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Legal Design Thinking – Skribble

  • Author: Christoph Lanter
  • Category of articles: Next Generation
  • Region: EU
  • Field of law: LegalTech, Advanced Legal Informatics Systems and Applications
  • DOI: 10.38023/f8d81d09-c718-4c2b-91a5-47f30b0722d4
  • Citation: Christoph Lanter, Legal Design Thinking – Skribble, in: Jusletter IT 30. September 2021
The development of simple and intuitive visualizations as well as the simplification of legal content is at the center of the «Legal Design Thinking» method approach. The following paper examines the methodological approach on the basis of the TechTrust start-up Skribble, analogous – whereby in correspondence to the «Legal Design Thinking» approach, the services of the start-up in the area of electronic signatures are viewed through a legal, business and technical lens. The basis for the aforementioned method is the legal context of electronic signatures in Switzerland and Europe. Furthermore, based on an analysis of «Skribble for lawyers», the application areas of tenancy law, powers of attorney and e-government are described. Finally, the interdisciplinary analysis shows that Skribble offers a design-, technology- and legal-oriented solution approach.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Qualifizierte elektronische Signatur
  • 2.1. Rechtliche Einordnung Schweiz
  • 2.2. Haftung im Zusammenhang der qualifizierten elektronischen Signatur
  • 2.3. Rechtliche Einordnung in Europa
  • 2.4. Technische Funktionsweise nach ZertES
  • 3. Skribble
  • 3.1. Unternehmensbeschreibung
  • 3.2. Analyse von «Skribble für Anwälte»
  • 3.3. Anwendungsbereiche
  • 3.3.1. Mietrecht
  • 3.3.2. Vollmachten
  • 3.3.3. E-Government
  • 4. Legal Design Thinking
  • 4.1. Definition
  • 4.2. Verbindung des Methodenansatzes mit Skribble
  • 5. Fazit

1.

Einleitung ^

[1]

«This is adapt or die time» so beschreibt Jack Newton, ein Experte im Bereich LegalTech, die aktuelle Situation auf dem Rechtsmarkt in den USA.1 Der Rechtsmarkt ist jedoch nicht nur in den USA im Umbruch, sondern weltweit. Der bis anhin traditionelle Rechtsmarkt wird wie andere Märkte von der Digitalisierung und Automatisierung nicht verschont. Weiter zeigt sich, dass klassische Kanzleien bis zu 40 % weniger Umsatz generieren als technisch versierte.2 Diese Diskrepanz zwischen klassischen und technisch versierten Kanzleien zeigt sich auch in der Schweiz. Vor allem grosse Wirtschaftskanzleien sehen sich durch den internationalen Wettbewerb gezwungen, stärker in LegalTech zu investieren.3

[2]

Die Veränderungen auf dem Rechtsmarkt verlangen nach neuen Methoden, um rechtliche Problemstellungen anzugehen. Hierbei wird vermehrt auf den Methodenansatz des «Design Thinkings» gesetzt. Der Rechtsmarkt wird in der Zukunft geprägt sein von IT basierten Rechtsdienstleistungen, wobei gemäss Susskind der Fokus auf dem Design der Lösungen liegen wird.4 Genauer muss der Klient in den Mittelpunkt der Dienstleitung gestellt werden.5

[3]

Der Methodenansatz lässt sich in verschiedenen Lösungen von LegalTech Startups erkennen. Ein Unternehmen, welches seit 2018 sehr präsent im Schweizer Markt auftritt, ist «Skribble». Das Schweizer Unternehmen bietet elektronische Signaturen, womit jedes Dokument rechtsgültig digital unterschrieben werden kann.6 Zudem werden verschiedene Standards von Signaturen angeboten, wobei die QES von zentraler Bedeutung ist.

[4]

Ziel dieser Arbeit ist es den Methodenansatz des «Legal Design Thinkings» anhand von Skribble aufzuzeigen und verschiedene Anwendungsbereich darzulegen.

[5]

Im Rahmen einer systematischen Literaturrecherche wird im zweiten Kapitel der rechtliche Rahmen abgesteckt. Von hoher Relevanz ist hierbei die Darlegung der QES sowie ihre Funktionsweise, basierend auf den rechtlichen Gegebenheiten. Die QES wird einerseits aus Sicht des Schweizer und Europäischen Recht betrachtet, da Skribble ihre Dienstleistung grenzübergreifend garantiert. Im dritten Kapitel wird auf das Startup selbst, ihre Lösung für Anwälte, sowie mögliche Anwendungsbereiche unter Bezugnahme der jeweiligen Rechtsgrundlagen eingegangen. Im vierten Kapitel wird der Methodenansatz «Legal Design Thinking» definiert, der Methodenansatz Design Thinking erläutert und in Verbindung mit Skribble und den Anwendungsmöglichkeiten gebracht. Abschliessend folgen im letzten Kapitel eine Zusammenfassung sowie ein Ausblick.

2.

Qualifizierte elektronische Signatur ^

[6]

Im folgenden Kapitel wird die QES aus rechtlicher Sicht betrachtet und die Funktionsweise dargelegt. Zudem soll ein Verständnis geschaffen werden für die rechtlichen Rahmenbedingungen, in welchen sich Skribble bewegt.

2.1.

Rechtliche Einordnung Schweiz ^

[7]

Die QES wird im Sinne des Gesetzes nach Art. 2 ZertES von der elektronischen Signatur differenziert. Der Gesetzgeber knüpft an die QES vier Anforderungen gemäss Art. 2 lit. b ZertES, wobei diese einzig dem Inhaber oder der Inhaberin zugeordnet wird und somit die Identifizierung des Inhabers ermöglicht. Weiter steht sie unter vollumfänglich alleiniger Kontrolle des Inhabers und letztlich müssen die Daten so verknüpft sein, dass eine Rückverfolgung im Falle von Veränderungen möglich ist. Die QES ist zudem gemäss Art. 2 lit. c ZertES eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die unter Verwendung einer sicheren Signaturerstellungseinheit nach Art. 6 ZertES erstellt wurde und auf einem geregelten, sowie auf eine natürliche Person ausgestellten und zum Zeitpunkt der Erzeugung der elektronischen Signatur gültigen Zertifikat beruht. Infolgedessen wird QES nicht als Rechtbegriff eingeordnet, sondern repräsentiert einen kryptografischen Prozess, spezifischer die Generierung, Speicherung und Verwendung von einem kryptografischen Schlüssel, welche in Art. 6 ZertES definiert sind.7 Infolgedessen erfüllt die QES den ursprünglichen Zweck, dass sich der Empfänger eines signierten Dokuments über die Authentizität des Absenders sicher sein kann.8

[8]

Weiter wird die QES gemäss Art. 14 Abs. 2bis OR der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt und untersteht somit der einfachen Schriftlichkeit gemäss Art. 13 OR, insofern ein qualifiziertes Zertifikat von einem nach Art. 5ff ZertES akkreditierten Anbieter vorhanden ist.

2.2.

Haftung im Zusammenhang der qualifizierten elektronischen Signatur ^

[9]

Die Haftungsbestimmungen für die Anbieter von Zertifizierungsdiensten sowie die Anerkennungsstelle sind in Art. 17f ZertES geregelt. Die Haftung bezieht sich auf die Pflichtverletzung, im Falle von Schäden, welche der Inhaber des Zertifikats erleidet. Nebst den Haftungsbestimmungen aus der Anbieterperspektive wird in Art. 59a OR «die Haftung des Inhabers einer elektronischen Signatur oder eines elektronischen Schlüssels» geregelt.9 Kessler spricht von einer einfachen Kausalhaftung, jedoch einer stark eingeschränkten.10 Infolgedessen kommt Art. 59a OR nur im Falle einer beweismässig festen Darlegung, «dass das Dokument nicht von der rechtmässigen Inhaberin respektive dem Inhaber des Zertifikats stammt» sowie «wenn mit einem nicht geregelten Zertifikat signiert wurde» zum Zuge.11 Trotz stark eingeschränkten Haftungsmöglichkeiten soll Art. 59a OR dem Empfänger des signierten Dokuments ein Mindestmass an Sicherheit bieten und den Versender zu einer «minimal definierten Sorgfalt» Anwendung bringen.12

2.3.

Rechtliche Einordnung in Europa ^

[10]

In der eIDAS Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates werden die Bedingungen für die elektronische Identifizierungsmittel für natürliche und juristische Personen geregelt. Zudem ist sie für alle EU-Mitgliedstaaten rechtsgültig (Allgemeine Bestimmungen Art. 1 & 2 Gegenstand). Gemäss Art. 3 Abs. 10 der oben genannten Verordnung (Nr. 910/2014) wird die elektronische Signatur definiert als «Daten, welche in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet». Demgegenüber die QES als eine fortgeschrittene elektronische Signatur, welche von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt wurde und auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen beruht, definiert wird. Die QES wird bspw. gemäss BGB der eigenständigen handschriftlichen Unterschrift gleichgestellt und ermöglicht somit die Unterzeichnung von formfreier Vereinbarung. Somit würdigt der Gesetzgeber den hohen Beweiswert der QES.13 Dies veranschaulicht der § 126a BGB sinngemäss Art. 14 Abs. 2bis OR.

2.4.

Technische Funktionsweise nach ZertES ^

[11]

Nebst der rechtlichen Einordnung bedarf es einer Betrachtung der Funktionsweise und der Ausstellung der qualifizierten elektronischen Signatur. Grundlage der QES bildet die «Public Key Kryptographie», eine kryptographische Verschlüsselungstechnologie.

[12]

Zentrales Element des kryptografischen Verfahrens sind die asymmetrischen Schlüssel. Hierbei wird zwischen dem «privaten, geheim zu haltenden Schlüssel und dem öffentlichen Schlüssel, welcher zur Entschlüsselung genutzt wird», unterschieden.14 Die nachfolgende Abb. 1 veranschaulicht das Verfahren. Das zu signierende Dokument wird mit dem privaten Schlüssel versehen, womit die elektronische Signatur vorgenommen wird, sowie die Verschlüsselung des Dokuments. Die Zustellung kann über jegliche Netzwerke vonstatten gehen. Das signierte Dokument wird anschliessend beim Empfänger durch den öffentlichen Schlüssel auf die Echtheit überprüft und im Falle eines positiven Bescheids entschlüsselt. Das Verfahren erfüllt den gemäss Art. 2 lit. a ZertES geschilderten Zweck der elektronischen Signatur. Zudem entspricht der öffentlichen Schlüssel, welcher in einem elektronischen Zertifikat eingebettet ist, der Begrifflichkeit der qualifizierten elektronischen Signatur gemäss Art. 2 lit. e ZertES.

 

 

Abb. 1: Eigene Darstellung in Anlehnung an DokuSign15 und Swisscom16

[13]

Das zuvor beschriebene Zertifikat wird durch einen akkreditierten Zertifizierungsdienstleister zur Verfügung gestellt. Gemäss Art. 4 ZerES liegt es in der Macht des Bundesrates, eine Akkreditierungsstelle zu bezeichnen, wobei zurzeit nur «die KPMG (Akkr. Nr. SCESm 0071) als akkreditierte Anerkennungsstelle» handeln darf.17 Die KPMG muss ihre Meldepflicht gemäss Art. 5 Abs. 1 ZertES wahrnehmen und der Akkreditierungsstelle die zertifizierten Anbieter melden. Gemäss der öffentlich zugänglichen Liste, welche nach Art. 5 Abs. 2 ZertES von der Akkreditierungsstelle zur Verfügung gestellt wird, sind vier Anbieter (Swisscom AG18, QuoVadis Trustlink Schweiz AG19, SwissSign AG20 und das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation BIT21) akkreditiert. Die Anbieter erfüllen die Anerkennungsvorschriften nach Art. 3 Abs. 1 ZertES. Weiter regelt Art. 3 Abs. 2 ZertES die Anerkennung von ausländischen Anbietern, wobei erwähnt werden muss, dass noch kein ausländischer Anbieter die Anerkennung erhalten hat (bspw. Adobe Sign22 oder DocuSign23).

3.

Skribble ^

[14]

Basierend auf der rechtlichen Verortung der QES wird im vorliegenden Kapitel das Startup Skribble genauer analysiert. Im Zuge des interdisziplinären LegalTech wird der zuvor gesetzte rechtliche Rahmen durch betriebswirtschaftlich Betrachtungen ausgefüllt.

3.1.

Unternehmensbeschreibung ^

[15]

Das Schweizer TechTrust Startup Skribble mit Sitz in Zürich (CH) und Karlsruhe (DE) gehört zu den führenden Anbietern im Bereich elektronischer Signaturen. Das im März 2018 gegründete Startup hat sich zum Ziel genommen, den Signaturprozess 100 % digital abzuwickeln. Die elektronische Signatur ist das letzte Element der End-to-End Abwicklung von digitalen Verträgen. Das Unternehmen mit mittlerweile über 20 Mitarbeitenden konnte im Mai 2020 die zweite erfolgreiche Finanzierungsrunde im Millionenbereich abschliessen. «Angeführt wird die Runde vom Helvetia Venture Fund als Lead-Investor, auch die Mobiliar ist beteiligt».24

[16]

In der Medienmittelung spricht Skribble von einem «doppeltem Vertrauensbeweis», denn die Helvetia und die Mobiliar schenken Skribble auch als Kunden ihr Vertrauen.25 Nebst den namhaften Investoren und Kunden setzt Skribble auf strategische Partnerschaften. Zentral ist hierbei die Partnerschaft mit ELCA und Swisscom Trust Services. Die strategische Partnerschaft ermöglicht erst, die verschiedenen Signaturstandards anzubieten. Skribble widerspiegelt das Frontend, ELCA den bis heute einzigen massentauglichen auditierten IdP (gemäss Art. 2 BGEID) und Swisscom den akkreditierte Zertifizierungsdienstleister.26

[17]

Zudem ging Skribble im August 2020 eine Partnerschaft mit Intrum, einem führenden Unternehmen im Bereich Credit Management Services, ein.27 Intrum betrachtet die elektronische Signatur als Schlüsselelement, um digitale Finanzdienstleistungsprozesse nahtlos abzuwickeln.28 Kürzlich verkündete Skribble eine strategische Partnerschaft mit Digital Chameleon, einem führenden Beratungsfirme im Bereich Life Science und Healthcare.29 Ausserdem arbeitet Skribble seit kurzem mit Flatfox und VERTI an der Digitalisierung des Mietvertrags, wobei auch hier die elektronische Signatur als letztes essentielles Element der nahtlosen digitalen Vertragsabwickelung betitelt wurde.30

[18]

Die strategischen Partnerschaften veranschaulichen die breite branchenübergreifende Nutzung der Lösungen von Skribble. Im nachfolgenden Abschnitt wird nun ein genaueres Augenmerk auf die elektronische Signatur als Lösung für Anwälte gelegt.

3.2.

Analyse von «Skribble für Anwälte» ^

[19]

Das Startup ermächtig Anwälte, jegliche Dokumente mit verschiedenen rechtlichen Anforderungen zu signieren. Die Lösung beinhaltet verschiedene Signaturstandards, beginnend mit der einfach elektronischen Unterschrift, welche vor allem bei «Dokumenten ohne gesetzliche Vorschriften» zum Einsatz kommt, bis hin zur QES, welche der eigenhändigen Handschrift gleichgestellt ist und das Unterschreiben von «Dokumenten mit gesetzlicher Formvorschrift wie auch hohem Haftungsrisiko erlaubt».31 Somit werden jegliche Anforderungen an den Anwaltsprozess erfüllt. Skribble garantiert dadurch die Einhaltung der Anforderungen der elektronischen Signatur gemäss dem ZertES und eIDAS, der Schriftlichkeitserfodernissen gemäss OR und BGB sowie abschliessend den Datenschutzbestimmungen gemäss DSGVO und DSG (vgl. Kap. 2). Die nachfolgende Tab. listet die verschiedenen Tätigkeitsbereiche der Lösung von Skribble.

 

Mehrere Vertragsparteien Stapelsignatur Eingabe bei Behörden
Online signieren anstatt Postsendungen an mehrere Personen. Stapelsignatur bei digitalen Unterschriftsmappen, Signatur gleichzeitig über alle Verträge hinweg. Digitales Einreichen vor Gericht oder digitale Änderungen im Handelsregister vornehmen.
  • Automatisches Signieren, wie auch zur Signatur einladen via E- Mail
  • Übersichtliche Darstellung der ausstehenden Signaturen sowie den eingegangen
  • Automatische Benachrichtigungen bei eingegangen Signaturen
  • Beliebig viele Verträge gleichzeitig signieren.
  • Zwei-Faktor-Authentifizierung via Handy – keine externe Hardware erforderlich
  • Unabhängig von Zeit und Ort (internationale Verträge)
  • Anerkannt für die Kommunikation zwischen Kanzleien und Behörden/Gerichten in der Schweiz
  • Kosten und Zeiteinsparungen.

Tab. 1: Lösungen für Anwälte von Skribble AG32

[20]

Des weiteren ist zu erwähnen, dass die Signatur keinen USB-Stick oder Card-Reader benötigt. Zudem kann Skribble als Online-Plattform im Browser genutzt werden oder einfach und schnell via API’s33 in die bestehende Softwareumgebung, bspw. Google Docs, Dropbox, Onedrive oder WinJur34 des Kunden eingebaut werden,

[21]

Abschliessend ist auf Abb. 2 die Nutzeroberfläche von Skribbel abgebildet. Es lässt sich ein modernes, designvolles und intuitives Layout identifizieren. Das Frontend soll einfach zu bedienen sein, was in Kapitel 4 unter der Betrachtung der Design Thinking Methode eine zentrale Rolle spielen wird.

 

 

Abb. 2: Nutzeroberfläche von Skribble AG35

3.3.

Anwendungsbereiche ^

[22]

In diesem Kapitel werden verschiedene Anwendungsmöglichkeiten unter Betrachtung der jeweiligen rechtlichen Voraussetzungen der QES dargelegt und mit Skribble in Verbindung gebracht. Zu Beginn wird nochmals auf das Formerfordernis des Schweizer Rechts eingegangen. Die Einführung der QES geht keineswegs mit einer generellen Nutzung der QES, bezogen auf alle Rechtsgeschäfte, einher. «Ausgeschlossen ist die Ersetzung der eigenen Unterschrift durch ein kryptografisches Verfahren, wenn Gesetz (oder auch Vereinbarung) qualifizierte Formerfordernisse (Art. 11 N 6ff.) aufstellen (statt Vieler CHK-Kut, Art. 14–15 N 12).»36 Bspw. wird durch die QES die öffentliche Beglaubigung beim Notar nicht hinfällig. Im kantonal geregelten Notariatsrecht (gemäss Art. 55 SchlT ZGB) wird jedoch auf die QES Bezug genommen, jedoch wird der Signierende nicht von der physischen Anwesenheit während des Beurkundungsaktes entbunden, sinngemäss § 48/§ 60 BeurG des Kantons Aargaus.

3.3.1.

Mietrecht ^

[23]

In Bezug auf den Geltungsbereich von Art. 253 OR bedarf es bei Mietverträgen keiner besonderen Form. Blumer weist auf die formfreie Gültigkeit von Mietverträgen hin, jedoch unter Berücksichtigung von Mietverträgen als Beweisform, «wenn er im Grundbuch vorgemerkt werden soll» (Art. 71 GBV).37 Konkret wird in Art. 3 GBV von der Gleichwertigkeit der Form gesprochen, wobei Abs. 1 lit. a Ziff. 2 die QES explizit nennt. Infolgedessen ermöglicht die Formfreiheit wie auch die konkrete Nennung der QES im Zusammenhang mit der Schriftlichkeit die Anwendung der QES im Mietrecht. Spross spricht hierbei vom letzten Puzzleteil für die nahtlose digitale Abwicklung von Mietverträgen.38 Wie bereits in Kapitel 3.2 erwähnt, ermöglicht Skribble in Zusammenarbeit mit Flatfox und VERTI, Mietverträge online zu signieren. Die QES ermöglicht somit schnellere Abschlüsse sowie Kosteneinsparungen, da aufwändige Versandprozesse wegfallen und zudem durch die Online Plattform Folgeprozesse der Archivierung von Verträgen vereinfacht werden.39 Dabei sollte erwähnt werden, dass vor allem die schnelle und einfache Integration von Skribble eine weitreichende Nutzung im Mietrecht ermöglich und somit verschiedene Stakeholder im Immobilenmarkt profitieren.

3.3.2.

Vollmachten ^

[24]

Bezüglich der generellen Vollmachten werden vor allem die einschlägigen Art. 32 ff. OR bedeutsam. «Die Stellvertretung erlaubt rechtserhebliches Handeln einer Person mit Wirkung für eine andere».40 Der Anwendungsbereich der Stellvertretung umfasst jegliche Rechtsgeschäfte des Schuldrechts sowie Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften.41 Insofern basiert die juristische Tätigkeit eines Anwalts auf der direkten Stellvertretung nach Art. 32 Abs.1 OR sowie dem Auftragsverhältnis nach Art. 404 OR. Juristen signieren im Namen ihrer Klienten täglich zahlreiche Dokumente, wobei es den administrativen Aufwand nicht zu unterschätzen gilt.42

[25]

Vorab ist selbstverständlich eine Vollmacht einzuholen. Die QES erfüllt als letztes fehlendes Puzzleteil für die komplett End-to-End der Vertragsschliessung ihren ursprünglichen Zweck (vgl. Kap. 2). Vor allem in Beziehung auf Vollmachten erleichtert die QES beziehungsweise eine integrierte Lösung wie die von Skribble die Vertragsschliessung.43 Damit einher gehen die Steigerung der Effizient sowie die Kosteneinsparungen im juristischen Alltag.44 Von hohem Stellenwert ist hierbei, dass mit Skribble eine räumliche und zeitliche Flexibilität entsteht, da sehr einfach ort- und zeitunabhängig zu jeder Zeit signiert werden kann. Dies stellt insbesondere für international tätige Firmen einen Vorteil dar. Brechbuehl, Managing Partner bei Keller Carrhard, erwähnt in diesem Zusammenhang: «unsere Mandanten können schneller bedient werden und unsere Anwälte sparen Zeit».45 Abschliessend soll erwähnt werden, dass im Zusammenhang mit der Modernisierung des Handelsregisters (geltend ab 1 Januar 2021), «künftig auch bevollmächtigte Personen (Treuhänder, Anwälte und Notare) für eine Rechtseinheit eine Anmeldung einreichen können».46 Infolgedessen handelt es sich um einen weiteren Digitalisierungsschritt, der erst durch die QES komplett wird.

3.3.3.

E-Government ^

[26]

Vor allem im Zusammenhang mit dem Projekt Justitia 4.0 ermöglicht die QES als letztes Element den nahtlosen ERV.47 Kühn weist auf einen Ausbau der gerichtlichen und behördlichen elektronischen Korrespondenz hin und sieht dabei die QES als essentielles Element.48 Diesem wird bereits heute in verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen Rechnung getragen (vgl. Auflistung von Steiger).49 Die gesetzlichen Formerfordernisse ermöglichen somit die Integration der QES in den ERV. Wie bereits in Kapitel 3.2 erwähnt, ermöglicht Skribble Anwälten eine lückenlose Eingabe bei Behörden. Köchli, Partner der Anwaltskanzlei Altenburger, spricht hierbei von einer «simplen und rechtsicheren Lösung», welche bei der Eingabe von Dokumenten bei Behörden Abhilfe schafft.50 Des weiteren betrachten es auch Behördenvertreter der Kantone Schaffhausen und Fribourg als eine essentielle Zeiteinsparung.51

4.

Legal Design Thinking ^

[27]

Nachfolgend wird der Methodenansatz des «Legal Design Thinking» erläutert und mit Skribble und dessen Anwendungsbereichen in Verbindung gebracht.

4.1.

Definition ^

[28]

Der Prozess des Legal Design Thinking basiert auf der in der Betriebswirtschaft bekannten Design Thinking Methode. Diese Methode stellt den Menschen und seine Bedürfnisse ins Zentrum, wobei oft auch von Human-Centred-Design gesprochen wird.52 Im Zentrum steht die Interaktion mit den Stakeholdern, wonach in einem iterativen Prozess Prototypen ausgearbeitet werden.53 Nebst den Nutzerbedürfnissen wird jedoch auch auf die technologische Machbarkeit und wirtschaftliche Tragbarkeit (bei Legal Design Thinking rechtliche Umsetzbarkeit, siehe Abb. 4) einer Lösung geachtet. Im Falle der Bestätigung aller Bestandteile besteht die Möglichkeit, dass eine zukunftsversprechende und erfolgreiche Innovation aus der Methode entsteht.54 Substanziell sind nun nicht mehr die Kernkompetenzen eines Juristen, sondern viel mehr die Fähigkeiten, individuelle Lösungen für Klienten auszuarbeiten. Juristen, welche sich diese Methode zu nutzen machen, erarbeiten sich somit einen Wettbewerbsvorteil.55 Der Vorteil beruht nebst dem Fokus auf «customer centricity» auch auf den Kosteneinsparungen, welche durch technische Lösungen vorgenommen werden können und dem Trend der erhöhten Kostensensibilisierung seitens der Klienten entgegenwirken.56

[29]

Jedoch verhalten sich insbesondere Anwälte zögerlich, wenn es sich um innovative «Legal Design» Ideen handelt. Szabo57 wie auch Ruhl58 weisen auf das Paradoxon hin, mit welchen sich Anwälte konfrontiert sehen. Anwälte sind darauf trainiert, das Rechtssystem mit all seinen Facetten zu verstehen und mit Präzision vorzugehen. Im Vergleich dazu fordert die Methode eine neue, vereinfachte, kreative Denkweise bei gleichbleibenden Rechtsgeschäften. Ruhl spricht spezifisch von «the transformations the legal profession is undergoing, lawyers need all the help they can get in learning how to empathize with their clients».59 Jedoch wird gemäss Yankovskiy, «thinking outside the box» für eine erfolgreiche Zukunft im Rechtsmarkt essentiell sein.60

4.2.

Verbindung des Methodenansatzes mit Skribble ^

[30]

Wie bereits im vorangehenden Kapitel erklärt, handelt es sich bei «Legal Design Thinking» um einen Methodenansatz, welche die Bedürfnisse der Klienten ins Zentrum stellt. Ruhl spricht vom Anspruch an Anwälte – «make their clients’ interactions with the legal system more simple, intuitive, and pleasurable».61 Folglich befasst sich Legal Design Thinking gemäss Brunschwig mit der Entwicklung von simplen und intuitiven Visualisierungen, welche eine rechtliche Grundlage haben und eine technische Machbarkeit voraussetzen.62 Im Falle von Skribble lassen sich die Dimensionen des «Legal Design Thinking» (siehe Abb. 3) wie folgt qualifizieren:

 

 

Abb. 3: Legal Design Thinking Modell Stanford63

[31]

Design: Skribble arbeitet mit einem übersichtlichen, intuitiven und designvoll visualisierten Dashboard, wodurch der Anwalt jederzeit Zugriff auf die zu signierenden Verträge hat (siehe Abb. 3). Zudem kann er mit wenigen «Clicks» Dokumente signieren wie bei bspw. Stapelsignatur (vgl. Tab. 1). Zu berücksichtigen ist zudem in Verbindung mit international tätigen Kanzleien die örtliche und zeitliche Flexibilität, welche Skribble bietet und somit dem Alltag von international tätigen Anwälten entspricht (vgl. Tab. 1).

[32]

Technologie: Die kryptographische Verschlüsselung (AES-256-Verschlüsselung) garantiert eine sichere Zustellung der Signatur sowie die Möglichkeit der Rückverfolgung zu einer spezifischen Person. Zudem ermöglicht die einfache Integrierung der Skribble Plattform in bestehenden Applikationen eine weitreichende Nutzung. Die Plattform entfaltet somit ihr Potential bei der Integrierung in bestehende Prozesse von Behörden, Immobilienplattformen oder Kanzleien. Zudem ist die geräteübergreifende Einfachheit der Signierung von Vorteil.

[33]

Recht: Die Sicherheitsanforderungen wie die Erfordernisse für die Akkreditierung werden im ZertES, VZertES und DSG geregelt. Formvorschriften werden in Art. 11 ff. OR festgehalten, allerdings sind die Einzelheiten der spezifischen Schriftform in den jeweiligen Rechtsgeschäften zu entnehmen (Vgl. rechtlichen Rahmen in Kap. 2 & 3.3).

[34]

Nebst den oben genannten Dimensionen lässt sich durch die kürzlich stattgefundene Finanzierungsrunde wie auch das rasante Wachstum eine positive Aussage über die wirtschaftliche Tragbarkeit machen. Abschliessend lässt sich anhand von Skribble der Methodenansatz exemplarisch aufzeigen.

5.

Fazit ^

[35]

Zusammenfassend hat die systematische Literaturanalyse sowie Unternehmensanalyse gezeigt, dass der Methodenansatz des «Legal Design Thinking» anhand von Skribble verdeutlicht werden kann. Die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz wie auch in Europa ermöglichen, sofern die Formfreiheit gewährt ist, eine breite Anwendung der verschiedenen Standards von elektronischen Signaturen. Zudem zeigt die Analyse von Skribble eine bedürfnisorientierte Konzeption der Lösungen. Dies wird zudem in den verschiedenen Anwendungsbereichen ersichtlich. Hervorzuheben ist hierbei sicherlich die einfache Integration in bestehende Applikationen, bspw. im Falle von Intrum oder Flatfox, sowie die zeitliche und räumliche Flexibilität bei der Signierung selbst, wobei bei Eingabe von Dokumenten sowohl als auch die Korrespondenzkosten wie auch Zeit gespart werden kann.

[36]

Infolgedessen zeigt die interdisziplinäre Betrachtung unter Anwendung des Methodenansatzes, dass Skribble einen design-, technik- und rechtlich-orientierten Lösungsansatz bietet.

[37]

Unter Bezugnahme der erwähnten kompetitiven Wettbewerbssituation auf dem Rechtsmarkt (vgl. Kap. 1 und 5.1) stellt sich «Legal Design Thinking» als ein erfolgsversprechender Ansatz heraus. Durch Skribble lassen sich die zurzeit noch sehr hohen administrativen Aufwände deutlich reduzieren, ausserdem verdeutlicht Skribble die vorteilhafte Nutzung eines intuitiven und digitalen Lösungsansatzes im Rechtsmarkt.

[38]

Abschliessend ist hervorzuheben, dass basierend auf den technischen und designerischen Möglichkeiten zahlreiche weitere Anwendungsbereiche eruiert werden können. Nichtsdestotrotz müssten die gesetzlichen Grundlagen bezüglich Formerfordernis sowie Haftungsfragen grundlegend angepasst werden (vgl. Kap. 3.3 Notariatsrecht), was weitere Diskussionsräum eröffnet.


Christoph Lanter, Student der Betriebswirtschaftslehre (BWL) an der Universität St. Gallen (HSG).

  1. 1 Han, S. 1
  2. 2 Han, S. 1.
  3. 3 Kummer/Pfäffli, S. 134.
  4. 4 Susskind, S.140.
  5. 5 Kohlmeier, S. 48.
  6. 6 https://www.skribble.com.
  7. 7 Hürlimann, S. 4ff.
  8. 8 BBl, 1016.
  9. 9 BSK OR I-Kessler, Art.59a N 1.
  10. 10 BSK OR I-Kessler, Art. 59a N 1a.
  11. 11 BBl, 1017.
  12. 12 BBl, 1016.
  13. 13 Götz, Abschnitt «Zwingende Anwendungsfälle».
  14. 14 https://www.bakom.admin.ch/bakom/de/home/das-bakom/medieninformationen/medienmitteilungen.msg-id-2002.html.
  15. 15 https://www.docusign.de/wie-es-funktioniert/elektronische-signatur/digitale-signatur/digitale-signatur-faq.
  16. 16 https://www.swisscom.ch/de/business/enterprise/angebot/security/all-in-signing-service.html.
  17. 17 https://www.sas.admin.ch/sas/de/home/akkreditiertestellen/akkrstellensuchesas/pki1.html.
  18. 18 https://www.swisscom.ch/de/privatkunden.html.
  19. 19 https://www.quovadisglobal.ch.
  20. 20 https://www.swisssign.com.
  21. 21 https://www.bit.admin.ch/bit/de/home.html.
  22. 22 https://acrobat.adobe.com/ch/de/sign.html.
  23. 23 https://www.docusign.de.
  24. 24 Leuthold, Abschnitt «Weiter Millionen für Start-up Skribble».
  25. 25 Leuthold, Abschnitt «Weiter Millionen für Start-up Skribble».
  26. 26 Laratta, Abschnitt «Erste staatlich anerkannte eID für elektronisches Signieren lanciert».
  27. 27 https://www.intrum.ch/de/losungen-fur-unternehmen/uber-intrum/unsere-partner/skribble/.
  28. 28 Leuthold, Abschnitt «Intrum und Skribble gehen strategische Partnerschaft ein».
  29. 29 Leuthold, Abschnitt «Skribble und Digital Chameleon gehen strategische Partnerschaft ein».
  30. 30 Emmanouil, Abschnitt «Meilenstein in der Digitalisierung des Erst- und Wiedervermietungsprozess erreicht».
  31. 31 https://www.skribble.com/de/anwaelte/.
  32. 32 https://www.skribble.com/de/anwaelte/.
  33. 33 Dig & Johnson, S. 2.
  34. 34 https://www.skribble.com/de/integrationen/.
  35. 35 https://www.skribble.com/de/integrationen/.
  36. 36 BSK OR-I-Schwenzer/Fountlakis, Art. 14 N 6d.
  37. 37 KUKO OR-Blumer, Art. 253 N 10.
  38. 38 Spross in: Leuthold, Abschnitt «Wie Flatfox und VERIT mit Skribble den Mietvertrag digitalisierten».
  39. 39 Leuthold, Abschnitt «Wie Flatfox und VERIT mit Skribble den Mietvertrag digitalisierten».
  40. 40 BSK OR I-Watter, Art. 32 N 1.
  41. 41 BSK OR I-Watter, Art. 32 N 2–3.
  42. 42 Straub, S. 524ff.
  43. 43 Köchli, in: (https://www.skribble.com/de/anwaelte/).
  44. 44 Straub, S. 524ff.
  45. 45 Vgl. Brechbühl in: (https://www.skribble.com/de/anwaelte/).
  46. 46 https://www.bj.admin.ch/ejpd/de/home/aktuell/news/2020/2020-03-06.html.
  47. 47 https://www.justitia40.ch/de/.
  48. 48 Kühn, «Digital Law Bites #1.».
  49. 49 von Steiger, Rz. 12.
  50. 50 Köchli, in: (https://www.skribble.com/de/anwaelte/).
  51. 51 https://www.skribble.com/de/features/.
  52. 52 Hasso-Plattner-Institut, «Mit Design Thinking die Zukunft gestalten».
  53. 53 Grichnik/Brettel/Koropp/Mauer, 124ff.
  54. 54 Brown, S. 4; Brown/Katz, 382.
  55. 55 Kohlmeier, 48.
  56. 56 Prognos AG, 54f.
  57. 57 Szabo, 44.
  58. 58 Ruhl, 4.
  59. 59 Ruhl, 4.
  60. 60 Yankovskiy, 76ff.
  61. 61 Yankovskiy, 76ff.
  62. 62 Brunschwig, 297.
  63. 63 https://www.legaltechdesign.com.