Jusletter IT

Einführung in den Schwerpunkt E-Commerce

  • Author: Ines Staufer
  • Category: Short Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Commerce
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2010
  • Citation: Ines Staufer, Einführung in den Schwerpunkt E-Commerce, in: Jusletter IT 1 September 2010
E-Commerce erweitert verfügbare Märkte und öffnet Anbietern von Waren- oder Dienstleistungen das globale Dorf. Zunehmende internationalen Rechtskontakte, neue Arten der Willenserklärung (E-Mail oder «Mausklick»), elektronische Signaturen, dislozierte Teilnahme an Versammlungen etc. verändern das Geschäftsleben. In dieser Session wird auf folgende aktuelle Fragen eingegangen: Zugangssperren gegen Kinderpornografie, Verbraucherschutz im Web 2.0, Social Media Marketing, Keyword Advertising und die «virtuelle Hauptversammlung».

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Schwerpunkt E-Commerce

1.

Einleitung ^

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Der Begriff des E-Commerce wird sowohl als spezieller als auch als umfassender Begriff verwendet und bietet daher umfangreiche Möglichkeiten sich im Rahmen der IRIS-Session mit unterschiedlichen Fragestellungen zu befassen. Besonders gewichtig ist dies, da die Internetnutzung für Unternehmen mittlerweile eine zentrale Bedeutung einnimmt1 .

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Außerhalb des Internet waren die Rechtsbeziehungen von Unternehmen oder auch solche einzelner Personen vor allem dadurch geprägt, dass sie regelmäßig aus einem direkten Kontakt mit anderen entstanden2 . In der Regel resultierten daraus ein eingeschränkter Aktionsradius und damit auch meist eine eindeutige Anwendbarkeit des Rechts des Staates, in dem man sich gerade befand. Nur selten waren andere Rechtssysteme zu beachten.

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Der Siegeszug des E-Commerce veränderte dieses Bild von Grund auf. Das Internet ließ Entfernungen – als weltweites Kommunikationsmedium – praktisch bedeutungslos erscheinen. Anbieter von Waren- oder Dienstleistungen standen plötzlich Nachfragende auf der ganzen Welt gegenüber. Der Einzelne hat also eine Vielzahl an – teils – internationalen Rechtskontakten, ohne sich dieser Tatsache oft bewusst zu sein. Hinzu kommen neue Arten der Willenserklärung, wie EMail oder «Mausklick». Kommt es in einem solchen Fall zu Problemen, so versagt das gewohnte Rechtsinstrumentarium oft. Gerade aufgrund dieser Tatsache kommt dem Austausch von Experten und Praktikern auf diesem Gebiet große Bedeutung zu. Die Session E-Commerce im Rahmen des IRIS bietet diese Gelegenheit und stellt – wohl gerade auch deshalb – einen fixen Bestandteil des Tagungsprogramms dar.

2.

Schwerpunkt E-Commerce ^

[4]

Martin Heigl (Zugangssperren gegen Kinderpornografie - Ansatz/Probleme/Lösungen) befasst sich in seinem Vortrag mit dem Internet, das ein offenes und neutrales Medium ist, welches für eine moderne Wissens- und Informationsgesellschaft eine unabdingbare Voraussetzung darstellt. Natürlich kann dieses Medium – wie eine Autobahn als Fluchtweg oder die Post als Drogenkurier – missbraucht werden. Eine Missbrauchsmöglichkeit ist dabei die Speicherung und Verbreitung von kinderpornografischen Inhalten. Es besteht ein klarer gesellschaftlicher Konsens, dass der Bekämpfung von Kinderpornografie und anderen illegalen Inhalten im Internet höchste Priorität zukommt. Die Wahl der Mittel zur Unterstützung dieses Kampfes muss jedoch rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechen, wobei dem Schutz der Grundrechte und dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit größte Aufmerksamkeit zu widmen ist. Das Konzept der Zugangssperren zur Erschwerung der Erreichbarkeit von kinderpornografischen Inhalten basiert grundsätzlich auf einer Liste mit Internetadressen, die Seiten mit entsprechenden Inhalte enthalten und deren Aufrufen durch die Provider verhindert werden soll. Die Einführung dieser technischer Zugangssperren wird aufgrund grundrechtlicher Implikationen (Schaffung einer Zensurinfrastruktur) und mangelnder Effektivität (zahlreiche Umgehungsmöglichkeiten) zunehmend kritisch gesehen, da die Zugangswege zu den Inhalten nur eingeschränkt gestört werden und das Hintergrundproblem (der dokumentierte Missbrauch von Kindern) verdeckt, aber nicht beseitigt wird. Ein alternativer und effizienterer Lösungsansatz stellt vor allem eine internationale Ächtung und Zusammenarbeit bei der Verfolgung der Täter und Löschung der Inhalte sowie ergänzend die Förderung von Opferschutz und Unterstützung bewusstseinsbildender Maßnahmen dar.

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Der Verbraucherschutz im Web 2.0 steht im Mittelpunkt der Darstellung vonJudith Rauhofer (Beware of the Leopard! Verbraucherschutz in einer Web 2.0 Welt). Eine der wichtigsten Veränderungen, die wir in den gesellschaftlichen Entwicklungen und Lebensweisen in den vergangenen Jahren erlebt haben, ist die Bereitschaft mit der viele Verbraucher den Schritt online gewagt haben und die Art und Weise in der sie ihre Medienkonsumverhalten immer weiter verfeinert haben. Der kommerzielle Erfolg von Web 2.0-Anwendungen, einschließlich populärer user-generative/user-generated (UGC) Online-Dienste wie MySpace, YouTube und Facebook, hängt weitgehend von den Beiträgen ihrer Nutzer ab. Es ist daher dringend notwendig, die Veränderungen in diesem Konsumverhalten und der Verbraucherkultur, die sich aus dem Gebrauch von UGC Online-Dienste ergeben, zu studieren und zu analysieren und herauszufinden, wie vertraglichen, kaufmännische und technische Verfahren und andere Faktoren die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher und ihre Rechte in der digitalen Wirtschaft beeinflussen. Dies wurde auch von der Europäischen Kommission erkannt, als sie im Rahmen ihrer Überprüfung des gemeinschaftsrechtlichen Verbaucher-Acquis ein Reihe von mit den geltenden EU-Rechtsvorschriften im Bereich des Verbraucherschutzes online identifiziert hat. Unter anderem hat die Eurobarometer-Umfrage 252 über E-Commerce und den grenzüberschreitenden Handel im Jahr 2006 eindeutig gezeigt, dass eine Notwendigkeit besteht sicherzustellen, dass die derzeit geltenden Verbraucherschutzgesetze auch auf neue online Dienstleistungen Anwendung finden. Der Bericht zur Auswertung dieser Umfrage machte geltend, dass solche Regeln nicht immer leicht auf den Online-Vertrieb von Produkten und Dienstleistungen übertragbar sind und dass die Qualität der Vertrags- und Geschäftsbedingungen für neue Online-Dienste sowie die den Verbrauchern zur Verfügung gestellten Informationen vielfach noch verbesserungsfähig sind. Dieser Vortrag wird einen Blick auf die Art und Weise werfen, in der Online-Dienstleister für sich das Recht in Anspruch nehmen, die persönlichen Daten ihrer Nutzer zu verarbeiten und die von ihren Nutzern hochgeladenen Beiträge kommerziell zu verwerten. Dabei wird geprüft, ob der derzeitige Rechtsrahmen ausreichend ist, um Nutzer vor potenziell unangemessenen Eingriffen in ihre Rechte (insbesondere im Bereich des geistigen Eigentums und des Datenschutzes)zu schützen.

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Peter Leitner undThomas Grechenig (Die Macht der Community: Stolpersteine für Unternehmen im Social Web)3 beschäftigen sich mit Social Web Anwendungen, die auch weiterhin ein anhaltendes Wachstum erleben, wobei monatlich neue Rekordmeldungen aus der Welt von Facebook, Twitter und Co vermeldet werden. Social Media Services werden von der Internetcommunity immer stärker wahrgenommen und somit zum fixen Bestandteil für kommunikative, kollaborative und interaktive Prozesse im privaten und beruflichen Alltag. Viele Unternehmen, vor allem im Bereich des Electronic Commerce, haben längst das Potential des Social Web realisiert und setzen unterschiedliche Anwendungen der neuen Generation mit Erfolg ein. Dadurch lassen sich interne Effizienzsteigerungen bei operativen Prozessen erreichen, aber auch extern ausgerichtete Prozesse im Bereich des Marketing und der Kommunikation mit Stakeholdern optimieren. Social Media Marketing, vor allem im Bereich des Social Commerce, nimmt dabei einen immer wichtigeren Stellenwert ein. Viele Unternehmen unterschätzen dabei jedoch die Macht der Community, sodass viele Kampagnen schon im Vorfeld scheitern oder im schlimmsten Falle sogar negative Effekte auslösen. Dieser Beitrag beschreibt die Möglichkeiten der aktiven Nutzung des Social Web durch Unternehmen und widmet sich schwerpunktmäßig den möglichen Stolpersteinen und Gefahren, die es bereits im Vorfeld zu berücksichtigen und zu vermeiden gilt. Illustriert wird dies durch die Präsentation ausgewählter realer Fallbeispiele, die mögliche negative Auswirkungen schlecht oder falsch umgesetzter Aktionen im Social Web verdeutlichen. Im Kontext dieser Fallstudien werden relevante rechtliche Aspekte und Entscheidungen diskutiert. Ein Fazit und finale Empfehlungen für Unternehmen, die im Social Web agieren, bilden den Abschluss dieses Beitrages.

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Vor allem Keyword Advertising entwickelte sich in den letzten Jahren im Bereich des E-Commerce zu einem problematischen Thema. Dies spiegelt auch die Tatsache wider, dass sich im Rahmen von IRIS mehrere Beitrage mit der Fragestellung befassen, ob und in welchem Umfang Keyword Advertising zulässig ist.

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Der Vorgang des Keyword Advertising, d.h. die gezielte, mit dem vorher eingegebenen Suchbegriff abgestimmte Schaltung von Werbeflächen auf der Website, welche die Ergebnisliste anzeigt, beschäftigt seit geraumer Zeit Juristen aus ganz Europa. Mit den Schlussanträgen des Generalanwaltes Maduro in den verbundenen RechtssachenC-236/08 ,C-237/08 undC-238/08 , wird der Öffentlichkeit nach langer Wartezeit endlich die erste Entscheidungsaussicht von offizieller Seite zu den EuGH-Verfahren zuteil, die über die Zukunft der Praxis des Keyword Advertising in Europa bestimmen werden.Konstantin Hobel ( Keyword Advertising: Louis Vuitton v. Google – Schlussanträge des Generalanwalts – Analyse und Kritik)4 beschäftigt sich mit diesen Entscheidungen und zeigt zukünftige Entwicklungen im Bereich des Keyword Advertising auf.

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Daneben befasst sich auchMaximilian Schubert (14 Jahre Keyword Advertising: Herausforderungen der Gegenwart - Basis für die Zukunft)5 mit der Geschichte und der Problematik des Keyword Advertising. Eine korrekte rechtliche Beurteilung der Praxis des Keyword Advertising setzt eine einheitliche Terminologie sowie ein umfassendes Verständnis für den zugrundeliegenden technischen Prozess voraus. Zudem sind im Zuge einer marken- sowie wettbewerbsrechtlichen Beurteilung Differenzierungen zu beachten. Die aus einer derart differenzierten Betrachtung gewonnenen Grundsätze können als Grundlage für zukünftige, technisch vergleichbare Werbeformen herangezogen werden.

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Immer mehr Unternehmen setzen aber nicht mehr nur auf Werbestrategien wie Keyword Advertising, sondern entdecken das enorme Potential von sozialen Netzwerken. Das Marketing in sozialen Netzwerken ist eine neue Form des Onlinemarketings, bei dem Unternehmen durch die aktive Teilnahme in derartigen «Mitmachnetzen» ihre Marketingziele erreichen wollen. Der Beitrag vonBernd Schauer (Marketing in sozialen Netzwerken) gibt einen Überblick über die verschiedenen Marketingformen und Strategien, die Unternehmen in diesem Bereich des e-commerce einsetzen.

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Ausgehend vom Grundsatz, dass Schriftlichkeit Unterschriftlichkeit bedeutet, gibt der Vortrag vonGerhard Varga (Unterschrift und Signatur in der Judikatur) eine Übersicht über die Rechtsprechung zu den Fragen, welche Anforderungen an eine Unterschrift bestehen, ob durch ein Telefax die Schriftlichkeit gewahrt bleibt, inwieweit eine SMS zur Übermittlung von Erklärungen ausreicht und inwieweit die Unterschrift durch eine Signatur ersetzt werden kann - mit Beispielen aus dem Verwaltungsrecht, dem Testamentsrecht, zur Bürgschaft, aus dem Arbeitsrecht und dem Vergaberecht.

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Im Bereich des E-Commerce können aber nicht nur Erklärungen auf elektronischem Weg übermittelt werden. Auch Aktionäre einer Aktiengesellschaft haben mittlerweile die Möglichkeit, an den Hauptversammlungen der Gesellschaft etwa via Satellitenversammlung oder Fernteilnahme «anwesend» zu sein und ihre Stimmabgabe auf elektronischem Weg zu erledigen, wieInes Staufer (Die «virtuelle Hauptversammlung» – Zukunftsvision oder bald Realität?)6 in ihrem Beitrag darstellt. Mit dem Aktienrechts-Änderungsgesetz 2009 wurden diese europarechtlichen Vorgaben der Aktionärsrechterichtlinie ins österreichische Recht umgesetzt. Kernpunkt war dabei die Hauptversammlung, die das zentrale Willensbildungsorgan einer Aktiengesellschaft darstellt. Ziel war es, Aktionären von börsennotierten Unternehmen mehr Rechte einzuräumen, die Präsenz in den Hauptversammlungen von börsenotierten Unternehmen zu erhöhen und auf diese Weise die Einflussmöglichkeiten der Eigentümer zu stärken.



Ines Staufer, Universität Salzburg, Schwerpunkt Recht, Wirtschaft und Arbeitswelt, Churfürststrasse 1, 5020 Salzburg AT
ines.staufer@sbg.ac.at ;www.uni-salzburg.at/rwa

  1. 1 Vgl.www.statistik.at/web_de/statistiken/informationsgesellschaft/ikt-einsatz_in_unternehmen_e-commerce/index.html (aufgerufen 14.2.2010) zur statistischen Erhebung betreffend die Internetnutzung durch Unternehmen.
  2. 2 Vgl. hierzu um zum Folgenden:www.internet4jurists.at/e-commerce/ec0.htm (aufgerufen 14.2.2010).
  3. 3 Beitrag in diesem Tagungsband.
  4. 4 Beitrag in diesem Tagungsband.
  5. 5 Beitrag in diesem Tagungsband.
  6. 6 Beitrag in diesem Tagungsband.