Jusletter IT

Was ist ein Ding?

  • Author: Hanna Maria Kreuzbauer
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: Legal Theory
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2019
  • Citation: Hanna Maria Kreuzbauer, Was ist ein Ding?, in: Jusletter IT 21. February 2019
In diesem Beitrag wird der Frage nachgegangen, was ein Ding ist. Ausgehend von der Definition des Begriffs «Ding» als einer «hinreichend kleinen, beweglichen, unbelebten und materiellen Entitäten» wird vor allem auf die Frage: «Was ist Materie?» eingegangen, die in ihrer ontologischen und physikalischen Dimension beantwortet wird. Im ontologischen Teil geht es um das Existieren als solchem. Im physikalischen wird auf die quantenphysikalischen und relativitätstheoretischen Aspekte eingegangen, bis die schließlich Frage nach der Materie – und damit die nach dem Ding – in diesem Kontext beantwortet wird.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Vorbemerkung
  • 2. Das ontische Universum
  • 2.1. Begriffliches
  • 2.2. Zur Phänomenologie des ontischen Universums
  • 2.3. Evolution des ontischen Universums
  • 3. Das physikalische Universum
  • 3.1. Zur Phänomenologie der Physik
  • 3.2. Evolution des physikalischen Universums
  • 4. Zusammenfassung: Was ist also ein Ding?

1.

Vorbemerkung ^

[1]
Als Teildisziplin der Metaphysik bzw. der Philosophie befasst sich die Ontologie mit den grundlegendsten Aspekten des Existierens, also auch mit denen des Existierens von «Dingen».1 Als «Dinge» werden hier «hinreichend kleine, bewegliche, unbelebte und materielle Entitäten» bezeichnet und insoweit klingt das trivial. Aber was sind solche Entitäten ontologisch gesehen? D. h., wenn zwar die Merkmale «hinreichend klein», «beweglich» und «unbelebt» eher unproblematisch sind, was sind dann aber materielle Entitäten? Wenn wir der Wissenschaft vertrauen, hat es in der Entwicklung des Existierenden bis jetzt fünf Phasen der Emergenz gegeben, d. h. der Entstehung substanziell neuer Entitätsklassen, und zwar:
  1. Das ontische Universum: d. h. das Entstehen oder bereits unendlich andauernde Bestehen des ontischen Universums2 (also des Existierenden selbst)
  2. Das physikalische Universum3
  3. Das Leben4
  4. Bewusstsein und Intelligenz5
  5. Kultur und Technologie6
[2]
Keine Phase hat je die bereits existierenden Entitätsklassen ersetzt, sondern immer nur eine neue Klasse hinzugefügt, wobei die Komplexität des (gesamten) Universums bei den meisten Phasenübergängen sprunghaft gestiegen ist. Materielle Entitäten gehören zur Stufe 2 und folglich auch Dinge, weshalb wir uns hier nur mit den beiden ersten Stufen beschäftigen werden, und versuchen materielle Entitäten darin zu verorten. Dabei werden wir in erster Linie philosophisch argumentieren, d. h. natur- und kulturwissenschaftlich nur dann, wenn es notwendig ist. Als paradigmatische Argumentationstechnik wird dabei insb. das Schema der «Inference to the best explanation» verwendet, so wie es von der Autorin bereits ausgearbeitet wurde.7 Weitere Techniken werden an der jeweiligen Stelle angegeben und abgesehen davon wird versucht, möglichst nicht-exotische Behauptungen aufzustellen.

2.

Das ontische Universum ^

2.1.

Begriffliches ^

[3]
Mit «ontisches Universum» ist hier die Gesamtheit allen Existierenden gemeint und mit «Existieren» das «Sein», also das grundlegendstmögliche Merkmal von allem was Merkmale hat, bzw. das «in der Welt einen Platz einnehmen». Das Prädikat bzw. der Operator «existieren» bereitet erhebliche Probleme: Weil die Kernidee darin besteht, dass es nichts Grundlegenderes mehr gibt, kann man es sprachlich natürlich nicht mehr umfassen und landet bei Paradoxien, etwa weil jeder der darüber spricht über etwas spricht, das ihn auch selbst, sein Sprechen und seine sprachlichen Produkte betrifft. Aus demselben Grund kann man «Existieren» mit der klassischen Genus-proximus-differentia-specifica-Methode nicht definieren und möglicherweise auch mit keiner anderen. Wenn man «Existieren» konzeptuell aber nicht zulässt, kann man überhaupt über nichts mehr sprechen, weil jedes nicht-fiktionale Merkmal, über das man sprechen möchte, und jedes Prädikat, jeder Operator etc., das/den man verwenden will, in irgendeiner Art und Weise existieren muss. Schließlich ist auch die Annahme, dass dann eben nichts existiert, keine Lösung, weil auch die Annahme der Nicht-Existenz von «Existenz» abhängt und die etwaige Existenz eines Nichts noch problematischer ist. Außerdem widerspricht das grob unserer Intuition: Könnte man all das lesen, wenn es nichts gibt? Es sieht also so aus, dass man weder über das Existieren, das Nicht-Existieren noch über irgendetwas anderes sinnvoll sprechen kann und damit auch darüber nicht, ob man darüber sprechen oder nicht sprechen kann. Allerdings kann man auch nicht schweigen, denn auch das muss ja existieren. Man kann also so sehr nichts, dass auch das Leugnen oder Kritisieren dieses Umstandes zu Paradoxien führt, was bedeutet, dass das Problem auch jeden trifft, der dies alles leugnet, kritisiert oder als Argument für Konstruktivismus oder Nihilismus verstehen möchte.
[4]
Dem allen widerspricht jedoch, dass man all das Bisherige durchaus verstehen kann, dass unsere empirische Intuition wie gesagt eine völlig andere ist und dass wir viele Wissenschaften durchaus nicht ganz ohne Erfolg betreiben. Da die Problematik außerdem sozusagen für alles und sein Gegenteil gilt, ist sie zwar destruktiv aber auch neutral, denn sie dient uns nicht dazu, irgendwelche Unterscheidungen zu treffen. Wenn wir hier also Ontologie betreiben wollen, werden wir das als ein Problem der individuellen Transzendenz ansehen: Weil es unmöglich ist, die eigenen Existenz und die Existenz von Sprache zu transzendieren, kann man darüber nicht paradoxiefrei sprechen. Das verhält sich analog zum berühmten Kreter-Paradoxon: kein Kreter kann paradoxiefrei sagen, dass alle Kreter lügen. Daraus folgt aber nicht, dass es ontisch unmöglich ist, dass alle Kreter lügen, und jeder Athener beispielsweise könnte das ganz einfach paradoxiefrei ausdrücken. Analog dazu folgt auch aus der Unmöglichkeit über das Existieren zu sprechen nicht, dass Existiern ontisch unmöglich ist. Hier gibt es zwar keinen Athener, der das sagen könnte, aber man kann versuchen, die Paradoxien zu minimieren und immer diejenigen Theorien weiter zu verfolgen, die sich als am wenigsten paradox erweisen. Im Grunde landet man beim Modell der «Inference to the best explanation»8.

2.2.

Zur Phänomenologie des ontischen Universums ^

[5]
Wenn man den Begriff «existieren» also akzeptiert, lässt sich das Existieren des Existierenden rational ebenso wenig bestreiten wie dessen Heterogenität und Dynamik. Ich – die Autorin dieses Beitrags – und wahrscheinlich auch viele andere Menschen erleben vieles in der Welt als existierend. Das kann jeder für sich subjektiv zwar leugnen und/oder auf Täuschungen zurückführen, aber nicht mit rationalen Gründen bestreiten, denn die Voraussetzung für das Leugnen, das Täuschen und was auch immer, ist in jedem Fall, dass etwas existiert. Abseits der sprachlichen Problemen lässt sich also rational nicht bestreiten, dass Existierendes existiert.
[6]
Man kann aber noch etwas mehr über das Existierende sagen, womit Heterogenität und Dynamik ins Spiel kommen. Mit «Heterogenität» meinen wir hier Unterschiedlichkeit und mit «Dynamik» das Existieren von Änderungen. Mit «Änderung» ist hier gemeint, dass eine einzige Entität zu mindestens zwei nicht-identischen Zeitpunkten mindestens zwei (nicht-identische) Merkmale hat. Analog zum Existieren gilt auch hier, dass ich und vermutlich viele andere Menschen die Welt als heterogen und dynamisch erlebe, und sich fragt, wie diese Eindrücke entstanden sein könnten9: Zum Ersten könnte das einfach deshalb so sein, weil Heterogenität und Dynamik «ontisch real» sind; zum Zweiten könnten sie ebenfalls Täuschungen sein, was wiederum nur dann möglich ist, wenn erstens der Eindruck der Täuschung, also das mentale Erlebnis des Täuschungseindrucks, zweitens etwas oder jemand, das/der ontisch real getäuscht wird und drittens das Täuschen, also das Entstehen der Täuschung ontisch real existieren.10 Im ersten Fall sind Heterogenität und Dynamik trivialerweise ontisch real. Aber auch im zweiten Fall braucht es ontisch Reales: die Täuschung, das/den Getäuschte(n) und das Täuschen. Das Existieren dieser drei Faktoren zeigt die Existenz von Heterogenität ziemlich einfach, weil es sich dabei ja um Unterschiedliches handelt. Das Täuschen wiederum ist eine Änderung zwischen «keine Täuschung vorhanden» und «Täuschung vorhanden» und impliziert folglich das Existieren von Änderungen, was also auch das Existieren von Dynamik – und auch Zeit11 – beweist. Insgesamt gilt daher, dass man das Existieren selbst und dessen Heterogenität und Dynamik rational nicht leugnen kann.
[7]
Zur Heterogenität ist weiter zu sagen, dass das in jedem Fall notwendig das Existieren von mindestens zwei heterogenen, d. h. unterschiedlichen Merkmalen impliziert, wobei unter einem «Merkmal» hier das Aufweisen eines Eigenschaftsindividuums oder die Mitgliedschaft in einem Beziehungsindividuum verstanden wird.12 Was existiert und sich wissenschaftspragmatisch von allem anderen Existierenden abgrenzen lässt, wird hier «Entität» genannt. Auch die gerade genannten mindestens zwei notwendig existierenden unterschiedlichen Merkmale13 sind Entitäten und daher existieren mindestens zwei unterschiedliche Entitäten sowie entweder keine nicht-unterschiedliche Entität oder eine unbekannte Anzahl nicht-unterschiedlicher (d. h. miteinander identischer) Entitäten. Unterschiedliche Entitäten benötigen mindestens ein Merkmal, das die eine hat und die andere nicht. Miteinander identische Entitäten benötigen mindestens ein Merkmal, das beide haben und sie dürfen keine nicht-gemeinsamen Merkmale haben. Das Existieren von Identität folgt allerdings weder aus dem Existieren noch aus der Heterogenität. Gibt es Identität, folgt daraus, dass es entweder keine oder genau eine Entität ohne Merkmale gibt: mehrere merkmalslose Entitäten wären ja miteinander identisch und müssten damit mindestens ein gemeinsames Merkmal und keine unterschiedlichen Merkmale haben. Wenn das nur eine einzige Entität betrifft, wäre Merkmalslosigkeit in diesem einen Fall aber auch ein Merkmal. Daraus folgt, dass alle Entitäten je mindestens ein Merkmal haben müssen. Gibt es keine Identität sind alle Entitäten verschieden und daher müssen ebenfalls alle Entitäten minus einer mindestens ein Merkmal haben. Auch hier gilt, dass die Merkmalslosigkeit in diesem einen Fall aber auch ein Merkmal wäre. Das wiederum bedeutet, dass es keine merkmalslosen Entitäten geben kann, oder anders gesagt, dass Existieren nicht ein beliebiges Existieren ist, sondern immer Merkmale, also Eigenschaftsindividuen oder Beziehungsindividuen, bedeutet. Deren Kombinationen sollen hier «Form(en)» genannt werden, wobei wir «Form» als individuell auffassen, also von Formindividuen ausgehen14. Aus dem Existieren folgt also das Form haben (bzw. wie es Nicolai Hartmann (1882 bis 1950) formuliert hat, dass «Da-Sein» stets «So-Sein» bedeutet) und vice versa oder anders gesagt: Was existiert muss Form haben und was Form hat muss existieren.15 Form ist dabei mit Struktur verwandt aber nicht dasselbe: Mit «Struktur» ist hier die individuelle16 Zusammensetzung von Elementen gemeint, so wie man mit Lego aus denselben Steinen verschiedene Gebilde machen kann. Die Legosteine sind hier die Elemente und zusammen mit deren Zusammensetzung (=Struktur) ist das das Gebilde aus Legosteinen. Die Masse, das Volumen, die Farbe(n) etc. dieser Gebilde gehört zur Form aber nicht zur Struktur. Es gibt dabei allerdings auch Entitäten, die man durch ihre Form bzw. Struktur definiert. Gute Beispiele sind der Knoten und das Käseloch. Im Bereich der Physik sind Felder und Wellen wahrscheinlich zu dieser Klasse zu zählen, was aber noch nicht endgültig geklärt ist.
[8]
Die Kombination aller Entitäten wird hier das «ontische Universum» genannt und auch dieses muss eine Form haben. Das ontische Universum ist kleiner oder gleich jedem potentiellen (d. h. potentiell möglichen) Universum und größer oder gleich dem physikalischen Universum. Da es im Universum Änderungen gibt, wird es hier bereits angesprochen «dynamisch» genannt – ansonsten würde man es «statisch» nennen. Da Änderungen existieren und das wie oben angeführt ja meint, dass eine einzige Entität zu mindestens zwei nicht-identischen Zeitpunkten mindestens zwei (nicht-identische) Merkmale hat, muss es die Dimension der Zeit und daneben mindestens eine nicht-zeitliche Dimension geben.17 Da es aber auch Entitäten gibt, die neben der Zeit auch eine nicht-zeitliche Position ändern ohne mindestens eine andere nicht-zeitliche Position zu ändern, muss es mehr nicht-zeitlichen Dimensionen geben. Letztlich muss also auch der Raum mit mindestens drei Dimensionen existieren und daher muss also letztlich auch Raumzeit existieren. Die Raumzeit mit den üblichen (mindestens vier) Dimensionen und etwaig existierende weitere Dimensionen werden hier als Formen von zumindest sehr großen Teilen, wenn nicht sogar des ganzen ontischen Universums, aufgefasst.
[9]
Alles bisher Genannte, also Existieren, Universum, Heterogenität, Dynamik, Merkmale, Form, Struktur, Dimensionen und Raumzeit lässt sich rational nicht bestreiten. Aber es gibt noch weiteres, an das zu glauben nicht unvernünftig ist. Wenn Zeit existiert, ist es sinnvoll von der bekannten Dreiteilung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auszugehen. Nun stellt sich die Frage, was davon jetzt genau existiert: Existieren (heute) etwa der gestrige und/oder der morgige Tag? Hier ist es plausibel, zunächst einmal von der Existenz der Gegenwart auszugehen, der Existenz von allem Vergangenen im Sinne eines historischen Verlaufes inklusive seiner Wirkungen auf die Gegenwart, was hier «Historie(n)» genannt wird, und der Existenz von allem Zukünftigen als bereits in den Historien oder in der Gegenwart existierende Möglichkeit, was wir hier «Potentie(n)» nennen. Nicht alle Entitäten müssen notwendig eine Position in der Raumzeit haben, aber mindestens eine muss wie oben gezeigt wurde so beschaffen sein. Es ist auch nicht unplausibel zu sagen, dass es nicht-zeitliche Positionsänderung gibt, woraus folgt, dass auch Bewegung existieren muss.
[10]
Wenn zwei Entitäten mehr als die kürzest möglich denkbare Zeiteinheit (was immer das ist) raumzeitlich miteinander korrelieren, und damit eine Art «Schicksalsgemeinschaft» formen, wird das «Kombination» genannt. Auch Kombinationen sind selbst Entitäten und zwar mindestens minimal stabile. Mit «Stabilität» ist gemeint, dass die Kombination in Relation zu anderen Entitäten robuster oder länger robust ist.
[11]
Wir nehmen hier an, dass Entitäten – insb. auch Kombinationen18 – ständig neu entstehen. Dabei ist eigentlich stets das ganze Universum beteiligt, weil es zur Gänze so beschaffen sein muss, dass das neue Entstehen zumindest nicht verhindert wird. Andererseits sind nicht alle existierenden Entitäten gleich relevant an der Entstehung einer neuen Entität beteiligt, sondern manche sind relevanter als andere. Analytisch kann man also zwischen den unmittelbaren Erzeugern, dem Umfeld und dem Hintergrund unterscheiden. Aus diesem Sinne ist es heuristisch sinnvoll von Kausalität zu sprechen, wobei sich sofort die Frage ergibt, wie das mit dem Existierenden insgesamt aussieht.

2.3.

Evolution des ontischen Universums ^

[12]
Auf Basis des bisher Erarbeiteten können wir schon erstaunlich viel über die Entstehung des Existierenden sagen: Ein etwaiger Anfang von allem kann einerseits kein Nichts gewesen sein, denn ein Nichts hat keine Potentien, weshalb sich niemals etwas daraus entwickeln kann. Gleichzeitig muss ein etwaiger Anfangszustand quasi-formlos19 sein, denn bei jeder Form würde man ja fragen müssen, wie diese entstanden ist und wäre damit folglich noch nicht am Anfang. Am wahrscheinlichsten ist daher ein hinreichend heterogenes und dynamisches Chaos, was man spekulativ entweder in der Anfangssingularität20 oder sogar noch davor verorten kann, bzw. wenn es nie ein Nichts gab, hat es schon immer etwas gegeben und daher ist es ebenso plausibel anzunehmen, dass so ein dynamisches Chaos auch schon vor dem Urknall schon mindestens einmal existiert hat. Ein solches Chaos muss man sich grundsätzlich als sehr stabil vorstellen, denn es gibt soweit ersichtlich nur eines, was hier eine Form entstehen lassen kann, nämlich Zufall. Jede Form müsste auch eine vermutlich sehr instabile Art von Ordnung sein, an der das es umgebende Chaos sozusagen permanent «nagt». Wenn einmal eine Art Ordnung existiert, können sich aber andere chaotisch herumschwirrende «Chaos-Teilchen» daran festsetzen, womit weitere Ordnung entstehen kann. Man darf also spekulieren, dass Chaos zwar stabiler ist als Ordnung, sich diese aber im Gegensatz zum Chaos gewissermaßen «fortpflanzen» kann.
[13]
Man darf ferner spekulieren, dass sich die ersten Formen zufällig in einem stabilen, hinreichend heterogenen dynamischen Chaos entwickelt haben. Sie waren dabei zwar instabil und weniger robust als das sie umgebende Chaos, hatten aber die Fähigkeit, dem Chaos immer mehr Teile zu entreißen, sich also wie gesagt «fortzupflanzen». Auf lange Sicht konnten sich Formen daher vermutlich behaupten und man darf weiter spekulieren, dass wir uns daher letztlich nur in einer gigantischen zufällig entstandenen sich aber durch «Fortpflanzung» selbst erhaltenden Form befinden, was ich hier «Zufallsblase» nennen möchte, und was durchaus wieder zusammenbrechen kann. Die Formen in dieser Blase werden dabei immer komplexer, d. h. die Formen «pflanzen sich sozusagen ständig fort» bzw. «bekommen ständig neue Kinder», während alte Formen nicht automatisch «sterben».21 Einige Formen erweisen sich dabei in Relation zu anderen aber als stabiler, andere nicht.

3.

Das physikalische Universum ^

[14]
Mit «physikalisches Universum» sind hier alle physikalischen Aspekte der Entitäten gemeint, wobei vor allem Raumzeit und Materie, Energie, Kräfte (insb. die vier Grundkräfte), Wellen, Felder, Masse und Ladung eine Rolle spielen. In diesem Teil werden wir uns in erster Linie auf die Ergebnisse der modernen Physik22 stützen, die zwar nur vorläufig sind, weil sich die Großparadigmen bekanntlich widersprechen, für unser Vorhaben aber hinreichen.

3.1.

Zur Phänomenologie der Physik ^

[15]
Physik ist die empirische Wissenschaft23 von denjenigen Aspekten der Entitäten die nicht vom Phänomen des Lebens und allem was daran anschließt abhängen, mit Ausnahme der Chemie (d. h. der Wissenschaft von den molekularen Verbindungen) und den drei Spezialwissenschaften über unbelebte (Groß)systeme, nämlich insb. Mineralogie, Geologie und Astronomie. Im Zentrum der Physik steht traditionell die Mechanik, also die Wissenschaft von den Körpern, Kräften und der Bewegung. Bereits die vor allem durch Isaac Newton (1642–1726) begründete klassische Mechanik24 gibt Anlass zu philosophischen Fragen, wie etwa: Was ist eigentlich ein Körper? Was sind Kräfte? Was ist Bewegung? Wie kann es sein, dass sich ein gleichförmig bewegender Körper im Vakuum ohne äußere Einwirkung von Kräften immer weiterbewegt (und zwar entlang einer sozusagen minimal aufwändigen Trajektorie25) ohne Energie zu verbrauchen? Etc. Für uns ist hier aber vor allem die so genannte moderne Physik relevant, d. h. die Physik, die sich ab dem Ende des 19. Jahrhunderts neu entwickelt hat, und vor allem mit den beiden Großparadigmen der Relativitätstheorie und der Quantentheorie zusammenhängt. Die moderne Physik entwickelte sich vor allem als Antwort auf die Herausforderung, die sich der klassischen Mechanik durch die Elektrizität, und dabei insb. durch die Wellenphysik und die Elektrodynamik, stellte. Ontologisch hat die moderne Physik leider praktisch ebenso viele Probleme neu aufgeworfen, wie sie gelöst hat und gerade das heute immer mehr kritisierte26 aber dennoch nach wie vor verwendete Standardmodell27 zeichnet sich bekanntlich dadurch aus, dass es empirisch sehr gut bestätigt ist, aber aufgrund seiner teilweise Unanschaulichkeit unser Verständnis der Welt nicht immer fördert. Namhafte Vertreter/-innen haben daher dafür plädiert, die Forderung, dass die Physik helfen solle, die Welt zu verstehen, aufzugeben. Neuere Strömungen hingegen versuchen die Idee des Verstehens sogar in den Vordergrund zu rücken28 und auch ich schließe mich dem an.
[16]
Am Beginn der modernen Physik29 stehen das Michelson-Morley-Experiment (1887), welches die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit zeigte und die Entdeckung der Quantelung der elektromagnetischen Strahlung durch Max Planck (1858–1947) und Albert Einstein (1879–1955), wobei ersterer in diesem Zusammenhang auch das Plancksche Wirkungsquantum einführte.30 Quantelung und Relativität sind fundamental, wobei ersteres vor allem bei den kleinsten Entitäten und letzteres eher bei den großen Entitäten relevant wird (weil man die beiden Ideen sonst oft auch vernachlässigen kann). Die kleinsten Entitäten gehören zur Mikrophysik und die größeren zur Makrophysik. An der Grenze steht das einzelne Atom, das im Grunde zu beiden Bereichen gehört. Wir werden hier zunächst kurz auf Quantenphysik und Relativitätstheorie eingehen und dann das Standardmodell anhand des Urknallmodells nachskizzieren, was den Vorteil hat, dass man damit die Genese der beteiligten Entitäten gut erkennen kann.
[17]
Die Quantenphysik31 (=Quantenmechanik und Quantenfeldtheorie) basiert auf der Quantentheorie, also der Theorie von der Quantelung der kleinsten Entitäten32 und man stellt sie sich am besten in zwei Teile geteilt vor: Zum ersten ist da eine Ansammlung exotischer und (vermeintlich oder tatsächlich) paradoxer Phänomene und zweitens das sogenannte Standardmodell, mit dem versucht wird, alle Befunde sowie auch Ideen aus der Relativitätstheorie in ein konsistentes Modell einzuordnen, und worauf weiter unten noch einzugehen ist. Wir werden hier also zunächst einen (extrem kurzen) Überblick über die Quantenphysik und dabei insb. über die Quantenmechanik geben, die einige auf den ersten Blick schwer zu verdauende Befunde enthält: Die sprichwörtliche Schwierigkeit der dazu gehörenden Mathematik wird im allgemeinen überschätzt, was man etwa an der berühmten Schrödingergleichung33 sieht. Diese ist eine Differentialgleichung (die Lösung ist daher eine Funktion), die im Grunde nichts anderes tut, als die gesuchte Wellenfunktion mit allerlei Faktoren in Beziehung zu setzen, wozu insb. das Plancksche Wirkungsquantum und die durch den Hamiltonoperator vertretene Hamiltonmechanik gehören (die wiederum im Wesentlich nichts anderes als eine klassische Mechanik auf Basis des Energiebegriffs ist). Etwas schwieriger ist etwa das Phänomen der Zustandsverschränkung34, was bedeutet, dass sich «zwei» quantenmechanische Entitäten so miteinander verzahnen können, dass sie sich wie ein einziges Ereignis verhalten oder sogar eines sind. Dies ist umso rätselhafter, als dies auch dann der Fall sein kann, wenn die «beiden» weit entfernt sind. Man spricht dann von Fernwirkung und auch über große Entfernungen wirkt diese spontan, ist also sozusagen schneller als das Licht. Dies alles zeigt deutlich, wie sehr die Quantenmechanik den Prinzipien der Lokalisierbarkeit, der Separabilität und der Individualität35 und eben auch der Relativitätstheorie widerspricht, nach der sich eine Wirkung ja höchstens mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten kann. Diese Problematik ist noch ungelöst, allerdings stellt es die Ontologie auch nicht vor unlösbare Probleme, denn auch auf dieser Basis ist widerspruchsfreie Ontologie nicht unmöglich.36 Dazu kommt das berühmte Messproblem37, welches anhand des ebenso berühmten Doppelspaltexperiments festgestellt wurde: Wenn man einen «Teilchenstrahl» durch einen Doppelspalt schickt, entsteht ohne Messung/Beobachtung ein Interferenzmuster und mit Messung/Beobachtung ein Muster mit zwei Häufungen. Der Strahl verhält sich also ohne Messung/Beobachtung wie eine Welle und mit Messung/Beobachtung wie ein Strahl aus Teilchen. Das zeigt nicht nur den Welle-Teilchen-Dualismus, sondern es stellt sich die Frage, wie und warum die Beobachtung das Messergebnis beeinflusst. Jedenfalls hat dieses Phänomen die Physik zu der Interpretation verführt, dass der Beobachter eine kausale Rolle spielt. Insbesondere die verbreitete so genannte Kopenhagener Interpretation der Quantenmechanik geht hier sehr weit in Richtung eines fast religiösen, radikalen objektiven Idealismus38, was sich auch auf die Philosophie und Wissenschaftstheorie ausgewirkt hat. Das würde allerdings die philosophischen und wissenschaftlichen Grundfesten des modernen wissenschaftlichen Weltbilds und damit letztlich auch der modernen Welt massiv erschüttern, weshalb man schon früh nach Alternativen zur Kopenhagener Interpretation gesucht hat, wellche allerdings praktisch alle noch viel exotischer sind. In neuester Zeit hält man das Phänomen eher für eine Frage der Dekohärenz39: Die Teilchen können nicht wissen, was eine Messung ist und in der Physik gibt es auch keinen Begriff der Messung als physikalischer Interaktion40. Sie können aber mit anderen mikro- und makrophysikalischen Entitäten interagieren, bzw. es ist sogar praktisch unmöglich sie abzuschirmen und man nimmt an, dass der beschriebene Effekt damit zu tun hat. Wenn das stimmt, würde es das Messproblem so weit entschärfen, dass es philosophisch nicht mehr gefährlich ist, und für eine widerspruchsfrei Ontologie kein Hindernis mehr darstellt.
[18]
Bei der Relativitätstheorie41, zu der nicht nur Albert Einstein sondern auch einige andere beigetragen haben, unterscheidet man bekanntlich zwischen einer speziellen und einer allgemeinen. Die spezielle Relativitätstheorie geht von einem Phänomen aus, das man schon lange kennt, und zwar, dass man in einem nach außen hin abgeschlossenen Raum nicht feststellen kann, ob sich dieser Raum gleichförmig bewegt oder in Ruhe42 ist. Einstein verallgemeinerte das zu dem Prinzip, dass alle physikalischen Gesetze – das heißt, nicht nur die der Mechanik sondern insb. auch die der Elektrodynamik – in jedem (lorentzinvarianten43) Inertialsystem dieselben sind. Das ist ein weit größerer Schritt, als es auf den ersten Blick aussieht, weil wir intuitiv immer von einem bevorzugten System ausgehen – meist unserer Erde. Somit werden Raum und Zeit aber zu relativen Phänomenen in dem Sinne, dass ein Zugpassagier mit demselben Recht den Zug als ruhend und die Landschaft als bewegt ansehen kann(!) wie umgekehrt etwa ein Spaziergänger die Landschaft als ruhend und den Zug als bewegt ansieht.44 Diese Idee wiederum wurde mit der Idee von der Lichtgeschwindigkeit als absoluter und konstanter Grenze kombiniert und mit der Zusammenfassung vom Raum und Zeit zur Raumzeit durch Hermann Minkowski (1864–1909).45 Nehmen wir nun an, dass ein fast-lichtschnelles Raumschiff mit einem Beobachter an Bord die Erde verlässt, auf der sich natürlich auch Beobachter befinden. Aus Sicht des Raumschiffs bewegt sich nun wegen des Relativitätsprinzips auch die Erde mit Fast-Lichtgeschwindigkeit in die Gegenrichtung(!) und weder Raumschiff noch Erde(!) können behaupten, in Ruhe zu sein während sich der jeweils andere bewegt (und umgekehrt).46 Das führt letztlich zur so genannten Relativität der Gleichzeitigkeit47, was bedeutet, dass Raumschiff und Erde nicht alle Ereignisse, die sie beobachten können, als gleichzeitig wahrnehmen. Man kann sich sogar ausrechnen, dass der eine ein Ereignis A als vor einem Ereignis B und der andere Ereignis B vor A erlebt(!). Daraus wiederum folgen die Phänomene der Längenkontraktion (bzw. Lorentzkontraktion) und der Zeitdilation48, was bedeutet, dass ein Beobachter auf der Erde (mit sehr guten Augen) das Raumschiff als verkürzt und eine Uhr darauf als verlangsamt wahrnehmen würde, und der Beobachter im Raumschiff dasselbe mit Bezug auf die Erde. Wieder könnte keiner von beiden beanspruchen, dass nur er Recht hat. Das Ganze ist eben relativ. Schließlich konnte Einstein aus seiner speziellen Relativitätstheorie auch seine wohl berühmteste Formel ableiten, nämlich die, die Masse und Energie miteinander in Beziehung setzt.49 Das heißt, Masse ist quasi gespeicherte Energie, was dabei übrigens bekanntlich sehr effizient ist, weil sehr wenig Masse sehr viel Energie enthält.
[19]
Auch die Allgemeine Relativitätstheorie geht von einem Relativitätsprinzip aus. Wenn man wieder einen abgeschlossenen Raum nimmt, der sich nun aber nicht gleichförmig bewegt, sondern beschleunigt, so drückt es den Beobachter darin gegen die Beschleunigungsrichtung und das wiederum ist von der Wirkung der Gravitation nicht zu unterscheiden. Damit ist Einstein auch bei der Grundidee dieser Theorie, nämlich der Einbeziehung des Phänomens der Gravitation, das er als Krümmung der Raumzeit durch Masse beschreibt. Dabei schießt er allerdings über das Ziel hinaus, weil die Gravitation vermutlich eine durch Gravitonen vermittelte Grundkraft ist, während die Trägheitskraft bekanntlich völlig anderer Natur ist. Im Grunde gibt es auch noch keine plausible Theorie der Kraft, denn auch die Mechanismen der vier Grundkräfte, also z. B. wie genau Photonen elektromagnetische Anziehung oder Abstoßung vermitteln oder verursachen, ist noch ungeklärt. Bemerkenswert ist dabei allerdings, dass die Kräfte, wie unterschiedlich sie auch sein mögen, letztlich immer bei einer mechanischen Wirkung landen.

3.2.

Evolution des physikalischen Universums ^

[20]
Nach den meisten Theorien gab es vor ca. 13,8 Milliarden Jahren einen Urknall50, der mit einer so genannten «Singularität» begann. Darüber und alles davor wagen Physik und Astronomie keine Aussagen, was sich natürlich ändern kann. Dem schließen sich mehrere Ären an:
  • Planck-Ära51 (0 bis ca. 10-43 Sekunden52): Dies ist die erste Phase im Modell des Urknalls. Sie dauerte extrem kurz und man weiß darüber auch so gut wie nichts. Das Universum muss jedenfalls extrem winzig, extrem heiß und extrem dicht gewesen sein. Wahrscheinlich gab es so etwas wie Energiefluktuation und nur eine einzige Grundkraft («Superkraft»), woraus man wohl schließen muss, dass es bereits zu dieser Zeit Bosonen (als «Kraftvermittler») geben musste.
  • GUT-Ära53 (von «Grand Unified Theory») (ca. 10-43 bis ca. 10-38 Sekunden): Diese Ära zeichnet sich durch die Abspaltung der Gravitation aus, weshalb es nur diese und die so genannte GUT-Kraft, d. h. die Vereinigung von elektromagnetischer Kraft und starker und schwacher Wechselwirkung, gab. Am Ende der GUT-Ära steht eine so genannte Inflationsphase54, in der sich das Universum sprunghaft extrem ausdehnte.
  • Elektroschwache Ära55 (ca. 10-38 bis ca. 10-10 Sekunden): In dieser Ära hatte sich die GUT-Kraft nun in starke Wechselwirkung und elektroschwache Kraft (=elektromagnetische Kraft und schwache Wechselwirkung) aufgespalten.
  • Hadronen-Ära56 (ca. 10-10 bis 0,001 Sekunden): Durch spontane Teilchenerzeugung gab es jetzt immer mehr Photonen, die sich aber auch in Quarks umwandelten, die schließlich zu Protonen und Neutronen (=Hadronen) wurden. Dasselbe geschah auch im Bereich der Anti-Teilchen, aber noch hier kam es zu einer Symmetriebrechung, weil es ab jetzt viel mehr Materie als Anti-Materie gab.
  • Nukleosynthese-Ära57 (ca. 0,001 Sekunden bis ca. 5 Minuten): In dieser Ära fand die so genannte primodiale Nukleosynthese statt, was bedeutet, dass sich die Hadronen zu Atomkernen formen, die aber noch nicht stabil waren.58 Zu Beginn dieser Ära konnten Protonen zu Neutronen werden59, womit jetzt auch schon Wasserstoffkerne und sogar Helium- und Lithiumkerne existierten, die aber instabil waren.
  • Ära der Atomkerne60 (ca. 5 Minuten bis ca. 380 000 Jahre): Die Atomkerne wurden stabiler und begannen Elektronen einzufangen, womit erste stabile Atome entstanden. Da Elektronen jetzt an Atomkerne gebunden waren, hatten die Photonen sozusagen «freiere Bahn». Damit wurde das Universum jetzt durchsichtig und auch die kosmische Hintergrundstrahlung stammt aus dieser Zeit.
  • Ära der Atome und der Galaxien61 (ab ca. 380 000 Jahre): Weitere Atome entstanden. Dies ging aber nur bis zum Lithium. Alles was schwerer ist, entstand und entsteht in den Sternen.62 Ab einem Alter von ca. 1 Milliarde Jahren bildeten sich auch Galaxien.
[21]
Man verfügt heute also bereits über ein beachtlich detailreiches und abgesichertes Modell zur evolutionären Erklärung aller physikalischen Entitäten. Im Kleinsten kennt man sechs Arten von Quarks, sechs Arten von Leptonen, vier Arten von Eichbosonen und das Higgs Boson, wobei das Graviton experimentell noch nicht nachgewiesen ist. Man kann erklären, wie und wann sich diese Teilchen/Wellen ausgebildet und zu größeren Entitäten bis zu Galaxienhaufen und dem gesamten Universum kombiniert haben. Auch über die großen Strukturen und die Raumzeit weiß man schon einigermaßen Bescheid. Die philosophische Fundierung ist allerdings nicht immer gelungen, sondern hat im Gegenteil auch in die Irre geführt.

4.

Zusammenfassung: Was ist also ein Ding? ^

[22]
Rufen wir uns nun noch einmal die am Anfang aufgestellte Definition des Dings in Erinnerung (Dinge sind «hinreichend kleine, bewegliche, unbelebte und materielle Entitäten»), so sind Dinge ontologisch gesehen Kombinationen materieller Entitäten mit hinreichender Stabilität, die die (hier nicht weiter untersuchten) Nebenbedingungen der hinreichenden Kleinheit, Beweglichkeit und Unbelebtheit erfüllen. Problematisch ist dabei vor allem der Begriff der Materie, um den es hier ja letztlich geht, und über den wir nun hinreichend viel sagen können: Man kann davon ausgehen, dass materielle Entitäten physikalische Entitäten sind und auf Grund des Begriffsgebrauchs muss man zwischen folgenden drei Interpretationen unterscheiden:
  • Materie im weitesten Sinne: Wenn man den Begriff weitestmöglich fasst, dient er zur Abgrenzung von Materie und Raumzeit. Das heißt, Materie ist alles Existierende, das nicht Raumzeit ist, aber in irgendeiner Form eine Lage in der Raumzeit hat, d. h. auch Strahlung und Anti-Materie.
  • Materie im weiten Sinne: dies dient der Unterscheidung zwischen Materie und Anti-Materie und danach ist alles Materie, was Materie im weitesten Sinne ist, außer der Anti-Materie.
  • Materie im Sinne von baryonischer Materie: meint alles, was aus jeweils drei Quarks besteht und demnach durch die starke Wechselwirkung zusammengehalten wird. Das sind im Wesentlichen unsere Atome, also nicht Strahlung, Felder oder Wellen, und zwar sowohl einzeln als auch kombiniert zu makroskopischen Entitäten. Dieser letzte Begriff entspricht auch am ehesten unserem Alltagsbegriff von Materie und ist damit letztlich auch die Basis von Dingen.
  1. 1 Zur Einführung in Metaphysik und Ontologie vgl. Ney, Alyssa, Metaphysics: An Introduction, Routledge, London et al. 2014; Van Inwagen, Peter, Metaphysics, 5. Aufl., Westview Press, Bolder (CO) 2015; Rapp, Christof, Metaphysik: Eine Einführung, Beck, München 2016.
  2. 2 Siehe dazu weiter unten.
  3. 3 Als Nachschlagewerk zur Physik vgl. Giancoli, Douglas, Physik, Pearson, München 2011 sowie Meschede, Dieter (Hrsg.), Gerthsen Physik, 25. Aufl., Springer-Spektrum, Berlin/Heidelberg 2015; zur modernen Physik vgl. Tipler, Paul A./Llewellyn, Ralph A., Moderne Physik, 2. Aufl., Oldenbourg, München 2010 und zur Philosophie der Physik Batterman, Robert (Hrsg.), Philosophy of Physics, Oxford University Press, New York et al. 2013.
  4. 4 Als wohl beste Gesamtdarstellung der Biologie vgl. Campbell, Neil A. et al., Biologie, 10. Aufl., Pearson, München 2015; zur Evolution vgl. Schurz, Gerhard, Evolution in Natur und Kultur: Eine Einführung in die verallgemeinerte Evolutionstheorie, Spektrum, Heidelberg 2011; Jablonka, Eva/Lamb, Marion J., Evolution in Four Dimensions: Genetics, Epigenetics, Behavioral, and Symbolic Variation in the History of Life, MIT Press, Cambridge (MA) 2005.
  5. 5 Vgl. dazu Müsseler, Jochen (Hrsg.), Allgemeine Psychologie, 2. Aufl., Spektrum, Heidelberg 2011; Sternberg, Robert/Pretz, E. Jean, Cognition and Intelligence: Identifying the Mechanisms of the Mind, Cambridge University Press, Cambridge et al. 2005.
  6. 6 Vgl. Schurz, Gerhard, Evolution; Boyd, Robert/Richerson Peter J., The Origin and Evolution of Cultures, Oxford University Press, New York et al. 2005.
  7. 7 Siehe dazu weiter unten.
  8. 8 Kreuzbauer, Hanna Maria, Juristische Rationalität, in: Schweighofer, Erich/Kummer, Franz/Hötzendorfer, Walter/Sorger, Christoph (Hrsg.), Trends und Communities der Rechtsinformatik, Tagungsband des 20. Internationalen Rechtsinformatik Symposions, Iris 2017, Österreichische Computergesellschaft, Wien 2017, S. 329–336.
  9. 9 Wir verwenden hier erkennbarer Weise eine an Augustinus (354– 430) und René Descartes (1596–1650) angelehnte bzw. von diesen übernommene Beweisführung. Das funktioniert natürlich nicht mit jeder beliebigen Behauptung, d. h. dass man damit natürlich nicht beweisen kann, dass fliegende Elefanten existieren, selbst wenn man diesen mentalen Eindruck hat.
  10. 10 Aliud non datur(!). Die Zusammenhänge zwischen diesen drei Faktoren können hier offen bleiben, was insb. auch für den hier indirekt implizierten Begriff der Verursachung gilt.
  11. 11 Siehe dazu weiter unten.
  12. 12 Der Zusatz «-individuen», den die Philosophie hier benutzt, bedeutet dabei, dass damit nicht Eigenschaften und Beziehungen (d. h. mindestens zweiseitige Eigenschaftskombinationen) im Sinne von Universalien gemeint sind, sondern solche, die nur singulär existieren.
  13. 13 Da auch Merkmale Merkmale aufweisen, führt das zu verschiedenen Iterationsmöglichkeiten, was das bisher Gesagte allerdings nicht widerlegt.
  14. 14 Das soll hier aber nicht weiter diskutiert werden.
  15. 15 Man beachte, dass einige klassische Begriffe wie insb. «Substanz» und «Essenz» hier nicht benötigt und daher vermieden werden.
  16. 16 Das zeigt, dass wir Strukturindividuen ausgehen.
  17. 17 Wie und wo auch immer diese existieren, macht hier keinen Unterschied.
  18. 18 Man beachte, dass viele neu entstehende (physikalische) Entitäten in der Tat nur neue Kombinationen bestehender Elementarteilchen (Quarks, Leptonen und Bosonen) sind.
  19. 19 «Quasi» weil man auch völlige Formlosigkeit als Form interpretieren kann, was hier aber nicht weiter diskutiert werden soll.
  20. 20 Siehe dazu weiter unten.
  21. 21 Es liegt auf der Hand, dass man dies mit evolutionären und fraktalen Formen in Beziehung setzen kann, was in der Tat ja auch schon getan wurde.
  22. 22 Vgl. dazu insb. Tipler/Llewellyn, Moderne Physik.
  23. 23 Vgl. dazu Kreuzbauer, Hanna Maria, Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten: Erstkontakt für Studierende der Wirtschaftswissenschaften, Facultas, Wien 2018, S. 12ff.
  24. 24 Man beachte dabei jedoch insb. auch die Arbeiten Galileo Galileis (1564–1642), Joseph-Louis de Lagranges (1736–1813), William Rowan Hamiltons (1805–1865) und vieler anderer.
  25. 25 Man beachte dazu das 1. Newtonsche Gesetz.
  26. 26 Man spricht in diesem Zusammenhang gelegentlich auch von einer Krise der Physik.
  27. 27 Siehe dazu weiter unten.
  28. 28 Vgl. Dürr, Detlef/Lazarovici, Dustin, Verständliche Quantenmechanik: Drei mögliche Weltbilder der Quantenphysik, Springer-Spektrum, Berlin/Heidelberg, 2018.
  29. 29 Der Tradition folgend zählen wir die Hamiltonsche Mechanik und die Maxwellschen Wellengleichungen hier nicht zur modernen Physik.
  30. 30 Dabei handelt es sich um eine kleinstmögliche Wirkung, wobei die physikalische Wirkung an sich Energie mal Zeit entspricht, in der Anwendung allerdings komplizierter ist; «kleinstmöglich» meint hier übrigens wirklich sehr klein, nämlich ca. 6,626 · 10−34 Joulesekunden.
  31. 31 Vgl. dazu Tipler/Llewellyn, Moderne Physik, S. 145ff.; zu den philosophischen Aspekten vgl. Esfeld, Michael, Einführung in die Naturphilosophie, 2. Aufl., Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2011, S. 47ff.; Derselbe (Hrsg.), Philosophie der Physik, Suhrkamp, Frankfurt/M 2013, S. 71ff.
  32. 32 Das Gegenteil wäre dann der Fall, wenn die physikalischen Entitäten unendlich klein wären, d. h. dass es immer noch kleinere Partikel gäbe.
  33. 33 Wir verzichten auf den Abdruck und verweisen diesbezüglich auf das Internet.
  34. 34 Esfeld, Naturphilosophie, S. 51ff.
  35. 35 Ebenda, S. 48ff.
  36. 36 Das kann hier allerdings nicht weiter diskutiert werden.
  37. 37 Esfeld, Naturphilosophie, S. 71ff.
  38. 38 Das bedeutet, dass die Welt vom Geist selbst erzeugt wird, sozusagen nach dem Motto: «Wenn niemand den Mond ansieht, ist der Mond auch nicht da.»
  39. 39 Esfeld, Naturphilosophie, S. 72ff.
  40. 40 Ebenda, S. 74.
  41. 41 Vgl. dazu Tipler/Llewellyn, Moderne Physik, S. 3ff.; zu den philosophischen Aspekten vgl. Esfeld, Naturphilosophie, S. 19ff. und S. 30ff.; Derselbe (Hrsg.), Philosophie der Physik, S. 13 ff.
  42. 42 Die Erde befindet sich allerdings alles andere als in Ruhe, denn sie bewegt sich mit atemberaubender Geschwindigkeit durch das All – und wir alle mit ihr, ohne das zu merken; man kennt das Phänomen übrigens auch aus dem Alltag, denn wenn einem etwa in einem stehenden Zug etwas herunter fällt, fühlt sich das genauso an, wie wenn der Zug gleichmäßig fährt.
  43. 43 Zu der dazu gehörenden Lorentztransformation vgl. Tipler 21ff.
  44. 44 Ob das auf lange Sicht philosophisch hält, wird allerdings erst die Zukunft weisen.
  45. 45 Man beachte, dass der Zusammenhang zwischen Raumzeit und Materie gegenwärtig heftig diskutiert wird, wobei die Meinungen von der Position, dass nur Materie existiert bis zur Position, dass nur Raumzeit existiert, reichen (vgl. dazu Esfeld, Naturphilosophie, S. 19ff. und 37ff. sowie Lehmkuhl, Dennis, Super-Substanzialismus in der Philosophie der Raumzeit, in: Esfeld, Michael (Hrsg.), Philosophie der Physik, Suhrkamp, Frankfurt/M 2013, S. 50–67).
  46. 46 Vgl. dazu auch Tipler/Llewellyn, Moderne Physik, S. 54ff.
  47. 47 Ebenda, S. 17ff.
  48. 48 Ebenda, S. 34ff.
  49. 49 Man beachte, dass auch schon andere vorher auf solche Ideen gekommen waren.
  50. 50 Vgl. dazu Bennett, Jeffrey et al., Astronomie: Die kosmische Perspektive, 5. Aufl., Pearson, München 2010, S. 994ff; Hanslmeier, Arnold, Einführung in die Astronomie und Astrophysik, 3. Aufl., Springer-Spektrum, Berlin/Heidelberg 2014, S. 499ff.
  51. 51 Bennett et al., Astronomie, S. 999f.
  52. 52 Alle hier genannten Zeitangaben stammen aus Bennett et al., Astronomie, S. 1004f.
  53. 53 Ebenda, S. 1001.
  54. 54 Ebenda.
  55. 55 Ebenda, S. 1001f.
  56. 56 Ebenda, S. 1002.
  57. 57 Ebenda, S. 1002f.
  58. 58 Ebenda, S. 1002.
  59. 59 Ebenda, S. 1010.
  60. 60 Ebenda, S. 1003
  61. 61 Ebenda, 1003ff.
  62. 62 Ebenda, S. 1011f.; man beachte aber, dass sich das bei Beryllium und Bor etwas komplizierter verhält.