Zwentendorf am 5. November 1978 in Österreich formierte sich die Anti-AKW-Bewegung. Zwei ihrer Aktivisten, im Weiteren unter den Künstlernamen «U. Raub» und «G. Druck» (Namen dem Verfasser unbekannt) traten in der Folge als Schöpfer des Comic-Heftes «Asterix und das Atomkraftwerk» in Erscheinung. Statt die Comicbilder selbst zu zeichnen, wählten Raub & Druck Bilder aus bestehenden Asterix-Heften aus und montierten sie zu einer eigens erfundenen Geschichte. Getextet wurde selbst. Die Ausgangsbilder des deutschsprachigen «Asterix und das Atomkraftwerk» stammten aus 16 der 23 damals im Jahr 1978 veröffentlichten Hefte der bekannten Comicserie. In der typischen Manier und Erzählweise der Asterix und Obelix Geschichten, gespickt mit Anspielungen auf die damalige Politik mit Atomkraftbefürwortern und Kernkraftgegnern wurde mit Schere, Klebstoff und Schreibschablone gearbeitet. So etwas wie modernes «Desktop-Publishing» war noch nicht erfunden. Der erste Hewlett Packard Laserjet-Drucker sollte erst 1984 auf den Markt kommen.

[2]

Die Geschichte ist rasch erzählt: Julius Cäsar möchte dem gallischen Dorf durch den Bau eines Brutus Rapidus (schneller Brüter) endgültig den Garaus machen.

©PLAGE 2018

[3]

Asterix und Obelix ziehen los, sogar bis vor den Römischen Senat, um den Bau zu stoppen. Der Prätor will zwar die Gesundheitsargumente prüfen lassen, erlässt aber eine einstweilige Betriebsgenehmigung für das AKW:

©PLAGE 2018

[4]

So müssen Asterix und Obelix letztlich zum Zaubertrank greifen, um das gallische Dorf wieder einmal vor den übermächtigen Römern zu retten. Ein Festbankett am Ende nach Zerschlagung der Atomträume des Imperiums durfte nicht fehlen:

©PLAGE 2018

[5]

Die weitere juristische Entwicklung in Österreich ist bekannt: Mit hauchdünner Mehrheit entschied die Bevölkerung gegen die Atomkraft und kurz darauf wurde ein Atomsperrgesetz1 verabschiedet, das heute im Verfassungsrang noch gilt.2 Das AKW Zwentendorf ist zum Museum geworden. Nachdem die Sache der Atomgegner in Österreich rasch entschieden war, fand das Heft (übrigens Band 239 Plutonium oder inhaltsgleich Band 435 Uran) rasche Verbreitung in Deutschland und der Schweiz. Die Wiener Ausgabe erlebte zahlreiche Übersetzungen ins Niederländische, Französische, Baskische, Katalanische und Kastilische. Europaweit kamen so zigtausende Hefte bis 1985 in Umlauf. Die Verbreitung des Raubdrucks wurde erstmals 2013 in der Comic-Fachzeitschrift «Die Sprechblase» aufgegriffen3 und von der holländischen LAKA-Stiftung in einer Studie von Dirk Spennemann im Jahr 2015 umfassend dokumentiert.4

[6]

Für die beiden Aktivisten hatte «Asterix und das Atomkraftwerk» aber 1983 ein teures juristisches Nachspiel. Der ohne Genehmigung des Autors und Zeichners Albert Uderzo herausgebrachte Comicband führte zur Privatanklage nach § 91 öUrhG gemeinsam mit dem deutschen und französischen Verlag ebenso wie zu zivilrechtlichen Abgeltungsansprüchen wegen Urheberrechtsverletzungen. In Summe mussten von den Aktivisten ca. ATS 100.000,00 (umgerechnet € 7.267,28) bezahlt werden, so kolportierten österreichische Zeitungen damals.

[7]

Die Herausforderung des historischen Anlassfalls besteht nunmehr darin – angesichts (nahezu) unveränderter Gesetzeslage in Österreich – vor dem Hintergrund der europäischen Grundrechtsentwicklung erneut die Frage nach einer Urheberrechtsverletzung zu beantworten. Dabei beschränkt sich die Untersuchung darin, ausgehend von der österreichischen und deutschen Urheberrechtsordnung eine Beurteilung in Betracht kommender Rechtfertigungstatbestände auf unionsrechtlicher und konventionsrechtlicher (EMRK) Ebene darzustellen, um der europaweiten Verbreitung der damaligen Printprodukte Rechnung zu tragen.

2.

Der Urheberrechtseingriff ^

[8]

Zur Beurteilung des Urheberrechtseingriffes ist zwischen der Bildcollage, also der Übernahme von Originalbildern aus den Asterix Comics, einerseits, und der (komplett) neu geschöpften Textierung auf der anderen Seite zu unterscheiden:

[9]

Die Übernahme von Bildsequenzen, bei denen lediglich der Text in den Sprechblasen ersetzt wird, bedarf der Zustimmung des Urhebers beziehungsweise des jeweils Verwertungsberechtigten. Das Entstehen eines eigenen Sammelwerkes im Sinne von § 6 öUrhG vermag weder eine selbstständige Nachschöpfung nach § 5 Abs. 2 öUrhG bzw. § 24 dUrhG zu begründen, noch die unzulässige Bearbeitung nach § 5 Abs. 1 öUrhG bzw. § 23 dUrhG zu verhindern. Auf der Bild- oder Zeichnerebene ist daher ein Urheberrechtseingriff, sogar eine unmittelbare Übernahme durchaus zu bejahen.

[10]

Differenzierter muss die Beurteilung der textlichen Gestaltung ausfallen. Hier haben sich die Aktivisten zunächst die Manier, einzelne Versatzstücke, aber auch die Elemente eines typischen Asterix Comicbandes i.S.e. Bestehens von Abenteuern, aus denen die unbeugsamen Gallier gegen die Römer dank des Zaubertranks als Sieger hervorgehen, zu eigen gemacht.5 Es wurde also gewissermaßen der Stoff übernommen, aber durch die kritisch-politischen Texte einer gänzlich anderen Bedeutung zugeführt.6 Im Ergebnis liegt auch bei der textlichen Gestaltung, sofern und soweit die Passagen aus einzelnen Originalbänden wörtlich übernommen worden sind, ein Eingriff nahe, wenn diesen Werkteilen überhaupt Schutz als Sprachwerken zukommt.7 Bei einer allfällig verbleibenden Übernahme urheberrechtlich geschützter Werkteile bzw. Elemente ist zu prüfen, ob das textliche Schaffen der Asterix-Bände lediglich Anregung zur Neuschöpfung bildete. Dabei ist ein gewisser «Fortsetzungscharakter» oder hoher Wiedererkennungseffekt nach der Rechtsprechung8 zu berücksichtigen.

[11]

Wesentliches Merkmal des Comics «Asterix und das Atomkraftwerk» ist die bewusste Verbindung zwischen Bild und Text und die klare aktionistisch-kritische Richtung zu einem Thema heftiger gesellschaftspolitischer Debatte. Insoweit liegt eine verwobene Einheit der Ergebnisse des gemeinsamen Schaffens der beiden Aktivisten vor, da sich die einzelnen Teile (Text und Bild) nicht so trennen lassen, dass jeder von ihnen eines selbstständigen Bestandes fähig wäre. Durch die Trennung würde das verbundene Werk «Asterix und das Atomkraftwerk» in seinem Wesen verändert werden.9 Insgesamt bedarf es daher für eine Rechtfertigung der Verbreitung des verbundenen Werkes einer Gesamtbetrachtung, da eine teilweise Untersagung bzw. ein bloß teilweises Unkenntlichmachen keine Option darstellt.10

[12]

In weiterer Folge ist daher die mögliche Rechtfertigung des Urheberrechtseingriffes zu überprüfen, um eine Urheberrechtsverletzung verneinen oder bejahen zu können.

3.

Die Schranke der Parodiefreiheit ^

[13]

Die Ergebnisse der europäischen Rechtsentwicklung, die in Deutschland von den Gerichten bereits aufgegriffen worden ist, ist an dieser Stelle11 bereits ausführlich dargelegt worden, und kann folgendermaßen zusammengefasst werden:

  • Die Bestimmung des § 5 Abs. 2 öUrhG bzw. § 24 Abs. 1 dUrhG ist insoweit im Licht des Art. 5 Abs. 3 lit. k InfoSoc-RL (2001/29/EG) auszulegen, als es um die urheberrechtliche Zulässigkeit von Parodien geht.
  • Maßgeblich ist der unionsrechtliche Begriff der Parodie. Die wesentlichen Merkmale der Parodie bestehen danach darin, zum einen an ein bestehendes Werk zu erinnern, gleichzeitig aber ihm gegenüber wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen, und zum anderen einen Ausdruck von Humor oder eine Verspottung darzustellen. Der Begriff der Parodie hängt nicht von der weiteren Voraussetzung ab, dass die Parodie einen eigenen ursprünglichen Charakter hat, der nicht nur darin besteht, gegenüber dem parodierten ursprünglichen Werk wahrnehmbare Unterschiede aufzuweisen. Zu den Voraussetzungen einer Parodie gehört es außerdem nicht, dass sie das ursprüngliche Werk selbst betrifft.12
  • Die Annahme einer freien Benutzung nach § 24 Abs. 1 dUrhG bzw. § 5 Abs. 2 öUrhG unter dem Gesichtspunkt der Parodie setzt deshalb nicht voraus, dass durch die Benutzung des fremden Werkes eine persönliche geistige Schöpfung i.S.v. § 2 Abs. 2 dUrhG bzw. § 1 Abs. 1 öUrhG entsteht. Sie setzt ferner keine antithematische Behandlung des parodierten Werkes oder des durch das benutzte Werk dargestellten Gegenstands voraus.
  • Bei der Anwendung der Schutzschranke der Parodie in einem konkreten Fall muss ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen und Rechten der in den Art. 2 und 3 der InfoSoc-RL genannten Personen auf der einen und der freien Meinungsäußerung des Nutzers eines geschützten Werkes, der sich auf die Ausnahme für Parodien beruft, auf der anderen Seite gewahrt werden.13
  • Das (persönliche) Recht des Urhebers, nicht mit seiner schöpferischen Leistung für irgendwelche ihm fern liegende Zwecke missbraucht zu werden, ist dann zu berücksichtigen, wenn dieses subjektive Interesse nachvollziehbar erscheint.
[14]

Wendet man diese Grundsätze auf den Ausgangsfall an, so kommt bei der vorzunehmenden Interessenabwägung der seinerzeitigen Intention des Urhebers nur bedingt das letzte Wort zu. Uderzo hat sein damaliges Vorgehen damit begründet, die Asterix-Reihe aus jeder Art von politischer Agitation heraus und eben «ideologie-frei» halten zu wollen.14 Dieses Neutralitätsinteresse dürfte angesichts späterer, durchaus kritischer Stellungnahmen zur Atomkraft15 nicht mehr aufrecht erhalten zu sein.

[15]

Die österreichische Rechtsprechung16 hat bereits wiederholt klargestellt, dass bei einer Parodie in satirischer, kritischer oder polemischer Absicht ein anderes, als bekannt vorausgesetztes Werk unter Beibehaltung kennzeichnender Formmittel, aber mit gegenteiliger Intention, nachgeahmt wird. Für die Zulässigkeit einer Parodie ist dabei grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen. Eine parodistische Zielsetzung darf kein Freibrief für unfreie Entlehnungen sein. Das entscheidende Kriterium von Parodie und Satire ist dabei die inhaltliche oder künstlerische Auseinandersetzung mit bestimmten Aussagen und Eigenheiten des parodierten Werks. Einerseits verlangt die antithematische Behandlung der Parodie die gezielte Übernahme und Verfremdung wesentlicher Merkmale des parodierten Werks, sodass eine Beeinträchtigung, wenn nicht gar eine Entstellung, in der Regel zu bejahen ist. Andererseits erfährt der Betrachter, dass die Parodie gerade nicht vom Urheber des parodierten Werks stammt, sondern der Meinungs- und Äußerungsfreiheit des Parodisten entspringt. Im Ergebnis ist es daher durchaus offen zu diskutieren, ob das verbundene Werk «Asterix und das Atomkraftwerk» diese Urheberrechtsschranke einfängt.

 

©PLAGE 2018

[16]

Für die Inanspruchnahme der Parodiefreiheit spricht konkret die inhaltliche und künstlerische Auseinandersetzung mit bestimmten Aussagen und Eigenheiten der Asterix-Reihe. Der (aufmerksame) Betrachter erkennt auch, dass die Parodie gerade nicht vom Urheber des parodierten Werkes stammt. Eine gegenteilige Intention bzw. antithematische Behandlung ist erkennbar:

 

©PLAGE 2018

4.

Die Meinungsfreiheit im Urheberrecht ^

[17]

Für den Ausgangssachverhalt liegt eine Grundrechtsabwägung außerhalb der einfachgesetzlichen, gesatzten Schranken im Weg eines Ermessenspielraums der Gerichte auf der Hand. Einerseits die Kunstfreiheit (nach Art. 17 GRC gleich doppelt: für den Originalschöpfer und die Aktivisten) und andererseits die Meinungsfreiheit nach Art. 19 EMRK und Art. 11 GRC. Zur Wechselwirkung zwischen Medien- und Urheberrecht hat der EGMR17 bereits festgehalten, dass das Onlinestellen von Modeschaufotos zum kostenlosen oder kostenpflichtigen Abruf oder zum Kauf (hier: ohne Zustimmung der Modeschöpfer) eine Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung darstellt. Eine Verurteilung wegen Urheberrechtsverletzung durch Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke kann einen unzulässigen Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung gemäss Art. 10 EMRK (Art. 11 GRC) darstellen. Dem steht nicht entgegen, dass mit der Verbreitung des urheberrechtlich geschützten Materials (auch) ein kommerzielles Ziel verfolgt wird.

[18]

In einem bereits dem EuGH vorgelegten Rechtsstreit aus Deutschland18 hat Generalanwalt (GA) Szpunar in seinem Schlussantrag zunächst versäumt, umfassend auf die widerstreitenden Grundrechtspositionen einzugehen. Er hält nämlich die militärischen Lageberichte des Außenamtes aus Afghanistan für nicht urheberrechtlich schützbar, sodass sich diese Frage gar nicht stellt.19 Der GA formuliert die Frage dahingehend um, «ob Art. 11 der Charta dahin auszulegen ist, dass er einen Mitgliedstaat daran hindert, sich auf sein Urheberrecht an Dokumenten wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden zu berufen, um die in diesem Artikel verankerte Freiheit der Meinungsäußerung zu beschränken»20 und verneint sie letztlich.21

[19]

Der österreichischen Lehre22 ist demgegenüber beizupflichten, wenn sie die relativ restriktive österreichische Rechtsprechung dazu kritisiert und das in der Abwägungsklausel des OGH – für aus der Meinungsfreiheit erfließende freie Werknutzungen aufgestellte – Erfordernis des «einzigen Weges»23 als «zu scharf» ansieht: «Vor allem bei Diskussion von Themen allgemeinen gesellschaftlichen Interesses gebietet die Meinungsfreiheit, Eingriffe in das Urheberrecht – sofern die wirtschaftlichen Interessen des Nutzungsberechtigten nicht ausgehöhlt und die normale Auswertung des Werks nicht beeinträchtigt werden – auch über das UrhG hinaus zu ermöglichen.» Ein solcher Fall liegt m.E. vor.

[20]

Ausblick: Möglicherweise gibt der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren24 zur Vervielfältigung winziger Ausschnitte aus einem Tonträger, m.a.W. der grundrechtlichen Zulässigkeit des Musiksamplings die einzelnen Kriterien für eine Interessenabwägung zwischen Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit vor. Der Schlussantrag25 des Generalanwalts Szpunar liegt bereits vor und gelangt zu dem Ergebnis, dass Sampling ohne Erlaubnis einen Eingriff in die Rechte des Tonträgerherstellers darstellt. Der GA hält darin sogar fest, dass die in § 24 Abs. 1 dUrhG vorgesehene Beschränkung mit der InfoSoc-RL unvereinbar sei, soweit sie Ausnahmen von den ausschließlichen Rechten gestattet, die über die in Art. 5 InfoSoc-RL vorgesehenen Ausnahmen, insbesondere für Zitate, Karikaturen, Parodien und Pastiches, hinausgehen: «Was das Urheberrecht betrifft, nimmt es diese [Grundrechts-]Abwägung schon selbst vor, indem es eine Reihe von Ausnahmen und Beschränkungen vorsieht. Diese sind dazu bestimmt, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den Rechten und Interessen der Inhaber von Urheber- und verwandten Rechten einerseits und den verschiedenen anderen öffentlichen und privaten Interessen einschließlich des Interesses am Schutz der Grundrechte andererseits sicherzustellen.»26 Zuzugestehen ist dem GA lediglich darin, dass die methodische Annahme, freie Werknutzungen könnten sich unmittelbar aus der Meinungsfreiheit ergeben (ohne dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit von Unionsgrundrechten geprüft werden) problematisch ist.27 Im Übrigen bedarf es klärender Worte des EuGH.

[21]

Eine strafrechtliche Sanktionierung, wie sie damals in einem Zeitungsbericht28 kolportiert worden ist, scheidet aber jedenfalls nach grundrechtlichen Überlegungen aus.29

5.

Zusammenfassung ^

[22]

Der Beitrag hat versucht, den vom Verlag bzw. Uderzo angestrengten Plagiatsprozess wegen Verletzung des Asterix-Sujets durch den erfundenen Band «Asterix und das Atomkraftwerk» nachzuzeichnen und zu heutigen Verfahren in Beziehung zu setzen. Die Gesetzeslage in Österreich ist insoweit nahezu unverändert geblieben, gleichwohl hat sich die Rechtsprechung von EGMR und EuGH weiterentwickelt und anerkennt mitunter den Vorrang der Meinungsfreiheit vor dem Urheberrechtsschutz. Der nach wie vor offene und nur im Einzelfall zu lösende Grundrechtskonflikt offenbart, dass Gerichtsentscheidungen stets auch Spiegelbilder der gesellschaftlichen Umstände sind. Resümierend ist festzuhalten: Der Rechtsstaat ist keine historische Konstante, sondern eine permanent zu erringende Wohltat der Zivilgesellschaft.

6.

Literatur ^

Förster/Korda/Diwo, Asterix-Raritäten, in: Die Sprechblase Nr. 226 (2013), 42.

Kucsko/Handig (Hrsg.), urheber.recht2 (2017).

Spennemann, Dirk H.R., Asterix und das Atomkraftwerk, Bibliographic Forensics of a German Underground Comic in LAKA-Stiftung Documentatie en Onderzoeks-Centrum Kernenergie, Amsterdam 2015, 84 ff.

Thiele, Urheberrechtliche Herausforderungen der Fanfiction, jusIT 2008/3, 8.

  1. 1 Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich BGBl 676/1978.
  2. 2 Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich BGBl I 149/1999.
  3. 3 Förster/Korda/Diwo, Asterix-Raritäten, in: Die Sprechblase Nr. 226 (2013), 42 ff.
  4. 4 Spennemann, Asterix und das Atomkraftwerk, Bibliographic Forensics of a German Underground Comic in LAKA-Stiftung (Hrsg), Documentatie en Onderzoeks-Centrum Kernenergie (2015), 84 ff.
  5. 5 Vgl. OGH 4 Ob 229/02h vom 19. November 2002 (Hundertwasserhaus II), ÖBl 2003/37, 142 (Gamerith): Der Stil ist, ebenso wie die künstlerische Form als solche, die Manier oder die Technik, nicht schutztauglich.
  6. 6 Zur durchaus vergleichbaren Problematik bei der Fanfiction bereits Thiele, Urheberrechtliche Herausforderungen der Fanfiction, jusIT 2008/3, 8 m.w.H.
  7. 7 Vgl. OGH 4 Ob 96/97i vom 22. April 1997 (Ramtha) = ecolex 1997, 681 (Schanda) = MR 2000, 30 (Walter); OGH 4 Ob 110/10w vom 15. Februar 2011 (Musiktruch’n), ecolex 2011/247, 640 (Horak).
  8. 8 Vgl. BGH I ZR 65/96 vom 29. April 1999 (Laras Tochter), BGHZ 141, 267, zum Verbot einer bloß «linearen Fortschreibung» des Erfolgsromans «Doktor Schiwago».
  9. 9 Vgl. OGH 4 Ob 64/17s vom 26. September 2017 (T-Guardian), ÖBl 2018/22, 85 (Guggenbichler) = MR 2018, 17 (Walter).
  10. 10 Vgl. zum Sammelwerk einer Wanderausstellung bereits OGH 6 Ob 321/04f vom 12. Oktober 2006 (Holocaust auf ihrem Teller), JBl 2007, 574 (Koziol); dazu Thiele, Der Holocaust auf Ihrem Teller – Wanderausstellung macht Station beim österreichischen Höchstgericht, wbl 2007, 263 m.w.N.
  11. 11 Thiele, De Memes [MI:MS] – Kunstphänomene in Sozialen Medien oder massenhafte Urheberrechtsverletzungen?, in: Schweighofer/Kummer/Hötzendorfer/Sorge (Hrsg.), Trends und Communities der Rechtsinformatik (2017), 605; derselbe, De Wilde Weldoner – Auswirkungen der Europäischen Parodiefreiheit auf das deutsche und österreichische Urheberrecht, in: Schweighofer/Kummer/Hötzendorfer (Hrsg.), Kooperation (2015), 639 jeweils m.w.N.
  12. 12 EuGH C-201/13 vom 3. September 2014 (Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen u.a.), Rz 33, ÖJZ 2014/133, 890 (Lehofer) = EuGRZ 2014, 536 = jusIT 2014/78, 165 (Thiele) = wbl 2014/234, 701 = ecolex 2014/416, 982 (Schumacher) = ÖBl 2014/58, 282 (Handig); BGH I ZR 9/15 vom 28. Juli 2016, (Auf fett getrimmt), GRUR Prax 2016, 451 (Brexl) = AfP 2016, 446.
  13. 13 EuGH C-201/13 vom 3. September 2014 (Deckmyn und Vrijheidsfonds/Vandersteen u.a.), Rz 33, ÖJZ 2014/133, 890 (Lehofer) = EuGRZ 2014, 536 = jusIT 2014/78, 165 (Thiele) = wbl 2014/234, 701 = ecolex 2014/416, 982 (Schumacher) = ÖBl 2014/58, 282 (Handig); BGH I ZR 9/15 vom 28. Juli 2016, (Auf fett getrimmt), GRUR Prax 2016, 451 (Brexl) = AfP 2016, 446.
  14. 14 Zit. nach Plage (Hrsg.), Plattform News PN 2/18, 4.
  15. 15 Vgl. z.B. den Band 33 «Gallien in Gefahr» (2005) mit Anspielungen auf die US-Atomcomics.
  16. 16 OGH 4 Ob 61/16y vom 20. April 2016 (Corbusier-Fauteuils II/Möbel im Hotel II), ZIIR 2016, 331 (Thiele) = jusIT 2016/65, 143 (Staudegger) = ÖBl 2016/62, 276 (Heidinger) = MR 2016, 194 (Walter) = ecolex 2016/434, 991 (Kucsko); OGH 4 Ob 66/10z vom 13. Juli 2010 (Lieblingshauptfrau), MR 2010, 327 (Walter und krit Thiele) = ecolex 2011/25, 57 (Schumacher).
  17. 17 EGMR 36769/08 vom 10. Januar 2013 (Affaire Ashby Donald/Frankreich) = MR-Int 2013, 41.
  18. 18 BGH I ZR 139/15 vom 1. Juni 2017 (Afghanistan Papiere) = MDR 2017, 1012 = GRUR 2017, 901 = GRUR Int 2017, 884 = MMR 2017, 680 = K&R 2017, 588 = ITRB 2017, 228 (Rössel).
  19. 19 Demgegenüber hält GA Szpunar die Wortfolge «Im Westen nichts Neues» für «selbstverständlich, wie das gesamte Werk, urheberrechtlich geschützt» (SA vom 25. Oktober 2018 in der Rs C-469/17 [Funke Medien NRW GmbH/Deutschland] Rz 1 = ECLI:EU:C:2018:870).
  20. 20 SA vom 25. Oktober 2018 in der Rs C-469/17 (Funke Medien NRW GmbH/Deutschland) Rz 33 = ECLI:EU:C:2018:870.
  21. 21 SA vom 25. Oktober 2018 in der Rs C-469/17 (Funke Medien NRW GmbH/Deutschland) Rz 73 = ECLI:EU:C:2018:870.
  22. 22 Kucsko-Stadlmayer, in: Kucsko/Handig (Hrsg.), urheber.recht2 (2017) Vor §§ 41 ff. UrhG Rz 30.
  23. 23 So aber OGH 4 Ob 146/05g vom 11. August 2005 (Smiths Freunde/Norweger), ecolex 2006/245, 587 (Schumacher) = MR 2006, 88 (Walter).
  24. 24 BGH I ZR 115/16 vom 1. Juni 2017 (Metall auf Metall III) = GRUR Int. 2017, 888.
  25. 25 SA C-476/17 vom 12. Dezember 2018 (Pelham u.a./Hütter u.a.) = ECLI:EU:C:2018:1002.
  26. 26 SA C-476/17 vom 12. Dezember 2018 (Pelham u.a./Hütter u.a.) Rz 89 und 90 = ECLI:EU:C:2018:1002.
  27. 27 So zutreffend Kucsko-Stadlmayer, in: Kucsko/Handig (Hrsg), urheberrecht2 Vor §§ 41 ff UrhG Rz 30.
  28. 28 Kurier vom 30. Juli 1983: Falscher Asterix im Kampf gegen Atomkraft: Prozeß.
  29. 29 EGMR 43481/09 vom 8. November 2012 (PETA Deutschland/Deutschland), NL 2012, 369.