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Zur eGovernment-Gesetzumsetzung im Land Berlin

  • Author: Dagmar Lück-Schneider
  • Category of articles: E-Government
  • Region: Germany
  • Field of law: E-Government
  • DOI: 10.38023/110fa8c9-58dc-4516-8cb1-19f9232a9e8b
  • Citation: Dagmar Lück-Schneider, Zur eGovernment-Gesetzumsetzung im Land Berlin, in: Jusletter IT 31 May 2022
Das E-Government-Gesetz Berlin trifft im Abschnitt 3 – IKT-Steuerung – Regelungen zur IKT-Steuerung des Landes. So werden bestimmte Aufgaben der Staatssekretärin für IKT und einer Organisationseinheit IKT-Steuerung sowie dem IT-Dienstleister des Landes zugeordnet. Im Zusammenhang mit der Umsetzung entstand auch ein neues Rollenkonzept für Beschäftigte mit Aufgaben im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik. Für dessen Entwicklung wurde auf eine im Auftrag des IT-Planungsrat entwickelte Studie zurückgegriffen. Die von der Studie antizipierten Vorteile konnten erreicht werden: Das Ergebnis ist geeignet, erforderliche Kompetenzen von Rollenträgern mit IKT-Aufgaben leicht zu identifizieren und unterstützt damit Einstellungen und Fortbildungen, die aufgrund der abgeleiteten Methodik sowohl rollenspezifisch, wie auch kompetenzorientiert und dann rollenübergreifend geplant werden können.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Das IKT-Rollenkonzept des Landes Berlin
  • 2.1. Die Studie E-Government-Kompetenz im Auftrag des IT-Planungsrates
  • 2.2. Das IKT-Rollenkonzept des Landes Berlin
  • 3. Bereits sichtbare Effekte
  • 4. Literatur

1.

Einleitung ^

[1]

Das Berliner eGovernment-Gesetz (EGovG Bln) trat 2016 in Kraft. Im Abschnitt 3 – IKT-Steuerung (§ 20–§ 25) trifft es Regelungen zur IKT-Steuerung des Landes. So werden bestimmte Aufgaben der Staatssekretärin für IKT und einer Organisationseinheit IKT-Steuerung, sowie dem IT-Dienstleister des Landes zugeordnet. „Der Einsatz der Fachverfahren wird von den fachlich zuständigen Behörden verantwortet“ (§ 20, Abs. 3, Satz 1 EGovG Bln). Laut § 2 Abs. 3, 2. Halbsatz verfolgt das EGovG Bln „die gemeinsame Nutzung von zentralen informations- und kommunikationstechnischen Strukturen und Organisationen sowie von Informationen und Ressourcen“. Insbesondere etliche Festlegungen in § 21 stärken zudem ein einheitliches Vorgehen, z. B. durch gemeinsame Standards in den Feldern Ergonomie, IT-Sicherheit oder Barrierefreiheit sowie über eine zentrale IKT-Architektur und die Standardisierung von Prozessen.

[2]

Als Folge neuer Aufgabenzuordnungen innerhalb des EGovG Bln wurde in der 22. Senatssitzung vom 18.09.2018 die Senatsverwaltung für Inneres und Sport beauftragt, „Vorschläge für die Aufgaben- und Rollenverteilung zwischen dem IT-Dienstleistungszentrum (ITDZ) Berlin, der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT)-Steuerung und den anderen Behörden Berlins zu entwickeln“1. In Folge wurde im Mai 2019 im Rahmen des Zukunftspakts Verwaltung „im Steckbrief 23 ein Organisations- und Rollenkonzept ,Digitalisierung‘ angekündigt“2.

[3]

2020 wurde das ausgearbeitete IKT-Rollenkonzept für das Land Berlin im Rahmen der Umsetzung des EGovG Bln3 vom IKT-Lenkungsrat4 für das Land Berlin zur Empfehlung beschlossen und wird seitdem mit zunehmender Umsetzung des EGovG Bln innerhalb der Organisationseinheit IKT-Steuerung kontinuierlich weiterentwickelt.

[4]

In diesem Beitrag wird auf Anlass, Entwicklung und Inhalte dieses Rollenkonzeptes eingegangen. Das erscheint vor allem deshalb interessant, weil das Land Berlin sich bei der Erstellung an einer vom IT-Planungsrat in Auftrag gegebenen Studie orientiert hat. Damit ist der vorliegende Beitrag geeignet, beispielhaft aufzuzeigen, welche Unterstützung solche – von diesem Bund-Länder-Gremium finanzierten – Studien bieten können. Auch kann die Vorgehensweise ggf. für andere Länder oder auf kommunaler Ebene interessant sein.

2.

Das IKT-Rollenkonzept des Landes Berlin ^

[5]

Das IKT-Rollenkonzept beschreibt – knapp gesagt –, welche Rollen im Land Berlin in welchen Behörden welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Hinblick auf Tätigkeitsfelder mit Bezug zur Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) übernehmen bzw. nach vollständiger Umsetzung des EgovG Bln übernehmen werden.

[6]

Neben den direkt aus dem EgovG Bln hervorgehenden Zielsetzungen ist das Rollenkonzept darauf ausgerichtet, in Verbindung mit den veränderten Aufgabenzuordnungen „eine einheitliche und standardisierte Wahrnehmung von IKT-Rollen in den Behörden und Einrichtungen“ 5 im Land Berlin zu erreichen sowie eine klare Verteilung von Verantwortung und Zuständigkeiten. In diesem Zusammenhang stellt das Rollenkonzept ein Zielbild dar. Durch seine kontinuierliche Fortschreibung kann auf Anpassungsbedarfe, die erst im Verlaufe dieser Veränderungen sichtbar werden, reagiert werden.

2.1.

Die Studie E-Government-Kompetenz im Auftrag des IT-Planungsrates ^

[7]

Bei der Erstellung des Rollenkonzeptes orientierte man sich an der vom IT-Planungsrat in Auftrag gegebenen, 2016 erschienenen Studie E-Government-Kompetenz6. Ebenso hilfreich erwies sich eine hierzu ergänzend herausgegebene Kurzstudie7 des NEGZ8.

[8]

In der Studie werden 19 Referenzrollen der öffentlichen Verwaltung mit IT-Bezug beschrieben. Außerdem wird ein mögliches Raster für Rollensteckbriefe mit Aufgaben, Verantwortlichkeiten und derzeit sowie in Zukunft benötigten Kompetenzen in den Kategorien Technische, Fachliche sowie Soziale u. Persönlichkeitsmerkmale vorgestellt. Dabei werden die fachlichen Kompetenzen weiter in sozio-technisch, die Organisation betreffend, Management und politisch-administrativ unterschieden.

[9]

Es werden aber nicht nur einheitliche Kompetenzkategorien festgelegt. Es gibt auch einen festen Kanon an Kompetenzen, der für alle Rollensteckbriefe herangezogen wird, beispielsweise 13 technische. Für die erforderlichen technischen wie fachlichen Kompetenzen wird zudem die Ausprägungsstufe angegeben, auf der diese für die verschiedenen Rollen vorliegen müssen. Dabei wird mit den Ausprägungsstufen Wissen, Anwenden und Gestalten gearbeitet.

2.2.

Das IKT-Rollenkonzept des Landes Berlin ^

[10]

Berlin hat sich an den Ergebnissen der Studie, insbesondere den Strukturen eng angelehnt, allerdings wurden die technischen Kompetenzen den fachlichen Kompetenzen untergeordnet. Die Rollen selbst mussten an die Berliner Situation angepasst werden. Für diese Arbeit war ein Team der Universität Münster eingebunden. Bei der Anpassung wurden für die Beschreibung der Rollen, ihrer Verantwortungsbereiche sowie Aufgaben Personen einbezogen, die gegenwärtig entsprechende Verantwortungsbereiche ausfüllen oder Aufgaben übernehmen. Dabei wurde berücksichtigt, dass die Personen aus Behörden unterschiedlicher Größe sowie mit unterschiedlich komplexen Fachaufgaben einbezogen wurden. Wie auch die Studie arbeitet das IKT-Rollenkonzept des Landes Berlin nun mit einem festen Kanon an Kompetenzen für die Beschreibung der Berliner IKT-Rollen. Das ermöglicht es beispielsweise, rollenübergreifende Personalmaßnahmen entlang gleich benötigter übergreifender Kompetenzbedarfe zu gestalten.

[11]

Die im Rollenkonzept beschriebenen Rollen sind zum überwiegenden Teil bestimmten Organisationen der Berliner Verwaltung oder bestimmten Organisationsbereichen zugeordnet.

[12]

Für die IKT-Steuerung ist im Land Berlin nach § 21 EGovG Bln die IKT-Staatssekretärin zuständig. Ihre Zuständigkeitsbereiche und Aufgaben werden im Gesetz umfassend aufgelistet. Aus dem Gesetz leitet sich auch ihre Leitung der im Land für die IKT-Steuerung (SenInnDS) zuständigen Organisationseinheit IKT-Steuerung ab, die der Senatsverwaltung für Inneres und Sport angesiedelt ist. Behörden wie Organisationseinheiten können ebenfalls in verschiedenen Rollen agieren, nämlich als Fachverfahrens- bzw. Dienste-Verantwortliche Behörden (FVDB) – die Verantwortungsbereiche gliedern sich dann noch einmal nach Politikfeldern auf – oder aber als Nutzende Behörden. Fachverfahrens- und Dienste-Verantwortung tragen i. d. R. Senatsverwaltungen und Senatskanzlei. Alle Behörden jeglicher Ebene agieren als Nutzende Behörden, sei es, dass sie fachverfahrensspezifische oder aber die sogenannte verfahrensunabhängige IKT nutzen. Für deren Bereitstellung ist laut EGovG Bln der IT-Dienstleister des Landes, das ITDZ Berlin, verantwortlich. Das Rollenkonzept umfasst Rollen, die die fachverfahrensspezifische wie verfahrensunabhängige IKT betreffen. Es umfasst politisch verantwortliche, fachlich verantwortliche sowie beratende und unterstützende Rollen. Die Rollen umfassen strategische und steuernde Aufgaben genauso wie solche, die sich aus der Nutzung der IKT ergeben.

[13]

Einige Beispiele (nicht vollzählig) zu politisch verantwortlichen, zu fachlich verantwortlichen sowie zu beratend und unterstützenden Rollen liefert Tabelle 1. Die Spaltenüberschriften geben an, welcher Organisation bzw. Organisationseinheit die Rolle zugeordnet ist. Die Zeilenüberschriften bilden zugleich die Kategorie, der die jeweiligen Rollen angehören.

Tabelle 1: Beispiele für im Land Berlin festgelegte IKT-Rollen

  SenInnDS
IKT-Steuerung
FVDB Nutzende Behörde
Politisch Verantwortlich Landesbevollmächtigte/r für Informationssicherheit Ressort-Digitalisierungsbeauftragte/r Gesamtbehördliche Durchführungs-
verantwortung
Fachlich Verantwortlich Landesweite IKT-Architektur IKT-Anforderungsmanagement Behördliche Fachverfahrens- u. Dienstebetreuung
Beratend und unterstützend   Landesweites Organisations- und Veränderungsmanagement Behördliches Organisations- und Veränderungs-
management
[14]

Alle Rollen werden im Rollenkonzept mit ihren Aufgaben beschrieben. Darauf aufbauend wurde, wie auch in der Studie E-Government-Kompetenz, zu jeder IKT-Rolle ein Steckbrief erarbeitet. Die Struktur wurde übernommen. Lediglich Kommunikationsbeziehungen wurden ergänzt. Wie auch in der Studie wurde entlang der entwickelten Steckbriefe zusätzlich eine Einschätzung der Ausprägungsstufen der Kompetenzen vorgenommen. Die Steckbriefe wiederum waren Grundlage für die Ausarbeitung von Muster-Formularen, die im Land Berlin zur Stellenbewertung eingesetzt werden. Hier ist der Detailgrad der Aufgabenbeschreibungen gegenüber den Steckbriefen noch einmal deutlich erhöht. Außerdem sind hierfür notwendige Bildungsabschlüsse oder berufliche Erfahrungen anzugeben. Alle Berliner Behörden können auf diese Beschreibungen nun zurückgreifen, z. B. wenn sie Stellen ausschreiben möchten, die mit einer IKT-Rollen-Übernahme (oder auch mehreren) verbunden sein sollen.

3.

Bereits sichtbare Effekte ^

[15]

Das Rollenkonzept und die darauf aufsetzenden Arbeitsergebnisse unterstützen gleiche Rollenbezeichnungen und ein gleiches Rollenverständnis über die Berliner Behörden hinweg. Dabei ist hinsichtlich der Zuordnung zu Rollenträgerinnen oder -trägern größtmöglicher Spielraum vorhanden, um der unterschiedlichen Komplexität von Politikfeldern und Aufgabenfeldern gerecht zu werden. So ist es sowohl möglich, dass eine Person mehrere Rollen als auch, dass mehrere Personen gemeinsam eine Rolle übernehmen.

[16]

Vorgesetzte wie Personalverantwortliche können sich über die erarbeiteten Dokumente eine sehr gute Übersicht über die nach jeweiligem Aufgabenbereich benötigten Kompetenzen verschaffen. Das kann es Führungskräften einerseits erleichtern, mit ihren Beschäftigten Qualifizierungsbedarfe zu ermitteln bzw. benötigte Kompetenzen bei Ausschreibungen umfassend zu berücksichtigen.

[17]

Für das Land erleichtert das Konzept und die Steckbriefbeschreibungen die Entwicklung von Qualifizierungskonzepten und Maßnahmen. So gibt es bereits Qualifizierungsvorschläge entlang der identifizierten Rollen, die aufgrund der ausgewiesenen Kompetenzen zusammengestellt wurden. Darüber hinaus wurde ein an den Rollenkompetenzen ausgerichtetes Qualifizierungskonzept vorgelegt, das durch eine Liste ausgewählter Qualifizierungsmaßnahmen ergänzt wird. Diese sind von rollenübergreifendem Interesse und können rollenübergreifende Qualifizierungsmaßnahmen zusätzlich unterstützen. Das Vorgehen erleichtert zudem, eigene Angebote zu entwickeln, weil auf diese Weise von einer höheren Teilnahmezahl ausgegangen werden kann.

4.

Literatur ^

Becker, J., Greger, V., Heger, O., Jahn, K., Krcmar, H., Müller, H., Niehaves, B., Ogonek, N., Räckers, M., Schuppan, T. & Zepic, R., E-Government-Kompetenz. Studie im Auftrag des IT-Planungsrats. Berlin, München, Münster, Siegen, 2016.

Ogonek, N., Räckers, M. & Becker, J., Rollen und Kompetenzen für eine erfolgreiche öffentliche Verwaltung im digitalen Zeitalter (NEGZ-Kurzstudie). Berlin, Münster, 2016.

Senat von Berlin, Senatsvorlage Nr. S-1212/2018 „Verfahrensabhängige IKT und Geschäftsprozessoptimierung“ vom 18. September 2018.

Senat und Rat der Bürgermeister (Hrsg.), Zukunftspakt Verwaltung vom 14. Mai 2019. (2019). Aufgerufen am 4.12.2019 unter https://www.berlin.de/rbmskzl/_assets/aktuelles/2019/mai/190514_zukunftspakt_verwaltung.pdf.

Senatsverwaltung für Inneres und Sport, V B 3 – Migrationsprogramm, Weiterentwicklung ITDZ Berlin, Aufsicht über das ITDZ Berlin, IKT-Personal (Hrsg.), Das IKT-Rollenkonzept für das Land Berlin. Konzeptpapier. Berlin. 2021a.

Senatsverwaltung für Inneres und Sport, V B 3 – Migrationsprogramm, Weiterentwicklung ITDZ Berlin, Aufsicht über das ITDZ Berlin, IKT-Personal (Hrsg.), IKT-Rollen-Steckbriefe. Berlin, 2021b.

Senatsverwaltung für Inneres und Sport, V B 3 – Migrationsprogramm, Weiterentwicklung ITDZ Berlin, Aufsicht über das ITDZ Berlin, IKT-Personal (Hrsg.), Das IKT-Rollenkonzept für das Land Berlin. Konzeptpapier (Beschlussfassung vom Lenkungsrat für IKT in 11/2020), 2020.

  1. 1 Senatsverwaltung für Inneres und Sport, V B 3 – Migrationsprogramm, Weiterentwicklung ITDZ Berlin, Aufsicht über das ITDZ Berlin, IKT-Personal (Hrsg.), 2021, S. 5 mit Bezug auf Senat von Berlin (Hrsg.), 2018.
  2. 2 Senatsverwaltung für Inneres und Sport, V B 3 – Migrationsprogramm, Weiterentwicklung ITDZ Berlin, Aufsicht über das ITDZ Berlin, IKT-Personal (Hrsg.), 2021, S. 5.
  3. 3 Im Folgenden wird stets vom IKT-Rollenkonzept oder auch nur vom Rollenkonzept gesprochen.
  4. 4 Dieses Gremium ist mit seinen Befugnissen, Aufgaben und seiner Zusammensetzung im § 22 des eGovG Berlin festgelegt.
  5. 5 Senatsverwaltung für Inneres und Sport V B 3 – Migrationsprogramm, Weiterentwicklung ITDZ Berlin, Aufsicht über das ITDZ Berlin, IKT-Personal (Hrsg.), 2021b, S. 5.
  6. 6 Becker, J., Greger, V., Heger, O., Jahn, K., Krcmar, H., Müller, H., Niehaves, B., Ogonek, N., Räckers, M., Schuppan, T. & Zepic, R., 2016.
  7. 7 Ogonek, N., Räckers, M. & Becker, J., 2016.
  8. 8 Nationales E-Government Kompetenzzentrum, e. V.