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Cybergovernance aus geopolitischer Perspektive

  • Author: Hanna Maria Kreuzbauer
  • Category of articles: cybergovernance
  • Category: Articles
  • Field of law: Internet-Governance
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2021
  • DOI: 10.38023/8cd21416-e54f-4eaf-a485-e3b2db533791
  • Citation: Hanna Maria Kreuzbauer, Cybergovernance aus geopolitischer Perspektive, in: Jusletter IT 25 February 2021
Versteht man „Cybergovernance“ in einem sehr weiten Sinne, gibt es auch eine geopolitische Dimension. Grundkonstante ist, dass die Hegemonie des Westens zu Ende gehen und die geopolitische Gravitation noch mehr nach Asien verlagern wird. Genau diese Problematik wird in diesem Beitrag diskutiert, wobei zwischen den Aspekten der Digitalisierung, der Wirtschaft und der Politik unterschieden wird. Insbesondere wird dabei aber auch angesprochen, wie diese Entwicklung aus europäischer Sicht aussieht.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Vorbemerkung
  • 2. Digitalisierung
  • 3. Wirtschaft
  • 4. Politik
  • 5. Konklusion

 

1.

Vorbemerkung ^

[1]

Dieser Beitrag versteht „Cybergovernance“ in einem sehr weiten Sinne und zwar als jegliche sozio-politische „Governance“ im Kontext mit Digitalisierung, wobei wir hier die geopolitische Perspektive betrachten wollen. Das betrifft im Prinzip die ganze Welt und diese hat laut der besten Schätzungen bis jetzt etwa 100 Milliarden Menschen gesehen. Soweit wir ferner wissen, gibt es uns in der Form des anatomisch modernen Menschen seit wohl mindestens 200 000 Jahren und auf dem Weg zur Gegenwart haben wir bis dato vier Entwicklungsschritte durchgemacht, die so substantiell sind, dass man sie als gesamtmenschliche ‚Revolutionen‘ bezeichnen kann: vor ca. 50 000 Jahren fand die erste davon statt, und zwar die kognitive Revolution. Mindestens seitdem hat der Mensch Kultur und Magie/Religion – Sprache hatten wir vermutlich schon viel früher – sowie damit verbunden über das Hier und Jetzt hinaus planendes Denken, ja eventuell sogar schon abstrahierendes Denken. Die kulturelle Revolution wurde von allen Menschen mitgemacht und Kultur gehört deshalb zur gesamtmenschlichen Conditio humana. Die weiteren Revolutionen waren selektiv, d. h. manche Kulturen machten sie mit, andere nicht. Vor ca. 10 000 Jahren kam es zur zweiten, nämlich der neolithischen Revolution. In deren Zuge entwickelten sich Landwirtschaft, Sesshaftigkeit und später auch Schrift- und urbane Siedlungskultur – was von manchen auch ‚Zivilisation‘ genannt wird.1 Einige heutige Kulturen weisen eine Kontinuität auf, die bis in diese Zeiten zurück reicht, wobei hier insb. China zu nennen ist. In Europa wiederum entwickelte sich mit der Philosophie die Vorläuferin der Wissenschaft, die letztlich für die nächsten Revolutionen entscheidend waren. Europäische kulturelle Kontinuität gibt es aber erst ab etwa 500 n. Chr. und kurz vor 1500 begann dafür die (meist zwangsweise) Europäisierung der beiden Amerikas und anderer Teile der Welt. Um ca. 1750 fand dann die dritte Revolution statt, nämlich die industrielle, die vor allem auf der Verwendung fossiler Energieträger und dem Element Fe (Eisen) basierte, dem vierthäufigsten Element der Erdkruste. All dies betraf zunächst einmal nur Westeuropa und die USA, und es befeuerte vier völlig gegensätzliche typisch westliche Strömungen: Imperialistische Flächeneroberung, kapitalistische Wirtschaft, Rationalismus und Emanzipation.

[2]

Erst in unserer Zeit hat sich die vierte und bis dato letzte der vier Revolutionen ereignet: die digitale Revolution. Das bringt zum Ersten die totale Implementierung der Digitaltechnik, also praktisch immer, überall und in alle Lebensbereiche eines jeden Menschen, und zum Zweiten die dem folgende Umgestaltung des menschlichen Lebens nach den Grundsätzen dieser neuen Technologie. Die Digitalisierung findet außerdem parallel und sich wechselseitig verstärkend mit zwei anderen Entwicklungen statt:

  1. die vom Neoliberalismus gestartete, ihm aber wohl schon entglittene Globalisierung, was unsere Welt zu einer „digi-globalen“ Welt gemacht hat bzw. immer noch macht.
  2. Das Ende des „Big Divergence“, d. h. das Ende der seit etwa 500 Jahren bestehenden westlichen Hegemonie und der wahrscheinliche Übergang in eine neue geopolitische Phase mit ostasiatischem oder chinesischem Anstrich.
[3]

Darüber, wie sich die internationale Lage auf Basis all dieser Entwicklungen heute darstellt, gibt es viele Überlegungen. Eine der seriösesten und besten stammt von PricewaterhouseCoopers International2, die mehrere Forschungsbeiträge dazu anbieten. In “Five Megatrends: And Their Implication for Global Defense & Security”3 sprechen PricewaterhouseCoopers International von folgenden fünf Megatrends:

  • Megatrend I: Verschiebung der globalen Wirtschaftskraft; kritische Bereiche sind:
  • Wachsende strategische Bedeutung der pazifischen Handelsrouten
  • Der Übergang Chinas vom regionalen zum globalen Machtprojekt
  • Steigendes Störpotential Nordkoreas
  • Abnehmende Fähigkeit westlicher Nationen, im asiatisch-pazifischen Raum Macht auszuüben
  • Megatrend II: Demographische Verschiebungen; kritische Bereiche sind:
  • Wachsender Wettbewerb um Ressourcen
  • „Youth Bulge“ als anwachsende destabilisierende Kraft
  • Megatrend III: Beschleunigte Urbanisierung; kritische Bereiche sind:
  • Steigende Herausforderungen an die Legitimität von Herrschaft
  • asymmetrische Störung
  • „Mega-Slums“ und verwilderte Städte, so genannte „Feral Cities“
  • Megatrend IV: Aufstieg der Technologie; kritische Bereiche sind:
  • Mehr Cyber-Kriminalität/Cyber-Kriegsführung/Cyber-Terrorismus
  • Aufstieg des Internets als radikale Lieferinstanz („Proliferator“)
  • Asymmetrische Führung, Steuerung und Bereitstellung
  • Aufrechterhaltung eines angemessenen Tempos von F&E und Innovation
  • Megatrend V: Klimawandel und Ressourcenknappheit; kritische Bereiche sind:
  • Zunehmender Einsatz von Verteidigungskräften als „First Responder“
  • Ressourcenknappheit als Gefahr für die nationale Sicherheit
  • Auswirkungen des Klimawandels auf die Küstenbevölkerung
[4]

Liest man sich diese Liste durch, zeigt sich, dass sich zwei Themenbereiche recht gut unterscheiden lassen, nämlich zum Ersten so etwas wie eine natürliche Dimension, was Demographie, Klimawandel und Ressourcenknappheit betrifft, und zum Zweiten eine technologisch/sozio-politische Dimension im weiteren Sinne, d. h. inklusive der digitalen und wirtschaftlichen Entwicklung. Wir werden uns hier auf letzteres konzentrieren, und daher kurz auf folgende Komponenten eingehen:

  • Digitalisierung
  • Wirtschaft
  • Politik
[5]

Wir beginnen mit der Digitalisierung. Dem folgt die Wirtschaft und dann wird diskutiert, was das für die Politik bedeutet.

2.

Digitalisierung ^

[6]

Mit dem Internet (insb. Web 2.0) und der Mobiltelefonie wurde der analogen Welt bekanntlich eine weitere, und zwar eine digitale Ebene hinzugefügt, wofür wohl nichts mehr steht, als Apples iPhone. Die meisten Menschen leben daher heute in digitaler aber auch globaler Perspektive, denn fast jeder kann fast jeden anderen mühelos erreichen und beeinflussen – und zwar mehr oder weniger egal, wo sich beide befinden und ebenso egal, ob dies bona fide oder mit dolos malus geschieht. Nicht zufällig wurde in diesem Zusammengang der Begriff des „Influencer“ geboren, der pars pro toto für das Grundprinzip des gesamten digitalen Diskurssystems stehen kann. Influencing braucht hinreichend Technologie/-kompetenz, nur minimale Plausibilität aber maximale Aufmerksamkeit. Da in den vordigitalen Zeiten die Unzulänglichkeiten der Analogtechnik vieles in die Verhandlung in Subdiskurse abdrängten, bekamen die anderen Subdiskurse und auch der öffentliche Diskurs nur die endretourschierte Lösung mit, wo hingegen heute alles instant auf derselben alles umfassenden Bühne der Weltöffentlichkeit passiert und zwar von Anfang an. Praktisch nichts Technisches bremst also heute mehr den menschlichen Diskurs, sondern nur dass auch alle anderen nichts Technisches mehr bremst und dass unsere Aufmerksamkeit nicht dafür ausreicht, das alles zu rezipieren. Praktisch zwangsläufig musste sich daher ein Wettbewerb entwickeln, und hier hat auf kurze Sicht das Aufmerksamkeitserregende die Nase vorne, dann das Plausible und erst dann das Rationale. Zu einem sozio-politischen Problem wird so eine Aufmerksamkeitsökonomie allerdings nur für liberale demokratische Gesellschaften, die auf rationalen Konsens angewiesen sind, den autoritäre Regime mit Gewalt verordnen können. Die Sektierer aller Couleurs halten sich nämlich nicht automatisch selbst in Schach, sondern sie zerstören zusammen das System, weshalb ihr absolutes Ausmaß eine Rolle spielt. Am deutlichsten sieht man das Problem übrigens gerade in dem relativ verbitterten Gefecht, das sich gerade der zwar ins Internet eingestiegene aber dennoch immer noch traditionelle Journalismus gegenüber den neuen Medien liefert.

[7]

Asiatische Länder haben schon sehr früh auf die Digitalisierung gesetzt, und China beispielsweise hat sie auch sehr strategisch betrieben, unter anderem durch Fünfjahrespläne, unter denen der 13. (2016–2020) soweit ersichtlich der relevanteste ist.4 Aber auch die an sich weiter gefasste „Made-in-China-2025“-Strategie5 spielt eine große Rolle. In dem Zusammenhang kam es auch auf der Hardwareseite bereits zu einem Konflikt, als China versuchte, ein Monopol auf Seltene Erden zu erlangen.6

[8]

Im Bereich Innovation liegt China schon heute sehr weit oben (im Moment auf Platz 14 im Innovation Ranking, und Platz 1 unter den Ländern mit mittlerem Einkommen7), möchte aber weltweiter Führer werden.8 Dazu passt, dass laut Wikipedia von den 10 größten Internetunternehmen (Amazon, Google, JD.com, Facebook, Alibaba, Tencent, Suning.com. Netflix und ByteDance9) bereits fünf chinesisch sind, die anderen fünf sind US-amerikanisch. Schließlich versucht China sein Internet von äußeren Einflüssen abzuschotten, wie z.B. die Strategie: „Great Firewall of China“10 zeigt. Daher kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass sich das Gravitationszentrum der Digitalisierung nach Asien bzw. China verschiebt bzw. bereits verschoben hat.

3.

Wirtschaft ^

[9]

Im Bereich der Digitalisierung passiert natürlich auch ein immer größerer Teil der Wertschöpfung, und in der Tat geht es auch um eine Menge Geld: Laut dem „Global Wealth Report 2020“ der CREDIT SUISSE gibt es auf der Welt im Moment ein Gesamtvermögen von ca. 399.179 Milliarden $. Davon gehören den USA 114.900 Milliarden $, Europa 94.289 Milliarden Dollar und China 77.978 Milliarden $.11 Im Vergleich zu den Milliarden armer Menschen kann sich Europa also wahrlich nicht beklagen – und die USA und China natürlich auch nicht. Das Gesamtvermögen der Welt hat sich in den letzten 20 Jahren etwa verdreifacht, und zwar von 116.905 Milliarden $ im Jahre 2000 auf die eben genannten 399.179 Milliarden $. Die Vermögen der USA und Europas haben sich dabei in den letzten 20 Jahren ebenfalls verdreifacht, dasjenige China aber fast verzwanzigfacht. Das ist natürlich nicht überraschend, weil China noch keine Sättigungseffekte zeigt, aber natürlich haben sich auch die Anteile verschoben: Der Anteil der USA am Weltvermögen ist von 38% im Jahre 2020 auf 32% im Jahre 201912 gefallen, der Europas von 29% auf 25%, während der Chinas von 3% auf 18% gestiegen ist. Bei annähernd gleichbleibender Entwicklung wird der chinesische Anteil den europäischen also bald übertreffen. Auch ohne tiefere Signifikanzberechnung kann man davon ausgehen, dass die Zahlen signifikant für eine Verlagerung des wirtschaftlichen geopolitischen Gravitationszentrums sind.

[10]

Europa ist natürlich immer noch sehr reich, denn europäische Staaten (ohne Russland, Kasachstan und die Türkei) können sich zusammen über Staatseinnahmen von etwa 8 Billionen Dollar jährlich freuen, die USA hingegen „nur“ über 3,3 Billionen und China über 2,4 Billionen. Die zwanzig reichsten Unternehmen wiederum machen zusammen ca. 5 Billionen Umsatz, wovon ca. 2,3 auf US-amerikanische, ca. 1 Billion auf europäische, 1 Billion auf chinesische und der Rest auf Unternehmen anderer Nationalität entfallen. Das größte Unternehmen der Welt ist Walmart, dem dann 5 Energiekonzerne folgen, von denen wiederum 3 dem chinesischen Staat gehören. Dann kommen Automobilindustrie, Einzelhandel und Apple auf Platz 12 als reichstes Unternehmen der Digitaltechnologie. Auch außerhalb der Digitaltechnik sprechen die Zahlen also eindeutig für eine Verschiebung des Gravitationszentrums nach Ostasien. PriceWaterhouseCoopers International schreiben dazu in „The long view: How will the global economic order change by 2050”13: „By 2050, the E7 economies could have increased their share of world GDP from around 35% to almost 50%. China could be the largest economy in the world, accounting for around 20% of world GDP in 2050, with India in second place and Indonesia in fourth place (based on GDP at PPPs).“, sowie: „[…] the EU27 share of world GDP could be down to less than 10% by 2050, smaller than India.“

4.

Politik ^

[11]

Europas geopolitische Hegemonie wurde bekanntlich schon vor einigen Jahrzehnten durch die US-amerikanisch/sowjetische und später nur mehr US-amerikanische Hegemonie abgelöst.14 Auf alle Fälle dominierte damit aber der Westen – und das durchaus auch zum Schaden der anderen. Sollte die westliche Hegemonie insgesamt, also inklusive USA, durch ein nicht-westliches Land abgelöst werden, kommt im Moment nach den obigen Überlegungen dafür nur China in Frage. Sollten es mehr sein, so neben China ev. auch Russland und einige Regionalmächte, wozu insb. Indien, der Iran, Saudi-Arabien und ev. auch die Türkei zählen.

[12]

Auch hierzu gibt es Daten. Das „Power Ranking“ etwa, welches das Magazin U.S.News gemeinsam mit der BAV Gruppe (eine Einheit der VMLY&R15) und der Wharton School der University of Pennsylvania als „Subranking“ der „Best Country Rankings“ heraus gibt16, listet folgende Staaten als die mächtigsten auf: USA, Russland, China, Deutschland, Vereinigtes Königreich, Frankreich, Japan, Israel, Süd-Korea, Saudi-Arabien. Auch wenn die Methode des Rankings (Umfrage) nicht ganz unbedenklich ist, ist das Ergebnis auch nicht überraschend. Europa ist immerhin mit drei Ländern in der Spitzengruppe vertreten, während Indien beispielsweise fehlt. Zieht man noch die Verteidigungsausgaben17 zu Rate, ergibt sich ein ähnliches Bild: von den 1917 Milliarden $, die 2019 für Verteidigung ausgegeben wurden, kamen 732 Milliarden $ auf die USA, 261 Milliarden auf China, 71 auf Indien und dann ein Wert zwischen je 40 und 60 Milliarden $ auf Russland, Saudi-Arabien, Frankreich, Deutschland, das Vereinigte Königreich, Japan und Südkorea.18 Wenn man die Verteidigungsausgaben der europäischen Staaten konzentrieren würde, d. h. zusammen zählen, erreicht das mit ca. 350 Milliarden $ zwar nicht einmal die Hälfte der USA, allerdings auch deutlich mehr als China. Allerdings, darf man diese eben nicht zusammenzählen, weil es eine gesamteuropäische Verteidigungspolitik bekanntlich nicht gibt. Daneben ist Europa durch die Demografie geschwächt, denn nach Angaben des US-amerikanischen CIA leben die ältesten Bevölkerungen fast ausschließlich in Europa., wobei lediglich Japan eine substantielle Ausnahme macht.19 Dazu kommt ein hoher Anteil an Immigration, was seit der Migrationskrise des Jahres 2015 problembeladen ist. Laut Gilles Pison20 leben die meisten Immigranten zwar in den USA, und zwar 48,2 Millionen, was einem Anteil von 15,1 % entspricht. In Deutschland aber beispielsweise ebenfalls 10,2 Millionen, was einem Anteil von 12,5 % entspricht.

5.

Konklusion ^

[13]

Die Frage nach dem Rang Europas klingt zwar zynisch, aber seine geostrategische Lage ist für Europa dennoch von enormer Bedeutung: Zum Ersten ist eine gewisse geopolitische Stärke (leider) notwendig, um die Stärken anderer auszubalancieren. Zum Zweiten geht es um die Frage der Absicherung von europäischen Lebensstilen für die nächsten Generationen, und weil die Verschiebung der geostrategischen Gravitation nach Asien sehr wahrscheinlich ist, geht es drittens auch um die Gestaltung des Übergangs in diese neue Phase.

[14]

In China spricht man vom „Chinesischen Traum“ der „nationalen Wiedergeburt“. Auch bei noch so viel grundsätzlicher Sympathie und Achtung für China fragt sich aber, was das heißen soll, wobei die Interpretationen von einem materiell und sozial gesicherten Leben bis zur Eroberung einer China zustehenden Führungsrolle über die gesamten Welt reichen. Der moderne chinesische Lebensstil bedeutet immer mehr ein materiell gutes Leben für alle, aber ohne Anspruch durch Menschenrechte, ohne Demokratie sondern mit Rekrutierung der politischen Führungskräfte von innen, und ohne Checks und Balances. Im Grunde kann das durchaus auch auf eine Art „Intelligenzdiktatur“ hinauslaufen. Das Abtreten der USA wiederum ist auf Grund ihrer Performance in Digitaltechnik, Wirtschaft und Politik extrem unwahrscheinlich. Wahrscheinlich ist also eher ein neuer Multilateralismus, ev. so wie vor 1914, d. h. USA und China in der Oberliga, und Russland, Indien, der Iran und Saudi-Arabien in der Mittelliga.

[15]

Die zentrale Frage ist daher, auf welchen Rängen da letztlich Europa landen wird: Oberhalb der Mittelliga oder darunter? Europa sitzt noch auf einem soliden Polster, aber die Zeit arbeitet gegen es. Geht die Stimme Europas verloren, dann geht nicht nur die zu verurteilende Stimme der ehemaligen Kolonialherren verloren, sondern auch die Stimme der Menschenrechte und des Liberalismus. Die europäische Variante der Moderne hat die Welt die letzten 500 Jahre allen ihren Defiziten und Errungenschaften entscheidend mitgeprägt. Geht ihr Erbe verloren, dann nicht nur die Defizite sondern auch die Errungenschaften.

  1. 1 Diese Bezeichnung ist allerdings sehr unglücklich, weil damit impliziert wird, dass nicht-urban lebende Menschengruppen „unzivilisiert“ wären.
  2. 2 https://www.pwc.com/ (aufgerufen am 7. November 2020).
  3. 3 PriceWaterhouseCoopers: Megatrends. https://www.pwc.co.uk/issues/megatrends.html (aufgerufen am 7. November 2020), 2016.
  4. 4 Vgl. dazu https://www.csis.org/chinas-emerging-cyber-governance-system (aufgerufen am 7. November 2020), sowie insb. http://english.www.gov.cn/policies/latest_releases/2016/12/27/content_281475526646686.htm. (aufgerufen am 7. November 2020).
  5. 5 http://english.www.gov.cn/policies/latest_releases/2015/05/19/content_281475110703534.htm (aufgerufen am 7. November 2020).
  6. 6 Vgl. https://www.fpri.org/article/2020/10/chinas-monopoly-on-rare-earth-elements-and-why-we-should-care/ (aufgerufen am 7. November 2020).
  7. 7 Cornell University/INSEAD/WIPO: Global Innovation Index 2020: Who Will Finance Innovation? https://www.wipo.int/edocs/pubdocs/en/wipo_pub_gii_2020.pdf (abgerufen am 15. November 2020), 2020, S. 65, sowie http://english.www.gov.cn/policies/infographics/202009/06/content_WS5f54b3e7c6d0f7257693b9fa.html (aufgerufen am 7. November 2020).
  8. 8 https://news.cgtn.com/news/2020-11-04/China-unveils-blueprint-to-become-global-leader-in-innovation-V8ymvHioog/index.html (aufgerufen am 11. November 2020).
  9. 9 https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_largest_Internet_companies (aufgerufen am 11. November 2020).
  10. 10 International Institute for Strategic Studies: The Digital Great Game, Strategic Comments 26. https://www.iiss.org/~/publication/bf408f50-872b-4ed7-aeef-f28bb22b6c45/the-digital-great-game.pdf (aufgerufen am 7. November 2020), 2020.
  11. 11 Credit Suisse: Global Wealth Report 2020. https://www.credit-suisse.com/about-us/en/reports-research/global-wealth-report.html (2020-11-06), 2020, S. 5 und S. 42 (USA).
  12. 12 Berechnungen und Rundungen von der Autorin.
  13. 13 PriceWaterhouseCoopers: The long view: How will the global economic order change by 2050? https://www.pwc.com/gx/en/world-2050/assets/pwc-the-world-in-2050-full-report-feb-2017.pdf (aufgerufen am 7. November 2020), 2017, S. 5.
  14. 14 Üblicherweise wird das Abdanken der europäischen Mächte mit der Suez-Krise von 1956 verbunden, die Hegemonie der UdSSR endete mit deren Auflösung 1991.
  15. 15 https://www.vmlyr.com/ (aufgerufen am 12. November 2020).
  16. 16 https://www.usnews.com/news/best-countries/power-rankings (aufgerufen am 11. November 2020).
  17. 17 Stockholm International Peace Research Institute: SIPRI Military Expenditure Database: Data for all countries 1949–2019 (excel spreadsheet). https://www.sipri.org/ (aufgerufen am 11. November 2020).
  18. 18 Alle Zahlen ebenda.
  19. 19 https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/fields/343rank.html (aufgerufen am 8. November 2020).
  20. 20 Pison, Gilles: The Number and Proportion of Immigration in the Population: International Comparison, Population & Societies 563. https://www.ined.fr/fichier/s_rubrique/28889/563.international.comparison.immigrants.2019.en.pdf aufgerufen am 8. November 2020), 2019, S. 2.