Jusletter IT

Welche Innovationen braucht E-Government?

  • Author: Roland Traunmüller
  • Category: Short Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Government, E-Justice
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2010
  • Citation: Roland Traunmüller, Welche Innovationen braucht E-Government?, in: Jusletter IT 1 September 2010
Für eine verantwortungsbewusste Regierungsführung und für die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung ist E-Government die Grundlage und somit auch der Schlüssel zu Good Governance in der Informationsgesellschaft. Merkmale sind Demokratisierung, Kohärenz, Effektivität, Transparenz und Rechenschaftspflicht. Auf drei zentrale Themenkreise wird eingegangen: Online One Stop Government, Kollaboration und Wissensmanagement sowie E-Partizipation und soziale Medien.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Electronic Government bringt Good Governance
  • 2. Online One Stop Government: national und grenzübergreifend
  • 3. Kollaboration und Wissensmanagement
  • 4. E-Partizipation und soziale Medien

1.

Electronic Government bringt Good Governance ^

[1]

E-Government ist die Grundlage für eine verantwortungsbewusste Regierungsführung und für die Modernisierung der öffentlichen Verwaltung. Somit ist E-Government der Schlüssel zu Good Governance in der Informationsgesellschaft. Good Governance kann man mit den Merkmalen Demokratisierung, Kohärenz, Effektivität, Transparenz und Rechenschaftspflicht umreißen.

[2]

Good Governance spiegelt sich auf der operationalen Ebene wider, wo dies ein Verwalten in modernen bürgerzentrierten, kooperativen, nahtlosen und poly-zentrischen Formen bedeutet. Große Herausforderungen müssen beim Aufbau eines entsprechenden E-Government überwunden werden. Hier soll auf drei zentrale Themenkreise eingegangen werden. Der erste ist Online One Stop Government, das sowohl im nationalen Rahmen aber auch grenzübergreifend ablaufen kann. Damit werden eine Service-orientierte Architektur, weitgehende Interoperabilität und eine Pan-Europäische Identitätsverwaltung notwendig. Kooperatives Verwaltungshandeln rückt in den Mittelpunkt des Interesses und macht Kollaboration und Wissensmanagement zum zweiten wichtigen Thema. Das dritte behandelte Thema betrifft E-Partizipation und die Anwendungen sozialer Medien.

2.

Online One Stop Government: national und grenzübergreifend ^

[3]

E-Government bemüht sich um eine grundlegende Änderung der Prozesse, in denen öffentliche Dienstleistungen erstellt werden. Somit bringt es ein enormes Potenzial zur Verbesserung der Leistung von öffentlichen Institutionen mit sich. Weil neue Bürgerdienste stark im Vordergrund stehen, wurde Online One Stop Government gleichsam zum Synonym für E-Government. Dem Bürger eröffnet sich über ein und denselben Zugangweg der gesamte Bereich von Staat und Verwaltung. Dabei kommt der Single-Window-Gedanke zu seinem Recht - ein einziges Fenster wird auf alle Stellen und Dienste eröffnet, die aus Adressatensicht in einer bestimmten Situation erforderlich werden.

[4]

Somit ist die Leistungserstellung (Serviceproduktion) von der Serviceübergabe örtlich und meist auch organisatorisch getrennt, wobei beide über Netzwerke miteinander verbunden sind. Dies bedeutet drei Forderungen:

  • Eine Service-orientierte Architektur für öffentliche Dienstleistungen ist gefragt, die eine Arbeitstrennung von Front Office und Back Office sowie eine umfassende Verwaltungskooperation (join up) ermöglicht.
  • Zur Zusammenarbeit benötigt man interoperable Plattformen und Formatdefinitionen für den Datenaustausch, aber auch die Schaffung einheitlicher Auffassungen von administrativen Konzepten und Prozessen.
  • Eng damit verbunden sind Fragen der Identitätsverwaltung und der digitalen Signatur.
[5]

Alle diese Anforderungen auf nationaler Ebene zu erfüllen ist bereits sehr schwierig, doch die Probleme potenzieren sich, wenn man zum grenzüberschreitenden E-Government kommt. Derzeit sind zu diesem im wesentlichen Pilotprojekte im Laufen, so etwa zu Aufgaben der Beschaffung, der internationalen Dienstleistungen und des Zollwesens.

3.

Kollaboration und Wissensmanagement ^

[6]

Kollaboration bedeute die Unterstützung eher formfreier, nur wenig strukturierter Arbeit. Dadurch unterscheidet sie sich von der Unterstützung wohl strukturierter Geschäftsprozesse, so wie dies durch Workflow Management Systeme geleistet wird. Mit der Bezeichnung Groupware und kollaborative Plattformen werden Systeme bezeichnet, bei denen mehrere Personen für die Erfüllung einer gemeinsamen Aufgabe über ihre vernetzten Computer in wenig vorstrukturierter Weise kommunizieren. Beispiele sind wie folgt: Foren von sozialen Medien (Web 2.0), gemeinsame Dokumenterstellung, spezielle Brainstormingsysteme oder auch Videokonferenzen.

[7]

Mit der Entwicklung und Einführung von kollaborativen Systemen wächst der Ruf nach stärkerer Berücksichtigung des Wissens. Denn eines ist klar: Neugestaltung und Neuverteilung der Arbeit bedeuten auch eine Neugestaltung der Informationsströme.

[8]

Kollaboration und verteiltes Wissen sind schwer voneinander zu trennen, womit das Wissensmanagement gefordert ist. Viele Prozesse in E-Government können wissensverstärkt ablaufen. Ein umfangreiches verteiltes Wissen (aufgeteilt auf Personen, Dokumente, Datenbanken) fließt in die Entscheidungen ein, erhöht deren Effizienz und eröffnet auch die Möglichkeit eines weitgehenden Selbstservices.

[9]

Allgemein können Verwaltungen als Wissensorganisationen beschrieben und ihre Mitarbeiter als Wissensarbeiter betrachtet werden. Liegt doch das wichtigste Kapital der Verwaltung in ihrem Wissen, im angesammelten Know-how der Organisation und in Erfahrung, Kreativität und Fähigkeiten der Mitarbeiter. Das Wissen, das in der Verwaltung Bedeutung hat, ist mithin vielgestaltig. Informationen unterschiedlicher Art sind erforderlich, um Verwaltungsentscheidungen treffen zu können. Zu den grundlegenden Registern (Land, Personen, Finanzen) und zu den Managementdaten kommen zahlreiche spezielle Wissenskategorien, die mit dem Fällen administrativer Entscheidungen verbunden sind. Dazu gehören: Normen und Regelungen, Sachverhalte und Fälle, Entscheidungskriterien, Zugriff auf Ressourcen, Kennzahlen aus der Verwaltungsführung, Information zu Handlungsmöglichkeiten usw.

4.

E-Partizipation und soziale Medien ^

[10]

Unter E-Partizipation versteht man die Beteiligung des Bürgers am politischen Entscheidungsprozess unterstützt mit neuen Kommunikationstechnologien. In den letzten Jahren erlebte man Politikverdrossenheit und einen Rückzug der Bevölkerung aus den politischen Entscheidungen. Um dem entgegenzuwirken, motiviert man Bürger, aktiv an der Politik teilzunehmen – so auch durch den Einsatz moderner Technologie. Dabei sollen die verschiedenen Phasen des demokratischen Prozesses technisch unterstützt werden. Allerdings ist eine gewisse grundsätzliche Wachsamkeit für neue Wege gefordert. Besteht doch durch diese immer die Möglichkeit, dass die Balance von direkter und repräsentativer Demokratie sich zu stark verschiebt.

[11]

Der Bereich der Bürgerbeteiligung ist umfassend und verlangt vielfache Formen der Unterstützung. Informationssuche, Meinungsbildung, gemeinsame Willensbildung, Verhandlungen und schließlich Abstimmungen sind dabei angesprochen. So sei das breite Spektrum von Werkzeugen für das Beispiel Stadtplanung umrissen. Es reicht von einfachen Statistiken und Tabellenkalkulationen bis hin zu 3-D Visualisierungen, Optimierungen und Simulationen.

[12]

Soziale Medien sind zu einem Hoffnungsgebiet für E-Partizipation geworden. Das Anwendungsgebiet von Web 2.0 ist weit und umfasst zahlreiche Beispiele:

  • Wahlkampagnen über das Web laufen Bürgerorientiert, dezentralisiert und stark individualisiert ab. Die technischen Verfahren sind eher anspruchslos, vielmehr kommt es stark auf das Engagement der Personen und deren Vernetzung an. Dies ist ein gutes Beispiel für die Bedeutung sozialer Medien.
  • Petitionen über das Internet ist eine Nutzung sozialer Medien. Im Vergleich zu früheren Formen, wie schriftlich oder in persönlichen Vorsprachen, ist dieser Weg weit weniger beschwerlich.
  • Monitoring kann eine Beobachtung von Mandataren oder Kontrolle zur Verwendung von Mitteln sein. So hat die EU hat ein solches Netz für Agrarsubventionen etabliert.
  • Konsultationen sind ein weiteres Anwendungsgebiet. Die elektronische Unterstützung für die Gesetzgebung ist hier sehr weit und in Österreich so fortgeschritten, dass man auf Papier ganz verzichten kann.
  • Planung ist ein wichtiges Anwendungsgebiet von Web 2.0, insbesondere der Einsatz für lokale Planungsfragen.
[13]

Soziale Medien eröffnen auch für die Arbeit innerhalb der öffentlichen Verwaltungen breite Möglichkeiten. Eine Kategorie von Anwendungen betrifft Versuche, über Web 2.0 ein Feedback der Bürger zur Qualität von Service zu bekommen. Auch bringt das Web 2.0 Fortschritte für das kollaborative Arbeiten im Verwaltungsbereich. Alles im allen, besteht eine echte Chance, dass die vielen Anwendungsmöglichkeiten von sozialen Medien Good Governance in seiner konkreten Umsetzung stärken werden.



Roland Traunmüller, em. Universitätsprofessor, Institut für Informatik in Wirtschaft und Verwaltung, Johannes Kepler Universität Linz, Altenberger Straße 69, 4040 Linz AT,traunm@ifs.uni-linz.at