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Wie viele Bilder braucht das Recht?

  • Authors: Caroline Walser Kessel / Sabine Kilgus / Cordula Niklaus
  • Category of articles: Rechtsvisualisierung & Legal Design
  • Field of law: Rechtsvisualisierung & Legal Design
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2024
  • DOI: 10.38023/64feb8ef-1e1e-454a-b378-5d60b0f29261
  • Citation: Caroline Walser Kessel / Sabine Kilgus / Cordula Niklaus, Wie viele Bilder braucht das Recht?, in: Jusletter IT 28 March 2024
Seit vielen Jahren wird am IRIS über Rechtsvisualisierung bzw. Multisensorisches Recht in einem eigenen Programmteil berichtet. Der Verein Zentrum für Visuelles Recht, Rechtspsychologie und Rechtskommunikation in Zürich setzt sich seit seiner Gründung im Jahr 2012 intensiv mittels verschiedener Publikationen, Vorträgen und Studien für die Propagierung dieser neuen Herangehensweise im Recht ein. Die Autorinnen dieses Beitrags, die alle als praktizierende Rechtsanwältinnen und Dozentinnen tätig sind, begegnen in den letzten Jahren im Rahmen ihrer Arbeit einer zunehmenden Visualisierung von Rechtstexten. Die Publikationen in Fachzeitschriften, die Lehrbücher, die Webseiten von Amtsstellen wie auch die Power Point Präsentationen anlässlich von Vorträgen werden immer bunter und bildreicher. Ziel dieses Beitrages ist, einen Einblick in diese erfreuliche Entwicklung zu gewähren, ohne dabei Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Ob damit immer die Kriterien der wissenschaftlichen Rechtsvisualisierung erfüllt werden, wird in Frage gestellt. Immerhin führt diese Tendenz dazu, dass Texte lesbarer, ansprechender und benutzerfreundlicher werden. Dies ist ein Ergebnis, das dem allgemeinen Rechtsverständnis und der Akzeptanz des Rechts nur dienen kann.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Ein Rundgang durch die verschiedenartigen juristischen Veröffentlichungen
  • 2.1. Lehrbücher und Kommentare
  • 2.2. Fachzeitschriften
  • 2.3. Webseiten juristischer Akteure
  • 2.4. Vortragsfolien von Fachveranstaltungen
  • 3. Analyse
  • 4. Ausblick

1.

Einleitung ^

[1]

Die Visualisierung von Rechtstexten war in den letzten Jahren regelmässig ein Thema am IRIS. Dank der Initiative von Colette Brunschwig gibt es jedes Jahr eine eigene Session, welche sich mit den neuesten Entwicklungen der Rechtsvisualisierung auseinandersetzt. Brunschwig hat mit ihren frühen theoretischen Arbeiten bewirkt, dass die Rechtsvisualisierung eine respektierte wissenschaftliche Disziplin geworden ist.1 Dies ist ein grosses Verdienst, das es zu würdigen gilt.

[2]

Im Rahmen des hier zur Diskussion stehenden Themas ging es am IRIS einerseits um das bessere Verständnis von Rechtstexten bei besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen wie Kinder, sozial Benachteiligten, Senioren. So wurde 2012/2014 das Buch für Kinder und Jugendliche2 vorgestellt, welches Caroline Walser Kessel als Pionierin für die praktische Anwendung von Visualisierung im Schweizer Recht verfasst hat sowie 2015 eine Schriftenreihe zum damals neu in Kraft getretenen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht in der Schweiz3. Die These war, dass Visualisierungen das Rechtsverständnis fördern würden. Die Akteure, welche mit Visualisierungen arbeiten, können dies bestätigen. Leider wird diese Vorgehensweise in der juristischen Praxis nur sehr zögerlich angegangen. Ein Grund nebst dem mangelnden Interesse an Innovation sind die hohen Kosten für visualisierte Druckerzeugnisse4.

[3]

Anderseits hat eine Untersuchung von Mielke/Wolff/Walser Kessel 2017 die IRIS-Beiträge der letzten 20 Jahre auf ihre Visualisierungen hin geprüft und dabei feststellen können, dass immerhin in diesem akademischen Kontext eine zunehmende Tendenz zu Visualisierung ersichtlich ist5.

[4]

Visualisierte Vertragsdokumente als „Übersetzungshilfe“ im multidisziplinären und internationalen Wirtschaftsleben wurden regelmässig und in immer ausgefeilterer Form von Helena Haapio und ihren MitstreiterInnen vorgestellt6.

[5]

Ob die Justiz sich visueller Mittel bedient, war 2018 Gegenstand einer empirischen Untersuchung von Mielke/Wolff/Walser Kessel7. Dabei konnte festgestellt werden, dass die juristischen Akteure (RichterInnen, AnwältInnen) die meisten Visualisierungstypen kannten, und zum Teil auch verwendeten, so z.B. zum Eigengebrauch, zur Verdeutlichung von Sachverhalten oder zur Beschreibung zeitlicher Zusammenhänge, seltener hingegen zur Darstellung rechtlicher Zusammenhänge. Visualisierungen spielen also in der Praxis eine weit größere Rolle als in der traditionellen juristischen Forschungs- bzw. Fachliteratur, wo Visualisierungen bisher nur sehr zögerlich Eingang finden.

[6]

Es wird also spannend sein herauszufinden, was sich in den letzten rund fünf Jahren seit dieser Studie auf dem Gebiet der Rechtsvisulisierung verändert hat bzw. ob die Rechtsvisualisierung inzwischen stärker im Vormarsch ist.8

2.

Ein Rundgang durch die verschiedenartigen juristischen Veröffentlichungen ^

2.1.

Lehrbücher und Kommentare ^

[7]

Ein Rundgang durch die renommierte Buchhandlung Schulthess in Zürich, welche alle einschlägigen juristischen Publikationen der Schweiz verkauft und zu einem grossen Teil auch verlegt9, zeigt ein eher schwarz-weisses Bild. Die neuesten Auflagen der grossen Kommentare zum Schweizerischen Recht (Berner Kommentar zum ZGB/OR, Zürcher Kommentar zum ZGB/OR, Schweizerisches Privatrecht) sind alle nicht illustriert. Man findet kaum eine Tabelle, geschweige denn eine Visualisierung im Sinne eines Bildes.

[8]

Auch die klassischen Lehrbücher sind bisher eher nicht visualisiert. Höchstens in Kapiteln, die sich mit dem Verfahren vor Gericht oder einer Behörde befassen, kommen vereinzelt Visualisierungen vor. Es handelt sich dabei aber um gegliederte Texte, d.h. um Begriffe in mit Linien oder Pfeilen verbundenen Kästchen. Ab und zu ist ein wichtiger Textausschnitt (Definition, Fazit) in einem mit Grauton unterlegten Kasten hervorgehoben.10

[9]

Bei den Skripten zeigt sich schon ein Lichtschein: Bunte Titelbilder und teilweise Schaubilder und Illustrationen schmücken diese Gattung juristischer Literatur.

[10]

Hierzu muss bemerkt werden, dass es im Verfahrensrecht (Zivilprozessrecht und Schuldbetreibungs- und Konkursrecht) schon seit sehr langem rein visualisierte Lehrmittel gibt. Pionierhaft war damals bereits in den 1970er Jahren Hans-Ulrich Walder-Bohner mit seinen Tafeln. Es folgten dann die Tafeln zum Obligationenrecht von Hermann Schulin und Nedim Peter Vogt und zum Strafrecht von Jörg Rehberg. Generationen von Studierenden, auch die Autorinnen dieses Beitrags, haben sich mit diesen Tafeln auf die Prüfungen vorbereitet.

[11]

Im Anhang findet sich das Interview der Autorinnen mit dem Verlagsleiter von Weblaw AG, einem Verlag, der nebst klassischen Print-Büchern stark auf E-Books11 und sonstige elektronische Publikationen setzt. Der Hauptgrund, dass die gedruckten Bücher nicht mehr Illustrationen enthalten, liegt einmal mehr im finanziellen Bereich. Bei den digitalen Produkten gäbe es noch weitergehende Möglichkeiten, zum Beispiel mittels interaktiven Visualisierungen. Der Trend geht in diese Richtung, da die Bedeutung von Legal Design zunimmt.

[12]

Auch der Verleger Firas Kharrat von Schulthess Juristische Medien sieht es ähnlich: Nicht Visualisierung um jeden Preis, sondern gezielt im Hinblick auf den Zweck des Produkts und mit Anspruch auf Qualität. Den Trend sieht auch er steigend.

2.2.

Fachzeitschriften ^

[13]

Ein Blick in die verschiedenen Schweizer Fachzeitschriften zeigt ein uneinheitliches Bild. Die Schriftenreihe des Schweizerischen Juristenvereins ZSR enthält keine Visualisierungen. Selten finden sich Tabellen in der FamPra (Praxis des Familienrechts) oder in der Zeitschrift für Kindes- und Erwachsenenschutz. Es geht meist um die Kommentierung von neuen Gerichtsentscheiden oder um Fachartikel. Hingegen finden sich in der Schweizerischen Anwaltsrevue12 regelmässig sogar farbige Tabellen, Diagramme und Schemata.

2.3.

Webseiten juristischer Akteure ^

[14]

Wenn man im Internet surft, entdeckt man auch im Bereich des Rechts eine bunte Welt von Webseiten. Um aus Platzgründen nur ein Beispiel herauszupicken, das den neuen Trend prägnant darstellt, sei auf die Webseite der FINMA, der schweizerischen Finanzmarkaufsicht, hingewiesen13. Diese Stelle der Bundesverwaltung gilt nicht gerade als besonders originell und trendy. Dennoch ist der neueste Webauftritt modern, ansprechend, verständlich und entspricht allen wissenschaftlichen Kriterien der Rechtsvisualisierung:

[15]

Dies ist ein Ausschnitt aus einem kurzen Video, in welchem die Aufgabe der Überwachung des Finanzplatzes dargestellt wird.14

[16]

Weitere Beispiele, wonach spielerische Formen der Visualisierung auch für unterschiedliche und ernste Themen verwendet werden, sind Finance Watch15 mit seinen vielen informativen Cartoons oder der Erklärfilm zur UN-Frauenrechtskonvention CEDAW16. Die 1997 auch von der Schweiz ratifizierte UN-Frauenrechtskonvention zur Beseitigung jeder Art von Diskriminierung der Frau wird dabei als YouTube-Trickfilm in leicht verständlichen Bildern gekonnt erklärt mit dem Ziel, das Thema der Gleichstellung, der Beseitigung von Geschlechterdiskriminierung und damit der Geschlechtergerechtigkeit einer breiteren Öffentlichkeit näher zu bringen und bekannt zu machen. Der Kurzfilm wurde von der im Anschluss an die 4. UN-Weltfrauenkonferenz 1995 in Beijing gegründeten NGO Koordination post Beijing Schweiz in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen EKF lanciert, und gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des Gleichstellungsgesetzes am 1. Juli 2020 veröffentlicht.

CEDAW kurz erklärt – die UNO-Frauenrechtskonvention und die Schweiz

youtube.com

[17]

Interessant ist auch, dass z.B. das Bezirksgericht Zürich auf seiner Webseite zu visuellen Mitteln greift. So wird im Bereich Rechtsinformationen für das Publikum im Erbrecht eine farbige Visualisierung eines komplexen Falles gezeigt, um den Gerichtsentscheid besser verständlich zu machen.17 Der dazugehörige Text wurde aus Platzgründen hier ausgeblendet, ist aber via Fn. 16 zu lesen.

 

2.4.

Vortragsfolien von Fachveranstaltungen ^

[18]

Besucht man Fachveranstaltungen jeglicher juristischer Disziplinen, so überbieten sich die Referenten geradezu mit Illustrationen ihrer Folien. Dabei werden zum Teil einfach Füllbilder verwendet, wohl mit dem Zweck, dass der Vortrag dadurch lebendiger wird und das Publikum besser hinschaut bzw. hinhört. Diese Bilder haben zwar einen Bezug zum Inhalt der Folie, aber sie sind rein illustrativ. Anders die Charts, Diagramme und Ablaufschemata, die mit Power Point und anderen Programmen sehr schön gestaltet werden können und dem besseren Verständnis des Inhalts dienen (sog. Logische Bilder). Oft wirken die Folien leider überfrachtet, besonders wenn Illustrationen und Diagramme nebst Text auf derselben Folie erscheinen. Wenn der/die ReferentIn rasch weiterklickt, hat der Zuschauende kaum Zeit, die Folie zu erfassen, denn er/sie weiss gar nicht, wohin zuerst geschaut werden muss. Meist kommt trotz Bilder noch viel Text dazu, was das Lesen und Verstehen nicht vereinfacht. Oft werden allerdings diese Foliensätze mit der Absicht, ein umfassendes Dokument als Handout zur Verfügung zu stellen, derart üppig gestaltet. Diese Vermischung verschiedener Zwecke – vollständige Information / besseres Verständnis dank Grafik / Unterhaltung – verfehlt aber das eigentliche Ziel visueller Unterstützung, da so die Gefahr besteht, dass die Lesenden vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen. Visualisierung sollte Komplexität reduzieren, nicht erhöhen. Immerhin kann die Visualisierung bei der Nachbearbeitung ihren Zweck doch noch erfüllen, einfach zeitverschoben.18

3.

Analyse ^

[19]

Die Analyse der besprochenen Beispiele zeigt, dass es im juristischen Umfeld verschiedene Arten von Visualisierungen gibt. Diese verfolgen ganz unterschiedliche Zwecke. Ausgehend von der reinen Unterhaltung bis hin zu ausgereiften Darstellungen komplexer Zusammenhänge findet sich alles. Sehr beliebt sind nach wie vor die sog. „logischen Bilder“ wie Ablaufschemata oder tabellarische Darstellungen. Diese sind zudem einfach in der Herstellung. Es handelt sich um Text, der lediglich etwas grafisch angeordnet ist.

[20]

Selten werden erzählende Formen wie Cartoons oder Comics verwendet. Dabei hätte diese Darstellungsform gerade bei jüngeren Leserinnen und Leser eine gute Akzeptanz.19 Hier muss aber festgestellt werden, dass die Schaffung solcher Visualisierungen aufwändig ist. Es braucht eine(n) Illustrator(in). Diese Person muss etwas von der Materie verstehen oder gut instruiert werden, damit der Cartoon die Anforderungen der Rechtsvisualisierung erfüllt und nicht nur ein „Bild“ ist. Zudem ist der Druck sehr teuer, besonders wenn (was sinnvoll ist) mit Farben gearbeitet wird. All dies führt leider dazu, dass diese Darstellungsform nur sehr selten, und wenn, dann eher in elektronischen Publikationen zu finden ist.

[21]

Wie aber bei einem Blick in die Buchhandlungen festgestellt werden konnte, sind nach wie vor nicht-visualisierte Publikationen vorherrschend, was angesichts der Aussagen der Verlagsleiter ja auch nicht überrascht. Selbst Neuerscheinungen sind bilderfrei. Lediglich das Verfahrensrecht, welches seit vielen Jahren eine Vorreiterrolle gespielt hat, wird weiterhin visualisiert, wohl auch, weil es inhaltlich auf der Hand liegt. Es ist viel einfacher, einen Prozessablauf bildhaft mittels Pfeildiagramm, Zeitstrahl oder dergleichen darzustellen als lediglich in Worten zu beschreiben. Umgekehrt sind etablierte dogmatische Fragestellungen nicht einfach in Bildern zu erfassen, sollen diese Bilder nicht einfach nur illustrativ sind.

[22]

Eine ganz neue Dimension stellt die KI dar. Es ergeben sich insbesondere für die Rechtsvisualisierung ganz neue Möglichkeiten, welche in einem folgenden Beitrag von Sarah Montani ausführlich dargestellt werden.20

4.

Ausblick ^

[23]

Es bleibt zu hoffen, dass die Visualisierung von Rechtstexten weiter zunimmt und bald Publikationen, die ganz ohne Bilder auskommen, die Ausnahme sein werden. Die zunehmende Bedeutung digitaler Medien lässt die Prognose zu, dass diese Hoffnung mit der Zeit in Erfüllung gehen wird.

Anhang:

Interview mit Dr. Philip Hanke, Weblaw vom 9.11.2023:

Ist Ihr Verlag an Visualisierungen in juristischen Publikationen interessiert?

Grundsätzlich gerne, wie Sie wissen, haben wir in der Vergangenheit auch einiges dazu publiziert.

Wenn ja, unterstützen Sie Autoren dabei, ihre Texte zu visualisieren?

Solche Anfragen haben wir meines Wissens nicht erhalten. In der Praxis etwas schwierig – aus Kostengründen. Wir haben GrafikerInnen im Team, möglich wäre es also. Projekte diesbezüglich haben sich aber quasi nicht ergeben. Wir hatten unlängst ein Projekt, in dem wir einen Kunden unterstützt haben, seine Klauseldatenbank für Verträge ansprechender zu gestalten. Dafür haben wir dann ein Design (inkl. Icons und ein paar wenigen visuellen Elementen) entworfen.

Ein Bereich, der eine Visualisierung verlangt, ist die Gestaltung von Buchcovern. Dieses sollte ja irgendwie den Inhalt repräsentieren.

Haben Sie in Ihrem Sortiment viele visualisierte juristische Werke?

Kann es nicht genau quantifizieren, aber wir haben die Werke aus dem IRIS-Umfeld, die beiden Festschriften für Prof. Lachmayer (z.B.), die KESR-Reihe von Ihnen, das Buch von Frau Schiess (Vom Recht gezeichnet), etc. Zu erwähnen ist auch die Reihe des Liquid Legal Institutes (https://jusletter-it.weblaw.ch/lli.html), die sehr visuell arbeitet (Illustrationen).

Welche Arten von Visualisierungen kommen bei Ihnen am ehesten in Frage (Schaubilder, Tabellen, Cartoons etc.)?

Grundsätzlich sind wir für alles offen und hatten sicher schon von allem etwas. Spannend fände ich auch nicht nur statische, sondern interaktive Visualisierungen.

Ist bei gedruckten Medien die Kostenfrage im Vordergrund?

Immer. Allerdings liegt bei uns der Fokus auf digitale Produkte.

Gibt es eher Visualisierungen bei E-Books oder sonstigen Online-Publikationen?

Nicht unbedingt, ist aber naheliegend. In Online-Publikationen müssen die Visualisierungen nicht statisch sein, das eröffnet neue Möglichkeiten. Und man ist unabhängiger vom oft engen Korsett des Drucks.

Denken Sie, dass visualisierte juristische Publikationen in Zukunft eher zunehmen werden?

Ja. Legal Design gewinnt immer mehr an Bedeutung, von daher wäre es naheliegend, mehr Visualisierungen in juristischen Fachpublikationen zu finden.

Antwort von Firas Kharrat, Verleger, Schulthess Juristische Medien AG vom 24.11.2023:

Die Visualisierung in Fachpublikationen spielen zunehmend eine Rolle, dies gilt auch für juristische Publikationen, die sich verstärkt an die Praxis wenden. Wir sprechen nicht zuletzt seit vielen Jahren von der «Emotionalisierung der Fachinformation», die dem Leser/Konsument eine «leichtere» Mediennutzung ermöglicht. Diese ist aber nicht auf alle juristische Medien übertragbar und auch nicht notwendig.

Bei den Medien, bei denen wir eine Visualisierung für notwendig halten, unterstützen wir selbstverständlich unsere Autorinnen und Autoren.

In welcher Quantität Visualisierungen (u.a. Schaubilder, Prozessskizzen, Tabellen) bereits heute signifikant vorliegen, ist schwer einschätzbar und wird von uns nicht übergreifend ausgewertet. Wie erläutert, machen sie in diversen Medien keinen grossen Sinn. Die Kostenfrage ist dabei erstmal nicht im Vordergrund. Die Frage der Darreichungsform (Print oder Online) spielt hier ebenfalls keine Rolle bei unseren Medien.

In einer Zeit der generellen Informationsüberflutung kann davon ausgegangen werden, dass der Wunsch nach Selektion, Orientierung und schnelle Informationsaufnahme steigt. Allerdings steht nach unserer Ansicht immer noch die Qualität der Medien im Vordergrund.

  1. 1 Die ausführliche Publikationsliste von Colette R. Brunschwig findet sich unter: https://www.ius.uzh.ch/de/research/units/zrf/afr/brunschwig.html (18.1.2024 Abruf Webseite). Am Anfang stand die 2001 erschienene Dissertation mit dem Titel „Visualisierung von Rechtsnormen – legal design“.
  2. 2 Caroline Walser Kessel (2011): Kennst du das Recht? Ein Sachbuch für Kinder und Jugendliche, Bern 2011. Caroline Walser Kessel (2014 B): Kinder finden das Gesetz: Transparentes Recht für Kinder – Child-Friendly Justice dank Visualisierung. In: Erich Schweighofer/Franz Kummer/Walter Hötzendorfer (Hrsg.): Transparenz, Tagungsband des 17. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2014, Wien, S. 481–490. (vgl.Caroline Walser Kessel, Kinder finden das Gesetz: Transparentes Recht für Kinder – Child-friendly Justice dank Visualisierung, in: Jusletter IT 20. Februar 2014).
  3. 3 Caroline Walser Kessel, Praktische Erfahrungen mit der Visualisierung des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts in der Schweiz, in: Erich Schweighofer, Franz Kummer, Walter Hötzendorfer, (Hrsg): Kooperation, Tagungsband des 18. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2015, Wien 2015, S. 495-504.
  4. 4 So wurde beispielsweise bei einer Trilogie zur Anhörung von Kindern, herausgegeben vom in der Schweiz sehr bekannten Marie Meierhofer Institut für das Kind nur die beiden Bände für Kleinkinder und Primarschüler illustriert, das Heft für Teenager nicht, weil es zu teuer gekommen wäre.
  5. 5 Bettina Mielke/Caroline Walser Kessel/Christian Wolff (2017): 20 Jahre Rechtsvisualisierung – Bestandsaufnahme und Storytelling. In: Erich Schweighofer/ Franz Kummer/Walter Hötzendorfer/Christoph Sorge (Hrsg.): Trends und Communities der Rechtsinformatik, Tagungsband des 21. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2017, Wien, S. 377-386 [S. 377 m.w.N.]. (vgl. Bettina Mielke/Caroline Walser Kessel/Christian Wolff, 20 Jahre Rechtsvisualisierung – Bestandsaufnahme und Storytelling, in: Jusletter IT 23. Februar 2017).
  6. 6 Helena Haapio/Robert De Rooy/Thomas D. Barton, New Contract Genres, in: Erich Schweighofer/ Franz Kummer/Ahti Saarenpää/Burkhard Schafer (Hrsg.): Datenschutz / LegalTech, Tagungsband des 20. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2018, Wien, S. 455-460.
  7. 7 Bettina Mielke/Caroline Walser Kessel/Christian Wolff, Visualisierungen und deren Verwendung in der Schweizer Justiz, in: «Justice - Justiz - Giustizia» 2018/2.
  8. 8 Eine Zusammenfassung der Entwicklung der Rechtsvisualisierung findet sich im Aufsatz von Caroline Walser Kessel: Visuelle Entwicklungen im Recht, in: Festschrift für Hajime Yoschino: Formalising Jurisprudence, Erich Schweighofer, Michal Araszkiewicz, Friedrich Lachmayer, Marijan Pavcnik, Hrsg., Bern 2019, S. 307-327.
  9. 9 Portal – Schulthess Fachinformationen Schweizer Recht (21.10.2023 Abruf Webseite).
  10. 10 Hier noch einige Beispiele von Büchern mit Tabellen im Finanzmarktrecht: Corsin Derungs/Günther Dobrauz (Hrsg.): Tafeln zum Finanzmarktrecht, Geldwäschereigesetz (GwG), Zürich/St. Gallen 2020; Tafeln zum Finanzmarktrecht, FINMAG – FinfraG, Zürich/St. Gallen 2022; Tafeln zum Finanzmarktrecht, FIDLEG – FINIG – KAG, Zürich/St. Gallen 2021, sowie im Datenschutzrecht: Von der Lochkarte zum Mobile Computing – 20 Jahre Datenschutzrecht in der Schweiz, Festschrift Datenschutz-Forum Schweiz.
  11. 11 Ausgewählte Verfahren Kt Aargau (2021).pdf – Google Drive (17.11.23 Abruf Webseite) Hier ein Beispiel aus einer E-Book-Reihe zum Verfahrensrecht in verschiedenen Schweizer Kantonen.
  12. 12 Anwaltsrevue – Das Praxismagazin des Schweizerischen Anwaltsverbandes (recht.ch).
  13. 13 https://www.finma.ch/de/finma/alles-zur-finma/ (12.11.2023 Abruf Webseite).
  14. 14 Allgemein zur Verwendung von Comics und Cartoons in Sach- und Lehrbüchern vgl. Tamara Hahn/Bettina Mielke/Christian Wolff (2013): Juristische Lehrcomics – Anforderungen und Möglichkeiten. In: Erich Schweighofer/Franz Kummer/Walter Hötzendorfer (Hrsg.): Abstraktion und Applikation, Tagungsband des 16. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2013, Wien 2013, S. 393-402. (vgl. Tamara Hahn/Bettina Mielke/Christian Wolff, Juristische Lehrcomics – Anforderungen und Möglichkeiten, in: Jusletter IT 20. Februar 2013).
  15. 15 Cartoons & Explainers | Finance Watch (finance-watch.org): Finance Watch is a European NGO founded in reaction to the last financial crisis, when policymakers realised that there was no counter-power to the lobby of finance.
  16. 16 CEDAW kurz erklärt – die UNO-Frauenrechtskonvention und die Schweiz – YouTube (13.11.2023 Abruf Webseite).
  17. 17 Elterliche Verwandtschaft: Gerichte ZH (gerichte-zh.ch) (13.11.2023 Abruf Webseite).
  18. 18 Tamara Hahn/Bettina Mielke/Christian Wolff (2014): Klassifikation von Darstellungsformen in der Rechtsvisualisierung. In: Erich Schweighofer/Franz Kummer/Walter Hötzendorfer (Hrsg.): Transparenz, Tagungsband des 17. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2014, Wien 2014, S. 491-502 [S. 498 f.]. (vgl. Tamara Hahn/Bettina Mielke/Christian Wolff, Klassifikation von Darstellungsformen in der Rechtsvisualisierung, in: Jusletter IT 20. Februar 2014).
  19. 19 Vgl. Fn 9.
  20. 20 Sarah Montani: Experiment: Neue Horizonte im Recht: Künstliche Intelligenz und visuelle Analytik, IRIS 2024.