1.
Einleitung – Digitale Transformation ^
So wie wir in den 80er Jahren durch die Erfindung der CD den ersten großen digitalen Umbruch in der Musikbranche erlebten, befinden wir uns derzeit in einem noch massiveren globalen digitalen Wandel, der bereits in all unseren Lebensbereichen Fuß gefasst hat und ein fixer Bestandteil unserer Arbeitswelt geworden ist. Die Digitalisierung verändert laufend Geschäftsmodelle, Verhaltensweisen und Strukturen in unserer Gesellschaft und führt zu einem Wandel des betrieblichen Miteinander, zu neuen Organisationsstrukturen sowie zu verändertem Führungsverhalten und Arbeiten.
Die Digitalisierung verändert die Arbeit, die Disruption verändert Geschäftsmodelle, die Demographie verändert den Arbeitsmarkt. Dieser Wandel, den die gesamte Wirtschaft derzeit erlebt, macht sich vor allem in den folgenden fünf Themenbereichen von Organisationen bemerkbar:
- Produkt
- Vermarktung
- Geschäftsmodell
- Prozesse und Methoden
- Unternehmenskultur und Organisation
Jeder dieser Bereiche durchläuft einen massiven Transformationsprozess, ist auch stark mit den anderen Bereichen vernetzt und steht in Wechselwirkung.
Produkt- sowie Verwendungsarten ändern sich immer häufiger (Taxi vs. Uber, Kauf vs. As a Service, ...) und stoßen dadurch Veränderungen in der Vermarktung (Onlineshops, Apps, Social Media, ...) und den Geschäftsmodellen an. Somit müssen Prozesse und Methoden in Unternehmen angepasst werden, wodurch sich wiederum die Unternehmenskultur und Organisationsstruktur ändert. Unterlegt sind all diese Veränderungen von der Anpassung an die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen. Von Rechtsberatung wird in Zukunft das Verständnis der rechtlichen Auswirkungen im Gesamtkontext durch die Digitalisierung verlangt. IT-Maßnahmen unterstützen diese digitale Transformation und stellen eine wichtige Plattform und Ausgangsbasis dar.
Juristen und insbesondere die Anwaltschaft sind auf der einen Seite oft weit von einer Digitalisierung anderer Branchen entfernt, andererseits durch das Standes- und Berufsrecht strengeren Auflagen unterworfen als andere Unternehmer.
2.
Voraussetzungen für eine verantwortungsvolle und erfolgreiche digitale Transformation ^
Die Digitalisierung ist nicht delegierbar, sie muss aktiv gestaltet werden, um erfolgreich zu werden! Reine IT-Erneuerungen ergeben noch kein Gesamtkonzept für einen digitalen Wandel. Die Kanzlei muss als Gesamtsystem betrachtet und alle beteiligten Faktoren einer genauen Betrachtung unterzogen werden: angefangen von der Organisation und ihren Werten bis zu den Prozessen, der IT-Infrastruktur, allen beteiligen Personen und der Kultur des Unternehmens. Grundvoraussetzungen für diesen digitalen Wandel sind das perfekte Zusammenspiel folgender vier Faktoren:
2.1.
Verständnis und Vorbildwirkung durch das Top-Management ^
Jede Veränderung muss immer vom Top-Management mitgetragen sowie aktiv vorgelebt werden, um Glaubwürdigkeit zu signalisieren. Jeder einzelne Manager muss aktiv digitale Medien und Prozessschritte anwenden und Eigeninitiative bei digitalen Vorschlägen zeigen. Nur wenn Mitarbeiter den Sinn und Nutzen verstehen, sich in den Prozess aktiv involvieren können, Ängste offen angesprochen werden, und vom Management mental abgeholt werden, können triefgreifende Veränderungen erfolgreich umgesetzt werden. Wenn das Management, die Partner in einer Anwaltskanzlei auf Papierakten schwören, ist der Weg zur Digitalisierung steinig. Durch eine digitale Vorbildwirkung würde dies nicht nur die bestehenden Mitarbeiter motivieren, sondern auch für zukünftige Mitarbeiter ein attraktiverer Arbeitgeber sein.
2.2.
Offenheit, Flexibilität und Fehlerkultur beim Management ^
Führung wird zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor. Nachdem die Halbwertszeit von Wissen immer kürzer wird und die Technologien einem immer rascheren Wandel unterzogen sind, ist es als Führungskraft kaum noch möglich, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben. Durch die Digitalisierung ist die Beschaffung von Fachwissen bereits für jeden jederzeit möglich. Dadurch verändert sich auch das aktuelle Organisationsverständnis massiv. Führungskräfte müssen in Fachthemen oft die Führung durch ihre geführten Mitarbeiter zulassen. Klare Vorgaben und Orientierung, offene und ehrliche Kommunikation und aktives Leben einer Fehler- und Feedbackkultur sind wichtige Voraussetzungen dafür. Führung erfolgt auch immer öfter anlassbezogen. Die Diversität in Teams ermöglicht Innovation und Flexibilität und erhöht dadurch die Widerstandsfähigkeit und das Vermögen der Organisation Krisen zu überstehen und an ihnen zu wachsen. Hierarchisches Führungsverständnis mit großer Machtkonzentration lässt Innovation kaum zu!
Kooperationen mit anderen Geschäftszweigen werden immer wichtiger, da Digitalisierung hohe Geschwindigkeit der Umsetzungen voraussetzt und dies nur mehr mit Vernetzung der Geschäftswelt erzielbar ist. Starke Abgrenzung einzelner Geschäftsbranchen (z.B. Recht) führt in die Sackgasse. Co-kreative Prozesse mit allen Beteiligten auch außerhalb der Organisation sind eine logische Schlussfolgerung. Die vernetzte Lösungskompetenz steht im Vordergrund. Starke Netzwerkpartner werden immer wichtiger und entwickeln sich zum Wettbewerbsvorteil. Selbst wenn das anwaltliche Standesrecht keine Anwaltsgesellschaften mit nicht-anwaltlichen Gesellschaftern erlaubt, heißt das nicht, dass man nicht mit Spezialisten in anderen Gebieten zusammenarbeiten sollte. Ganz im Gegenteil – auf diese Art und Weise kann man Mandanten eine viel umfangreichere Beratung bieten.
2.3.
Mut zu Entscheidungen sowie Disziplin in der Umsetzung ^
Gestärkt durch eine ehrliche Fehlerkultur müssen Führungskräfte verstärkt rasche Entscheidungen treffen, die Auswirkungen regelmäßig kontrollieren, um zeitnah mit Nachjustierungen bzw. Änderungen reagieren zu können. Dies basiert auf dem Vertrauen in die Mitarbeiter und ihre Stärken. Einmal getroffene Entscheidungen bzw. Vorgaben (keine Email-Bearbeitung an Wochenenden, ...) müssen von allen Mitarbeitern des Unternehmens eingehalten werden (Vorbildwirkung). Die kritische Überprüfung der eigenen Führungsrolle, die ehrliche Auseinandersetzung mit seinen Werten sowie die Offenheit aus gewohnten Denkmustern auszusteigen bildet die Basis für die Veränderung von eigenen Verhaltensmustern. Es wird immer wichtiger den persönlichen Mut aufzubringen, neue Wege zu beschreiten und Dinge anders zu gestalten als bisher.
2.4.
Verständnis, Expertise und Eigeninitiative bei den Mitarbeitern ^
Die Mitarbeiter sind mit Ihrem Fachwissen das Kapital des Unternehmens. Von ihnen wird lebenslanges Lernen sowie Eigeninitiative vorausgesetzt. Sei es das eigenständige Aufzeigen von Verbesserungsvorschlägen im Prozessmanagement, die aktive Weiterbildung oder das selbständige Erarbeiten von Lösungsvorschlägen mit externen Kooperationspartnern – im Vordergrund steht immer die Sinnhaftigkeit und das gemeinsame Entwickeln von Lösungen, die gebraucht werden: Vom Know-How zum Know-Why!
Durch die Möglichkeiten der Digitalisierung ist unsere Arbeitswelt einem grundlegenden Wandel unterworfen und Mobilität und Flexibilität (sowohl zeitlich als auch räumlich) erlangen in der Arbeitswelt immer mehr an Bedeutung. In Bezug auf den Arbeitsplatz stellt sich immer häufiger die Frage: «Is the office where I am?». Rund 50% der Führungskräfte sowie der Mitarbeiter arbeiten bereits nicht mehr ausschließlich in den vorgegebenen Büroräumlichkeiten, sondern von zu Hause oder unterwegs.1 Das dislozierte Arbeiten findet Einzug in die Organisationen. Der mobile und flexible Arbeitsplatz ist aber nur dann möglich, wenn 100%ige Transparenz über Ort, Person und Zeitpunkt der Mobilität gegeben ist und klar geregelt ist, wann ich welchen Mitarbeiter bzw. Führungskraft erreichen kann. Diese operativen Rahmenbedingungen in der Kommunikation und Zusammenarbeit müssen vorab geklärt und von allen Mitarbeitern eingehalten werden. Dadurch kann sowohl die Produktivität sowie die Mitarbeiterzufriedenheit im Unternehmen wesentlich gesteigert werden, da Orientierung und Sicherheit gegeben sind.
Die Digitalisierung mit ihren technischen Hilfsmitteln wie elektronischer Kalender, Intranet, Skype, Cloud Computing,... können dabei das ortsunabhängige Arbeiten miteinander wesentlich unterstützen – sofern sie von allen regelmäßig genutzt werden. 65% der österreichischen und deutschen Führungskräfte tauschen Wissen und Informationen mit ihren Mitarbeitern regelmäßig über E-Mail aus und WhatsApp wird auch in der Arbeitswelt regelmäßig als elektronischer Kommunikationskanal genutzt.2
Gewohnte Meetingstrukturen werden durch neue Formen abgelöst, traditionellen Entscheidungsverfahren wie Mehrheitsabstimmung oder Konsens werden alternative Verfahren wie Soziokratie zur Seite gestellt.
Aufgrund der immer vernetzteren Arbeitsweise stößt das klassische Projektmanagement oft an seine Grenzen, das Steuern von ergebnisoffenen (Entscheidungs-) Prozessen wird zur Herausforderung.
Die moderne Arbeitswelt ist charakterisiert durch die Digitalisierung, einhergehend mit einer stetig steigenden Komplexität und Informationsüberladung, deren Auswirkungen sich wiederum in erheblichen mentalen und psychischen Anforderungen auf den einzelnen Mitarbeiter niederschlägt.
Die Digitalisierung bringt neben neuen technischen Möglichkeiten auch einen enormen Kulturwandel in die Organisation, den es zu managen gilt!
3.
Herausforderungen der Anwaltsbranche ^
Die Anwaltsbranche ist seit jeher bekannt dafür, technisch nicht sehr begabt zu sein – Technikaffinität ist nicht eine Eigenschaft, die man vielen Anwälten und Juristen im Allgemeinen zuschreibt. Selbst wenn ein Anwalt in seiner Kanzlei voll digitalisiert arbeiten will oder eine Digitalisierung einführen möchte, müssen nicht nur die allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen eingehalten werden, die alle Unternehmer treffen – man denke an Datenschutz und ähnliches – sondern die strengeren Rahmenbedingungen, die das Standesrecht Anwälten auferlegt.
3.1.
Mangelnde Technikaffinität ^
Es ist kein außergewöhnlicher Anblick, wenn ein Anwalt mit einem Reisekoffer voller Ordner zu einem großen Gerichtsverfahren fährt. Obwohl die Kommunikation mit Gericht und Gegner per elektronischem Rechtsverkehr (ERV) voll digital geführt wird, sitzt man doch noch mit dem Papierakt bei Gericht. Auch wenn das in den meisten Fällen nur ein kleiner Akt und auch praktisch ist – immerhin benötigt man die Kostennote immer noch auf Papier, um sie am Ende einer Verhandlung dem Richter zu übergeben.
Der anwaltliche Alltag ist bei vielen noch von einer überwiegenden Papierlastigkeit geprägt, auch wenn E-Mails – so unsicher sie auch sein mögen – bereits Einzug in das tägliche Arbeiten gefunden haben. E-Mails die natürlich ausgedruckt werden müssen.
Prozesse sind in einer Branche, in der Fristen, Termine und Formalitäten einen hohen Stellenwert haben unumgänglich. Allein aus Gründen der Haftung muss der Anwalt insbesondere im Rahmen eines Gerichtsprozesses genau wissen, was, wann, wie passiert. Das bedeutet, Prozesse werden gelebt, aber oft werden sie weder als solche erkannt, noch sind sie niedergeschrieben. Gerade in kleineren Kanzleien sind deshalb die Einschulung von neuen Mitarbeitern oder der Krankheitsfall des wissenden Mitarbeiters Erlebnisse, die schnell den Mangel an Prozessen, Prozessbewusstsein und deren Definition aufzeigen.
Die Vertreter der Generation, die derzeit den Berufsweg des Anwalts beschreitet und bald beschreiten werden, sind nicht nur Digital Natives, für die Digitalisierung ein natürlicher Teil ihres Lebens und Arbeitens ist. Sie sind auch Generation Y und Millenials, die meist nicht mehr vom Prestige des Anwaltsberufes und den damit einhergehenden Aussichten sehr guter Verdienstmöglichkeiten getrieben werden, sondern der Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit einen immer höheren Stellenwert einräumen. Im Gegensatz zu materiellen Werten sind ihnen vermehrt persönliche Erlebnisse und Erfahrungen im täglichen Leben wichtiger, was mit dem derzeitigen Bild und den Arbeitsbedingungen der Anwaltsbranche nicht vereinbar ist.
3.2.1.
Allgemeines ^
Wenn man einem an sich technikscheuen Menschen die Möglichkeit gibt, sich auf gesetzliche Regelungen zu berufen, um sich dem technischen Fortschritt zu verweigern, scheint dies auf den ersten Blick wie ein willkommener Grund. Es steht ohne Zweifel, dass das Berufs- und Standesrecht zu den Grundpfeilern der anwaltlichen Berufstätigkeit gehört, man darf aber nicht vergessen, dass diese Gesetze – wie es in der Praxis öfter die Regel als die Ausnahme ist – oft dem technischen Fortschritt nachhinken. So bedarf es im digitalen Anwaltsleben meist der Unterstützung der jeweiligen Anwaltskammern, um auch dem technikaffinsten Anwalt eine verantwortungsvolle Digitalisierung zu ermöglichen.
3.2.2.
Geheimhaltung und Datenschutz ^
Seit 2018 bietet die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eine strenge Grundlage, wie ein Unternehmer mit personenbezogenen Daten umgehen muss. Mit der DSGVO einher gingen weitreichende Verpflichtungen, technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Daten und zur Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen einzusetzen.
Über die DSGVO hinaus haben Anwälte eine umfassende Pflicht zur Verschwiegenheit der Daten ihrer Mandanten – bis hin zur Frage, ob jemand ein Mandant ist oder nicht. Die anwaltliche Pflicht zur Verschwiegenheit ist nicht nur standesrechtlich geregelt3, sondern findet sich auch in den prozessrechtlichen Vorkehrungen, die die Aussageverweigerung des Anwalts regeln.4 Wichtig zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass das Recht des Anwalts, seine Aussage zu verweigern, auch nicht durch allfällige Beschlagnahme von Unterlagen oder Computern umgangen werden darf.5
So muss ein Anwalt im Falle einer Hausdurchsuchung in seiner Kanzlei oder Wohnung darauf bestehen, dass ein Vertreter seiner Rechtsanwaltskammer bei der Durchsuchung vor Ort ist, damit die Verschwiegenheitspflicht gewahrt bleibt. Für externe Rechenzentren u.ä. ist konkret in § 40 Abs 3 RL-BA6 geregelt:
«Nimmt ein Rechtsanwalt die Dienste eines externen Rechenzentrums in Anspruch, um kanzleiinterne Daten in diesem externen Rechenzentrum zu speichern (zB auch als externe Datensicherung), so hat er vertraglich sicherzustellen, dass diese extern gespeicherten Daten dem gleichen Schutz (Beschlagnahmeschutz) unterliegen wie in der Kanzlei verwahrte Akten und in der Kanzlei gespeicherte Daten. Der Rechtsanwalt hat vertraglich sicherzustellen, dass er bei einer Hausdurchsuchung in einem solchen Rechenzentrum sofort informiert wird, um seinen Verpflichtungen nach § 27 nachkommen zu können. Jede externe Datenspeicherung, durch die ein Rechtsanwalt seiner beruflichen Verschwiegenheitsverpflichtung nicht entsprechen kann, ist untersagt.»
Konkret bedeutet dies, dass bei Servern, die extern betrieben werden, diese Bedingungen vertraglich vereinbart und eingehalten werden müssen. Kritischer ist dies insbesondere bei Cloud Anbietern, deren Server nicht in Österreich stehen. Um diese als Anwalt verwenden zu dürfen reicht «nur» eine DSGVO-Compliance nicht aus. Diese beinhaltet zwar ähnlich hohe Anforderungen an technische Rahmenbedingungen (zB ISO 27001 und/oder ISO 9001), und die erforderliche Sicherheit, der Anbieter muss jedoch auch durch seine Prozesse sicherstellen, dass die anwaltliche Verschwiegenheit gewährleistet ist. Es muss daher vertraglich sichergestellt werden, dass – insbesondere im Fall einer Hausdurchsuchung bei dem Cloud Provider – der Anbieter weiß, dass er den Anwalt verständigen muss, wenn es zu Vorfällen kommt, damit dieser selbst vor Ort kommen kann bzw sich um Unterstützung durch seine Anwaltskammer kümmern kann.7
Das bedeutet für die Digitalisierung, dass die Standards, die für Unternehmer im Allgemeinen gelten – und seit Einführung der DSGVO mit hohen Strafen bedroht sind– für Anwälte lediglich eine Basis sind, auf die sie auf Grund der zusätzlichen Pflichten des Standes aufbauen müssen.
4.1.
Legal Tech ^
Da die Digitalisierung auch vor Anwälten keinen Halt macht, ist Legal Tech in aller Munde. Ob technische Lösungen, die den Arbeitsalltag der Anwälte erleichtern, oder neue Geschäftsmodelle für Mandanten (auch Alternative Legal Services genannt), Legal Tech gibt es mittlerweile in vielen Ausgestaltungsformen.
Im ersten Schritt sollten alle Standardprozesse des Büroalltags dokumentiert und kritisch hinterfragt werden. Es gilt sowohl die internen als auch all jene Prozesse zu durchleuchten, die mit Klienten und externen Partnern abgewickelt werden. Dabei sollte immer folgende Frage gestellt werden: «Wickeln wir diesen oder jenen Prozess so ab, weil wir ihn immer so umgesetzt haben oder gäbe es hierfür effizientere Methoden/Prozesse?» Bei dieser Prozessdokumentation ist es auch wichtig, auf die internen Kommunikationswege zu achten: Sind diese effizient, klar und für jeden Mitarbeiter und/oder Externen transparent oder werden manche Prozesse doppelt und somit ineffizient abgewickelt?
Ist die gesamte Prozesslandschaft einmal dokumentiert, erfolgt im zweiten Schritt die Überlegung, welcher dieser Prozessschritte elektronisch bzw. mit Unterstützung neuer technischer Hilfsmittel wie iPad, Videokonferenz, elektronischer Akt, Kollaborationsplattformen, etc abgebildet werden kann. Viele Legal Tech Produkte sind bereits auf Anwälte spezialisiert und erfüllen auch die standesrechtlichen Herausforderungen. Insbesondere im Bereich des elektronischen Akts, Honorarabrechnung und der elektronischen Kommunikation mit Gerichten (ERV) gibt es bereits standardisierte Produkte, die in praktisch allen Anwaltskanzleien zu finden sind. Die Prozesse in diesen Softwarelösungen zu dokumentieren ist noch nicht in allen Kanzleien umgesetzt. Geht ein Arbeitsablauf darüber hinaus, fehlen Prozesse oft vollkommen. Externe Berater leisten hierbei auch Unterstützung und bringen neue Sichtweisen ein.
4.2.
Mindset ^
Bei jeder Veränderung muss immer die Gesamtheit des Systems betrachtet werden. Neue technische Tools, neue Webpage oder Homeoffice sind nur erster Schritte in die Welt der Digitalisierung. Solange sich nicht die innere Einstellung jedes einzelnen Mitarbeiters des gesamten Unternehmens – dem System – ändert, werden technische Errungenschaften nur einzelne Puzzlesteine bleiben. Digitalisierung bringt auch viel Transparenz mit sich. Dies wird bei der Benützung von Cloudlösungen bis zur Möglichkeit des Mobile Working sowie der Verwendung sozialer Medien sichtbar. Für potenziell neue Mitarbeiter einer Kanzlei wird es immer leichter werden, sich über diverse Medien einen ersten Eindruck über die Organisation zu verschaffen. Moderne Kanzleien, die verantwortungsvoll mit dem Thema Digitalisierung umgehen und auch intern schon diverse Digitalisierungsmaßnahmen erfolgreich umgesetzt haben, werden zu attraktiven Arbeitgebern. Dadurch wird der Druck im Unternehmen erhöht. Für das Unternehmen wird es immer wichtiger, wie sich ihre Organisation der Öffentlichkeit präsentiert.
Digitale Transformation basiert auf Sicherheit, Vertrauen und Transparenz. Diese digitale Kompetenz setzt sich aus dem Zusammenspiel von Erwartung seitens des Marktes und ehrlicher Umsetzung seitens der Kanzleien zusammen und unterliegt einer permanenten gegenseitigen Erwartungshaltung. Sie ist nicht delegierbar, sondern muss aktiv gestaltet werden und muss vom Top-Management aus auf die gesamte Kanzlei (Organisation) ausstrahlen!
4.3.
Digitale Transformation ^
Sind technische und organisatorische Maßnahmen geklärt sowie das Verständnis und die Bereitschaft diese digitale Transformation zu vollziehen vorhanden, gilt es den Prozess der Veränderung erfolg-reich zu managen. Jede verantwortungsvolle digitale Transformation sollte daher von einem digitalen Transformation Coach begleitete werden, um den Klienten, Mitarbeitern, Führungskräften auf diesem Weg zu unterstützen.
Im ersten Schritt muss das Unternehmen seine Werte definieren. Danach muss die Unternehmensstrategie und –kultur aufbauend auf den neuen Prozessen, Strukturen und Werten angepasst werden. Viele Werte und Einstellungen ändern sich im Zuge der Art und Weise wie wir miteinander in Zukunft arbeiten werden. Ältere Generationen, die mit der damals neuen Errungenschaft von Mobiltelefonen oder Emails ihren Berufsweg gestartet haben, treffen in ihrem Berufsleben nun auf junge Kollegen, die von irgendwo und irgendwann ihre Dienstleistung und Know-How zur Verfügung stellen. Hier gilt es auch arbeitsrechtliche Grundlagen für diese Veränderungen zu schaffen. Ein Transformation Coach betrachtet all diese Themen und begleitet die Kanzlei auf dem Weg der verantwortungsvollen Digitalisierung.
5.
Literatur ^
CCBE Guide on Lawyers’ use of online legal platforms https://www.ccbe.eu/fileadmin/speciality_distribution/public/documents/DEONTOLOGY/DEON_Guides_recommendations/EN_DEON_20180629_CCBE-Guide-on-lawyers-use-of-online-zegal-platforms.pdf.
CCBE Guidelines on the use of cloud computing services by lawyers https://www.ccbe.eu/fileadmin/speciality_distribution/public/documents/IT_LAW/ITL_Position_papers/EN_ITL_20120907_CCBE_guidelines_on_the_use_of_cloud_computing_services_by_lawyers.pdf
Csoklich/Scheuba in Scheuba (Hrsg), Standesrecht der Rechtsanwälte3 (2018) Materielles Standesrecht, Seite 86.
Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 9 (Stand 15.9.2018, rdb.at).
Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 40 RL-BA 2015 (Stand 15.9.2018, rdb.at).
Herrnstein Management Report, 2. Report 2019.
Preuschl, Mathias, Sichere Cloud?, Legal Trigger 1/2018, 6.
- 1 Herrnstein Management Report, 2. Report 2019.
- 2 Herrnstein Management Report, 2. Report 2019.
- 3 § 9 RAO, § 1 RL-BA; siehe auch Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 9 (Stand 15.9.2018, rdb.at).
- 4 Siehe auch § 321 Abs 1 Z 4 ZPO, § 157 Abs 1 Z 2 StPO.
- 5 § 157 Abs 2 StPO.
- 6 Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 40 RL-BA 2015 (Stand 15.9.2018, rdb.at); Beschlagnahmeschutz; Csoklich/Scheuba in Scheuba (Hrsg), Standesrecht der Rechtsanwälte3 (2018) Materielles Standesrecht, Seite 86.
- 7 Preuschl, Sichere Cloud?, Legal Trigger 1/2018, 6; CCBE Guidelines on the use of cloud computing services by lawyers https://www.ccbe.eu/fileadmin/speciality_distribution/public/documents/IT_LAW/ITL_Position_papers/EN_ITL_20120907_CCBE_guidelines_on_the_use_of_cloud_computing_services_by_lawyers.pdf; CCBE Guide on Lawyers’ use of online legal platforms https://www.ccbe.eu/fileadmin/speciality_distribution/public/documents/DEONTOLOGY/DEON_Guides_recommendations/EN_ DEON_20180629_CCBE-Guide-on-lawyers-use-of-online-legal-platforms.pdf.