Jusletter IT

Welche Farbe hat das Recht?

  • Authors: Christian Wolff / Bettina Mielke
  • Category: Short Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Legal Visualisation
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2009
  • Citation: Christian Wolff / Bettina Mielke, Welche Farbe hat das Recht?, in: Jusletter IT 1 September 2009
«Über Farbe lässt sich trefflich streiten. Das Recht ist seit eh und je schwarz-weiß, es ist »Black-Letter-Law«. Aber die Farbe ist unaufhaltsam im Vormarsch. Die Buchumschläge hat sie schon erreicht. Nachdem selbst die FAZ dazu übergegangen ist, Bilder in Farbe zu drucken, taugt Seriosität nicht länger als Argument gegen Farbe in juristischem Kontext.» (Röhl & Ulbrich 2007:92)

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Farbe, Farbsysteme und Farbwirkung
  • 3. Farbe und Recht
  • 3.1. Recherche zu Farbe und Recht
  • 3.2. Kategorisierung zum Begriff Farbe in Rechtvorschriften
  • 3.3. Ampelsystem: Vom Farbcode zur visuellen Metapher
  • 4. Fazit und Ausblick
  • 5. Literatur

1.

Einleitung ^

[1]

Der nachfolgende Beitrag untersucht rechtliche Aspekte von Farbe auf der Basis einer Analyse deutscher und europäischer Rechtsvorschriften. Nach einer kurzen Einführung in die Problematik von Farbe, Farbsystemen und der Systematik der Farbverwendung (Kap. 2) steht dabei die tatsächliche Behandlung von Farben in Rechtsvorschriften im Mittelpunkt (Kap. 3). Ein kurzer Ausblick berührt die Frage, ob sich aus einer systematischen Farbverwendung im Recht auch Konsequenzen für die Gestaltung im Bereich der Rechtsvisualisierung ziehen lassen (Kap. 4).

2.

Farbe, Farbsysteme und Farbwirkung ^

[2]

Die DIN-Norm zur Farbmessung definiert Farbe als Sinneseindruck, also als ein wahrnehmungsbezogenes Phänomen:

«Farbe ... ist ein durch das Auge vermittelter Sinneseindruck, also eine Gesichtsempfindung. Farbe ist diejenige Gesichtsempfindung eines dem Auge des Menschen strukturlos erscheinenden Teiles des Gesichtsfeldes, durch die sich dieser Teil bei einäugiger Beobachtung mit unbewegtem Auge von einem gleichzeitig gesehenen, ebenfalls strukturlosen angrenzenden Bezirk allein unterscheiden kann» (DIN 5033, Teil 1 «Farbmessung», zit. nach Schumann & Müller 2000:83f).
[3]

Über die physikalischen und physiologischen Voraussetzungen der Farbwahrnehmung hinaus sind weitere Aspekte zu berücksichtigen, etwa die kulturhistorische Bedingtheit der Verwendung bestimmter Farben, die Notwendigkeit der Systematisierung von Farben sowie in sprachlicher Hinsicht die Differenzierung und Ordnung durch Benennung von Farben. Seit der Antike lassen sich deutlich mehr als 60 unterschiedliche Ordnungssysteme für Farben finden (vgl. Welsch & Liebmann 2007:115ff, Silvestrini & Fischer 2005). Zu den bekanntesten zählen der Goethesche Farbkreis mit den Ausgangsfarben blau, gelb und rot, der Farbkreis nach Johannes Itten, sowie das 1931 eingeführte Farbmodell der Commission International de l’Éclairage (CIE, sog. «Schuhsohle»).

[4]

Die konkrete Verwendung von Farben in einem bestimmten Bereich kann zudem nach unterschiedlichen Kriterien beurteilt werden: Welche Aufgabe übernimmt Farbe (z.B. Hinweisfunktion, Kontrast, Hervorhebung, Kennzeichnung, Informationskodierung)? Wird eine bestimmte Farbe unabhängig von anderen Farben eingesetzt oder lässt sich eine systematische Verwendung von Farben zeigen? Erfolgt die Auswahl von Farben unter Bezugnahme auf die physikalisch-physiologischen Grundlagen des Farbensehens (z.B. gute Wahrnehmbarkeit / Unterscheidbarkeit bestimmter Farben) oder sind historisch-kulturelle Faktoren entscheidend für den Farbeinsatz?

[5]

Farbe spielt in allen gesellschaftlichen Bereichen eine wichtige Rolle, was sich zum einen an der Zuschreibung typischer Farben zu bestimmten Gebieten zeigt, zum anderen an der Vielzahl idiomatischer Wendungen mit Farbbezug. Vgl. dazu ausführlich Welsch & Liebmann 2007, die ausführliche «Steckbriefe» der wichtigsten Farben (physikalische, kulturelle, sprachliche und technische Aspekte) zusammengestellt haben. Im Bereich der Justiz und des Rechtswesens finden sich (im europäischen Kulturraum) u.a. folgende Farbzuordnungen: Rot als Farbe der Justiz (Blutsühne, rote Wimpel bei Gerichtstagen, rote Tinte bei Todesurteilen, rote Talare hoher Richter …) sowie Schwarz als etwas Illegales, Gesetzwidriges (Heller 1999:54f, 104; Welsch & Liebmann 2007, 59, 96ff).

[6]

Physiologische Bedingtheit und kultureller Einfluss sind dabei nicht strikt voneinander zu trennen, sondern überlagern sich. Dies wird an empirischen Studien zur Farbassoziation deutlich: In einer breit angelegten empirischen Studie hat Heller (Heller 1999) untersucht, welche Konzepte typischerweise mit verschiedenen Farben verbunden werden und wie beliebt unterschiedliche Farben sind:

[7]

Beliebte und unbeliebte Farben nach Häufigkeit der Nennung (Heller 1999:298)

Beliebteste Farben Unbeliebteste Farben
38% Blau 27% Braun
20% Rot 11% Orange
12 %Grün 11% Violett
8% Schwarz 9% Rosa
5 %Rosa 9% Grün
5% Gelb 9% Grau

Abbildung 1: Beliebe und unbeliebte Farben

[8]

Daneben hat Heller für eine Vielzahl meist abstrakter Konzepte untersucht, welche Farben diesen Konzepten zugeordnet werden: Die nachfolgende Liste zeigt die am häufigsten zugeordneten Farben für eine Auswahl dieser Konzepte, wobei insbesondere «rechtsnahe» Begriffe mit ausgewählt wurden (Heller 1999):

Attraktivität: Rot, Blau, Weiss   Lüge: Schwarz, Gelb, Grau
Bedrohung: Schwarz, Rot, Braun   Sachlichkeit: Weiss, Grau, Blau
Ehrlichkeit: Weiss, Blau, Grün   Schuld: Schwarz, Gelb, Braun
Funktionalität: Weiss, Grau, Schwarz   Sicherheit: Grün, Weiss, Blau
Gefahr: Rot, Schwarz, Orange   Unerlaubtes: Schwarz, Rot, Violett
Gutes: Weiss, Blau, Gold   Unmoralisches: Rot, Schwarz, Violett
Hoffnung: Grün, Blau, Weiss   Verbotenes: Rot, Schwarz, Violett
Klugheit: Weiss, Blau, Silber   Vertrauen: Blau, Grün, Weiss
Leistung: Blau, Gold, Rot   Wahrheit: Weiss, Blau, Gold
Abbildung 2: Farben für «rechtsnahe» Begriffe

[9]

Gerade auch mit Blick auf den Einsatz von Farben im Bereich der Rechtsvisualisierung stellt sich die Frage, wie gut der Einsatz von Farbe zur Informationskodierung z.B. in Graphiken oder Diagrammen geeignet ist. Aus der Vielzahl von Detailstudien zum Einsatz unterschiedlicher visueller Kodierungsmerkmale wie Form, Position, Winkel oder Farbe kondensiert Herczeg folgende Übersicht, die neben der Anzahl der Unterscheidungsstufen auch den Grad der Unterscheidbarkeit durch die Verwendung eines bestimmten visuellen Merkmals kennzeichnet (Herczeg 1994:72, 2006:122). Dabei ist davon auszugehen, dass Informationskodierung vor allem visuell erfolgt und andere Wahrnehmungskanäle (insb. akustische Signale) nur unterstützende Funktion haben (z.B. Warntöne). Folgt man der nachfolgenden Darstellung, so ergibt sich für den Einsatz von Farbe, dass damit keine Merkmale kodiert werden sollten, die mehr als sechs zu unterscheidende Ausprägungsstufen haben. Dies ist beispielsweise beim Entwurf von Farbleitlinien zu beachten, wenn man vermeiden will, dass der Farbeinsatz seine informationskodierende Funktion verliert und zum bloß dekorativen Element wird.

Kodierungstyp Stufen Unterscheidbarkeit Beispiel
Symbol unbegrenzt sehr gut Text, abstrakte (nicht-piktorielle) Symbole, Logos
Bildliche Form 10 gut Desktop-Ikonen als Programmsymbole
Position 9 gut Gliederung des Bildschirmaufbaus nach Funktionen
Winkel 8 gut Zeigerinstrumente
Farbton 6 gut Farbleitlinien für inhaltliche und / oder funktionale Abgrenzung
Länge 6 gut Balkendiagramm
Geometrische Form 5 gut Unterscheidung von Datensätzen in Punkt- und Liniendiagrammen
Fläche 3 gering Darstellung numerischer Grössen
Schriftgröße 3 gering inhaltliche Strukturierung, Hervorhebung (Text)
Linienart 3 gering Abgrenzung von Bildschirmelementen, Linien in Diagrammen
Schraffur 3 gering Unterscheidung von Flächen in Karten und Diagrammen
Schriftformen 3 gering Hervorhebung in Texten (kursiv, fett)

Abbildung 3: Farbleitlinien

3.

Farbe und Recht ^

[10]

Die rechtswissenschaftliche Literatur diskutiert das Phänomen Farbe vor allem mit Bezug zu folgenden Gegenstandsbereichen: Wappenwesen (Heraldik), Verwendung als Landes- bzw. Nationalfarben, Flaggen, Farben im politischen Bereich sowie im Verkehrs-, Marken- und Urheberrecht (vgl. Honig 2001; von Münch 2006). Darüber hinaus gibt es nur wenige systematische Untersuchungen zur Verwendung von Farbe im rechtlichen Kontext. Auch im Bereich der Rechtsvisualisierung geht die Auseinandersetzung mit dem Thema Farbe selten über allgemeine Aussagen hinaus, wie etwa auch bei Röhl & Ulbrich 2007, die lediglich eine Seite ihrer 250-seitigen Abhandlung zur Visualisierung in der Juristenausbildung diesem Thema widmen. Im Folgenden wird daher untersucht, ob und in welchem Umfang der Begriff Farbe bzw. die einzelnen Farbtöne wie rot, blau und grün in Rechtsvorschriften vorkommen, um daraus Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob sich hier eine bestimmte (gewissen Regeln folgende) Farbverwendung feststellen lässt. Die ließe sich dann wiederum nutzbar machen für eine Verwendung von Farbe in der Rechtsvisualisierung.

3.1.

Recherche zu Farbe und Recht ^

[11]

Zur Klärung der Frage nach dem Vorkommen von Farbe(n) erfolgte eine Recherche in der Datenbank «Gesetze/Verordnungen» des deutschen Rechtsinformationssystems juris mit insgesamt über einer Million Vorschriften. Eine Anfrage mit dem Begriff «Farbe» und einer Einschränkung auf die heute geltenden Vorschriften ergibt 5'512 Treffer, in denen der Begriff «Farbe» vorkommt, darunter mehr als 3.000 EU-Dokumente. Eine Einschränkung auf die deutschen Gesetze und Verordnungen des Bundes führt zu 684 Dokumenten1.

[12]

Anfragen mit einzelnen Farben ergeben folgende Treffermengen:

  Treffer (Gesetze und
Verordnungen insgesamt)
Treffer (nur
bundesrechtliche Vorschriften)
Rot 1'363 113
Blau 970 70
Grün 566 67
Gelb 367 67
Rot, Blau Grün und Gelb 293 22
Weiss 1'805 122
Schwarz 1'059 87
Grau 372 19
Orange 527 18
Rosa 364 5
Hellblau 48 5
Lila 16 1
Violett 385 12
Braun 560 25
[13]

Es zeigt sich, dass von den zu den psychologischen Grundfarben (Welsch & Liebmann 2007, 56) zählenden Farben rot, blau, grün und gelb am häufigsten rot vorkommt, während blau, grün und gelb seltener in Gesetzen genannt werden. Zudem ergibt sich, dass die Farben auch allein vorkommen, da nur in einem Bruchteil der Treffer die Farben rot, blau, grün und gelb gemeinsam auftreten.2 Insgesamt am häufigsten enthalten Rechtsvorschriften den Begriff schwarz, weiß ist ebenfalls oft vertreten. Während bei den bundesrechtlichen Gesetzen und Verordnungen die Mischfarben grau, orange, rosa hellblau, lila, violett und braun erwartungsgemäß deutlich seltener vorkommen, ist dies unter Hinzunahme der landes- und europarechtlichen Vorschriften wesentlich weniger deutlich. Hier kommen vor allem die Farben braun und orange (ähnlich häufig wie grün und deutlich häufiger als gelb) sowie violett, grau und rosa (ähnlich häufig wie gelb) in nicht geringem Ausmaß vor.

[14]

Dabei sind natürlich ganz unterschiedliche Rechtsmaterien erfasst, so findet sich beispielsweise die Farbe rosa für Wahlstimmzettel, Führerscheine und Visa ebenso wie im Lebensmittelrecht, zur Bezeichnung von rosa Beeren, rosa Fleisch, rosa Garnelen etc. Violett benutzt der Gesetzgeber v. a. als Kennzeichnung von Saatgut sowie für die Kennzeichnung bestimmter Flächen im öffentlichen Bau- und Planungsrecht; darüber hinaus kommt der Begriff auch als Bestandteil von ultraviolettem Licht vor.

3.2.

Kategorisierung zum Begriff Farbe in Rechtvorschriften ^

[15]

Im Folgenden entwickeln wir eine Kategorisierung der Farbverwendung in Rechtsvorschriften. Es lassen sich dabei verschiedene Bezugsbereiche unterscheiden, zum einen auf der Ebene, in welchem Zusammenhang Farbe überhaupt in Vorschriften auftaucht (a bis e), zum anderen, ob und welche Kriterien für die Farbvergabe bestimmt werden (f) und schließlich ob und welche Farbsysteme oder Farbcodierungen (g) auszumachen sind:

  1. Farbe als Stoff
  2. Farbe und Mensch
  3. Farben und Behörden / Kleiderordnungen
  4. Farbe als Merkmal von Produkten
  5. Farbe als Kennzeichnungsmerkmal
  6. Bestimmung von Kriterien für die Farbvergabe
  7. Farbsysteme und Farbcodierungen
[16]

zu a) Zum einen ist Farbe ein Stoff, so dass sich nicht wenige Vorschriften im Kosmetik-, Arznei- und Lebensmittelrecht3 auf die Verwendung von Farbstoffen beziehen. Eine ähnliche Verwendung findet sich im Bereich von Vorschriften zu landwirtschaftlichen Erzeugnissen, zur Herstellung von Papier, zur chemischen Industrie (Lacke, Beschichtungen) sowie zur Entsorgung (Farbe als Abfall, im Abwasser etc.).4

[17]

zu b) Farbe kann sich zum anderen auch auf Menschen beziehen. So werden in einer Reihe von Ausbildungsverordnungen Kenntnisse des Farbsystems, der Farbverwendung, Farbenlehre etc. verlangt.5 Zudem finden sich Vorschriften zu medizinischen Untersuchungen, bei denen Farbensehen geprüft wird, etwa für die Zulassung zum Straßenverkehr.6 Darüber hinaus wird der Begriff Farbe auch als Bestandteil von Hautfarbe in Antidiskriminierungsgesetzen gebraucht7 .

[18]

zu c) Ein weiterer Bereich ist dadurch gekennzeichnet, dass eine bestimmte Farbverwendung für Dienstkleidung oder Amtsschilder von Behörden8 vorgeschrieben sind. So muss etwa die Dienstkleidung der bei den deutschen Auslandsvertretungen eingesetzten Polizeivollzugsbeamten aus einem dunkelblauen Blazer, einer grauen Hose, einem weißen Oberhemd und einem einfarbigen, dunkelblauen Binder bestehen.9

[19]

zu d) Farbe spielt in Rechtsvorschriften auch als Merkmal von Produkten eine Rolle, so etwa für die Eintragung einer geschützten geografischen Angabe bei Lebensmitteln oder landwirtschaftlichen Erzeugnissen.10

[20]

zu e) Bestimmte Farben werden zudem als allgemeines Kennzeichnungsmerkmal eingesetzt, etwa für Stimmzettel11 , für Formulare und Erhebungsbögen12 , für Ausweise (z.B. Schwerbehindertenausweis13 ), Zeugnisse (z.B. Schifferpatent14 ), Bescheinigungen und Bestätigungen (Versicherungsbestätigung für Fahrzeuge15 , Öko-Kennzeichen16 , Prüfplakette für die Untersuchung und Abgasuntersuchung von Kraftfahrzeugen17 etc.), Etiketten (z.B. für Saatgut18 oder Munitionsarten19 ), im Verkehrsrecht20 sowie in der Allgemeinen Bundesbergverordnung21 .

[21]

zu f) Die Verwendung des Begriffs Farbe in Rechtsvorschriften lässt sich auch nach der Art, in welcher Weise Farbe als Kennzeichnungsmerkmal vorgeschrieben wird, kategorisieren. Es sind absolute Farbfestlegungen («blau», «rot») genauso wie relative Farbfestlegungen («auffallend», «sich abzeichnend vom Untergrund»), Farbgleichheit («alle Stimmzettel in gleicher Farbe») oder Kontrast («helle Farbe auf dunklem Grund») zu finden.

[22]

zu g) Schließlich enthalten Gesetze und Verordnungen auch Beispiele für die systematische Verwendung mehrerer Farben. Dies bedeutet, dass unterschiedlichen Farben innerhalb eines Regelungskomplexes eine Bedeutung zugewiesen wird. Ein solches Farbsystem findet sich etwa bei den Anforderungen an die Sicherheits- oder Gesundheitsschutzkennzeichnung im Bergwesen (Rot: Verbotszeichen; Gelb oder gelborange: Warnzeichen; Blau: Gebotszeichen; Grün: Erste-Hilfe-, Rettungszeichen, Gefahrlosigkeit22 ). Auch im Verkehrsrecht sind Verkehrsschilder, die Ver- und Gebote enthalten, meist rot, während Hinweisschilder häufig blau sind.23 Farbsysteme werden auch für die Kennzeichnung von Reizstoffgeschossen verwendet24 (Blau: Reizstoffmunition mit CN; Gelb: Reizstoffmunition mit CS; Rot: Sonstige Reizstoffmunition) sowie als Hinweis auf den Stärkegrad der Ladung25 (Ladungsstufe 1 weiß oder braun: schwächste Ladung; Ladungsstufe 2 grün: schwache Ladung; Ladungsstufe 3 gelb: mittlere Ladung, Ladungsstufe 4 blau: starke Ladung, Ladungsstufe 5 rot: sehr starke Ladung, Ladungsstufe 6 schwarz: stärkste Ladung), zur Kennzeichnung von nicht für den menschlichen Verzehr bestimmten tierischen Nebenprodukten26 (bei Material der Kategorie 1 mit schwarzer Farbe; bei Material der Kategorie 2 (außer Gülle und Magen- und Darminhalt) mit gelber Farbe; bei Material der Kategorie 3 mit grüner Farbe mit hohem Blauanteil, um eine klare Unterscheidung gegenüber den anderen Farben zu gewährleisten) oder zur Darstellung von Rohren in Zeichnungen in der Brennereiordnung27 (für Wasser grün, für Wasserdampf rot (zinnober), für Luft blau, für Maische lila, für weingeisthaltige Dämpfe gelb, für Branntwein rot (karmin), für Methylalkohol grau und grün (abwechselnd), für Fuselöl braun, für Wasserentziehungsmittel braun und blau (abwechselnd), für Schlempe schwarz und weiß (abwechselnd), für Lutterrückstände schwarz). Insgesamt zeigt sich, dass Farbe nicht selten Gegenstand der Rechtssetzung ist, wobei sich ganz unterschiedliche Ausprägungen in der Verwendung feststellen lassen. Insbesondere die hier interessierende Frage, ob es eine systematische Verwendung als Kennzeichnungsmerkmal gibt, kann bejaht werden, wenngleich keine einheitlichen Kriterien auszumachen sind. So zeigen gerade die oben in unter g) genannten Beispiele ganz unterschiedliche Farbsystematiken, bei denen keine konsistenten Verwendungsregeln zu erkennen sind.

3.3.

Ampelsystem: Vom Farbcode zur visuellen Metapher ^

[23]

Eine Sonderstellung nehmen die sogenannten «Ampelfarben» (grün, gelb, rot)28 ein, die sich nicht nur im Bereich des Straßenverkehrsrechts finden lassen, sondern die sich auch in anderen Bereichen etabliert haben, wie z.B. im Informationssystem zur Gasnetzzugangsverordnung29 (rot: Buchung größer gleich 99 Prozent der verfügbaren Kapazität (Engpasssituation), gelb: Buchung von mindestens 90 % und kleiner als 99 % der verfügbaren Kapazität, grün: Buchung weniger als 90 % der verfügbaren Kapazität) oder für den Status von Lizenzen in der elektronischen Zeitschriftenbibliothek30 (rot: keine Lizenz, kein Zugriff, gelb: Lizenz verfügbar, Volltextzugriff möglich, grün: frei verfügbar für Jedermann). Ähnliches ist für die Angaben zum Nährwert von Lebensmitteln in der Diskussion. Dabei hat sich das Ampelsystem von einem Farbcode hin zu einer visuellen Metapher entwickelt.

4.

Fazit und Ausblick ^

[24]

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Farbe auch im Bereich des Rechts eine nicht unerhebliche Rolle spielt – die Vielzahl der nachweisbaren Vorschriften mit Farbbezug und vor allem die sehr unterschiedlichen Gegenstandsbereiche, in denen Farbe rechtlich behandelt wird, belegen dies eindrucksvoll. Allerdings ist dabei keine einheitliche Systematik der Farbcodes erkennbar. Wie in anderen Bereichen des Farbeinsatzes auch ist eine Vermischung unterschiedlicher Begründungszusammenhänge für die Farbverwendung zu erkennen: Neben dem Rekurs auf die physiologischen Grundlagen (z.B. bei der Auswahl der Ampelfarben) und die Wahrnehmbarkeit von Farbe finden sich kulturelle Traditionen der Farbsymbolik ebenso wie vermutlich arbiträre Zuweisungen. Eine Standardisierung von Farbcodes im Recht erscheint aber durchaus wünschenswert. Dies belegt der Erfolg der Ampelmetapher, deren Farben ursprünglich mit sicher tragfähiger physiologisch-psychologischer Begründung gewählt wurden (vgl. auch Heller 1999:62), die aber durch ihre Verbreitung zu einem selbständigen Element der aktuellen Farbkultur geworden ist. Gleiches gilt auch für die systematische Farbverwendung im Bereich der Rechtsvisualisierung. Eine Untersuchung der Farbverwendung auf diesem Gebiet sowie im Bereich der Rechtsbilder und -fotografien erscheint daher als ein lohnenswertes Forschungsdesiderat.

5.

Literatur ^

Heller, E. (1999). Wie Farben wirken. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
Herczeg, M. (1994). Software-Ergonomie. Grundlagen der Mensch-Maschine-Kommunikation. Bonn et al.: Addison-Wesley.
Herczeg, M. (2006). Interaktionsdesign. Gestaltung interaktiver und multimedialer Systeme. München / Wien: Oldenbourg.
Honig, G. (2001). «Farbe und Recht.» In: Wettbewerb in Recht und Praxis 7 (2001), 777-781.
Hutzler, E. (2008). 10 Jahre Elektronische Zeitschriftenbibliothek – Kontinuität und Wandel einer kooperativen Dienstleistung. Bibliotheksdienst 42 (2008), 169-181.
Münch, I.v. (2006). Farben und Recht. Köln: Carl Heymanns Verlag.
Röhl, K.F.; Ulbrich, St. (2007). Recht anschaulich. Visualisierung in der Juristenausbildung. Köln: Herbert von Halem Verlag [edition medienpraxis, Bd. 3].
Silvestrini, N., & Fischer, E.P. (2005). Farbsysteme in Kunst und Wissenschaft (3 ed.). Köln: DuMont Literatur und Kunst Verlag.
Schumann, Heidrun; Müller, Wolfgang (2000). Visualisierung. Berlin u.a.: Springer.
Welsch, N., & Liebmann, C.C. (2007). Farben. Natur Technik Kunst (2 ed.). Heidelberg / Berlin: Spektrum Akademischer Verlag.

 



Bettina Mielke, Landgericht Regensburg, Kumpfmühler Straße 4, 93047 Regensburg, DE, bettina.mielke@lg-r.bayern.de
Christian Wolff, Universität Regensburg, Institut für Information und Medien, Sprache und Kultur, Professur für Medieninformatik, 93040 Regensburg, DE, christian.wolff@computer.org

 

  1. 1 Anfragen: Stand 24. 2. 2009; insgesamt befanden sich zu diesem Zeitpunkt 621'660 heute geltende Vorschriften in der Datenbank, darunter 105'724 bundesrechtliche Vorschriften.
  2. 2 Detailergebnisse zu Schnittmengen sind hier nicht wiedergegeben.
  3. 3 Vgl. etwa die Richtlinie 76/768/EWG des Rates vom 27. Juli 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel oder die Verordnung über kosmetische Mittel, die Arzneimittelfarbstoffverordnung oder die Arzneimittel-Warnhinweisverordnung sowie das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch.
  4. 4 Vgl. etwa die Anlage zur Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis, § 4 der Bedarfsgegenständeverordnung, die Anlage zur Verordnung über Verbote und Beschränkungen des Inverkehrbringens gefährlicher Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse nach dem Chemikaliengesetz.
  5. 5 Vgl. etwa § 2 der Verordnung über das Meisterprüfungsberufsbild und über die Prüfungsanforderungen in den Teilen I und II der Meisterprüfung im Friseur-Handwerk oder die Anlage zur Verordnung über die Berufsausbildung zum Buchbinder/zur Buchbinderin.
  6. 6 Anlage 6 zur Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr.
  7. 7 Vgl. etwa die Charta der Grundrechte der Europäischen Union.
  8. 8 Vgl. etwa den Erlass über die Amtsschilder der Bundesbehörden.
  9. 9 Anordnung des Bundespräsidenten über die Dienstkleidung der bei den deutschen Auslandsvertretungen für den Geheim-, Haus- und Objektschutz eingesetzten Polizeivollzugsbeamten im BGS.
  10. 10 Vgl. etwa die Verordnung (EG) Nr. 1068/2008 der Kommission vom 30. Oktober 2008 zur Genehmigung geringfügiger Änderungen der Spezifikation einer im Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und der geschützten geografischen Angaben eingetragenen Bezeichnung (Taureau de Camargue (g.U.)).
  11. 11 Vgl. etwa Anlage 12 zu § 28 Abs. 3 der Bundeswahlordnung oder die Wahlordnung für die Wahl der Schwerbehindertenvertretungen.
  12. 12 Vgl. etwa § 3 der Verordnung über die ärztlichen Untersuchungen nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz oder Anlage 12 der Thüringer Meldeverordnung.
  13. 13 § 1 Schwerbehindertenausweisverordnung.
  14. 14 Anlage 1 der Binnenschifferpatentverordnung.
  15. 15 Anlage 11 zur Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr.
  16. 16 Anlage 1 zur Verordnung zur Gestaltung und Verwendung des Öko-Kennzeichens.
  17. 17 Anlage IX und IXa zur Straßenverkehrszulassungsordnung.
  18. 18 Verordnung über den Verkehr mit Saatgut landwirtschaftlicher Arten und von Gemüsearten.
  19. 19 §§ 16 f. der Allgemeinen Verordnung zum Beschussgesetz.
  20. 20 Vgl. etwa § 1 der Binnenschiffahrtsstraßen-Ordnung oder Anlage A zur Donauschiffahrtspolizeiverordnung.
  21. 21 Vgl. Anhang 4 der Allgemeinen Bundesbergverordnung.
  22. 22 Vgl. Anhang 4 der Allgemeinen Bundesbergverordnung.
  23. 23 Vgl. zur Farbverwendung in Straßenverkehr auch Honig 2001.
  24. 24 § 16 der Allgemeinen Verordnung zum Beschussgesetz.
  25. 25 § 17 der Allgemeinen Verordnung zum Beschussgesetz.
  26. 26 Verordnung Nr. 1774/2002 des europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Oktober 2002 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte.
  27. 27 § 52 Brennereiordnung (Anlage zur Branntweinmonopolverordnung).
  28. 28 Vgl. § 37 Straßenverkehrsordnung.
  29. 29 § 10 der Verordnung über den Zugang zu Gasversorgungsnetzen.
  30. 30 Vgl. dazu Hutzler 2008, 174.