1.
Die Ausgangsproblematik ^
2.
Was sind Machinima? ^
3.
Virtuelle Welten und Machinima – urheberrechtliche Würdigung ^
Wie bereits oben erwähnt, werden durch die Nutzung virtueller Welten zahlreiche urheberrechtliche Fragen aufgeworfen; auf einige ausgewählte soll in diesem Kapitel eingegangen werden. Zuerst stellt sich die Frage, wie virtuelle Welten urheberrechtlich einzuordnen sind und worauf sich der gegebenenfalls vorhandene Schutz gründen kann. Sodann wird erörtert, ob auch Avatare urheberrechtlichen Schutz genießen können. Abschließend wird auf die urheberrechtliche Problematik der Machinima eingegangen, so bspw., ob die Freiheit des Straßenbilds auch auf virtuelle Welten anwendbar ist.
Virtuelle Welten können, sofern sie eine eigentümliche geistige Leistung darstellen, auf verschiedene Weise urheberrechtlichen Schutz genießen. Sie können aufgrund ihres Erscheinungsbilds als Werke der bildenden Künste gem. § 3 UrhG geschützt sein, doch ebenso kann für das dahinterliegende Computerprogramm als eigene geistige Leistung gem. § 40a UrhG bzw. für die Auswahl und Anordnung des Stoffes gem. § 40f UrhG (Datenbankwerk) Schutz beansprucht werden. Stellt die Auswahl und Anordnung des Stoffes keine eigentümliche geistige Leistung dar, wurde aber für die Herstellung der virtuellen Welt eine wesentlichen Investition getätigt, käme auch der Leistungsschutz sui generis gem § 76c UrhG als Datenbank in Frage, wobei die Qualifikation als Datenbankwerk gem. § 40f UrhG nicht auch den Schutz gem. § 76c UrhG als Datenbank sui generis ausschließt. Das bedeutet, dass eine Datenbank, die eine eigentümliche geistige Schöpfung darstellt, auch den Leistungsschutz sui generis genießt, sofern für deren Gestaltung eine wesentliche Investition erforderlich war.
Für Avatare und virtuelle Gegenstände gilt Vergleichbares, weshalb nur auf die Besonderheiten eingegangen werden soll. Da der Betreiber einer virtuellen Welt, bspw. Second Life, die Grenzen festlegt, innerhalb derer der Nutzer seinem Avatar ein bestimmtes Aussehen geben kann, kommt es darauf an, wie individuell der Avatar gestaltet wird. Erlaubt der Betreiber einer virtuellen Welt bloß die Auswahl zwischen einzelnen verschiedenen Farben für die Haare oder nur wenigen verschiedenen Körpergrößen bzw. -umfänge, wird man die Individualität, also die Eigentümlichkeit des Avatars verneinen müssen und dem Nutzer als «Gestalter» des Avatars den urheberrechtlichen Schutz versagen. Gibt es allerdings unzählige Möglichkeiten für die Formung des Avatars, kommt Urheberrechtsschutz als Werk der bildenden Künste durchaus in Frage.15 Programmiert der Nutzer bspw. eine neue virtuelle Frisur, genießt auch das Computerprogramm als eigene geistige Leistung Schutz. Theoretisch kämen auch der Schutz als Datenbankwerk bzw der Leistungsschutz sui generis in Betracht, jedoch finden diese Bestimmung bei Avataren nur sehr eingeschränkt Anwendung, da die Auswahl und Anordnung des Stoffes darauf beschränkt wäre, die Frisur mit den Schuhen abzustimmen, und die Schaffung eines Avatars meist nur eine Zeitinvestition16 erfordert.
Stellt nun ein Nutzer ein Machinima her, ergibt sich daraus das Problem, dass der Film20 nicht nur die Werke oder Leistungen zeigt, an denen man selbst ein Recht hat, sondern auch fremde Werke und Leistungen. Bewegt man «seinen» Avatar durch eine virtuelle Straße und filmt man ihn dabei, so filmt man natürlich auch die virtuelle Umgebung, die aus virtuellen Gebäuden, Gegenständen und anderen Avataren besteht. Dieses «Problem» wurde in der realen Welt mithilfe der freien Werknutzung und dem Recht am Straßenbild gem. § 54 Abs. 1 Z 5 UrhG (in DE: Panoramafreiheit gem. § 59 dUrhG) gelöst. Diese freie Werknutzung erlaubt die Vervielfältigung, Verbreitung, Vorführung durch optische Einrichtungen, Rundfunksendung und Zurverfügungstellung von Werken der bildenden Künste, wenn sich diese bleibend an einem öffentlichen Ort befinden. IdR wird man davon ausgehen können, dass virtuelle Welten öffentliche Orte sind, da sie grundsätzlich für jedermann zugänglich sind. Als Richtschnur kann § 15 Abs 3 dUrhG, der eine Definition des Öffentlichkeitsbegriffs enthält, herangezogen werden. § 15 Abs 3 dUrhG stellt in erster Linie auf die persönliche Beziehung der Nutzer untereinander ab. Hat also jemand, der zu anderen Nutzern oder zum Veranstalter (= Betreiber der virtuellen Welt) keine persönliche Beziehung unterhält, jederzeit Zugang zu dieser virtuellen Welt, so kann von der Öffentlichkeit der virtuellen Welt gesprochen werden. Im öUrhG findet sich keine dem § 15 Abs 3 dUrhG entsprechende Bestimmung, jedoch wenden sowohl öJud und öLit diese Regelung auch in Österreich an.
Aufgrund der Persistenz der virtuellen Welten kann man annehmen, dass es sich auch um «bleibend an einem öffentlichen Ort» befindliche Werke handelt; also auch das zweite Tatbestandsmerkmal erfüllt ist. Es spricht daher nichts dagegen, das Recht der Freiheit des Straßenbilds auch auf virtuelle Welten zu erstrecken (solange diese frei zur Nutzung zugänglich sind). Im Ergebnis kann man virtuelle Werke, wie zB Gebäude, auch für seine Machinima verwenden.
Als Zwischenergebnis können wir also festhalten, dass es grundsätzlich kein Problem darstellt, beim Herstellen eines Machinima «fremde» Werke zu verwenden. Bleibt noch das Endergebnis zu beurteilen: Ist mein Machinima geschützt? Als Beispiel soll ein Machinima vom virtuellen Dom dienen, in dem der Dom bloß gefilmt wird. Hier können zwei Rechtsansichten als Interpretationshilfe herangezogen werden: Die eine Ansicht ist die des LG Köln. Der eher restriktive Ansatz, den das LG Köln in seiner E Virtueller Dom vertrat, nämlich einen Schutz für die Darstellung des virtuellen Kölner Doms zu verneinen, da die Nutzer den realen Kölner Dom bloß so exakt wie möglich darstellten, führt zwangsläufig auch dazu, dass die das bloße Filmen des virtuellen Doms keinen Schutz genießt. Da Laufbilder vom realen Kölner Dom (zumindest) Leistungsschutz genießen, sollte für Laufbilder des virtuellen Kölner Doms nichts anderes gelten. Die andere Ansicht ist die des OGH. Nimmt man dessen E Eurobike als Leitlinie, führt dies zu einem Schutz des Machinma als Filmwerk; und zwar auch dann, wenn der virtuelle Dom bloß gefilmt wird. Einzige Voraussetzung ist, dass es möglich ist, dass ein Dritter den virtuellen Dom anders gefilmt hätte. Leistungsschutz scheidet hier zwangsläufig aus.
Die Verfasser dieses Aufsatzes vertreten einen Mittelweg. Ein Machinima des virtuellen Doms ist geschützt. Eine Prüfung, ob es sich um ein Filmwerk gem § 4 UrhG oder um Laufbilder gem § 73 UrhG handelt, sollte anhand der Individualität des Machinima geprüft werden. Im Ergebnis ist die E Virtueller Dom zu eng, während die E Eurobike zu weit geht.
4.
Fazit ^
Während sich Machinimakünstler in den USA auf den Fair Use-Paragraphen gem. § 107 Title 17 US Code berufen können, gilt dies für ihre europäischen Kollegen nicht. Eine dem Fair Use-Paragraphen vergleichbare Regelung ist der Drei-Stufen-Test bzw Drei-Schritt-Test in der Art 9 Abs RBÜ bzw Art 5 Abs 5 Info-RL (in DE: Multimedia-RL). Der Drei-Stufen-Test beschränkt die Nutzung von geschützten Werken auf wenige Ausnahmen (1. Stufe), wobei die normale Auswertung des Werks nicht beeinträchtigt (2. Stufe) und die berechtigten Interessen des Urhebers nicht unzumutbar verletzt werden dürfen (3. Stufe). Auch wenn in der Praxis die iSd. § 18a UrhG zur Verfügung gestellten Machinima überwiegend nicht von den Rechteinhabern rechtlich verfolgt werden, da diese sich einen Mehrwert durch das kostenlose Marketing versprechen, bewegen sich die Künstler selbst auf rechtlich gesehen dünnem Eis. Vielfach übertreten sie die in den AGB vertraglich vereinbarten Nutzungsrechte und setzen sich damit einer möglichen rechtlichen Verfolgung aus. Nur in den Fällen, in denen der Urheber diese Rechte bspw. durch eine Open Source Lizenz einräumt, kann der Nutzer sorgenfrei sein Machinima drehen. Es wäre wünschenswert, wenn die Urheber von virtuellen Welten und Konsolen- und Computerspielen hier eine «Machinimaklausel» in die AGB aufnehmen würden, die es der Fangemeinde erlaubt, die Werke für ihre Zwecke zu nutzen. Dem Urheber bleibt ja weiterhin das Einspruchsrecht iSd. § 21 Abs. 3 UrhG sollte sein Werk entstellt oder verstümmelt werden.
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Literatur ^
data/SB108145721789778243.djm&d2hconverter=display-d2h&template=dividends (2004).
- 1 Siehe dazu bspw: Kucsko in Kucsko, urheber.recht 2008, 82 ff.
- 2 Oftmals auch als Videospiele bezeichnet. Diese Übersetzung des Wortes «Videogame» ist technisch unsauber und sollte bei der zukünftigen Beschreibung dieser Spiele vermieden werden.
- 3 Marino, 3D Game-Based Filmmaking: The Art of Machinima 5.
- 4 http://www.idsoftware.com/support.
- 5 Lowood, High-performance play: The Making of machinima, abrufbar unter: http://www.atyponlink.com/INT/doi/pdf/10.1386/jmpr.7.1.25/1.
- 6 http://www.redvsblue.com.
- 7 Siehe den Eintrag auf IMDB http://www.imdb.de/title/tt0401747 und die Erwerbsmöglichkeit über Amazon: http://www.amazon.com/Red-Vs-Blue-Season-Chronicles/dp/B000KD10I8.
- 8 http://www.redvsblue.com.
- 9 http://www.machinima.com.
- 10 http://www.machinima.org.
- 11 http://www.youtube.com/user/machinima.
- 12 http://goodnews.antville.org/stories/1891011. Dieser Schritt verwundert, da YouTube von der GEMA bereits 2007 eine Berechtigung zur Aufführung von Musikwerken erhalten hatte, abzurufen unter: http://www.heise.de/newsticker/YouTube-Nutzer-duerfen-GEMA-Musik-einsetzen--/meldung/98714.
- 13 Bei Datenbankwerken wird die Systematik der Auswahl und Anordnung geschützt, wohingegen bei Datenbanken sui generis die Investition und der Inhalt vom Schutz erfasst sind; vgl. OGH 4 Ob 252/01i, www.baukompass.at.
- 14 Die Rechtslage in Deutschland unterscheidet sich in der Weise von der österreichischen, dass die Werkskategorien in § 2 dUrhG nicht abschließend aufgezählt sind, also auch die Kategorisierung als «Multimediawerk» möglich wäre.
- 15 Dass dies auch die Möglichkeit schafft, in fremde Persönlichkeitsrechte einzugreifen, wenn man seinen Avatar z. B. Britney Spears nachempfindet, steht außer Zweifel, kann aber hier aufgrund des beschränkten Platzes nicht näher beleuchtet werden.
- 16 Grundsätzlich beschränkt sich der Investitionsschutz nicht nur auf die finanzielle Investition, sondern umfasst jede Art der Investition, sofern sie wesentlich ist.
- 17 LG Köln, 28 O 124/08, Virtueller Dom, MMR 8/2008, 556.
- 18 Siehe dazu §§ 73 ff. öUrhG.
- 19 OGH 4 Ob 179/01d, Eurobike, MR 2001, 389 (M. Walter).
- 20 Gleich Animationsfilmen können auch Machinimas Filmwerke iSd § 4 UrhG sein.
- 21 Vgl Erenli, Der Gnom zahlt nicht – Muss die Rechtsordnung der Zukunft die virtuelle Person anerkennen? (Vortrag IRIS 2008), abzurufen unter: Erenli/Sammer, Der Gnom zahlt nicht, http://www.virtuellewelten.at/uploads/DerGnomzahltnicht.pdf.
- 22 Vgl Kohler, Urheberrecht (1908) 158 f: «Niemand hat das Recht zu sagen, er wandle mit der Wolkenhülle der Pallas Athene in der Welt herum, und es sei verboten, den gespenstigen Schein zu zerstören, der sich um ihn hülle. Der Mensch lebt nicht in einer Verdeckung oder Vermummung: er lebt als Naturwesen offen und ehrlich in der Welt; mithin wird der, den man auf solche Weise wiedergibt, nicht etwa unbefugt in eine neue Welt hineingeschoben, sondern man hält nur das Bild fest, mit welchem er leibhaftig, der Oeffentlichkeit gegenübertritt.».
- 23 Für die deutsche Rechtslage vgl. § 23 KUG.