Jusletter IT

Volksbegehren Online – Erste Erfahrungen

  • Authors: Robert Stein / Gregor Wenda
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Democracy, E-Voting, Data Protection
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2019
  • Citation: Robert Stein / Gregor Wenda, Volksbegehren Online – Erste Erfahrungen, in: Jusletter IT 21. February 2019
Durch die Inbetriebnahme des Zentralen Wählerregisters werden Volksbegehren seit 1. Jänner 2018 unter völlig neuen rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen durchgeführt. In Österreich steht nunmehr ein vollelektronisch unterstütztes Instrument der direkten Demokratie zur Verfügung, unter erfolgreicher Implementierung der Möglichkeit der Online-Beteiligung mittels qualifizierter elektronischer Signatur. Im Jahr 2018 wurden insgesamt drei Volksbegehren bis zur Vorlage der Anliegen beim Nationalrat mit Unterstützung des Zentralen Wählerregisters durchgeführt. Der Beitrag behandelt die ersten Erfahrungswerte und Möglichkeiten einer zukünftigen Weiterentwicklung des Zentralen Wählerregisters.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Rückblick
  • 2. Die Volksbegehren im Jahr 2018
  • 3. Zentrales Wahlsprengel-Tool
  • 4. Datenschutz im Lichte der DSGVO
  • 5. Dienstleister
  • 6. ZeWaeR in den Ländern
  • 7. Ausblick

1.

Rückblick ^

[1]

Erwägungen zum Zentralen Wählerregister (ZeWaeR) im Zusammenhang mit der Tagung IRIS lesen sich, so kann man sechs Jahre nach der ersten einschlägigen Publikation mit Sicherheit sagen, wie eine Fortsetzungsgeschichte. In den Jahren 2013 und 2016 wurde die Entstehungsgeschichte der Datenanwendung ausführlich dargestellt1; im Jahr 2017 erfolgten umfangreiche Erwägungen über die Möglichkeiten einer Skalierung der Datenverarbeitung2. Im IRIS-Beitrag des Jahres 2018 wurde der Entwicklung und Programmierung nach der Schaffung der Rechtsgrundlage3 breiter Raum gewidmet4.

[2]

Die Erwägungen im vorliegenden Beitrag unterscheiden sich grundlegend von allen Schilderungen der vergangenen Jahre. Sie beinhalten das praktische Wissen von einem Jahr ZeWaeR, das einen ersten «Härtetest» in Zusammenhang mit der Vollziehung zahlreicher Volksbegehren – darunter drei in einem gemeinsamen Eintragungsverfahren – über das gesamte Jahr 2018 erfahren hat. Eine weitere praktische Erfahrung ist dessen ungeachtet immer noch ausständig, nämlich die Erfahrung mit der Durchführung einer bundesweiten Wahl. Anlässlich der – in Österreich – am 26. Mai 2019 stattfindenden Europawahl wird die österreichische Verwaltung nun auch dazu Gelegenheit erhalten.

[3]

Zur Erinnerung: Seit 2018 haben die Gemeinden ihre örtlichen Wählerevidenzen sowie Europa-Wählerevidenzen – verpflichtend – unter Verwendung der Datenverarbeitung ZeWaeR zu führen. Die Gemeinden sind – in datenschutzrechtlicher Hinsicht – Verantwortliche der erfassten Daten5 und führen die Evidenzen im übertragenen Wirkungsbereich des Bundes. Grundsätzlich besteht eine Akzessorietät zwischen einem Datensatz der örtlichen Wählerevidenz einer Gemeinde und jenem des Hauptwohnsitzes, der im Zentralen Melderegister6 (ZMR) gespeichert ist, wobei ZMR-Daten täglich – in den frühen Morgenstunden – in das ZeWaeR übertragen werden.7 Während sich diese Datensätze automatisch aktualisieren, müssen die Datensätze von Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreichern, von wahlberechtigen Personen, die in einer Haftanstalt angehalten werden, sowie – für die Europa-Wählerevidenz einer Gemeinde – von in Österreich lebenden wahlberechtigten Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern durch die Gemeinden «händisch» gewartet werden. «Händisch» bedeutet, dass in diesen Fällen die Erfassung und/oder Löschung von Datensätzen entweder aufgrund von Anträgen oder amtswegig, z.B. im Fall von Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreichern mit Zeitablauf, erfolgt. Gemäß Artikel 26a Abs. 2 B-VG können – müssen aber nicht – auch Wählerevidenzen aufgrund der Landesgesetzgebung im ZeWaeR gespeichert werden.

2.

Die Volksbegehren im Jahr 2018 ^

[4]

Neben der Durchführung von Wahlen sowie, damit verbunden, der Erstellung der Wählerverzeichnisse und der Erfassung der Ausstellung von Wahlkarten ist die Administrierbarkeit von Volksbegehren aufgrund des ebenfalls Anfang 2018 in Kraft getretenen Volksbegehrengesetzes 2018 (VoBeG)8 ein wichtiger Zweck des ZeWaeR. Im VoBeG ist vorgesehen, dass sowohl das Einleitungsverfahren für Volksbegehren, als auch das Eintragungsverfahren ausschließlich unter der Zuhilfenahme des ZeWaeR9 weitestgehend elektronisch abgewickelt wird, das heißt, dass die Willenserklärungen von Personen, die ein Volksbegehren – nunmehr von einer beliebigen Gemeinde aus oder online – unterstützen oder unterschreiben, in eigenen relationalen Datenbanken erfasst werden, wobei für jedes Volksbegehren eine eigene Datenverarbeitung gebildet und unverzüglich gelöscht wird, nachdem das Ergebnis eines Volksbegehren unanfechtbar feststeht.10

[5]

Die ab 1. Jänner 2018 vorgegebene Rechtslage zog in der Praxis nach sich, dass beim Bundesministerium für Inneres am 16. Jänner 2018 das erste Volksbegehren nach dem neuen Regelwerk («Asyl europagerecht umsetzen»)11 angemeldet und am 29. Jänner 2018 im ZeWaeR registriert wurde. Das «Frauenvolksbegehren»12 wurde am 29. Jänner 2018 angemeldet und im ZeWaeR am 9. Februar 2018 registriert, das Volksbegehren «Don't smoke»13 am 2. Februar 2018 bzw. am 14. Februar 2018. Nach der nunmehr geltenden Rechtslage ist ab der Registrierung – und gleichsam «Freischaltung» – im ZeWaeR ist die Unterstützung eines Volksbegehrens möglich. Was bei der Konzipierung der Datenverarbeitung ZeWaeR nicht vorhergesehen werden konnte, war der Umstand, dass Volksbegehren bereits im Einleitungsverfahren, der «Unterstützungsphase», in der lediglich 8.401 Unterstützungserklärungen gesammelt werden müssen, von den Initiatorinnen und Initiatoren stark beworben und in den Medien intensiv begleitet werden. Vielerorts nahmen Bürgerinnen und Bürgern dadurch den Beginn des jeweiligen Zeitraums für das Sammeln von Unterstützungserklärungen als den Beginn des – erst gesetzlich viel später vorgesehenen – achttägigen Eintragungszeitraumes wahr, und nicht als Termin für den Beginn einer Einleitungsphase, die, sieht man vom gesetzlich vorgegebenen Ablauf am 31. Dezember des Folgejahres ab, nur durch die Einbringung eines Einleitungsantrags durch den Bevollmächtigten zeitlich begrenzt ist. Unterstützungswillige Bürgerinnen und Bürger dürften mit der Freischaltung der Volksbegehrens im ZeWaeR vielmehr dem Eindruck unterlegen sein, die für sie interessanten Volksbegehren unverzüglich unterstützen zu müssen, da dafür nur wenige Tage Zeit wäre. Während es nach der Freischaltung des Volksbegehrens «Asyl europagerecht umsetzen» zu keinerlei technischen Problemen gekommen war, bewirkte die intensive Berichterstattung und Bewerbung rund um die beiden anderen Volksbegehren Anfang Februar 2018 augenscheinlich einen ungeahnten – und bis dato einzigartigen – Zustrom an Unterstützungswilligen. Es kam dadurch mehrmals zu einer Überlastung des Servers des Bundesministeriums für Inneres, wodurch die Abgabe von Unterstützungserklärungen nicht immer sofort möglich war. Die daraus resultierende «Stausituation», die jeweils nur wenige Stunden dauerte, aber hohe öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zog, erstreckte sich sowohl auf die Unterstützung der Volksbegehren in den Gemeindeämtern, als auch auf die Onlineunterstützung. Dies war naheliegend, besteht doch aus technischer Hinsicht bei den geschilderten Formen der Unterstützung grundsätzlich kein Unterschied, außer, dass bei der Onlineunterstützung die Identifizierung im Weg der Bürgerkartenumgebung hinzukommt.

[6]

Die beschriebene Situation hatte zur Folge, dass im Bundesministerium für Inneres die Performance des ZeWaeR für die Vollziehung von Volksbegehren umfangreich verbessert werden konnte. Bereits am 20. Februar 2018 waren sämtliche Fehler, die bei der Abgabe von Unterstützungserklärungen aufgetreten waren, behoben. In der Folge kam es zu einer gründlichen Analyse aller Erfahrungswerte und in der Folge zu einer weiteren Aufrüstung der Datenverarbeitung. Zu keinem Zeitpunkt danach sind seither Überlastungsprobleme verzeichnet worden, auch nicht im Entragungszeitraum von 1. bis 8. Oktober 2018 für das «Frauenvolksbegehren», das Volksbegehren «Don´t smoke» sowie das Volksbegehren «ORF ohne Zwangsgebühren.»14

[7]

Erst die Zukunft wird zeigen, ob die gegenüber dem Zeitraum von 1963 bis 2017 völlig umgestellte Administration von Volksbegehren15 eine Ursache für den signifikanten Anstieg der Anzahl der Unterstützungserklärungen ist, oder ob dies eher auf der starken Bewerbung bestimmter Volksbegehren bereits in der Einleitungsphase beruht. Faktum ist, sieht man von einem Volksbegehren aus des Jahres 1975 ab (bei diesem Volksbegehren wurden in der Einleitungsphase über 700.000 Unterstützungserklärungen in Papierform gesammelt)16, dass die Proponentinnen und Proponenten bei mehreren Volksbegehren in der jüngeren Vergangenheit – nach alter Rechtslage – gewisse Mühe hatten, die erforderliche Zahl an Unterstützungserklärungen zu sammeln und dies zumindest einige Zeit in Anspruch nahm. Nur gelegentlich konnte die Zahl 30.000 von Unterstützungserklärungen überschritten werden.

[8]

Mit Sicherheit deutlich übertroffen wurden die Erwartungen hinsichtlich der Zahl jener Personen, die sich im Jahr 2018 dazu entschlossen haben, ein Volksbegehren online – mittels Bürgerkartenumgebung17 – zu unterstützen. In der Unterstützungsphase machten hiervon noch wesentlich mehr Personen Gebrauch, als im bisher einzigen Eintragungszeitraum nach der neuen Rechtslage von 1. bis 8. Oktober 2018. Das Mengengerüst18 stellt sich wie folgt dar:

[9]

Es ist davon auszugehen das der überwiegende Teil jener Personen, die mittels qualifizierter elektronischer Signatur ihre Unterstützungserklärung oder Unterschrift im Eintragungsverfahren abgegeben haben, von der so genannten Handysignatur Gebrauch machten, während die auf einer Smartcard (fast immer handelt es sich um die E-Card) gespeicherte Bürgerkartenumgebung nur noch in seltenen Fällen zum Einsatz kam.

[10]

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Ermöglichung einer Online-Unterstützung von Volksbegehren ein wichtiges und im internationalen Vergleich wohl nicht unbedeutendes Beispiel einer Digitalisierung im Bereich der direkten Demokratie darstellt, wobei der Umstand der obligaten 1:1-Verifizierung einer unterstützungswilligen Person19 mit Sicherheit wesentlich zur Glaubwürdigkeit dieses Instrumentes beiträgt.

3.

Zentrales Wahlsprengel-Tool ^

[11]

Bezüglich der Daten von Personen mit Hauptwohnsitz in Österreich besteht – wie bereits ausgeführt – eine strenge Akzessorietät zwischen ZMR und ZeWaeR. Dabei war bei der Konzipierung des ZeWaeR jedoch von Anfang an zu beachten, dass eines der gesetzlich vorgegebenen Felder jedes Datensatzes im ZeWaeR nicht Element der Datensätze des ZMR ist. Hierbei handelt es sich um das Datenfeld «Wahlsprengel», zwingend vorgeschrieben für den Fall, dass eine Gemeinde in Wahlsprengel eingeteilt ist.20 Rein theoretisch wären die Gemeinden verpflichtet gewesen, diese Daten händisch im ZeWaeR nachzutragen. Wäre ein solches Erfordernis einmalig gerade noch zumutbar erschienen, so wären die Gemeinde im Fall einer «Umsprengelung» im Vorfeld einer Wahl vor umfangreichen Problemen gestanden, umso mehr, als das ZeWaeR zukünftig auch als Werkzeug für Wahlereignisse auf der Ebene der Länder mit unterschiedlichen Wahlsprengeleinteilungen fungieren soll.

[12]

In drei Etappen ist es dem Bundesministerium für Inneres in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV), dem Österreichischen Gemeindebund und dem Österreichischen Städtebund gelungen, rechtzeitig vor der Europawahl 2019 ein weiteres mit dem ZeWaeR verbundenes Instrument, das «ZeWaT»21, zu entwickeln. Gemeinden haben nunmehr die Möglichkeit, ihre Wahlsprengeleinteilung auf komfortable Weise vorzunehmen oder zu verändern, wobei die vorgenommenen Veränderungen in der Sprengeleinteilung auf Anschriften im ZeWaeR durchschlagen. Die entwickelte zusätzliche Lösung war mit gewissen Anfangsschwierigkeiten verbunden, zog aber eine – zunächst nicht geplante – weitere «Digitalisierungsmaßnahme» nach sich, die den Gemeinden schon in naher Zukunft zum Vorteil gereichen soll. Die Gemeinden werden sowohl die Eintragungslokale für Volksbegehren als auch – gesetzlich dazu verpflichtet – die Daten der Wahllokale über eine Schnittstellte des ZeWaT weiterreichen können.22 Für die Gemeinden hat dies den Vorteil, dass sie die Daten, sofern sich diese bei zukünftigen Wahlen nicht ändern, nicht jeweils neuerlich erfassen und weiterleiten müssen. Für den Bund bedeutet dies sowohl für Volksbegehren als auch für Wahlen eine wesentlich erhöhte Datenqualität, wobei die Daten der Wahllokale nunmehr z.B. Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachtern der OSZE sogar mittels Daten von Geocodierungen weitergereicht werden können.

4.

Datenschutz im Lichte der DSGVO ^

[13]

Das WEviG mit den Bestimmungen zum ZeWaeR so wie das VoBeG mussten durch das Inkrafttreten der DSGVO23 – mittels einer, aus dieser EU-Verordnung resultierenden bundesgesetzlichen Novelle24 – geändert werden. In erster Linie betrafen die Änderungen die an die DSGVO anzupassende Terminologie und Systematik. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Verwendung der Daten des ZeWaeR durch die im Parlament vertretenen Parteien erfuhr das Gesetz dabei noch eine Präzisierung durch den Gesetzgeber. Konkret ist es nunmehr klargestellt, dass Parteien für Zwecke des Parteiengesetzes (worunter auch Wahlwerbung fällt)25 und zu statistischen Zwecken Daten von Wählerinnen und Wählern heranziehen dürfen, zusammen mit der zusätzlichen Grundrecht-schützenden Maßnahme, dass Betroffene «in geeigneter Weise» zu informieren sind.

5.

Dienstleister ^

[14]

Auf den ersten Blick ist die Zuständigkeit für die Heranziehung des ZeWaeR gesetzlich klar definiert. Eigentümer der Daten sind die Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich des Bundes, betrieben wird die Datenverarbeitung ZeWaeR vom Bund. In der Praxis hat sich gezeigt, dass – rechtlich wasserdicht abgesichert durch Dienstleisterverträge – den EDV-Dienstleistern der Gemeinden sowie einigen IT-Abteilungen in größeren oder großen Statutarstädten eine zentrale Rolle zukommt. Gesetzliche Verpflichtungen der Gemeinden, die sich aus dem WEviG ergeben, werden fast immer von Dienstleistern wahrgenommen, sieht man von jenen Aufgaben ab, die die Gemeinden im direkten Kontakt mit Bürgerinnen und Bürgern wahrzunehmen haben, wie etwa die Entgegennahme und Erfassung des Antrags auf Eintragung in die Wählerevidenz durch eine Auslandsösterreicherin oder einen Auslandösterreicher oder die Abwicklung der Vornahme einer Eintragung für ein Volksbegehren.

6.

ZeWaeR in den Ländern ^

[15]

Aus administrativer Sicht des Bundesministeriums für Inneres durchaus begrüßenswert erfolgte bzw. erfolgt die Heranziehung des ZeWaeR für Wahlereignisse auf Landesebene mit sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit. Festzuhalten ist dazu, dass eine gleichzeitige Umsetzung in den einzelnen Kodifikationen der Länder bei Begleitung durch IT-Expertinnen und Experten des BMI aber ohnedies kaum zu bewältigen gewesen wäre.

[16]

Eine Vorreiterrolle bei einer solchen Umsetzung hat das Land Niederösterreich eingenommen. In Niederösterreich hat der Landesgesetzgeber nicht nur die Führung der Wählerevidenz («Landesbürgerevidenz») an das ZeWaeR angedockt26 (obwohl sich dieses Andocken wegen der – sonst nur im Land Burgenland gegebenen – «Wohnsitzproblematik» schwieriger gestaltete, als anderswo). Darüber hinaus wurde auch das nach Landesrecht verankerte Volksbegehren trotz deutlich anderer rechtlicher Rahmenbedingungen analog zum «Bundes-Volksbegehren» mit dem ZeWaeR verknüpft.27

7.

Ausblick ^

[17]

Wie schon in den Erwägungen 201728 näher ausgeführt, bietet ein funktionierendes ZeWaeR mannigfaltige Möglichkeiten für Erweiterungen. Solche Erweiterungen sind aber ohne Anpassung der Rechtslage kaum mehr vorstellbar bzw. möglich. Diesbezüglich scheint das ZeWaeR in seiner derzeitigen Form weitegehend ausgereizt, so dass das Bundesministerium für Inneres lediglich technische oder administrative Verbesserungen aufgrund der gemachten Erfahrungen im Rahmen des vorgegebenen gesetzlichen Regelwerks nachzuziehen vermag.

[18]

Weiterhin konkret vorstellbar und wünschenswert wären etwa eine Erfassung und Verwaltung der Beisitzerinnen und Beisitzer sowie eine umfangreichere Verwaltung der Bewegung der Wahlkarten. Von kleinen Parteien immer wieder gefordert und technisch grundsätzlich umsetzbar erschiene auch die Implementierung einer elektronischen Einbringung von Unterstützungserklärungen für Wahlen analog zur Unterfertigung von Unterstützungserklärungen bei Volksbegehren. Für den Gesetzgeber zu beachten gilt bei der allfälligen Planung einer solchen Möglichkeit jedoch der Umstand, dass mit einer allfälligen Neuregelung die Zugangsbedingungen für eine Kandidatur nicht bloß aus der technischen Erweiterung heraus verändert werden sollten. Überdies gilt im besonderen Maß zu beachten, dass mit der Umsetzung einer solchen Lösung eine Datenbank existieren würde die, wenn auch optimal abgesichert, von Kritikerinnen und Kritikern als «Gesinnungsregister» bezeichnet werden könnte. Für den Fall einer nicht sorgfältig vorbreiteten Implementierung einer solchen Möglichkeit bestünde überdies die Gefahr, dass z.B. bei einer Bürgermeisterwahl wegen der faktischen Erleichterung von Kandidaturen die Zahl von Bewerberinnen oder Bewerbern so stark ansteigen würde, dass dies die Herstellung eines handhabbaren amtlichen Stimmzettels mit einer dazu passenden Stimmzettel-Schablone nicht mehr möglich wäre.

[19]

Grundsätzlich ist damit zu rechnen, dass jegliche im Sinne des Regierungsprogramms29 der amtierenden Bundesregierung vorgenommene Wahlrechtsreform nicht ohne die eine oder andere Anpassung oder Erweiterung des ZeWaeR zu bewerkstelligen sein wird.

  1. 1 Vgl. Stein, «Volksbegehren goes online», in: Schweighofer/Kummer/Hötzendorfer (Hrsg.), IRIS 2013, 303; Stein, Zentrale Wählerevidenz – nach mehr als 30 Jahren höchste Zeit für «Runderneuerung», in: Schweighofer/Kummer/Hötzendorfer (Hrsg.), IRIS 2016, 277; Stein/Wenda, Das neue zentrale Wählerregister, in: Schweighofer/Kummer/Hötzendorfer/Sorge (Hrsg.), IRIS 2017, 313 ff; Stein/Wenda, Das zentrale Wählerregister in Betrieb, in: Jusletter IT (IRIS 2018), 22. Februar 2018.
  2. 2 Vgl. Stein/Wenda, Das neue zentrale Wählerregister, IRIS 2017.
  3. 3 Aufgrund des Wahlrechtsänderungsgesetzes 2017, BGBl. I Nr. 106/2016.
  4. 4 Vgl. Stein/Wenda, Das zentrale Wählerregister in Betrieb, Jusletter IT (IRIS 2018).
  5. 5 Vgl. § 4 Abs. 1 des Wählerevidenzgesetzes 2018 – WeviG, BGBl. I Nr. 106/2016.
  6. 6 Vgl. § 4 Abs. 2 WEviG sowie § 16 des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 520/1993 idgF.
  7. 7 Rechtsgrundlage für die Übertragung ist § 2 Abs. 1 WEviG.
  8. 8 Volksbegehrengesetz 2018 – VoBeG, BGBl. I Nr. 106/2016.
  9. 9 Vgl. § 4 Abs. 2 VoBeG.
  10. 10 Vgl. § 4 Abs. 4 VoBeG.
  11. 11 Vgl. https://www.bmi.gv.at/411/files/registrierte_Volksbegehren/Text_Asyl_europagerecht_umsetzen.pdf (abgerufen am 1.Februar 2019).
  12. 12 Vgl. https://www.bmi.gv.at/411/Volksbegehren_der_XX_Gesetzgebungsperiode/Frauenvolksbegehren/start.aspx (abgerufen am 1. Februar 2019).
  13. 13 Vgl. https://www.bmi.gv.at/411/Volksbegehren_der_XX_Gesetzgebungsperiode/Dont_Smoke/start.aspx (abgerufen am 1. Februar 2019).
  14. 14 Vgl. https://www.bmi.gv.at/411/Volksbegehren_der_XX_Gesetzgebungsperiode/ORF_ohne_Zwangsgebuehren/files/Text_mit_Begruendung_ORF_V3_E.pdf.
  15. 15 So besteht nach der neuen Rechtslage keine Bindung mehr an die Hauptwohnsitz-Gemeinde und eine Unterstützung oder Eintragung ist, bei Bestehen einer Bürgerkartenumgebung, jederzeit online möglich.
  16. 16 Es handelte sich um das Volksbegehren «Schutz des menschlichen Lebens», das von 24. November – 1. Dezember 1975 stattfand. Bereits in der Einleitungsphase wurden 762.664 Unterstützungserklärungen gesammelt, insgesamt erzielte das Volksbegehren 895.665 Unterschriften.
  17. 17 Die Bürgerkartenfunktion ist in Österreich in zwei Formen verfügbar: Als Handy-Signatur oder auf einer Smartcard oder mit aktivierter Bürgerkartenfunktion, beispielsweise auf der E-Card (nähere Details sind unter https://www.buergerkarte.at/ abrufbar).
  18. 18 Quelle: BMI (Grafik: R. Krimmer, präsentiert am Rechtsschutztag des BMI, 9. November 2018).
  19. 19 Dies erfolgt durch die Notwendigkeit des persönlichen Erscheinens bei einer Gemeinde oder, bei einer Online-Unterstützung, durch die strikte Bindung an die Verwendung der Bürgerkartenlösung.
  20. 20 Vgl. § 1 Abs. 2 WEviG.
  21. 21 «Zentrales Wahlsprengel-Tool».
  22. 22 Vgl. Rabl, Die Europawahl und das Zentrale Wählerregister, Kommunal Online (https://kommunal.at/artikel/die-europawahl-und-das-zentrale-waehlerregister; abgerufen am 10. Februar 2019).
  23. 23 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG) – DSGVO.
  24. 24 Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018 (BGBl I Nr. 32/2018).
  25. 25 Entsprechende Änderungen erfolgten in § 6 Abs. 2 EuWEG, § 15 Abs. 1 EuWO, § 27 Abs. 1 NRWO sowie §§ 4 Abs. 2 und 5 Abs. 2 WEviG. Bezug genommen wird auf § 1 Abs. 2 des Parteiengesetzes 2012, der insbesondere Wahlwerbung und umfassende Beeinflussung der staatlichen Willensbildung umfasst (vgl. den Bericht des Verfassungsausschusses 97 d Blg NR XXVI GP S 3).
  26. 26 Vgl. § 4 Abs. 1 des NÖ Landesbürgerevidenzengesetzes (idF LGBl. Nr. 23/2018): «Die Landesbürgerevidenzen sind unter Verwendung des Zentralen Wählerregisters – ZeWaeR (§ 4 Abs. 1 Wählerevidenzgesetz 2018, BGBl. I Nr. 106/2016 in der Fassung BGBl. I Nr. 120/2016) zu führen. (…)».
  27. 27 Vgl. NÖ Volksbegehrens-, Volksabstimmungs- und Volksbefragungsgesetz (NÖ VVVG) – LGBl. Nr. 10/2018 idF LGBl. Nr. 23/2018.
  28. 28 Siehe oben Anm. 2.
  29. 29 Vgl. Regierungsprogramm 2017-2022 «Zusammen. Für Österreich» (https://www.bundeskanzleramt.gv.at/regierungsdokumente).