Jusletter IT

Open government

  • Authors: Michael Sachs / Peter Parycek
  • Category: Short Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Government, E-Justice
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2010
  • Citation: Michael Sachs / Peter Parycek, Open government, in: Jusletter IT 1 September 2010
Die grundlegenden Prinzipien von Open Government sind Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit. Durch das Veröffentlichen staatlicher Informationen können Behörden Vertrauen von Seiten der Bevölkerung gewinnen, und in Zusammenarbeit mit BürgerInnen die Verwaltungsarbeiten beschleunigen und qualitativ verbessern. Durch die gezielte Einbeziehung von BürgerInnen kann der Staat das Engagement und Wissen von BürgerInnen für sich nützen. Open Government beschränkt sich somit nicht auf das Zurverfügungstellen von offiziellen Daten und deren Bearbeitung und Evaluierung durch Verwaltung und Gesellschaft, es ist auch eine Strategie zur Kontrolle von Informationsflüssen und -quellen in einer Wissens- und Informationsgesellschaft.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Entwicklung von Open Government
  • 1.1. Open Government Prinzipien
  • 1.2. Open Government Projekte in den USA
  • 2. E-Government als I-Government
  • 2.1. Informationsfluss zwischen Staat und Gesellschaft
  • 2.2. Informationsflüsse in der Gesellschaft
  • 3. Informationszugang in Österreich
  • 4. Schlussfolgerungen
  • 5. Literatur

1.

Entwicklung von Open Government ^

[1]

In der Entwicklung und Anwendung von Open Government ist die USA derzeit federführend, doch dieser Umstand beruht nicht ausschließlich auf der aktuellen US-amerikanischen Administration. In den späten 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es Bedenken unter sachkundigen BeobachterInnen der amerikanischen Regierungsarbeit bezüglich der Freigabe von Informationen, da seit dem Zweiten Weltkrieg eine Zunahme an verspäteten Veröffentlichungen und Zurückhaltungen von Informationen registriert wurde. Bereits damals wurde von Open Government Prinzipien im Zusammenhang mit freier staatlicher Information gesprochen.1 Resultat der kritischen Diskussion in den USA waren gesetzliche Änderungen, die auf föderaler Ebene im Freedom of Information Act (FOIA) endeten, der 1966 beschlossen wurde und trotz der Opposition des damaligen Präsidenten Johnson 1967 in Kraft trat. Dadurch sind seit den späten 60er Jahren US-Regierungen mit dem kontinuierlichen Ausbau der Informationspflicht des Staates gegenüber den BürgerInnen konfrontiert, auch wenn sich einige Regierungen gegen diese Entwicklung aussprachen.2

[2]

Der FOIA gibt US-BürgerInnen das Recht Einsicht in behördliche Dokumente zu erhalten. Das Gesetz ist nach zahlreichen Zusätzen so formuliert, dass sich der Staat in einer Bringschuld befindet. So ist es nicht die Aufgabe von BürgerInnen zu argumentieren, wieso der Zugang zu Daten gerechtfertigt ist, sondern Behörden müssen begründen weshalb sie den Zugang verweigern. Nur speziell klassifizierte Daten wie z.B. Militär- und Wirtschaftsgeheimnisse, aber auch behördeninterne Kommunikation und bestimmte private Daten von BürgerInnen müssen bzw. dürfen verschlossen bleiben. Sofern sich eine US-Behörde nicht an die Auflagen für das Anbieten von Informationen hält, muss diese mit Sanktionen rechnen.

[3]

Mit dem Zusatzartikel «Electronic Freedom of Information Act Amendments of 1996»3 wurde explizit darauf hingewiesen, dass Computer basierte Informationsweitergabe von US-Behörden zu forcieren sei; intern und extern. Für BürgerInnen müssen von Seiten der Behörde die technischen Mittel eingeräumt werden diese Daten einzusehen. Durch die rasante Entwicklung der Informations- und Telekommunikationstechnologie (IKT) wurde es notwendig den FOIA im Jahr 2007 mit dem Zusatzartikel «Openness Promotes Effectiveness in our National Government Act of 2007»4 zu erweitern. Die Zusätze tragen den Änderungen der Medienlandschaft Rechnung, und erklären Web-basierte Informationsplattformen zu Nachrichtendiensten, sofern sie Rohdaten für BürgerInnen verständlich aufbereiten. Somit wurden Informationsmedien auch um selbstständige Individuen erweitert, die nicht mehr zwingend darauf angewiesen sind in einer Organisation tätig zu sein.

[4]

Am ersten Tag nach seinem Amtsantritt erklärte Präsident Obama, dass er die Open Government Prinzipien in seiner Regierung weiterentwickeln wolle. «We will work together to ensure the public trust and establish a system of transparency, public participation, and collaboration. Openness will strengthen our democracy and promote efficiency and effectiveness in Government.»5 Das Resultat der vorgegebenen Open Government Prinzipien bildet die Open Government Directive,6 die Behörden verpflichtet, ihre Daten und Dokumente online in einem bestimmten Zeitrahmen und in freiem Format zur Verfügung zu stellen. Diese Daten müssen anhand von geltenden Richtlinien erstellt werden, «ensuring and maximizing the quality, objectivity, utility, and integrity of information (including statistical information) disseminated by the agency.»7 Die Direktive verpflichtet sämtliche Behörden Strategien für die Implementierung von Open Government in den jeweiligen Arbeitsbereichen zu entwickeln, die stetig neuen Technologien angepasst werden sollen um optimalen Nutzen daraus zu ziehen. Ziel ist es, die Qualität des Open Governments zu verbessern, eine Kultur des Open Governments zu etablieren und Richtlinien für Open Government innerhalb der Behörden zu erarbeiten.

1.1.

Open Government Prinzipien ^

[5]

Die grundlegenden Prinzipien von Open Government sind Transparenz, Partizipation und Kollaboration. Erst durch die Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien und deren Einzug in den Alltag der Gesellschaft ist es möglich, die drei Säulen des Open Governments verschränkt in die Realität umzusetzen.

[6]

Kernpunkt der Transparenz ist das Zurverfügungstellen von Informationen von Seiten des Staates. Bei Open Government verpflichtet der Staat seine Behörden und Dienstleister sämtliche für BürgerInnen relevante Informationen in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen. In einer digitalen Gesellschaft wird dies am einfachsten durch Informations- und Kommunikationstechnologen bewerkstelligt, da der Großteil der Daten und Dokumente ohnehin in elektronischer Form existiert und von BeamtInnen per Knopfdruck auf Webseiten hochgeladen werden kann. Über diese Webseiten haben BürgerInnen Zugang zu Dokumenten und Daten ohne dabei direkt mit der Behörde in Kontakt treten zu müssen. Dadurch kann der/die BürgerIn von beinahe überall aus auf die Daten zugreifen ohne der Behörde zusätzlichen Verwaltungsaufwand zu bescheren. Diese Open Information ist die Basis von Open Government, denn nur der freie und einfache Zugang zu korrekter Information ermöglicht sinnvolle Partizipation und Zusammenarbeit. Nur wenn Transparenz gegeben ist, erhalten BürgerInnen die Möglichkeit, demokratische Entscheidungen zu treffen, die nicht von einer Machtelite korrumpiert wurden.

[7]

Um den Informationszugang der BürgerInnen zu gewährleisten, müssen allerdings Grundvoraussetzungen geschaffen werden. Der Staat muss seine Behörden mit IT-Fachkräften und der notwendigen IT-Infrastruktur versorgen, was aber durch beinahe durchgehende elektronische Arbeitsplätze und interne elektronische Vernetzung ohnehin gegeben ist. Aus technischer Sicht darf sich der Staat nicht auf geschlossene Format-Standards beschränken, da dadurch bestimmte Personengruppen am Zugang zu diesen Daten gehindert werden könnten. Der HTML-Code kann beispielsweise von allen Browsern gelesen werden und ist somit für alle Menschen mit Internetzugang einsehbar. Bei Dokumenten müssen Dokumentformate, die mit frei zugänglichen Programmen von Privatpersonen gelesen werden können, eingesetzt werden. Ein Beispiel hierfür ist das plattformunabhängige Portable Document Format (PDF), das von vielen Institutionen zur Veröffentlichung schriftlicher Texte verwendet wird.

[8]

Partizipation zielt auf die Einbeziehung der BürgerInnen in die Gestaltung des Staates ab. BürgerInnen sollen sich in demokratischen Prozessen austauschen und entscheiden, in welche Richtung sich bestimmte staatliche Dienstleistungen und Richtlinien Entwicklung sollen. Das Erstellen der Abstimmungsinhalte in Kooperation zwischen BürgerInnen und Verwaltung ist weltweit neu, da bis dato nur Wahlen, Volksabstimmungen und -befragungen dem Volk die Möglichkeit gaben, sich direkt an der Demokratie zu beteiligen. Für die Ergebnisse von E-Partizipationsprozessen gibt es noch keine verpflichtenden Umsetzungsrichtlinien für Staaten. Der Prozentsatz der Beteiligung in bekannten E-Partizipationsprojekten ist noch zu gering um daraus demokratische Legitimation ableiten zu können. Nicht alle BürgerInnen können mit dem Medium Internet umgehen und verfügen über Internetzugang. Strategien zur Einbeziehung von Randgruppen im Sinne der E-Inklusion sind in sämtlichen Staaten in Arbeit. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass mit dem Heranwachsen einer Generation der Digital Natives, die Gruppe der Nicht-InternetuserInnen in Zukunft abnehmen wird.

[9]

Durch Kollaboration zwischen Verwaltung und BürgerInnen kann zum einen die Verwaltung effizienter werden und sich weiterentwickeln, andererseits können auch Verwaltungsaufgaben an BürgerInnen ausgelagert bzw. von BürgerInnen unterstütz werden. Der Staat hat bei Open Government die Chance, das Engagement und das Wissen der BürgerInnen zu nutzen und ihnen Plattformen zur Verfügung zu stellen, auf denen sie untereinander und mit Behörden zusammenarbeiten können. Durch die Verknüpfung (Mashup) von Informationen verschiedener staatlicher und privater Unternehmen können neue Services entwickelt werden, die sowohl Behörden als auch BürgerInnen dienlich sind. Das Ziel ist nicht ein von BürgerInnen verwalteter Staat, sondern gemeinsam Wege zu entwickeln, die Vorteile für BürgerInnen und Verwaltung bieten. Das gemeinsame Erreichen bestimmter Ziele in partnerschaftlicher Zusammenarbeit ist das Ziel dieses Open Government Prinzips.

1.2.

Open Government Projekte in den USA ^

[10]

Die USA verfügt in sämtlichen Bereichen von Open Government über Online-Plattformen. Der 2009 geführte Open Government Dialog, der über das Internet administriert wurde, generierte zwar 4.205 Ideen8 , die Beteiligung in den Diskussionen und Abstimmungsprozessen hielt sich dennoch in Grenzen. Ziel des Open Government Dialogs war es, mit Hilfe der BürgerInnen Verbesserungsvorschläge für alle Bereiche der Föderalregierung und deren Behörden zu erarbeiten. Jede Meinung wurde in der Diskussion zugelassen, sofern sich die Kommentare innerhalb der rechtlichen und sittlichen Rahmenbedingung bewegten. Das Projekt gliederte sich in drei Phasen:

  • In Phase eins wurden Ideen gesammelt und von UserInnen kommentiert und bewertet.
  • Die best bewerteten Ideen wurden in der zweiten Phase noch einmal ausführlich diskutiert.
  • BürgerInnen arbeiteten in Phase drei mit VertreterInnen der Behörde zusammen, um die in Phase zwei definierten Ideen konkret auszuformulieren.
[11]

Die Legitimation der Begehren der BürgerInnen wird von Kritikern hinterfragt. Weniger als 1 % der US-AmerikanerInnen nutzte aktiv die Partizipationsplattform.9 Dennoch versucht die US-Administration Informations- und Kommunikationstechnologien für die Einbindung der BürgerInnen in demokratische Prozesse zu fördern, da zumindest einige ansprechende Vorschläge gründlich diskutiert wurden. Die Basis für konstruktive Dialoge zwischen BürgerInnen und Regierung ist, wie in Kapitel 1.1 geschrieben, das Anbieten von Informationen von Seiten der Verwaltung.

[12]

Eine essentielle Plattform von Open Government auf föderaler Ebene ist Data.gov10 , die Rohdaten zur Verfügung stellt. Die Inhalte der Datensätze sind bereits so aufbereitet, dass sie einfach von Computerprogrammen verarbeitet werden können. Diese Seite ist nicht als Informationswebsite konzipiert, sondern sie bietet Zugriffe auf Datenbanken der US-Regierung, welche von der Öffentlichkeit – BürgerInnen, Wissenschaft und Wirtschaft – in einem ersten Schritt ausgewertet und aufbereitet werden müssen. Bereits nach wenigen Monaten etablierten sich Applikationen im Internet, die, durch das Verknüpfen dieser Daten mit anderen öffentlich zugänglichen Daten, Nutzen für BürgerInnen gebracht haben.

[13]

Offene Programmierschnittstellen (API) ermöglichen Plattform-übergreifend technische Lösungen zur Informationsaufbereitung zu schaffen. In den letzten Monaten sind durch die Verbindung mit Geoinformationen Web-Applikation entstanden, die Daten von Data.gov auf Landkarten darstellen. Beispielsweise trägt Crimereports.com auf einer Google Landkarte Örtlichkeiten von Verbrechen ein. Mittlerweile haben auch Bundesstaaten und Städte Daten-Plattformen wie Data.gov initiiert wie z.B. San Franzisko mit DataSF.org. In den letzten Monaten entwickelte sich ein regelrechter Wettstreit unter bestimmten Städten und Behörden mit Hilfe von Mashup-Applikationen ständig neue und nützliche Services mit, von und für BürgerInnen und MitarbeiterInnen von Behörden anzubieten. Die United States Environmental Protection Agency (EPA) bietet BürgerInenn eine Applikation an, mit derer sie Giftstoffdepots in ihrer Nachbarschaft (und im ganzen Land) lokalisieren können.

[14]

Eine der erfolgreichsten Kollaborations- und Partizipations-Plattformen der USA ist die Peer-to-Patent Plattform.11 Durch die Fülle von Patentanträgen in über 400 Bereichen mit tausenden von Unterbereichen steht die US-Patentbehörde vor einer enormen Belastung. Crowd-Sourcing, die Miteinbeziehung einer Vielzahl von freiwilligen MitarbeiterInnen, hilft diese Arbeitsprozesse zu beschleunigen, da die Patentanträge von externen Personen vorbereitet werden. Mittlerweile konnten Bearbeitungszeiten für Patentandträge halbiert, die Effektivität der Behörde gesteigert und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Forschungsstandorts verbessert werden. Die Implementierung des Peer-Review Prinzips dient zur Qualitätssicherung. Etwa die Hälfte der freiwilligen Reviewer sind Fachleute aus der Forschung, die selbst Interesse an beschleunigten Verfahren haben. Aber auch Personen aus gänzlich anderen Berufsfeldern beteiligen sich an diesem Projekt, wodurch die kollektive Intelligenz genutzt wird. Andere US-Institutionen machen sich ebenfalls das Peer-Review-Prinzip zu nutzen, indem sie Fachleute außerhalb der Organisationen zu Rate ziehen, wenn es z.B. um die Vergabe von Förderungen geht.12

2.

E-Government als I-Government ^

[15]

«[T]he purpose of electronic government is similar to the use of all information-handling technologies before: to save public resources and to make public-sector activity more efficient.»13 Solche Effektivitätssteigerungen gingen mit vielen technologischen Fortschritten einher, doch der Einfluss der IKT geht soweit, dass sich gesellschaftliche Paradigmen ändern; man spricht von der Informations- und Medienrevolution.

[16]

Während vor einem Jahrzehnt die tägliche Verwendung komplexer IKT-Produkte nur durch eine gesellschaftliche Elite erfolgte, werden diese Technologien Jahr für Jahr von einem größeren Prozentsatz der Bevölkerung benutzt. Dieser Umstand resultiert in einer zunehmend schnelllebigeren und komplexeren Gesellschaft.14 Jede Person, die IKT-Produkte besitzt und verwenden kann, kann heute theoretisch jederzeit und überall auf zahllose Informationen zugreifen.

2.1.

Informationsfluss zwischen Staat und Gesellschaft ^

[17]

Mayer-Schönberger und Lazer schreiben von I-Government (Information-Government)15 wenn sie auf die Änderung der Informations-Hoheit eingehen. Während sich E-Government mit der elektronischen Umsetzung von Verwaltungsabläufen beschäftigt, handelt es sich bei I-Government um die Analyse der Informationsflüsse innerhalb eines Staates und einer Gesellschaft. Technologische Entwicklungen wirken sich oft auf den Informationsfluss aus. Diese Änderungen entstehen aber primär durch neue Strukturen innerhalb der Verwaltungsapparate. Die Veränderung und Verkürzung des Informationsflusses ist oft von entscheidender Bedeutung bei erfolgreichen E-Government Projekten, dabei sind besonders die Organisationen und Personen zu beachten, die durch die Veränderung des Informationsflusses an Einfluss verlieren.

[18]

Aufbereitete Datensätze von verschiedenen Verwaltungsbehörden können theoretisch sofort von einer anderen Behörde abgerufen werden bzw. können andere Behörden, die Interesse an der Veränderung eines Status haben, auch aktiv informiert werden, wodurch sich die Effizienz des E-Government erklärt. Der interne Behördenweg verkürzt sich und weitere Daten können bei Bedarf hinzugezogen werden. Informationsflüsse in der Verwaltung unterliegen dem Datenschutz und sind daher nur mit gesetzlicher Grundlage in Europa möglich. Die Frage des Datenschutzes und die Abwägung der jeweiligen Interessen bzgl. effiziente Verwaltung und Wahrung der Privatsphäre wird in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen. Personenbezogene Daten wurden schon jeher von Staaten gespeichert, doch die zentrale Haltung der Daten und die Möglichkeit des digitalen dezentralen Zugriffs verschärfen die datenschutzrechtliche Lage.16

[19]

Open Government Projekte der USA basieren darauf, dass der Staat seine Informationshoheit mit BürgerInnen teilt. Nur so kann erfolgreich partizipiert, kollaboriert und die Intelligenz der Masse (Schwarmintelligenz) genutzt werden. Die in Kapitel 1.2. genannten Beispiele zeigen deutlich, dass Open Government eng mit freier Information verbunden ist. Open Government kann massive Auswirkungen auf die Gesellschaft haben, wie die Visualisierung von bereits vorhandenen Daten über die Lagerung von Schad- und Giftstoffen auf der Webseite der EPA zeigt. Die Folge war eine unmittelbare Anpassung der Immobilienpreise. Häuser in der Nähe von Giftstoffdepots mussten eine starke Wertminderung hinnehmen, was zu hohen finanziellen Verlusten von Privatpersonen führte. Die Effizienz ist in diesem Beispiel unbestritten, doch die Frage, die sich eine Gesellschaft stellen muss, ist, inwieweit wir mit den Ergebnissen zufrieden sind?

2.2.

Informationsflüsse in der Gesellschaft ^

[20]

Die Wissens- und Informationsgesellschaft wird von Seiten der Wissenschaft und Politik propagiert, gilt sie doch als neue Gesellschaftsform. Der Informationsfluss wird nicht mehr ausschließlich von Unternehmen und Behörden kontrolliert, vielmehr sind es die einzelnen Personen der Gesellschaft, die Informationen in Echtzeit ins Internet stellen, welche wiederum von Peers weiterverwertet werden.17

[21]

Organisationen, die Informationen als Produkt verkaufen, müssen ihre bisherigen Geschäftsmodelle überdenken, da ihr neuer Mitbewerb, die Gesellschaft als Informationsproduzent, auf einem nicht monetären Modell aufbaut. Derzeit ist dieser Paradigmenwechsel in vielen Bereichen zu beobachten. Firmen, die elektronische Inhalte anbieten, haben es vielfach verabsäumt Business-Strategien zu entwickeln, die sich den neuen Gegebenheiten anpassen. Die Musik- und Filmindustrie hat bis zuletzt erfolglos versucht den Status quo zu halten, doch für Musik- und Videodaten haben sich längst neue Vertriebskanäle über das Internet etabliert, die zu lange von der Industrie ignoriert wurden. Nun gilt der Vertrieb über das Internet als Weg aus der Krise, doch die Informationshoheit scheint auf Dauer verloren zu sein.

[22]

Zeitungsverlage sehen sich einem ähnlichen Problem gegenüber, denn Nachrichten können heute kostengünstig und bedienungsfreundlich von Individuen in ansprechender Form angeboten werden. Die Produktion elektronischer Informationen beschränkt sich praktisch nur noch auf den Inhalt, da das Medium zu einem Allgemeingut geworden ist. Ist einmal Information ins Internet geraten, ob legal oder illegal, gibt es kaum Möglichkeiten dies Rückgängig zu machen, da Inhalte sofort extern gespeichert und wiederverwertet werden.

[23]

Die Unruhen nach der Präsidentschaftswahl 2009 im Iran haben gezeigt, dass selbst totalitäre Regime nicht mehr den Informationsfluss auf Dauer kontrollieren können.18 Der Staat verbreitete zwar gezielte Falschinformationen, die aber von BürgerInnen im Kollektiv als solche kenntlich gemacht werden konnten, weil diese in den letzten Jahren selbst zu Informationsanbietern geworden sind. Der Informationskanal zur Außenwelt, aber auch innerhalb des Irans, wurde von verschiedenen sozialen Medien angeboten. Die Informationshoheit ist bereits abgegeben worden, nun gilt es für Staaten mit den neuen Gegebenheiten umgehen zu lernen. Glaubwürdigkeit und Vertrauen im Zusammenspiel von Saat und BürgerInnen werden neu definiert.

[24]

Ein zunehmend wichtiger Faktor in der Vernetzung der Gesellschaft sind soziale Netzwerke. Die Zugriffsraten und das Wachstum der sozialen Netzwerke lassen deutlich erkennen, dass es sich hierbei nicht um einen Hype, sondern um eine neue Kulturtechnik handelt. Dies führt nicht nur zu einer Veränderung der Kommunikations- und Informationsverhaltensmuster, sondern hat auch durch das Selbstorganisationspotenzial Auswirkungen auf bestehende Machtverhältnisse. Ansätze dieser Entwicklung sind in den Hochschulprotesten an Universitäten in Europa zu erkennen, bei denen sich länderübergreifend StundentInnen via soziale Medien solidarisierten und organisierten. Laut einer Studie von PricewaterhouseCoopers19 sind die Prinzipien von Open Government bereits von der jungen Generation verinnerlicht worden. Die Jugendlichen von heute sind schon von Beginn an mit ihren Peers vernetzt und nutzen die Möglichkeiten die das Web bietet. Bei Fragen und Problemen, vertrauen sie nicht mehr den Ausführungen von Institutionen, sondern suchen Rat bei Peers auf Webseiten. Haben sie Antworten gefunden, stellen sie diese ins Internet um anderen InternetutzerInnen zu helfen.

3.

Informationszugang in Österreich ^

[25]

Die Frage der Transparenz und des Informationszugangs ist eng mit der Kultur einer Gesellschaft verknüpft, die sich aus der Vergangenheit der jeweiligen Staaten entwickelt hat und sich in den Rechtssystemen widerspiegelt. Besonders der Vergleich der Informationsfreiheitsgesetzte zeigt die Unterschiede zum Zugang zu staatlichen Informationen auf. In der österreichischen Verfassung findet sich im Art. 20 Abs. 4 die Auskunftspflicht für die Organe der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit dem keine Verschwiegenheitspflicht entgegensteht. Daraus wird das Auskunftspflichtgesetz für die Bundesbehörden und das Auskunftspflicht-Grundsatzgesetz für die Länder seit 1987 abgeleitet. Das Auskunftsbegehren selbst ist kein verfassungsrechtlich gesichertes subjektives Recht und kann somit nicht beim Verfassungsgericht eingeklagt werden.20 Zusätzlich erschweren die Ausnahmetatbestände den Zugang zur Information, da sie unpräzise formuliert sind und somit eine sehr weite Interpretation der jeweiligen Behörde ermöglichen. Ein generelles Publikationsgebot findet sich weder in der Verfassung noch in einfachgesetzlichen Regelungen, zu finden sind vereinzelte Publikationsgebote vor allem in Form der Kundmachung in verschiedenen Zusammenhängen.

[26]

Einen internationalen Vergleich der Informationsfreiheitsrechte hat die Bertelsmann-Stiftung, aufbauend auf der Banisar-Studie21 2003 durchgeführt22 , unter anderem wurden dabei Bearbeitungsfrist und Gebührenregelung verglichen. In der Bearbeitungsfrist führt Schweden mit «sofort oder so schnell wie möglich» vor Ungarn mit 8 Tagen und den USA mit 20 Tagen die Rangliste an. Österreich liegt mit 8 Wochen weit abgeschlagen. Auch bei den Gebühren liegt Schweden mit kostenfreiem Zugang vor den Vergleichsstaaten. Eine Ursache könnte die lange Tradition Schwedens sein, da dieser Staat bereits 1776 das Öffentlichkeitsprinzip zum Schutz der Gesellschaft vor Politik und Verwaltung eingeführt hat. Das Prinzip der Transparenz ist hier zum Bestandteil der Verwaltungskultur geworden. Ähnliche Informationskultur findet sich in den USA, die sich im Freedom of Information Act (FOIA) rechtlich widerspiegelt. (vgl. Kapitel 1)

4.

Schlussfolgerungen ^

[27]

In einer Gesellschaft, in der Informationen zu zahllosen Themen jederzeit für die meisten BürgerInnen abrufbar sind, ist die Selektion von korrekter und falscher Information von entscheidender Bedeutung. Durch den Zugang der Öffentlichkeit zu behördlichen Daten kann der Staat nicht nur die eigenen BürgerInnen korrekt informieren, sondern auch gezielt gegen Falschinformationen auftreten. Der Staat hat die Ressourcen und die Autorität korrekte Informationen anzubieten, die von privaten Personen oder Institutionen verarbeitet werden können. Dadurch wird Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit innerhalb des Staates gefördert.

[28]

Die Ausgangslage für eine Open Government Strategie ist in Österreich im Vergleich zu den USA und Schweden aufgrund des rechtlich eingeschränkten Zugangs zur Information und der fehlenden offenen transparenten Kultur komplex. Ein modernes verfassungsrechtlich gewährleistetes Informationsrecht, das den Umgang mit elektronischen Daten und Informationen neu regelt, könnte Abhilfe schaffen. Höhere Transparenz und offener Zugang zu Daten wurde 2005 auch vom Verfassungskonvent eingefordert, allerdings wurde die grundsätzlich elektronische Informationsbereitstellung der Verwaltung im Vorschlag ausgenommen. Ein modernes allgemeines Informationsrecht ist demokratiepolitisch ein wichtiger Schritt und im Zuge der E-Government-Bestrebungen und Modernisierung eine Notwendigkeit, um die Potentiale des Open Governments auch in Österreich nutzen zu können.

5.

Literatur ^

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O’Dell, Jolie, U.S. Government Reaches Out to the Social Web for Collaboration, But Are Users Reaching Back?www.readwriteweb.com/archives/open-government-response.php aufgerufen 18.12.2009 (2009)
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aufgerufen 18.12.2009 (2009).
Orszag, Peter R. Memorandum for the Heads of executive Departments and Agencies. Open Government Directive,www.whitehouse.gov/omb/assets/memoranda_2010/m10-06.pdf aufgerufen 10.1.2010 (2009).
Parks, Wallace. Open Government Principle: Applying the right to know under the Constitution. In: George Washington Law Review 26/1, S. 1-22 (1957).
Parycek, Peter, Gläserne Bürger − Transparenter Staat? Risiken und Reformpotenziale des öffentlichen Sektors in der Wissensgesellschaft. In: G. Aichholzer (Hersg.), ITA manus:script, ÖAW, Wien (2007).
Parycek, Peter, Sachs, Michael, Web 2.0 as Base for Democracy 2.0. In: Parycek, Peter, Prosser, Alexander (Hersg.), EDEM 2009 – Conference on Electronic Democracy 2009, OCG, Wien (2009).



Peter Parycek, Zentrumsleiter, peter.parycek@donau-uni.ac.at;www.donau-uni.ac.at/egov
Michael Sachs, Assistent, michael.sachs@donau-uni.ac.at;http://digitalgovernment.wordpress.com/
Donau-Universität Krems, Zentrum für E-Government, Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30, 3500 Krems, AT

  1. 1 Vgl. Wallace Parks (1957) S. 1f.
  2. 2 Vgl. Joseph W. Little, Thomas Tompkins (1975).
  3. 3 Vgl.http://www.justice.gov/oip/foia_updates/Vol_XVII_4/page2.htm aufgerufen 12.1.2010.
  4. 4 Vgl.http://www.justice.gov/oip/amended-foia-redlined.pdf aufgerufen 12.1.2010.
  5. 5 Barack Obama, (2009).
  6. 6 Vgl.Peter R. Orszag, (2009).
  7. 7 Office of Management and Budget (2002).
  8. 8 Vgl. Open Government Dialog (2009).
  9. 9 Vgl. Jolie O’Dell (2009).
  10. 10 Vgl.http://www.data.gov/ aufgerufen 12.1.2009.
  11. 11 Vgl.Beth Simone Novek, (2009). S. 59ff. Vgl.http://www.peertopatent.org/ aufgerufen 12.1.2009.
  12. 12 Vgl.Beth Simone Novek, (2009). S. 134.
  13. 13 Viktor Mayer-Schönberger, David Lazer, (2007). S.4.
  14. 14 Vgl. Friedman, Thomas L., (2009).
  15. 15 Vgl Viktor Mayer-Schönberger, David Lazer, (2007). S. 1-14.
  16. 16 Vgl. Peter Parycek, (2007).
  17. 17 Vgl.Andrew Chadwick, (2009). S. 195.
  18. 18 Vgl. Peter Parycek, Michael Sachs, (2009). S. 30f.
  19. 19 Vgl.http://www.pwc.com/sv_SE/se/publikationer/assets/e-generation_en.pdf aufgerufen 12.1.2010 (2009).
  20. 20 VfGH Erkenntnis 12838/1991.
  21. 21 Vgl. David Banisar, (2003). S. 2
  22. 22 Vgl. Thomas Hart, Carolin Welzel, (2003).