I.
Einleitung ^
Gesten sind eine Ressource, die Menschen gerne zur Kommunikation nutzen.1 Nebst dem direkten Gespräch zwischen Personen verlagert sich die zwischenmenschliche Kommunikation immer mehr weg von den geschriebenen Briefen auf verschiedene soziale Medien und/oder Messenger Diensten wie WhatsApp, Signal, Snapchat, TikTok usw hin zu. Dabei erfreuen sich die sog. Emojis einer immer grösseren Beliebtheit und werden sehr häufig verwendet.2 Mittlerweile schleichen sich die Emojis auch immer mehr in die berufliche Kommunikation, so dass mittlerweile auch im geschäftlichen Bereich die Verwendung von Emojis immer üblicher wird. Der Gebrauch von Emojis ist aus mehreren Gründen populär geworden. Emojis können dabei helfen, Emotionen in der schriftlichen Kommunikation mit bildlicher Darstellung zu transportieren. Emojis sind visuell ansprechend und können Nachrichten ansprechender und unterhaltsamer machen. Emojis können Zeit und Platz sparen, indem sie Wörter oder den Kontext einer Nachricht durch ein einziges Symbol ersetzen. Bekanntes Beispiel ist das Anzeigen eines Herz-Symbols, welches grundsätzlich eine positive Antwort darstellt und damit ein Einverständnis oder auch nur eine allgemeine Zustimmung und/oder Aufmunterung signalisieren kann. Emojis können dazu beitragen, einer Nachricht Nuancen und Persönlichkeit zu verleihen und der absendenden Person helfen, sich besser auszudrücken. Bei der zwischenmenschlichen Kommunikation wird rund 90 % nonverbal vermittelt,3 etwa durch Gestik und Mimik. Dieses nonverbale Element ist in der elektronischen Kommunikation nicht möglich, so dass die Schattierungen einer Aussage nicht transportiert werden können,4 und genau hier können die Emojis die Lücke mit Emotionen füllen.5 Es gilt aber auch zu bedenken, dass Emojis vor allem im Zusammenhang mit beruflicher Kommunikation als unangemessen wahrgenommen werden können. Wenn man bei einem Chat mit einer Person in unterschiedlicher Hierarchiestufe ein Herz Emoji verwendet, um seine Zustimmungen zu einer gewissen Aussage zu bekräftigen, kann das der Situation unangepasst erscheinen: Es könnte als übergriffig oder gar sexuell belästigend aufgefasst werden. Ein Daumensignal (Daumen hoch) wäre gegebenenfalls zielführender. Auch wenn einer der Vorteile der Verwendung von Emoji die gefühlte Schnelligkeit der Botschaften sind, ist für die Auslegung von unklaren Statements immer auf den Gesamtkontext abzustellen.
Seit dem Siegeszug der E-Mail-Kommunikation gerade im geschäftlichen Zusammenhang wird uns immer mehr auch bewusst, dass nicht nur schriftliche Äusserungen in einem unterschriebenen Brief, sondern auch digitale Mitteilungen rechtliche Konsequenzen haben können.
Aus rechtlicher Sicht stellt sich die Frage, inwiefern und unter welchen Voraussetzungen Emojis zivil- und strafrechtliche Rechtsfolgen zeitigen können.
1.
Definition in der Literatur ^
In der Literatur finden sich verschiedene Definitionen für das Wort «Emoji»:
Duden: «Aus Japan stammendes, einem Emoticon ähnliches Piktogramm, das auf Gefühlslagen, Gegenstände, Orte, Tiere, Essen o. Ä. verweist (in elektronischen Nachrichten)».6
Cambridge Dictionary: «Emoji: a digital image that is added to a message in electronic communication in order to express a particular idea or feeling.»7
Oxford English Dictionary: «A small digital image or icon used to express an idea, emotion, etc., in electronic communications.»8
2.
Definition in US Case Law ^
Das Bundesgericht hat sich bis dato noch nicht zur Definition des Begriffes Emoji geäussert. In den USA gibt es vereinzelte Statements dazu:
Graham v Prince:9 «Emoji are small, stylized images used to express ideas and emotions or to depict objects in electronic communications.»
Enjaian v. Schlissel:10 «Emoji is a pictograph included in a text message.»
Die zitierten US-Definitionen ergeben kombiniert das folgende Substrat als die wohl passendste Zusammenfassung: Ein Emoji ist ein digitales Icon-Bild, welches auf elektronischen Plattformen resp. Kanälen als Kommunikationstoken sui generis dient.
3.
Geschichte des Begriffes « Emoji » ^
Der amerikanische Technologiekonzern Apple ist auch für die globale Verbreitung von Emojis verantwortlich.11 Mit der Markteinführung des iPhones in Japan im Jahr 2008 stand unter iOS 2.2 erstmals ein Emoji-Set zur Verfügung, dessen Erweiterung ab 2011 unter iOS 5.0 allen iPhone-Nutzern weltweit offenstand.12 Dazwischen hatte das Unicode-Konsortium einer Petition von Google- und Apple-Technikern entsprochen und im Jahr 2010 erstmals Emoji-Codepunkte in den Unicode implementiert.13 Damit konnten die Emojis standardisiert werden, damit alle Plattformen, welche dem Unicode angeschlossen sind, Emoji in der gleichen Weise anzeigen und damit ähnlich einer Tastatur jeweils ein wiedererkennbares Symbol anzeigen.14
1.
Vertragsabschluss durch Emoji nach Art. 1 OR ff. ^
Überall dort, wo Kommunikation rechtlich relevant ist, sind auch dabei eingesetzte Emojis und ihr Erklärungswert zu würdigen.15 In Anlehnung an das erste metakommunikative Axiom nach Watzlawick et al. gilt: «Man kann mit Emojis nicht nicht kommunizieren».16 Zivilrechtlich betrachtet heisst dies im Umkehrschluss, dass jede Kommunikation mittels Emoji als Kommunikation gilt. Der (rechtsgeschäftliche) Wille der Erklärenden kann in drei Elemente unterteilt werden:17 Der Handlungswille, der Gestaltungswille und der Rechtsfolgewille.18 Im Idealfall deckt sich der Wille mit dessen Äusserung.19 Dann bringt der Erklärende seinen Handlungswillen, seinen Gestaltungswillen, und seinen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck.20 Eine abschliessend-umfassende Typologie der Umstände, welche in guten Treuen den Schluss auf den massgeblichen Vertragswillen erlaubt, ist nicht möglich.21
Der Erklärende kann seinen Willen nicht nur mithilfe von gesprochenen oder geschriebenen Worten, sondern auch durch andere gesellschaftlich anerkannte Zeichen zum Ausdruck bringen22 (z.B. Kopfnicken, Kopfschütteln, Handaufheben während einer Versteigerung).23 Die Verwendung von Emoji kann in diesem Zusammenhang durchaus als gesellschaftlich anerkanntes Zeichen betrachtet werden. Deshalb können die drei genannten Willenselemente grundsätzlich durch Emoji geäussert werden. Die Problematik der Interpretation von Willensäusserungen ist bei verbalen Äusserungen, schriftlichen Äusserungen und Emoji vergleichbar.
Als Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass Emoji grundsätzlich eine Willensäusserung darstellen können und damit auch nach Art. 1 OR ein Vertrag eingegangen werden kann.
2.
Culpa in contrahendo durch die Verwendung von Emoji ^
Eine Haftung nach den Grundsätzen der römischrechtlichen culpa in contrahendo besteht, wenn falsche oder unzureichende Angaben über den Vertragsgegenstand oder den Vertragsinhalt erfolgen, denn damit würden beim Vertragspartner Leistungserwartungen geweckt, die später durch den Vertragsinhalt nicht gedeckt sind.24 Durch die Verwendung von Emoji in Kommunikationen vor dem Abschluss eines Vertrages kann durchaus mit der Signalisierung eines Daumensignal (Daumen hoch) vermittelt werden, dass eine Einverständnis vorliegt, und damit suggeriert werden kann, einen bestimmten Vertrag abzuschliessen.
Es ist davon auszugehen, dass nicht allen bewusst ist, dass sie sich teilweise in vorvertraglichen Verhandlungen befinden. Eine reine soziale Kommunikation kann leicht den Charakter ändern: Wenn man bspw. in einem Chat den Kommunikationspartner fragt, ob er jemanden kennen würde, der einen bestimmten Gegenstand wohl kaufen würde, und dann die Antwort folgt, er selbst habe grundsätzlich Interesse, beginnt bereits eine vorvertragliche Verhandlung mit den entsprechenden Sorgfaltspflichten. In diesen Szenarien kann die einfache Verwendung von Emoji leicht zum Nachteil gereichen, indem rechtliche Konsequenzen für Gesprächsteilnehmer entstehen, die sich dessen kaum bewusst sind.
Der Tatbestand der Haftung aus culpa in contrahendo ist nach wohl herrschender Auffassung erfüllt, wenn die fünf folgenden Voraussetzungen kumulativ vorliegen:
- Vertragsverhandlungen
- Pflichtverletzung
- Schaden
- Kausalzusammenhang
- Verschulden25
In Zusammenhang mit der Verwendung von Emoji ist wohl insbesondere die erste Voraussetzung des Vorliegens von Vertragsverhandlungen von besonderem Interesse. Grundsätzlich kann jede Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Parteien den Charakter von Vertragsverhandlungen innehaben. Jedoch gilt es zu bedenken, dass gerade die mangelnde Wahrnehmung einer rechtlichen Verpflichtung im Rahmen der culpa in contrahendo vor allen unverbindlichen Gesprächen dazu führen muss, dass das Vorliegen dieser vorvertraglichen Haftung streng ausgelegt werden muss. Der rechtliche Anknüpfungspunkt muss wohl das Vorliegen des Verschuldens sein. Dabei sollte eng ausgelegt werden, ob jemand wusste oder hätte wissen müssen, dass beide Parteien einen Vertrag aushandeln und ob beim Vertragspartner ein Vertrauen in den Abschluss oder in Elemente des Vertrages geweckt werden, welche dann in pflichtwidriger Weise verletzt werden.
Als Zwischenfazit kann festgehalten werden, dass durch die Verwendung von Emoji grundsätzlich eine vorvertragliche Haftung nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo in Frage kommen kann, dies aber durch die Gerichte sehr eng auszulegen ist.
IV.
Strafrechtliche Betrachtungen ^
Der Siegeszug der elektronischen Kommunikation via E-Mail, Messaging Apps und Social Media hat einen direkten Einfluss auf gewisse Delikte, welche vorzugsweise online begangen werden. Die Onlinekommunikation hat neue Komponenten, welche im Zeitalter vor der Digitalisierung so nicht zu beobachten waren: Der potenzielle Empfängerkreis von Mitteilungen ist via E-Mail, Messaging Apps oder Social Media nahezu unbegrenzt. Mitteilungen und damit auch Emojis können auf dem elektronischen Wege sehr schnell hergestellt werden und Bilder in Sekundenschnelle weltweit versendet und empfangen werden.
Laut der Online Fachzeitschrift für Marketing und E-Commerce Acquisa26 haben aktuell die gängigsten Social Media weltweit folgende Nutzerzahlen:
- Facebook: 2,9 Milliarden
- YouTube: 2,2 Milliarden
- WhatsApp: 2 Milliarden
- Instagram: 1,3 Milliarden
- Facebook Messenger: 1,3 Milliarden
- WeChat: 1,2 Milliarden
- TikTok: 732 Millionen
- QQ: 606 Millionen
- Douyin: 600 Millionen
- Telegram: 550 Millionen
Diese gigantischen Nutzerzahlen sind im Zusammenhang mit strafrechtlich relevantem Gebrauch von Emoji zentral: Sie dokumentieren eindrücklich den potenziellen Wirkungskreis von Kommunikationen auf den genannten Plattformen. «Das Internet vergisst nicht.»27 Diese Tatsache verschärft die Folgen strafrechtlich relevanten Verhaltens im Zusammenhang mit Straftaten, die in irgendeiner Form im Internet sichtbar werden, für die Opfer massiv. Man stelle sich vor, dass unerwünschte Bilder veröffentlicht wurden: Hier ist dem Opfer bewusst, dass die verletzenden Bilder wahrscheinlich nie ganz vom Internet getilgt werden können, was natürlich die negative Wirkung geradezu katalysiert. Selbst wenn der Täter eruiert und bestraft wird, die Verletzung der Rechte hält an, gleichsam einem Dolch, der nicht aus dem Rücken gezogen wird, sondern dauerhaft stecken bleibt und Schmerzen verursacht.
a.
Deliktsstruktur ^
Eine üble Nachrede liegt vor, wenn jemand gegenüber einem Dritten über das Opfer eine Tatsachenbehauptung oder ein gemischtes Werturteil äussert, das die Ehre verletzt.28 Dabei spielt es für die Tatbestandsmässigkeit keine Rolle, ob die ehrenrührige Tatsachenbehauptung wahr oder falsch ist.29 Wenn die Tatsachenbehauptung nicht wahr ist, erhöht sich aber die Strafbarkeit nach Art. 173 Ziff. 2 StGB.30 Die Äusserung muss gegenüber einem Dritten (einem «andern») erfolgen. Es genügt, wenn es sich um eine einzige Person handelt.31 Es geht um die Verletzung der Ehre eines andern durch eine Tatsachenbehauptung oder ein gemischtes Werturteil.32 Ein gemischtes Werturteil ist eine Tatsachenbehauptung, die mit einem normativen Teilgehalt – also einer Wertung – eng verbunden ist.33 Sollte der Beschuldigte beweisen können, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht (sog. Wahrheitsbeweis) oder dass er zumindest ernsthafte und legitime Gründe hatte, sie für wahr zu halten (sog. Gutglaubensbeweis), so ist er nicht strafbar bzw. resultiert daraus eine Umkehr der Beweislast.34
b.
Emoji als Tatobjekt ^
Eine üble Nachrede durch ein Emoji ist in verschiedenen Szenarien denkbar. Das Daumensignal (Daumen hoch) Emoji kann bspw. benutzt werden, um jemanden antisemitisches Gedankengut zu unterstellen.35 Hierbei werden die Richter vor die Schwierigkeit gestellt werden, wie genau der erhobene Daumen nun zu verstehen sein wird. Wenn auf sozialen Plattformen ein Bild eines verletzten oder gar getöteten Menschen aus einem klar gekennzeichneten Konflikt gezeigt wird, ist zu eruieren, ob nun der Daumensignal (Daumen hoch) als Solidarität zum verletzten oder getöteten Menschen oder als zynische Gutheissung zu verstehen ist.
Als weiteres Szenario kann eine üble Nachrede durch ein Emoji strafrechtlich relevant sein, wenn jemandem auf einer sozialen Plattform ein Delikt vorgeworfen wird und jemand dies mit einer rennenden Person kommentiert. Heisst das nun, dass die absendende Person vermitteln wollte, der Angeschuldigte entziehe sich seiner Verantwortung, oder sollte es eine Aufmunterung darstellen? Für die Strafbarkeit ist es in subjektiver Hinsicht erforderlich, dass der Täter der Ehrenrührigkeit seiner Behauptung bewusst ist.36 Dies zu beweisen wird kaum aufgrund eines einzelnen Emoji gelingen, sondern muss sich vielmehr im Gesamtkontext einer Kommunikation zweifelsfrei ergeben. Auch hier gilt es einen eher strengen Massstab anzulegen, welcher eine angemessene Hürde für die Strafbarkeit eines Emojis setzt. Hierbei gilt es auch einerseits zu beachten, dass es sehr wohl möglich ist, ein Emoji versehentlich zu senden, andererseits erlauben einige Kommunikationskanäle die nachträgliche Korrektur eines ungewollt versandten Emojis.
a.
Deliktsstruktur ^
Bei der Verleumdung beschuldigt oder verdächtigt der Täter den Verletzten bei einem Dritten ehrenrühriger Tatsachen (insbesondere einer unehrenhaften Verhaltensweise), welche in Wirklichkeit nicht vorliegen.37 Die Vorschrift bezieht sich auf einen qualifizierten Tatbestand, eine üble Nachrede wider besseres Wissen gegenüber einem Dritten.38 Die Aussage muss unwahr sein, die Unwahrheit gehört zum objektiven Tatbestand.39 Ebenfalls wie bei Art. 173 StGB muss jemand bei einem anderen beschuldigt oder verdächtigt werden.40 Eventualdolus genügt nicht, notwendig ist vielmehr direkter Vorsatz in Bezug auf die Unwahrheit der Aussage.41 Es bleibt deshalb, wenn der Tatbestand des Art. 174 StGB erfüllt ist, kein Raum für Entlastungsbeweise.42
b.
Emoji als Tatobjekt ^
Wenn ein Täter den Verletzten auf einer sozialen Plattform mit einem konkreten Delikt in direkte Verbindung bringt, von welchem der Angeschuldigte resp. Verletzte freigesprochen wurde, und dies mit dem Emoji der schwedischen Flagge kommentiert, kann durchaus Verleumdung nach Art. 174 Ziff. 1 StGB vorliegen Das Emoji der schwedischen Flagge steht hierbei für Schwedische Gardinen und kann insinuieren, dass der Verletzte der Täter des erwähnten Deliktes gewesen ist. Der Täter muss den Freispruch und die ehrenrührige Bedeutung der schwedischen Flagge als Gleichsetzung mit strafrechtlicher Schuld gekannt haben.
a.
Deliktsstruktur ^
Der Tatbestand der Beschimpfung wird dadurch erfüllt, dass der Täter jemanden «in anderer Weise» (als durch Verleumdung oder üble Nachrede) in seiner Ehre angreift.43 Die Beschimpfung kann durch ein Bild44 oder Gebärden45 erfolgen. Gegenstand der Beschimpfung ist entweder eine Formalinjurie oder aber eine üble Nachrede/Verleumdung unter vier Augen, d. h. nur gegenüber dem Verletzten selbst.46 Der Ehrbegriff ist dahingehend auszulegen, dass dem Opfer durch den Täter auch bei einer Beschimpfung «jene Achtung versagt, die er ihm objektiv schuldet».47
Ist die Beschimpfung unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden, kann der Täter nach Art. 177 Abs. 3 StGB von der Strafe befreit werden. Bei der Provokation und Retorsion handelt es sich um fakultative Strafbefreiungsgründe, nicht um Rechtfertigungsgründe.48 In beiden Fällen lässt das Gesetz im Bagatellbereich Selbstjustiz zu.49
b.
Emoji als Tatobjekt ^
Zum Begriff der Provokation, welcher im Zusammenhang des Gebrauches Emoji eine besondere Relevanz hat: Der Beschimpfte hat durch sein ungebührliches Verhalten gegenüber dem Beschimpfer oder anderen Personen zu der Beschimpfung unmittelbar Anlass gegeben.50 Dies kann insbesondere bei längeren Konversationen auf Social Media vorkommen, wo sich die Tonlage der Diskussionen leicht hochschaukeln kann. Bei der Retorsion geht es darum, dass eine Beschimpfung ist unmittelbar mit einer Beschimpfung oder Tätlichkeit erwidert worden ist.51 Dies ist im Zusammenhang der Beschimpfung durch Emoji erwähnenswert, da häufig auf den sozialen Plattformen Diskussionen hin und her geschrieben werden und dann ein allenfalls beschimpfendes Emoji durchaus vom Spezialfall der Retorsion erfasst sein kann.52 Spannend hier vor allem in Verbindung mit Emojis ist, dass es nach Art. 177 Abs. 1 StGB sowohl in Schrift wie auch Bild erfolgen kann. Folglich kann eine Beschimpfung nach Art. 177 Abs. 1 StGB durch die Verwendung von Emoji erfolgen.
a.
Tatbestandsmässigkeit ^
Für die strafrechtliche Beurteilung einer Äusserung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts grundsätzlich der Sinn massgebend, welchen ihr der unbefangene durchschnittliche Dritte unter den gesamten konkreten Umständen beilegt.53 Eine Äusserung in der Öffentlichkeit erfüllt den Tatbestand von Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB, wenn sie von einem unbefangenen durchschnittlichen Dritten unter den gesamten konkreten Umständen in einem rassendiskriminierenden Sinne verstanden wird und der Beschuldigte eine Interpretation seiner Äusserung in diesem Sinne in Kauf genommen hat.54 Zu den für die Interpretation einer Äusserung wesentlichen Kriterien gehören auch die in der Person des Beschuldigten und in der Person des Betroffenen liegenden Umstände sowie die Tatumstände als solche.55 Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB setzt voraus, dass der Täter eine Person oder eine Gruppe von Personen «wegen ihrer Rasse, Ethnie oder Religion» («en raison de leur race, de leur appartenance ethnique ou de leur religion»; «per la loro razza, etnia o religione») herabsetzt oder diskriminiert.
«Man kann mit Emojis nicht nicht kommunizieren».
b.
Kasuistik des Bundesgerichtes: ^
Bei Äusserungen wie beispielsweise «schwarze Sau», «Dreckjugo», «Saujude» ist der Bezug zu einer bestimmten Rasse, Ethnie oder Religion offensichtlich ohne Weiteres gegeben. Solche Äusserungen fallen unter den Anwendungsbereich von Art. 261bis Abs. 4 erste Hälfte StGB. Sie erfüllen diesen Tatbestand, wenn auch die übrigen Tatbestandsmerkmale gegeben sind, der Betroffene also dadurch in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabgesetzt wird. Bei Äusserungen wie «Sauausländer» oder «Dreckasylant» fehlt demgegenüber ein Bezug zu einer bestimmten Rasse, Ethnie oder Religion.
c.
Zur Systematik des Art. 261bis StGB: ^
Hinsichtlich des Adressatenkreis erfassen Art. 261bis Abs. 1–3 StGB im Grundsatz Handlungen, welche sich an die Öffentlichkeit richten.56 Dies ist in gewissen Sozialen Medien mit Emoji ohne Weiteres möglich, indem der Täter sein Profil für alle Nutzer einsehbar schalten kann. Damit können grundsätzlich alle Mitglieder der Plattform das gegebenenfalls rassistische Emoji und damit verbundene Äusserungen einsehen.
d.
Emoji als Tatinstrument ^
Es stellt sich nun die Frage, inwiefern die Verwendung von Emoji als Tathandlung von Art. 261bis Abs. 1–5 StGB qualifizieren kann.
Art. 261bis Abs. 1 StGB, Aufruf zu Hass oder Diskriminierung:
- Wenn bei gewissen Äusserungen zu einer rassischen Gruppe,57 ethnischen Gruppe58 oder Nationalität59 als Kommentar Emoji von Tiersymbolen gezeigt werden. Dies ist in einigen Kulturen eine sehr starke Form der Herabsetzung, da gewisse Tiere als unrein gelten.
- Wenn ein positives Jubel-Emoji angezeigt wird, wenn über Opfer von Gewalt berichtet wird, die einer Rasse, einer ethnischen Gruppe oder einer Nationalität angehören.
- Wenn bei positiven Nachrichten betreffend einer rassischen Gruppe, ethnischen Gruppe oder Nationalität ein negatives Emoji gezeigt wird (kotzend, oder dampfend vor Wut).
- Weiter denkbar wäre die Darstellung eines deutschen Sportwagens mit oder ohne der Bezeichnung 911 in Anlehnung an das Datum der Attentate in den USA im Jahre 2001.
Art. 261bis Abs. 2 StGB, Verbreitung von Ideologien:
Allein durch die Verwendung von Emojis ist es schwerlich denkbar, dass Ideologien verbreitet werden können. Dazu müsste wohl im Kontext dazu noch erklärende Textbausteine verbreitet werden. Ein Emoji allein wird nicht genügend Information in sich tragen können, um eine Ideologie selbsterklärend zu zeigen.
Dies wird durch die Verwendung von Emoji möglich sein. Ein Daumensignal (Daumen hoch), welches einen Aufruf zu Hass und Diskriminierung oder die Verbreitung einer Ideologie kommentiert, kann als Hilfeleistung betrachtet werden. Dies kann dadurch verstärkt werden, dass die kommentierende Person selbst einen grossen Empfängerkreis erreicht.
Art. 261bis Abs. 5 StGB, Herabsetzung und Diskriminierung:
Durch die Verwendung eines oder mehrerer Emojis können sowohl eine rassische Gruppe, ethnische Gruppe sowie eine Nationalität erkennbar gemacht werden, indem bspw. Flaggen oder ähnliche Symbole gezeigt werden. Wenn dann in diesem Kontext gegenüber einer Gruppe von Personen klar erkennbar diskriminierend und herabsetzend Emoji verwendet werden, wird dieser Tatbestand in objektiver Hinsicht erfüllt sein. Dies kann durch das Zeigen einer Flagge eines Landes, gefolgt von einem negativen Emoji, erfolgen.
Art. 261bis Abs. 5 StGB, Leugnen etc. von Völkermord/Verbrechen gegen die Menschlichkeit:
Dies wird wohl durch die Verwendung von Emoji gegenüber einer Gruppe von Personen möglich sein, wenn bei Texten und Bildern zu einem Völkermord/Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein Emoji gezeigt wird, welches in erkennbarer Weise einen Umstand negiert oder erkennbar die Aussagen verhöhnt. Die Negierung kann bspw. durch die Darstellung von Emoji eines Stieres und Exkrementen erfolgen, was in der Kombination für «Bullshit» steht. Die Verhöhnung kann durch die Darstellung von Applaus erfolgen.
Art. 261bis Abs. 5 StGB, Verweigerung einer Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist:
Dies ist dann der Fall, wenn der Gleichheitsgrundsatz dadurch verletzt wird, dass eine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund an den Kriterien der Rasse, Ethnie oder Religion anknüpft, und dies im Bestreben erfolgt oder die Wirkung hat, dass die Betroffenen die ihnen zustehenden Menschenrechte nicht ausüben können oder in der Ausübung beschränkt oder behindert werden.60 Eine solche Leistungsverweigerung ist allein durch Emoji wohl nur eingeschränkt möglich. Denkbares Szenario, welches allerdings etwas weit hergeholt ist: Allenfalls wenn ein staatlicher Akteur auf einen Medienbericht, welcher ein Recht für eine rassische Gruppe, ethnische Gruppe oder Nationalität einfordert, mit einem Daumensignal (Daumen runter) Symbol kommentiert. Allerdings müsste dann wahrscheinlich die Leistung in der Folge auch tatsächlich verweigert werden.
V.
Schlussbetrachtungen ^
Wir sind uns bewusst, dass wir durch mündliche und schriftliche Äusserungen Rechtswirkungen erzeugen resp. eingehen können. Seit dem Siegeszug der elektronischen Kommunikation gilt es zu beachten, dass auch diese vermeintlich unverbindliche Art des Austausches durchaus rechtliche Wirkungen haben kann. Diese Abhandlung zeigt auf, dass mit der Verwendung von digitalen Emojis sehr wohl Verträge mit konkreten analogen Auswirkungen eingegangen werden können. In strafrechtlicher Hinsicht stellen die Emoji ein weiteres Instrumentarium für die Delikte Beschimpfung, Verleumdung und Rassendiskriminierung dar. Dabei gilt es doch zu beachten, dass der Beweis des subjektiven Tatbestandes bei der Ausübung der genannten Delikten mit der Verwendung von Emoji die Ankläger, Staatsanwaltschaften und Privatkläger vor beachtliche Herausforderungen stellen wird.
Dr. iur. David Wicki-Birchler, LL.M. ist Studiengangleiter und Dozent an der HWZ Hochschule für Wirtschaft in Zürich.
- 1 Lauren Gawne/Jennifer Daniel: The past and future of hand emoji, p. 1.
- 2 Qiyu Bai/Qi Dan/Zhe Mu/Maokun Yang: A Systematic Review of Emoji: Current Research and Future Perspectives, in Frontiers in Psychology Volume 10 – 2019.
- 3 Maria Blahova, Specific role of nonverbal communications in Business, in European Scientific Journal, April 2015, Vol. 11, Nr. 10, p. 14.
- 4 Rachel Scall, Emoji as Language and their place outside American Copyright Law, in: N.Y.U. Journal of Intell.Prop.&Ent.Law, Volume 5, Spring 2016, Number 2, p. 382.
- 5 Jeff Blagdon, How Emoji conquered the World, www.theverge.com/2013/3/4/3966140/how-emojii-conquered-the.world.
- 6 Online Duden https://www.duden.de/rechtschreibung/Emoji, zuletzt besucht am 18. April 2024.
- 7 Online Cambridge Dictionary https://dictionary.cambridge.org/dictionary/english/emoji, zuletzt besucht am 18. April 2024.
- 8 https://www.oxfordlearnersdictionaries.com/us/definition/english/emoji, zuletzt besucht am 18. April 2024.
- 9 Graham v. Prince, 265 F. Supp. 3d 366 (S.D.N.Y. 2017).
- 10 Enjaian v. Schlissel, No. 14-cv-13297 (E.D. Mich. May 27, 2015).
- 11 Matthias Pendl: Emojis im (Privat-)Recht, Studien zum ausländischen und internationalen Recht, Tübingen 2022, S. 41.
- 12 Pendl (Fn. 12), S. 41.
- 13 Pendl: (Fn. 12), S. 41.
- 14 Eric Goldman, Emoji and the The Law in Washington Law Review Vol. 92, p. 1234.
- 15 Pendl: (Fn. 12), S. 103.
- 16 Paul Watzlawick/Janet Beavin/Don Jackson, Menschliche Kommunikation, 2017, S. 60.
- 17 Christoph Müller, in: Berner Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Bern 2018, N 15 zu Art. 1 OR, in Art. 1–18 OR mit allgemeiner Einleitung in das Schweizerische Obligationenrecht. (zit. Müller, BK, Art. 1 OR N 15).
- 18 Müller, BK, Art. 1 OR N 15.
- 19 Müller, BK, Art. 1 OR N 19.
- 20 Müller, BK, Art. 1 OR N 19.
- 21 Zellweger-Gutknecht Corinne/Bucher Eugen, Vor Art. 1–40 f., in: Honsell Heinrich/Vogt Nedim Peter/Wiegand Wolfgang (Hrsg.), Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1–529 OR, 6. Auflage, Basel 2015, Art. 1 N 18 (zit. BSK OR I-Zellweger-Gutknecht, Art. 1 N 18).
- 22 Müller, BK, Art. 1 OR N 35.
- 23 Ingeborg Schwenzer/Christina Fountoulakis, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Bern 2020, N 27.09.
- 24 Iole Fargnoli, Culpa in contrahendo im «Dornröschenschlaf»? – Zur vorvertraglichen Haftung beim zustande gekommenen Vertrag, in SJZ 107/2011, S. 174.
- 25 Andrea Patricia Stäubli, Die Regelung über die vorvertragliche Anzeigenpflicht des Versicherungsnehmer nach Art. 4 ff. VVG und ihr Verhältnis zum allgemeinen Zivilrecht, in: Versicherung in Wissenschaft und Praxis, Band/Nr. 13 2019, N. 697.
- 26 www.acquisa.de/magazin/social-media-statistiken# zuletzt besucht am 18. April 2024.
- 27 Norbert Nolte, Zum Recht auf Vergessen im Internet: Von digitalen Radiergummis und anderen Instrumenten, in: Zeitschrift für Rechtspolitik, 24. November 2011, 44. Jahrgang, p. 236.
- 28 Andreas Donatsch, Strafrecht III, Delikte gegen den Einzelnen., Zürich 2018, S. 401.
- 29 Donatsch Strafrecht III, S. 401.
- 30 Vgl. Urteil des BGer 6B_176/2013 vom 13. Mai 2012 E. 2.2.
- 31 Riklin Franz, in: Basler Kommentar, Strafrecht, 4. Aufl. 2019, N. 1 zu Art. 173 StGB mit Hinweisen (zit. BSK StGB-Riklin, Art. 173 N 1).
- 32 BSK StGB-Riklin, Art. 173 N 1.
- 33 Selman Simmler, «Shitstorm – strafrechtliche Dimensionen eines neuen Phänomens», ZStrR 136/2018, S. 267.
- 34 BSK StGB-Riklin, Art. 177 N 12.
- 35 BGE 146 IV 23, S. 26.
- 36 BGE 119 IV 47.
- 37 Donatsch Strafrecht III, S. 398.
- 38 BSK StGB-Riklin, Art. 174 N 1.
- 39 Urteil des BGer 6B_1100/2014 vom 14. Oktober 2015 E. 4.1; Bernard Corboz, Art. 174 StGB, N 5; Martin Schubarth, Kommentar, Art. 174 StGB, N 7.
- 40 BSK StGB-Riklin, Art. 174 N 3.
- 41 Urteil des BGer 6B_1100/2014 vom 14. Oktober 2015 E. 4.1.
- 42 Günter Stratenwerth/Guido Jenny/Felix Bommer, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I; Straftaten gegen Individualintere, Bern 2010, § 11 N 58.
- 43 Donatsch Strafrecht III, S. 412.
- 44 BSK StGB-Riklin, Art. 177 N 7.
- 45 Vgl. BGE 102 IV 172.
- 46 Franz Riklin, in: Basler Kommentar, Strafrecht, Bd. II, 4. Aufl. 2019, N 1 zu Art. 177 StGB.
- 47 BSK StGB-Riklin, Art. 177 N 1, Militärappellationsgericht 2A, 23. November 1993, SJZ 1994, 293 f., Nr. 38.
- 48 BGE 109 IV 39, 43.
- 49 BSK StGB-Riklin, Art. 177 N 19.
- 50 BSK StGB-Riklin, Art. 177 N 23.
- 51 BSK StGB-Riklin, Art. 177 N 27.
- 52 BSK StGB-Riklin, Art. 177 N 20.
- 53 BGE 140 IV 67 S. 69.
- 54 BGE 133 IV 308 E. 8.5.1
- 55 BGE 133 IV 308 E. 8.8.
- 56 BSK StGB-Schleiminger Mettler, Art. 261bis N 7.
- 57 BSK StGB-Schleiminger Mettler, Art. 261bis N 14.
- 58 BSK StGB-Schleiminger Mettler, Art. 261bis N 15.
- 59 BSK StGB-Schleiminger Mettler, Art. 261bis N 16.
- 60 Marcel Alexander Niggli, Rassendiskriminierung, Ein Kommentar zu Art. 261bis StGB und Art. 171c MStG mit Rücksicht auf das «Übereinkommen vom 21. Dezember 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung» und die entsprechenden Regelungen anderer Unterzeichnerstaaten. 2. Aufl. 2007, N 1033.