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Der Gnom zahlt nicht – Ist Die Zeit für die Anerkennung der «virtuellen Person» gekommen?

  • Author: Kai Erenli
  • Category: Short Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: Legal Theory
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2009
  • Citation: Kai Erenli, Der Gnom zahlt nicht – Ist Die Zeit für die Anerkennung der «virtuellen Person» gekommen?, in: Jusletter IT 1 September 2009
Virtuellen Umgebungen kommt ein immer größer werdender Stellenwert im realen Leben zu. «World of Warcraft» und «Second Life» sind in Europa wohl die prominentesten Beispiele, die beide zusammen auf über 15 Millionen Nutzer kommen. Aber auch andere interaktive Computerspiele und Communities, wie «Cyworld» und «Habbo», verzeichnen vor allem in Asien siebenstellige Benutzerzahlen. Während man vor einigen Jahren nur bspw E-Mail, Foren, Newsgroups oder Chats als Möglichkeiten hatte, um mit anderen Menschen im Internet zu interagieren, haben die immer vielfältigeren technischen Möglichkeiten bei der Entwicklung virtueller Umgebungen zu einem Boom im Bereich virtueller Communities geführt. Damit verbunden ergeben sich eine ganze Menge rechtlicher Fragestellungen, welche in diesem Beitrag kurz skizziert und zur Diskussion gestellt werden sollen.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einführung in die Problematik
  • 1.1. Virtuelle Welten – Definition
  • 1.2. Virtuelle Welten – Wirtschaftliche Faktoren
  • 1.3. Virtuelle Welten – Rechtliche Faktoren
  • 2. Zusammenfassung und Schlussfolgerung
  • 3. Literatur

1.

Einführung in die Problematik ^

[1]

Mit diesen Zeilen endet der Aufsatz von Raph Koster «Declaring the Rights of Players»1 in dem er die Rechte des Avatars einfordert, um sich den Herausforderungen der virtuellen Welten zu stellen. Koster stellt sein Thesenpapier zur Diskussion, welche auf europäischer Ebene 2001 von Schweighofer2Lachmayer3 und Schwarz4 begonnen wurde und welche wir nun gerne fortführen, um unsererseits ein paar Aspekte beizutragen5. Folgende Fragen fallen uns dazu vorrangig ein:

  • Warum braucht ein Avatar Rechte und Pflichten?
  • Muss die Rechtsordnung eine virtuelle Person anerkennen?
  • Kann eine virtuelle Person zur Rechtssicherheit beitragen?
[2]

Bevor wir uns diesen Fragen genauer widmen, sollten wir klären, was Inhalt der Diskussion ist und welcher Definition der virtuellen Welten wir folgen.

1.1.

Virtuelle Welten – Definition ^

[3]

Virtuelle Welten sind keine Erfindung des 21. Jahrhunderts. Virtuelle Welten gibt es seit den 1970er Jahren. «MUD1» rühmt sich, die erste virtuelle Welt zu sein6. «MUD» steht für «Multi User Dungeon»7 und beschreibt eine Umgebung, in der mehrere Nutzer mittels eines Netzwerkes miteinander interagieren können. Beim Einloggen in MUD1, welches heute noch von einem kanadischen Fan gehosted wird8, fällt auf, dass es einen wesentlichen Unterschied zu den virtuellen Welten gibt, welche momentan stetig steigende Nutzerzahlen aufweisen: die Visualisierung. Heutige virtuelle Welten kommen nicht mehr ohne eine aufwendige 2D oder besser noch 3D-Visualisierung aus. Die Tatsache, dass die Grafik in Lindenlabs Secondlife9 vielen Nutzern als nicht mehr auf dem neuesten Stand erscheint, kann unter anderem Ursache dafür sein, dass sich viele von ihnen wieder aus Secondlife verabschiedet haben.

[4]

Neben der Visualisierung muss aber auch die Persistenz – das bedeutet die dauerhafte Zugänglichkeit eines jeden Nutzers zu jeder Zeit10 – als wichtiges Merkmal angesehen werden, da dies ein wichtiges Attribut für die fortlaufenden Interaktionen der Nutzer darstellt. Während die meisten grafisch aufwendigen virtuellen Welten clientbasiert sind, haben vor allem in Asien gerade die browserbasierten virtuellen Welten auf Grund ihrer geringen Anforderungen an die Hardware und ihre schnelle Aufrufbarkeit einen immer größeren Zulauf. Hier zeigt sich letztendlich die wichtige Aufteilung der virtuellen Welten in virtuelle Spielwelten, wie bspw «World of Warcraft»11, «Final Fantasy»12, oder «Everquest»13 und virtuelle Nicht-Spielwelten, wie bspw «There»14 oder eben «Secondlife». Diese Unterscheidung ist wichtig, da in Spielwelten andere «Gesetze» zur Anwendung kommen sollten als in Nicht-Spielwelten. Während ein «Mord» in einer Spielwelt Bestandteil des Spiels ist15, kann dieser Tatbestand in einer Nicht-Spielwelt gegebenenfalls als Belästigung, Psychoterror oder Mobbing aufgefasst werden. Die Behandlung eines solchen Tatbestands ist primär von den Benutzungsbedingungen des jeweiligen Betreibers abhängig, deren «Gesetze» bezüglich ihrer virtuellen Welt in den «Terms of Use (ToU)», «Terms of Service (ToS)» oder «End User License Agreements» (EULA) festgehalten werden und naturgemäß – da als AGB ausgefertigt – wenig Beachtung finden16. Als Indiz für die Unterscheidung von virtueller Spielwelt und virtueller Nicht-Spielwelt können die Ausgestaltung der Avatare – in Spielwelten meist Phantasiegestalten, in Nicht-Spielwelten meist Abbildungen von Menschen – und die Ausgestaltung der virtuellen Umgebung – die möglichst detailgetreue Darstellung der menschlichen Umgebung und ihrer Naturgesetze gegenüber Phantasiewelten in der Vergangenheit oder Zukunft – sowie die Bereitstellung von Zielen, sogenannten «Quests», angesehen werden. Ein «Experience» oder auch «XP»-Balken genannt, findet man in virtuellen Nicht-Spielwelten selten.

1.2.

Virtuelle Welten – Wirtschaftliche Faktoren ^

[5]

Die Bedeutung der virtuellen Welten, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, sollen folgende beispielhaften Aussagen unterstützen, welche teilweise von Keegan zusammengetragen wurden und in der z.B. aufgeführt wird, das Gartner prophezeit, dass bis 2011 80 % aller Internetnutzer einen Avatar und ein ebenso großer Anteil der Fortune 500-Firmen eine virtuelle Präsenz haben werden.17 Berücksichtigt man weiters, dass die virtuelle Welt«Entropia Universe » bereits 2006 einen Umsatz von 365 Millionen US-Dollar18 (ein Jahr später wurden in dieser virtuellen Welt fünf Banklizenzen für rund 400.000 Dollar erteilt19), China mehrere Milliarden Dollar in ein Projekt mit 9-10 virtuellen Welten investiert hat, auf der bis zu 150 Millionen Avatare Platz haben20Südkorea ein Marktpenetrationslevel von 43% hat21, und das Online-Rollenspiel EverQuest bereits 2002 auf Platz 77 der Weltrangliste gemessen am Bruttoinlandsprodukt war22, sind diese Vorhersagen nicht aus der Luft gegriffen.

[6]

Diese Zahlen belegen deutlich, dass virtuelle Welten nicht mehr nur der Zerstreuung einiger weniger dienen und die dort vorzufindenden Rechtsgeschäfte nicht mehr als Bagatelle abgetan werden können. Betrachtet man das hohe Investitionsvolumen, welches China einsetzen möchte, um virtuelle Welten selbst entwickeln und steuern zu können, muss man sich die Hintergründe hierfür klarmachen. Mit Hilfe der chinesischen virtuellen Welten wäre es auf attraktive Weise möglich, Mittelmänner wie «eBay» oder «Amazon» auszuschalten, indem man vom chinesischen Hersteller direkt an den Endkunden liefern könnte. Diese Tatsache wäre in Folge – wahrscheinlich auch volkswirtschaftlich gesehen – wirklich «The next big thing», wie es Don Dodge von Microsoft so gerne beschreibt23. Gleichzeitig wird deutlich, dass sich die Grundaussage von Koster langsam bewahrheitet. Betrachtet man die Einordnung des Online Rollenspiels «EverQuest» als autonomen Staat in die Bruttoinlandsprodukt-Weltrangliste, so muss man sich natürlich auch die Frage nach der Ausgestaltung dieses «Staates»24 und seiner Rechtsgrundlagen stellen. Hier muss besonderes Augenmerk auf die Rechtseinräumung durch den Betreiber der virtuellen Welt gelegt werden, welcher überwiegend autokratisch die Regeln vorgibt. Aus völkerrechtlicher Sicht erscheint es daher durchaus möglich, dass virtuelle Welten völkerrechtliche Vereinbarungen mit «realen» Staaten eingehen und hier Wirtschaftspakte entstehen können. Der Ruf nach mehr Einflussmöglichkeiten der Nutzer liegt nahe und ist nicht nur aus Sicht des Konsumentenschutzes zu diskutieren. Betrachtet man die Nutzerzahlen der virtuellen Welten demografisch25 fällt auf, dass die stärksten Nutzerzahlen unter den 10–20-jährigen zu finden sind. Dreht man dieses Rad nun weiter, kann man sich vorstellen, welche Nutzerzahlen in den kommenden Jahren folgen werden, bzw. dass das Selbstverständnis im Umgang mit virtuellen Welten in 20 Jahren einen Level erreicht haben wird, der von der Rechtsordnung nicht mehr ignoriert werden kann. Die Anzahl an Accounts wird mittlerweile immerhin auf 550 Millionen geschätzt.26

1.3.

Virtuelle Welten – Rechtliche Faktoren ^

[7]

Nachdem den wirtschaftlichen Faktoren – wie ausgeführt – ein immer größerer Stellenwert zukommt, werden Rechtsstreitigkeiten mit Bezug zu virtuellen Welten immer öfter von ordentlichen Gerichten und Rechtsordnungen behandelt, was folgende Beispiele deutlich zeigen:

USA: Marvel vs NCsoft wegen Markenrechtsverletzungen27
Marvel Comics, der Verlag der populären Comics vonSpider-Man ,The Hulk undX-Men28 sah seine Markenrechte verletzt, da Nutzer der Online-Spielwelt «City of Heroes » ihre Avatare so gestalten können, dass sie den Comichelden vonMarvel Comics täuschend ähnlich sehen, da die Erstellung des Avatars eine Vielzahl an Visualisierungen bot. Beide Parteien verglichen sich Ende 2005 und es ist weiterhin möglich Avatare denMarvel Comic-Charakteren nachzuempfinden.
USA: Eros, LLC vs Robert Leatherwood wegen Code-Diebstahl und Ideenklau29
Diese gerichtliche Auseinandersetzung knüpft an eine Urheberrechtsverletzung in Second-Life an. Kevin Alderman, im Second Life als «Stroker Serpentine» unterwegs, besitzt dort das Unternehmen «Eros», welches virtuelles Sexspielzeug herstellt und verkauft.30 Leatherwood, welcher den Avatar «Volkov Catteneo» steuert, «klaute» den Quellcode des von Eros angebotenen Sexspielzeugs, klonte dessen Produkte und verkaufte sie gegen einen weit geringeren Preis, als den von Eros geforderten, an Dritte. Das Verfahren wurde im März 2008 von Eros gewonnen. Leaterwood verpflichtete sich zukünftig, keine Produkte von Eros zu kopieren und zu vertreiben.
Niederlande: Verhaftung eines 17-jährigen wegen Möbeldiebstahls31
Sechs Jugendliche aus den Niederlanden wurden im November 2007 von der Polizei wegen eines Möbeldiebstahls in der virtuellen Welt Habbo befragt, wobei ein 17-jähriger sogar für kurze Zeit festgenommen wurde. Ihnen wird vorgeworfen, mittels gefälschter Habbo-Webseiten die Benutzerdaten von Habbo-Nutzern «erphisht» und sich mit diesen danach die virtuellen Gegenstände der Nutzer angeeignet zu haben, indem sie virtuelle Möbelstücke, welche die Nutzer für reales Geld erworben hatten, entwendeten. Der Wert der virtuellen Möbelstücke betrug EUR 4'000, die Polizei ordnete es dem Tatbestand des Diebstahls zu32.
[8]

Diese Beispiele zeigen, dass virtuelle Welten nicht mehr nur eine Nische für wenige Freaks sind, die sich ihre eigenen Regeln machen, sondern auch, dass virtuelle Welten ihren Weg in die Gesellschaft gefunden haben. Bei Marvel vs NCsoft sah Marvel seine Markenrechte gefährdet und man kann erahnen, dass das Ergebnis «all parties agree that this case was never about monetary issues and that the fans of their respective products and characters are the winners in this settlement.»33 nicht auf Grund einer rechtlichen Beurteilung, sondern vielmehr aus Angst vor wirtschaftlichen Schäden durch die Fans zustande gekommen ist, welche sich in großer Zahl mit ihren Avataren in City of Heroes aufhalten, um eigenständig fiktive Geschichten zu erleben und selbst mitzugestalten. Die Auseinandersetzung Eros vs Leatherwood zeigt ein weiteres Problem auf, welches auch von Koster angesprochen wird: Die oft mangelhafte Identifizierbarkeit der steuernden oder den Avatar kontrollierenden Person. So musste Aldermann seine Klage erst gegen den anonymen Stellvertreter «John Doe» richten bevor eine Spur über PayPal zu Leatherwood führte34. Die strafrechtliche Behandlung des Habbo-Falls zeigt, dass die Gleichung «virtueller Diebstahl = realer Diebstahl» aufgeht und zu strafrechtlichen Konsequenzen führen kann. Hierbei muss natürlich beachtet werden, dass eine Strafverfolgung in den Niederlanden eventuell erfolgreicher verläuft, als dies bspw in einem anderen Land geschehen würde. Betrachtet man die einzelnen möglichen Vertragsverhältnisse in Bezug auf die Nutzung von virtuellen Welten kann man deutlich erkennen, dass hier Vertragsverhältnisse zwischen unterschiedlichen Beteiligten möglich sind. Lässt man die arbeitsrechtlichen Fragestellungen bei der Herstellung der virtuellen Welt weg, so sind vorrangig folgende Rechtsverhältnisse interessant und wichtig in der juristischen Beurteilung:

1. Vertragsverhältnisse zwischen Entwicklern, bzw Providern der virtuellen Welt und den Nutzern (hier: «Vertragspartner A» und «B»); – die «End User License Agreements» (EULA) bzw oftmals auch «Terms of Use» (ToU) oder «Terms of Service» (ToS) genannten und als AGB ausgestalteten Vorschriften beinhalten meist die Regeln und Gesetze, welchen sich ein Nutzer unterwirft. Die Nutzer haben meist wenig bis gar kein Mitspracherecht bei deren Gestaltung – oftmals sind sie dem Wohlwollen des Entwicklers ausgesetzt, welcher wie bereits erwähnt, überwiegend autokratisch über die virtuelle Welt herrscht.
2. Vertragsverhältnisse, welche zwischen den Vertragspartnern A und B über deren Avatare bzw über Interaktionsmöglichkeiten in virtuellen Welten zustande gekommen sind und welche Auswirkungen auf die reale Welt haben. Avatar A gibt bspw in der virtuellen Welt an, ein Fahrrad in der realen Welt verkaufen zu wollen, Avatar B zeigt sich interessiert.35
3. Vertragsverhältnisse, welche zwischen den Vertragspartnern in der realen Welt geschlossen wurden und welche Auswirkungen auf die virtuelle Welt haben. Vertragspartner A verkauft im Internet seinen Avatar36, ein «Item»37 oder eine Dienstleistung, welche Auswirkungen auf die virtuelle Welt haben. Vertragspartner A bezahlt bspw Vertragspartner B, damit dieser ein Haus in einer virtuellen Welt errichtet.
4. Vertragsverhältnisse, welche ausschließlich Auswirkungen in der virtuellen Welt haben. Der Avatar von Vertragspartner A kauft bspw ein Item von einem «Non-Personal Character» (NPC)38 des Entwicklers oder einen Pullover, welchen Vertragspartner B mit seinem Avatar hergestellt hat.
[9]

Ohne auf die einzelnen – ja vielmals internationalen – Rechtsverhältnisse näher eingehen zu wollen, wird deutlich, dass die Interaktionen komplizierte Vertragsbeziehungen entstehen lassen können, welche bisher entweder nicht ausreichend oder nicht abschließend von der Rechtsordnung geklärt wurden. Hierbei ist auf den asiatischen Raum zu verweisen, welcher traditionell virtuellen Welten eine höhere Aufmerksamkeit aus rechtlicher Hinsicht zukommen lässt. In einzelnen Rechtsordnungen wurden dort bereits spezifische Normen festgelegt. Südkorea bspw besteuert seit dem 1. Juli 2007 auch virtuelle Güter39 und China schickt Polizeikräfte auf virtuelle Patrouille.40 In Europa sind noch keine spezifischen Regelungen bekannt, weshalb wir nachfolgend Kriterien aufgestellt haben, um einerseits an KostersSchweighofersLachmayers und Schwarzs Diskussion teilzunehmen und andererseits Anforderungen an die Rechtsordnung zu stellen, die bei der Normierung zu berücksichtigen wären.

2.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung ^

[10]

«Die Zukunft ist beinahe schon da» sagt Koster. Betrachtet man die gemachten Ausführungen dazu und die immer häufiger vor ordentlichen Gerichten geführten Verfahren, so scheint der Ruf nach mehr Rechten für die Beteiligten an virtuellen Welten verständlich. Dabei möchten wir betonen, dass der Schutz der virtuellen Person dem Schutz der realen Personen dienen muss, da er sonst keinen Sinn machen würde. Dieser Aspekt wird auch von Schweighofer aufgegriffen. Er erwähnt die Softwareagenten, welche «Maschinen zur Erweiterung der menschlichen Handlungsfähigkeit» sind und die einen Grad von künstlicher Intelligenz besitzen, «der sie befähigt Aufgaben in Teilen autonom durchzuführen, den Halter gegenüber Dritten zu repräsentieren und mit ihrer Umwelt auf sinnvolle Art und Weise zu interagieren».41 Diese Softwareagenten finden wir in virtuellen Welten in Form der NPCs.

[11]

Des Weiteren ist es wichtig zwischen Spielwelten und Nicht-Spielwelten zu unterscheiden. In Spielwelten können Delikte, wie Diebstahl, Körperverletzung und Mord Teil der Logik der Spielwelt sein – wenn dies auch oft gesellschaftspolitische Fragen aufwirft – weshalb Avatare und Nutzer von Spielwelten aus einem generellen Schutz ausscheiden müssten. Der Schutz der virtuellen Person muss aus pragmatischer und rechtspolitischer Sicht primär an Nicht-Spielwelten anknüpfen. Schweighofer schlägt dazu vor das «Modell einer Geschäftsfähigkeit ohne Rechtsfähigkeit auszuprobieren». Dies ist ein Ansatz dem wir nur zustimmen können.42

[12]

Betrachtet man die Entwicklungen im eGovernment-Bereich kann man leicht einen nächsten Schritt erahnen, bei dem auch die behördlichen Interaktionen visuell in den virtuellen Raum verlegt werden könnten. Während die Anfänge der virtuellen Welten im Spielbereich zu finden sind, etablieren sich die Nicht-Spielwelten auf einem immer höheren Niveau – man beachte insbesondere den Vorstoß von China auf diesem Sektor.

[13]

Letztendlich bleibt noch die Beantwortung der eingangs gestellten Fragen übrig, welche wir nicht schuldig bleiben wollen:

  • Avatare brauchen auf Grund ihrer gestiegenen wirtschaftlichen Bedeutung mehr Rechte und Pflichten, damit die Menschen, die sie steuern, besser geschützt werden (auch vor Dritten, bspw den Betreibern).
  • Die Anerkennung einer virtuellen Person und die Zuerkennung von Geschäftsfähigkeit könnte helfen, den Schutz an den virtuellen Entstehungsort des Rechtsgeschäftes oder eines Tatbestandes vorzuverlegen und dadurch auch ein gesteigertes Bewusstsein bei allen Beteiligten zu schaffen.
  • Die Rechtssicherheit unter den Beteiligten würde zunehmen, da immer mehr Rechtsfragen von ordentlichen Gerichten beantwortet werden müssen. Ein kurzer Gedanke zur Lösung dieser Probleme kann unserer Meinung nach in der Schaffung einer zentralen Datenbank gesehen werden, in welcher ein Avatar eingetragen werden muss, um Rechtsfähigkeit zu erlangen. Technische und rechtliche Umsetzung könnten bspw im Signaturrecht verankert werden, die Rechte und Pflichten der virtuellen Person wohl am ehesten im ECG, wenn nicht in einem neu zu schaffenden Recht für virtuelle Personen.

3.

Literatur ^

Koch, Die rechtliche Bewertung virtueller Gegenstände auf Online-Plattformen, abrufbar unter www.jurpc.de/aufsatz/20060057.htm.
Koster, Declaring the Rights of Players in State of Play (2006) 55, ebenso abrufbar unter: www.raphkoster.com/gaming/playerrights.shtml.
Krasemann, Onlinespielrecht – Auch in der virtuellen Welt gilt nicht immer nur das Recht des Stärkeren, abrufbar unter: 
www.kanzlei-krasemann.de/virtuellewelten/onlinespielrecht/index.html.
Lachmayer, Personalisierung von Maschinen in Schweighofer, uA: Auf dem Weg zur ePerson Schriftenreihe Rechtsinformatik, Band 3, 55-64 (2001).
Schwarz, Die rechtsgeschäftliche «Vertretung» durch Softwareagenten: Zurechnung und Haftung. in Schweighofer, uA: Auf dem Weg zur ePerson Schriftenreihe Rechtsinformatik, Band 3, 65-72 (2001).
Schweighofer, Vorüberlegungen zu künstlichen Personen: autonome Roboter und intelligente Softwareagenten. in Schweighofer et al.: Auf dem Weg zur ePerson. Schriftenreihe Rechtsinformatik, Band 3, 45-54 (2001).
Schmitz, Mit Multi-User-Dungeons fing alles an: Frühe Multiplayer Games in Lober, Virtuelle Welten werden Real (2007) 11.
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http://dondodge.typepad.com.
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www.british-legends.com/terms.htm.
www.chinadaily.com.cn/china/2007-08/29/content_6066310.htm.
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www.coldgame.de/v8/index.php?site=news_comments&newsID=364.
www.entropia-forum.de/modules.php?name=Forums&file=viewtopic&t=1505.
www.entropiauniverse.com/index.var.
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www.kzero.co.uk/blog/?p=1832.
www.marvel.com.
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www.square-enix.com/eu/de/title/ff.
www.there.com.
www.uibk.ac.at/zivilrecht/buch/images/kapitel4/kap4_0024.jpg.
www.wow-europe.com/de/index.xml.

 



Kai Erenli, Fachbereichsleiter Rechtslehre, Projektmanagement und Informationstechnik, FH des bfi Wien, Wohlmuthstraße 22, 1020 Wien, AT, kai.erenli@fh-vie.ac.at, www.fh-vie.ac.at
Günther Sammer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Österreichisches und Internationales, Unternehmens- und Wirtschaftsrecht, Karl-Franzens-Universität Graz, Universitätsstraße 15/C4, 8010 Graz, AT, guenther.sammer@uni-graz.at www.uni-graz.at

 

  1. 1 Koster, Declaring the Rights of Players in State of Play (2006) 55, ebenso abrufbar unter: www.raphkoster.com/gaming/playerrights.shtml (alle Webseiten zuletzt abgerufen am: 15. März 2008).
  2. 2 Schweighofer, Vorüberlegungen zu künstlichen Personen: autonome Roboter und intelligente Softwareagenten. in Schweighofer et al.: Auf dem Weg zur ePerson. Schriftenreihe Rechtsinformatik, Band 3, 45-54. (2001).
  3. 3 Lachmayer, Personalisierung von Maschinen in Schweighofer et al.: Auf dem Weg zur ePerson 55-64.
  4. 4 Schwarz, Die rechtsgeschäftliche «Vertretung» durch Softwareagenten: Zurechnung und Haftung. in Schweighofer et al.: Auf dem Weg zur ePerson 65-72.
  5. 5 Siehe aber auch: Talbot, Betrogene Avatare, Technology Review 2008, 36.
  6. 6 www.british-legends.com.
  7. 7 Siehe dazu auch: Schmitz, Mit Multi-User-Dungeons fing alles an: Frühe Multiplayer Games in Lober, Virtuelle Welten werden Real (2007) 11.
  8. 8 www.british-legends.com/terms.htm.
  9. 9 http://secondlife.com.
  10. 10 Ausnahmen davon sind bspw Wartungsarbeiten, Stromausfälle oder Serverüberlastungen, welche die ersten rechtlichen Fragestellungen aufwerfen.
  11. 11 www.wow-europe.com/de/index.xml.
  12. 12 www.square-enix.com/eu/de/title/ff.
  13. 13 http://everquest2.station.sony.com/de.
  14. 14 www.there.com.
  15. 15 In Player versus Player (PVP)-Spielwelten ist die «Tötung» eines anderen Avatars oft Ziel und wird von den beteiligten Nutzern auch als Teil des Spielesystems anerkannt.
  16. 16 Zur Einordnung der ToU, ToS, EULA, etc als AGB siehe: Koch, Die rechtliche Bewertung virtueller Gegenstände auf Online-Plattformen, abrufbar unter www.jurpc.de/aufsatz/20060057.htmKrasemann, Onlinespielrecht – Auch in der virtuellen Welt gilt nicht immer nur das Recht des Stärkeren, abrufbar unter: www.kanzlei-krasemann.de/virtuellewelten/onlinespielrecht/index.html.
  17. 17 www.gartner.com/it/page.jsp?id=503861.
  18. 18 www.entropiauniverse.com/index.var. (Die Währung «Project Entropia Dollar (PED)» ist im Verhältnis 10:1 an den US-Dollar geknüpft).
  19. 19 www.entropia-forum.de/modules.php?name=Forums&file=viewtopic&t=1505.
  20. 20 www.guardian.co.uk/technology/2007/nov/17/internet.crime?gusrc=rss&feed=technology.
  21. 21 www.guardian.co.uk/technology/2007/nov/17/internet.crime?gusrc=rss&feed=technology.
  22. 22 www.accenture.com/Global/Research_and_Insights/Outlook/ By_Issue/Y2007/VirtualWorldsRealBusiness.htm.
  23. 23 Siehe dazu bspw: http://dondodge.typepad.com.
  24. 24 Eine Anerkennung einer virtuellen Welt als «Staat» im völkerrechtlichen Sinne erscheint nach Jellineks «Drei-Elementen-Lehre» auf den ersten Blick gar nicht mal so schwierig.
  25. 25 www.kzero.co.uk/blog/?page_id=2092.
  26. 26 www.kzero.co.uk/blog/?page_id=2092.
  27. 27 http://cityofheroes.com/news/archives/2005/12/marvel_entertai.html.
  28. 28 www.marvel.com/.
  29. 29 Einen guten Überblick erhält man auf: http://virtuallyblind.com/category/active-lawsuits/eros-v-john-doe.
  30. 30 http://shop.onrez.com/item/518608.
  31. 31 http://news.bbc.co.uk/2/hi/technology/7094764.stm.
  32. 32 Strafrechtlich ist die Beurteilung natürlich aus österreichischer Sicht sehr interessant. Hier wäre vorrangig auf die Bestimmungen zu den Bereicherungsdelikten iSd § 148a StGB und des Datendiebstahls iSd § 126a StGB zu verweisen.
  33. 33 www.cityofheroes.com/news/archives/2005/12/marvel_entertai.html.
  34. 34 http://virtuallyblind.com/2007/07/21/paypal-identifies-some-kind-of-n00b/.
  35. 35 In einem solchen Fall wären die Fragestellungen wohl analog zu einem Kaufvertrag bei einer Internetauktion bzw Webshop abzuhandeln, aus Platzgründen wird aber an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen.
  36. 36 Auch der Handel mit Accounts ist rechtlich sehr interessant. Blizzard bspw untersagt diesen in seinen AGB, dennoch gibt es regen Handel mit Charakteren im Internet, für die bis zu EUR 7000 gezahlt werden.
  37. 37 Ein Item ist ein virtueller Gegenstand, für welchen oft ein realer Markt besteht. Die österreichische Plattform «FatFoogoo» (abrufbar unter: www.fatfoogoo.com) ist bspw ein Auktionshaus für solche Items.
  38. 38 NPCs sind Charaktere, welche nicht von Menschen gesteuert werden, sondern vorprogrammierte Eigenschaften haben, mit denen der Nutzer mit seinem Avatar interagieren kann. Siehe dazu auch die Definition des Softwareagenten: Schwarz, Die rechtsgeschäftliche «Vertretung» durch Softwareagenten: Zurechnung und Haftung. in Schweighofer et al.: Auf dem Weg zur ePerson 66.
  39. 39 www.nts.go.kr/eng/resources/resour_21.asp?minfoKey=MINF7420080211223143&type=V.
  40. 40 www.chinadaily.com.cn/china/2007-08/29/content_6066310.htm.
  41. 41 Schweighofer, Vorüberlegungen zu künstlichen Personen: autonome Roboter und intelligente Softwareagenten. in Schweighofer et al.: Auf dem Weg zur ePerson. Schriftenreihe Rechtsinformatik, Band 3, 46.
  42. 42 Schweighofer, Vorüberlegungen zu künstlichen Personen: autonome Roboter und intelligente Softwareagenten. in Schweighofer et al : Auf dem Weg zur ePerson. Schriftenreihe Rechtsinformatik, Band 3, 52.