1.
Sachliche und rechtliche Ausgangslage ^
Computerprogramme weisen als binärcodierte digitalisierte Produkte ganz bestimmte Sacheigenschaft auf, die sie von körperlichen Sachen unterscheiden («a product and a process»). Binärcodierung bringt das Programm in eine Form, die erlaubt, das geistige Werk identisch zu vervielfältigen, Digitalisierung ist die Voraussetzung dafür, das abarbeitbare Programm detailliert zu determinieren.
Weil Software grundsätzlich urheberrechtsschutzfähig ist, liegen Verträge über Computerprogramme an der Schnittstelle zwischen Urheberrecht und Vertragsrecht. In den USA wird ersteres durch Title 17 U.S. Code: §§ 101, 117, 1021 f unionsweit einheitlich geregelt, während das Vertragsrecht in die Autonomie der einzelnen Bundesstaaten fällt. Insoweit durchaus vergleichbar wird in der EU das Urheberrecht an Computerprogrammen durch RL 91/250/EWG gemeinschaftsweit harmonisiert, während das Vertragsrecht der Kompetenz der Mitgliedstaaten unterliegt. Für Österreich schließlich sind die einschlägigen Schutzrechtsregelungen in §§ 40a ff, 90b UrhG geregelt, das Vertragsrecht – ein Urhebervertragsrecht ist wie in den meisten europäischen Staaten nur rudimentär ausgebildet – wird weitgehend durch §§ 859 ff ABGB und §§ 24 ff UrhG, insb § 33 leg cit sowie im Verbraucherschutz (KSchG und neuerdings auch UWG) reglementiert.
2.
Kernthemen ^
In beinahe allen Fragen iZm Verträgen über Computerprogramme bestehen Unklarheiten. Sehr viele dieser Themen werden von den ALI–Principles aufgegriffen und erörtert. Da hier lediglich eine kurze, einführende Vorstellung der Principles erfolgen soll, müssen sich die folgenden Ausführungen auf einige wesentliche Punkte konzentrieren. Traditionell wird insb diskutiert, ob der Erwerb eines Programms davon abhängt, ob die Software auf Datenträger geliefert oder per Download erworben wird (Vertragsgegenstand). Eng damit verknüpft ist die Qualifikation als Kauf oder Lizenz (Vertragstyp). Im Folgenden soll das Hauptaugenmerk darauf gerichtet sein, welchen Zugang die ALI-Principles in diesen beiden Bereichen nehmen.
Ein weiterer beliebter Gegenstand einschlägiger Diskussionen ist die Wirksamkeit bzw Verbindlichkeit sog EULAs, die in Form von Shrinkwrap-, Browsewrap- oder Clickwrap-Lizenzen verbreitet Einsatz finden.
Hingegen sollen die Besonderheiten hins Gewährleistung und Haftung hier nicht näher erörtert werden.
Schließlich stellt sich sachlich bedingt die spannende Frage, ob der Hersteller im Fall eines Vertragsbruchs ein technisch durchaus machbares «Selbsthilferecht durch automatisierte Abschaltung» einsetzen kann. Die Lösung der ALI-Principles wird dargestellt.
3.
Entstehungsgeschichte der ALI-Principles ^
Um den Wert der Principles besser einschätzen zu können, empfiehlt sich ein Hinweis auf deren Entstehungsgeschichte. Erste Versuche, der Besonderheit von Computerprogrammen gerecht zu werden, wurden seitens der NCCUSL und des ALI schon in den 1990ern mit den Arbeiten an einem Article 2B UCC unternommen, der Software neben den «goods» (Article 2 UCC) erfassen sollte. Ein 1998 veröffentlichter Entwurf erntete so heftige Kritik, dass man von einer Einbettung in den (mittlerweile) weitgehend akzeptierten UCC absah. NCCUSL erarbeitet stattdessen einen eigenständigen Akt, den UCITA (Uniform Computer Information Transactions Act), der 1999 veröffentlicht und 2000 bzw 2002 geringfügig modifiziert wurde. Seine Akzeptanz blieb gering, Kritik an insb zu herstellerfreundlicher Ausrichtung war heftig. Als NCCUSL daraufhin die Arbeiten einstellte, griff das ALI im Jahr 2004 das Anliegen auf und veröffentliche 2007 einen Discussion Draft, dem 2008 ein Tentative Draft folgte, der weitgehend (nämlich mit Ausnahme des § 3.01) angenommen wurde. Dieses Dokument, das hier vorgestellt werden soll, ist damit das (vorläufige) Ergebnis einer mehr als ein Jahrzehnt andauernden heftigen Diskussion, in der die divergierenden Interessen der Beteiligten intensiv aufgezeigt und intensiv erörtert werden konnten.
3.1.
Die ALI-Principles im Überblick ^
Um die Principles zu verstehen, ist sinnvoll, darauf hinzuweisen, dass das ALI kein Modellgesetz erlassen wollte, keine «rules», sondern den Gerichten lediglich eine Art «best practise-Sammlung» zur Verfügung stellen möchte, das mögliche Lösungsansätze aufzeigt, gleichzeitig aber durch eine Vielzahl an instruktiven Beispielen die Variabilität der Sachverhalte und daran anschließend divergierender rechtlicher Ergebnisse aufzeigt.
Erfasst sind sämtliche entgeltliche Vereinbarungen über die Überlassung von (transfer of) bzw Zugang zu (access to) Software. Digital arts oder digital databases sind jedoch ausdrücklich nicht direkt einbezogen, doch steht einer analogen Anwendung auf passende Sachverhalte nichts entgegen.
Die Principles regeln in Chapter 1 generelle Anliegen, die von den Definitionen einschlägiger Begriffe (Topic 1) und Beschreibung des Zwecks und Anwendungsbereichs (Topic 2) bis zu general terms reichen, die zB die US-typische Preemption oder auch Rechtswahl und Gerichtsstandsklauseln aufgreifen. Chapter 2 widmet sich den Themen Formation and Enforcement, Chapter 3 den express und implied Warranties, deren Interpretation sowie der Vertragsverletzung. Chapter 4 schließlich stellt die vereinbarten oder defaultmäßigen Rechtsbehelfe dar.
3.2.1.
§ 1.01: Definitionen ^
Von den vielen Begriffsbestimmungen, die die Principles geben, seien iHa die eingangs präzisierten Kernthemen drei herausgegriffen:
(2) Software does not include digital content but does include a digital-content player.
(m) Transfer
A «transfer» is a conveyance of rights in software or an authorization to access software, including by way of sale, license, or access agreement.
(l) Standard-Form Transfer of Generally Available Software
A «standard-form transfer of generally available software» is a transfer using a standard form of
(2) the right to access software to a small number of end users
Die Vermeidung eines Rückgriffs auf bekannte, aber in ihrem Gehalt vorab und aus anderen Zusammenhängen determinierte Begriffe (wie zB Werkstück, Kauf etc) erlaubt und ermöglicht einen unbefangenen und neuen Zugang zum Thema.
3.2.2.
§§ 1.06 – 1.08: Geltungsbereich ^
(b) These Principles do not apply to
other tangible medium that stores the software, or
(2) the transfer of a security interest in software.
Die Principles fokussieren damit auf den Gebrauchsgegenstand «Software» und schließen insb Trägermedien ausdrücklich von ihrem Geltungsbereich aus. Entgeltlichkeit wird dabei bewusst weit verstanden und soll so vor allem auch ermöglichen, das Open-Source-Modell, das in besonderen Maß von der Anerkennung standardisierter Vertragsbedingungen abhängt, zu erfassen.
Eine sachbedingte Abgrenzung erfordert die Möglichkeit, Software in «goods» so einzubauen, dass deren charakteristische leichte Kopierbarkeit an Relevanz verliert (sog embedded systems). Die Principles berücksichtigen diesen Umstand in § 1.07, indem darauf abgestellt wird, ob der Erweb in erster Linie auf das «good» zielt (dann sind die Principles nicht einschlägig), oder – ausnahmsweise – doch die Software der «predominat purpose» des Rechtsgeschäfts ist (womit die Principles heranzuziehen wären). § 1.08 stellt bei gemischten Transfers, die nicht-embedded Software gleich wie goods, Content oder Dienstleistungen umfassen, ebenfalls gesondert auf das Computerprogramm ab. So blieben zB beim Erwerb von Hardware mit vorinstallierter Standardsoftware oder Mobiltelefonen mit non-embedded Software etc. gs die Principles hins der Software anwendbar, außer es werden getrennte Verträge über Software und Hardware bzw Dienste, Content abgeschlossen.
3.2.3.
§§ 2.01, 2.02: Form und Zustandekommen des Vertrages ^
Nach einem allgemeinen Hinweis, wonach die Vereinbarung durch Angebot und Annahme bzw konkludentes Handeln zustande kommt, trägt § 2.01 der Möglichkeit Rechnung, dass abweichende «records» der Vereinbarung existieren. In diesem Fall sind die vereinbarten Bestimmungen:
(B) terms that appear in the records of both parties; and
(C) terms supplied by these Principles or other law.
§ 2.02 regelt die besonders umstrittenen Standard-Form Transfers of Generally Available Software, also Massenlizenzen wie die eingangs erwähnten EULAs:
(b) A transferee adopts a standard form as a contract when a reasonable transferor would believe the transferee intends to be bound to the form.
(c) A transferee will be deemed to have adopted a standard form as a contract if
(2) upon initiating the transfer, the transferee has reasonable notice of and access to the standard form before payment or, if there is no payment, before completion of the transfer;
(3) in the case of an electronic transfer of software, the transferee signifies agreement at the end of or adjacent to the electronic standard form, or in the case of a standard form printed on or attached to packaged software or separately wrapped from the software, the transferee does not return the software unopened within a reasonable time after the transfer; and
(4) the transferee can store and reproduce the standard form if presented electronically.
Nach einer generalklauselartigen Grundannahme in (b), die auf den vernünftigen Transferor reflektiert, stellt (c) detaillierte Vermutungen auf, wann die Zustimmung des Erwerbers zu den AGB angenommen werden darf. Grundprinzip ist dabei, die Erkennbarkeit der Bedingungen. Dazu wird als erstes und unabhängig von einem eventuellen Rechtsgeschäft gefordert, dass die AGB in der Internetpräsenz des Transferors abrufbar sind. Zweitens, dass der Erwerber die AGB vor Bezahlung des Programms erkennen und einsehen kann. Die Zustimmung wird bei elektronischem Transfer (Download) angenommen, wenn der Erwerber das «I agree»-Icon abklickt bzw – und das ist geradezu sensationell – im Falle von Shrinkwrap-Lizenzen bei Software-Packungen, die Software nicht in angemessener Zeit ungeöffnet zurückbringt.
Die Erläuterungen erkennen das Problem der EULAs, versuchen aber, eine ausbalancierte Lösung anzubieten. Ausgangspunkt ist dabei die Vertragsfreiheit der kontrahierenden Parteien, die allerdings bei take-it-or-leave-it-Lizenzen als durchaus problematisch erkannt wird. Sind nun die AGB jederzeit auf der Website des Transferors einsehbar und wurde der Erwerber beim Erwerb vor Bezahlung des Programms auf die Existenz von AGB hingewiesen bzw ihm Kenntnis von deren Inhalt ermöglicht, soll der Transferor jedenfalls nach Ablauf einer angemessenen Zeitspanne, in der der Erwerber die Software nicht retourniert, endgültig davon ausgehen können, dass dessen Zustimmung erteilt ist. Dass dem Erwerber dabei zugemutet wird, sich zumindest ergänzend auch autonom im Internet kundig machen zu können, ist in Anbetracht der inzwischen üblichen IKT-Nutzung durchaus angebracht. Umgekehrt räumen die Principles dem Erwerber dafür die grundsätzliche Möglichkeit ein, das Produkt binnen angemessener Frist ungeöffnet – eine durchaus sachgerechte Einschränkung – zu retournieren.
3.2.4.
§ 4.03 Use of Automated Disablement to Impair Use ^
Abschließend soll ein Blick auf die Haltung der ALI-Principles zur technischen Selbsthilfe des Transferors geworfen werden, die die besonderen Sacheigenschaften von Computerprogrammen ermöglichen:
(b) A transferor may not use automated disablement if the process results in the loss of rights granted in the agreement or the loss of use of other software or digital content.
(c) Notwithstanding anything to the contrary in the agreement, a transferor may not use automated disablement as a remedy for breach if the agreement is a standard-form transfer of generally available software or if the transaction is a consumer transaction.
(d) Subject to subsection (c), if the transferor has a right to cancel under § 4.04, it may do so using automated disablement only if such authorization is provided for in the agreement and under the following circumstances:
(2) the transferor provides timely notice of the breach and its intent to use automated disablement and provides the transferee with a reasonable opportunity to cure the breach and the transferee
has not so cured; and
(3) the transferor has obtained a court order permitting it to use automated disablement.»
4.
Zusammenfassung und Bewertung ^
Der US-amerikanische Ansatz der rechtlichen Handhabe von Softwareverträgen liegt offenbar darin, der realen Vertragspraxis möglichst Rechnung zu tragen dh, sie grundsätzlich anzuerkennen, aber gleichzeitig in Berücksichtigung ihrer Besonderheiten zu einem interessengerechten Ausgleich zu finden. Dabei fällt auf, dass durch die kluge Wahl neuer Terminologie, die auf den Transfer von bzw Zugang zu Software abstellt, hierzulande geradezu versteinerte Diskussionsfronten vermieden werden könnten. Tatsächlich scheint den Beteiligten Kauf, Lizenz uÄ weniger bedeutend, als die Frage, ob die Software überlassen oder lediglich der Zugang dazu eröffnet werden soll. Von besonderem Interesse ist auch, dass die Behandlung des Datenträgers ausdrücklich ausgeschlossen und dessen Relevanz so negiert wird. Beeindruckend ist schließlich – gerade in Anbetracht der durch die UGP-RL neu geschaffenen Situation, die eine Ausweitung des tendenzielle als sinnvoll erachteten Verbraucherbegriffs auch auf Kleinunternehmer ablehnt – das grundsätzliche Abstellen auf das Ausmaß des Geschäftes, womit unabhängig von der Stellung als Verbraucher oder Unternehmer allein nach der Stückzahl bzw der Anzahl der Zugänge unterschieden wird (was im Übrigen nicht hindert, Verbrauchergeschäfte nach wie vor in gewissen Aspekten einer Sonderregelung zu unterziehen).
Selbstverständlich sind die Ansätze in den USA nicht undiskutiert. Neben allen vertragsrechtlichen Fragen sehen Stimmen in der Literatur insb die (hier vorrangig interessierende) «First-Sale-Doctrine» umgangen. Dennoch scheint die Reaktion auf die Principles insgesamt bei Weitem zurückhaltender als auf den UCITA. Das könnte einerseits daran liegen, dass die Principles einige heftig kritisierte Ansätze des UCITA abmildern, andererseits aber auch die zunehmende grundsätzlich Akzeptanz des Modells seitens der Nutzer anzeigen.
5.
Fazit ^
Insgesamt spiegelt das Modell der ALI-Principles das seit über 10 Jahren andauernde Bemühen um interessengerechte Regelungen iZm Softwareverträgen. Die Lösungsansätze scheinen ausgewogen und jedenfalls ausreichend interessant, um eine nähere Befassung damit auch in Europa und Österreich zu rechtfertigen.
Elisabeth Staudegger, Karl-Franzens-Universität Graz, Institut für Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie und Rechtsinformatik
Universitätsstraße 15/B, 8010 Graz, AT
elisabeth.staudegger@uni-graz.at