1.
Einleitung ^
Im Rahmen eines UN-Projektes für Parlamente in Afrika wurden von einer italienischen Expertengruppe «Legistische Richtlinien (LRL) für Personen, die in Afrika in die Gesetzgebung involviert sind» (kurz: «Legistische Richtlinien für Afrika (ALRL)») ausgearbeitet. Die aktuelle Version ist zu finden unter http://ldg.apkn.org/. Sie ist ein modern konzipierter, sehr interessanter Text, der das Thema systematisch umfasst und anhand vieler Beispiele veranschaulicht, und der sich durchaus auch auf europäische Länder anwenden ließe.
Ausgangspunkt für die legistischen Richtlinien für Afrika ist der «African i-Parliament Action Plan» von «United Nations Department of Economic and Social Affairs (UN/DESA)», wie unter http://www.parliaments.info/ zu finden. Das Ziel ist es, die Rolle Afrikanischer Parlamente beim Fördern der Demokratie und verantwortungsbewusster Regierungsführung mit Mitteln des Wissens- und Informationsmanagements zu stärken. Konkret sollen die Parlamente offene, wissensbasierte lernende Organisationen werden.
Im folgenden Beitrag werden die 48 Richtlinien zunächst übersetzt (Normalschrift). Auf eine Übersetzung und Kommentierung von Unterpunkten und Beispielen in den ALRL wurde verzichtet; sie können unter http://ldg.apkn.org/ nachgelesen werden. Diesen 48 Richtlinien werden die korrespondierenden Anordnungen der Österreichischen Legistischen Richtlinien 1990 (ÖLRL 1990) gegenübergestellt (ebenfalls Normalschrift). Diese sind unter http://www.bundeskanzleramt.at/DocView.axd?CobId=1656 zu finden. Dann werden die 48 Richtlinien aus der Sicht der Autoren kommentiert (ALRL in Kursivschrift, ÖLRL in Kursivschrift fett).
2.1.
Richtlinie 1 ^
ALRL 1. Die Rechtsvorschrift soll klar, einfach und präzis formuliert sein.
Es geht nicht nur um die Formulierung allein sondern auch um die inhaltlich einfach verständliche Darstellung.
ÖLRL 1. Sprachliche Sparsamkeit: Rechtsvorschriften sind knapp und einfach zu fassen. Jedes überflüssige Wort ist zu vermeiden.
Diese allgemeinen Vorgaben unterscheiden sich nur unwesentlich.
2.2.
Richtlinie 2 ^
ALRL 2. Die Rechtsvorschrift soll den Bedarf der Adressaten berücksichtigen. Diese sollen auf einen Blick ihre Rechte und Pflichten erkennen können. Weiters sollen die Rechtsvorschriften den Rechtsanwendern eine effektive Umsetzung ermöglichen.
Es stellt sich seit je die Frage, wer Adressat der Rechtstexte ist, nämlich die Bürger und Bürgerinnen oder im Wesentlichen doch nur die professionellen Kreise. Ein Trend kann dahin gehen, dass Rechtstexte auch situativ formuliert werden.
ÖLRL 7. Sprachliche Klarheit: Dem Text einer Rechtsvorschrift müssen die Normadressaten der einzelnen Regelungen und das vorgeschriebene Verhalten zweifelsfrei zu entnehmen sein.
Die ÖLRL unterscheiden hier nicht explizit danach, wer Adressat der Bestimmung ist.
2.3.
Richtlinie 3 ^
ALRL 3. Die Rechtsvorschrift soll knapp und präzise sein und ihr Inhalt so einheitlich als möglich formuliert sein.
Hinter den einheitlichen Formulierungen muss auch eine einheitliche Terminologie stehen.
ÖLRL 1. Sprachliche Sparsamkeit: Rechtsvorschriften sind knapp und einfach zu fassen. Jedes überflüssige Wort ist zu vermeiden.
Auch hier erweisen sich die Vorgaben als sehr ähnlich; die allgemeinen Grundsätze («einfach», «knapp») stimmen überein.
3.1.
Richtlinie 4 ^
ALRL 4. Die Worte und die Sätze sollen einfach sein. Lange Wortgebilde, komplizierte Sätze und verschachtelte Formulierungen sind möglichst zu vermeiden.
Auch wenn der Regelungsgegenstand komplex ist, sollte es dennoch möglich sein, auf der Regelungsebene die Zusammenhänge einfach und überschaubar zu normieren. Als praktischer Tipp: Bei der Formulierungsarbeit kann ein lautes Vorlesen des Entwurfstextes hilfreich sein.
ÖLRL 8. Allgemeine Regeln für den Sprachstil: Allgemeine Regeln für den Sprachstil (z.B. die Unterlassung von Wortwiederholungen) sollten bei der Formulierung von Rechtsvorschriften nicht überbewertet werden. Jedenfalls muss der Eindeutigkeit und Übersichtlichkeit der Norm der Vorrang vor der Ästhetik des Textes eingeräumt werden.
ÖLRL 13. Länge eines Paragraphen: Der in einem Paragraphen zusammengefasste Text soll nicht länger als zwei eineinhalbzeilig beschriebene Seiten (rund 3500 Anschläge) sein.
ÖLRL 15. Hauptwortstil: Die Sätze sollen nicht zu umfangreich gestaltet und vor allem nicht mit Hauptwörtern überladen werden (vgl. auch ALRL 28). Als Faustregel gilt: Pro Satz nur eine Aussage.
ÖLRL 16. Schachtelsätze: Die wesentliche Information gehört in den Hauptsatz. Lange Satzketten mit mehrfachen Unterordnungen sind zu vermeiden.
ÖLRL 17. Aktivkonstruktionen: Rechtsvorschriften sind möglichst in der Aktivform zu verfassen.
ÖLRL 18. Satzlänge: Sätze sollen möglichst nicht mehr als 20 Wörter aufweisen. Wichtiger als die Satzlänge ist jedoch eine übersichtliche Satzstruktur; diese wird erreicht, indem der Abstand vom Satzanfang bis zum Hauptzeitwort möglichst kurz gehalten wird. Dabei kann der grundsätzliche Gehalt des Satzes schneller erkannt werden.
ÖLRL 19. Nebensätze: Nebensätze sind nach Möglichkeit hinter das Hauptzeitwort zu stellen.
Die in ALRL 4 formulierten Grundsätze zur Rechtssprache unterscheiden sich nicht von den Vorgaben der ÖLRL.
3.2.
Richtlinie 5 ^
Abkürzungen sind bei ihrer ersten Fundstelle zu erklären.
ÖLRL 148. Normative Abkürzungen: Abkürzungen des Titels von Rechtsvorschriften sind nur in der vom Normsetzer bestimmten Form zu verwenden.
Die ÖLRL normieren zudem einleitend in ihrem Anhang 1, dass gesetzlich festgelegte Buchstabenabkürzungen nur in der vom Gesetzgeber bestimmten Form zu verwenden sind. Im Text von Rechtsvorschriften dürfen – wenn überhaupt – nur die in Anhang der ÖLRL genannten Abkürzungen verwendet werden.
3.3.
Richtlinie 6 ^
Bei der Verwendung von Fachausdrücken (Terminologie) sollte deren Positionierung in dem Thesaurus (Taxonomie) des Fachgebietes stets mitgedacht werden. Bei speziellen Begriffsbildungen sollte eine Liste der Definitionen vorangestellt werden.
ÖLRL 31. Einheitliche Bedeutung: Derselbe Begriff ist grundsätzlich überall in ein und derselben Bedeutung zu verwenden, und zwar auf jeden Fall innerhalb eines Gesetzes oder einer Verordnung, nach Möglichkeit aber auch innerhalb der gesamten Rechtsordnung. Umgekehrt ist auch zur Bezeichnung ein und desselben Gegenstandes immer derselbe Begriff zu verwenden.
ÖLRL 32. Fremdwörter: Fremdwörter, für die ein treffender deutscher Ausdruck zur Verfügung steht, sind nicht zu verwenden. Das Eindeutschen von Fremdwörtern ist zu vermeiden, wenn dadurch neue Kunstbegriffe entstehen oder schwierige Umschreibungen notwendig werden.
ÖLRL 33. Zeitgemäße Wortwahl: Die Wortwahl bei der Formulierung von Rechtsvorschriften soll üblich und zeitgemäß sein. Auf veraltete, ungebräuchlich gewordene Ausdrücke soll verzichtet werden.
Die Vorgaben der einheitlichen Verwendung von Begriffen stimmen überein, wobei die ÖLRL hier zum Teil detaillierter sind.
3.4.
Richtlinie 7 ^
ALRL 7. Die Sprache soll geschlechtsneutral sein, geschlechtsspezifische Ausdrücke sind zu vermeiden.
Es gibt hier zwei Möglichkeiten: Entweder wird ein neutraler Ausdruck verwendet oder es wird in die beiden Geschlechtsvarianten aufgespaltet. Dies kann aber zu einer Verdoppelung der Begriffe bzw. sogar zu einer Verdreifachung (zwei Unterbegriffe und ein neuer Oberbegriff) und damit zu semantischer Komplexität durch vermehrte Relationen führen.
ÖLRL 10. Sprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann: In Rechtsvorschriften sind unsachliche Differenzierungen zwischen Frauen und Männern zu vermeiden. Formulierungen sind so zu wählen, dass sie Frauen und Männer gleichermaßen betreffen.
Auch hier sind keine wesentlichen Unterschiede erkennbar.
3.5.
Richtlinie 8 ^
ALRL 8. Wenn eine Rechtsvorschrift in mehreren offiziellen Sprachen verfasst wird, so müssen alle Fassungen die gleiche Struktur und den gleichen substantiellen Inhalt aufweisen.
Die Mehrsprachigkeit kann auch eine Chance sein, insbesondere um durch antizipative Übersetzung die Texte von vornherein klarer zu formulieren.
Eine solche Anordnung ist für Österreich nicht relevant.
4.1.
Richtlinie 9 ^
ALRL 9. Alle Gesetzgebungsakte sind entsprechend den nationalen Traditionen zu strukturieren. Dem Hauptteil geht jeweils ein Vorspann voraus und es kann Nachspann folgen. Außerdem kann ein Gesetzgebungsakt Anhänge inkludieren.
Besondere Aufmerksamkeit bedürfen die Anhänge. Im Hinblick auf die erleichterte Novellierbarkeit wäre es erstrebenswert, ein einheitliches Gliederungssystem für Anhänge auszuarbeiten (Frage der Granularität).
ÖLRL 3. Motive: Motive für eine Bestimmung sind in die Rechtsvorschrift nur dann aufzunehmen, wenn dies zur Ermittlung des Sinnes der Bestimmung erforderlich ist. Im übrigen sind die Motive in den Erläuterungen wiederzugeben.
ÖLRL 112. Anlagen: Bei Bedarf kann dem Gesetz oder der Verordnung auch eine Anlage angefügt werden.
Regelungen, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie auf eine Mehrzahl unterschiedlicher zuvor getroffener Bestimmungen Bezug nehmen, finden sich in der Regel vor den Schlussbestimmungen. «Gemeinsame Bestimmungen» sind beispielsweise Regelungen über die Zuständigkeit oder Strafbestimmungen.
Am Ende einer Rechtsvorschrift trifft man auf Verweisungen, Umsetzungs- und Notifikationshinweise, Inkrafttretens- und Außerkrafttretensregelungen, Übergangsbestimmungen und Vollzugsbestimmungen.
4.2.
Richtlinie 10 ^
ALRL 10. Der Titel des Rechtsaktes soll kurz und bündig sein und einen unmissverständlichen und – wenn möglich – vollständigen Eindruck des behandelten Themas bieten.
Titel und Überschriften sind explizite Metadaten (Deskriptoren) im Rechtsakt mit der gleichen Textqualität wie der überschriebene Text. Das Formulieren solcher integrierter Deskriptoren ist methodisch der Reduktion und Abstraktion zuzuordnen und ist somit eine intellektuelle Aufgabe.
ÖLRL 100. Inhalt: Der Titel eines Bundesgesetzes oder einer Verordnung soll kurz und einprägsam den Inhalt angeben. Er hat die Normenkategorie (Bundesverfassungsgesetz, Bundesgesetz, Verordnung, Kundmachung, Entschließung) sowie den Gegenstand anzugeben. Außer bei Gesetzen ist auch das erlassende Organ anzuführen.
Hier sind keine wesentlichen Unterschiede erkennbar, wenngleich die österreichische Regelung etwas konkretere Vorgaben enthält.
4.3.
Richtlinie 11 ^
ALRL 11. In manchen Rechtstraditionen gibt es einen Kurztitel.
Als Rest des Gewohnheitsrechtes, das auf dem Rechtsgedächtnis beruhte, sollte der Kurztitel leicht merkbar und leicht zitierbar sein. Nicht zu unterschätzen ist die Rolle des Kurztitels bei der elektronischen Suche.
ÖLRL 101. Kurztitel: Bei Bedarf kann dem Titel in Klammer ein Kurztitel oder eine Abkürzung angefügt werden.
ÖLRL 102. Jahreszahl: Eine Jahreszahl ist dem Kurztitel oder der Abkürzung nur dann anzufügen, wenn dies zur Unterscheidung von früheren Fassungen (z.B. EStG 1967, EStG 1972) nötig ist.
ÖLRL 103. Beschlussdatum: Eine Anführung des Beschlussdatums hat zu unterbleiben.
Auch in Bezug auf den Kurztitel erscheinen die ÖLRL etwas konkreter. Entsprechend der legistischen Praxis wird in Österreich nicht selten neben dem Langtitel und dem Kurztitel auch eine Abkürzung vergeben.
4.4.
Richtlinie 12 ^
ALRL 12. In manchen Rechtstraditionen weist der Vorspann auf die gesetzliche Grundlage und auf die Vorgeschichte des Rechtaktes hin.
Diese diversen Vorweginformationen haben zumeist auch einen impliziten oder expliziten Verweisungscharakter. Sie sind daher aus der Sicht der (elektronischen) Vernetzung besonders interessant.
ÖLRL 2. Rechtserzeugung: Gesetze und Verordnungen sind grundsätzlich zur Erzeugung von Rechtsnormen bestimmt. Daher sind Deklarationen, Appelle, empirische Aussagen, belehrende Ausführungen über die Rechtslage und dergleichen zu vermeiden.
ÖLRL 109. Verordnungen, Kundmachungen, Entschließungen: In der Promulgationsklausel von Verordnungen, Kundmachungen und Entschließungen sind die bundesgesetzlichen Bestimmungen, auf die sie sich gründen, im Einzelnen anzugeben.
Abgesehen von den in ÖLRL 109 erwähnten Promulgationsklauseln bei Verordnungen, Kundmachungen und Entschließungen sind in Österreich derartige Angaben nicht vorgesehen.
4.5.
Richtlinie 13 ^
ALRL 13. In manchen Rechtstraditionen beinhaltet der Vorspann Angaben über das Ziel des Rechtsaktes. Diese Zielangaben begründen den Inhalt des Rechtaktes ohne dessen Inhalt zu duplizieren oder ihn zu umschreiben.
In der österreichischen Rechtstradition sollen Gesetze normativ formuliert werden, sodass vorangestellte Zweckangaben (z.B. in Präambeln oder in Erwägungsgründen) meist nicht vorkommen, jedoch anders im EU-Recht.
ÖLRL 3. Motive: Motive für eine Bestimmung sind in die Rechtsvorschrift nur dann aufzunehmen, wenn dies zur Ermittlung des Sinnes der Bestimmung erforderlich ist. Im Übrigen sind die Motive in den Erläuterungen wiederzugeben.
4.6.
Richtlinie 14 ^
ALRL 14. Rechtstexte sollen keine nicht normativen Formulierungen beinhalten («lex moneat non doceat»). Außerdem sind Wiederholungen innerhalb desselben Rechtsaktes oder von anderen geltenden Rechtsvorschriften zu vermeiden.
Im eGov gibt es die Forderung nach einem One-Stop-Shop. Analog dazu könnte die Forderung der Bürger und Bürgerinnen nach einem vollständigen Text, der die unterschiedlichen Textschichten verbindet, erhoben werden. Diese situative Anwendungstexte ließen sich allenfalls in Zukunft synthetisch generieren.
ÖLRL 2. Rechtserzeugung: Gesetze und Verordnungen sind grundsätzlich zur Erzeugung von Rechtsnormen bestimmt. Daher sind Deklarationen, Appelle, empirische Aussagen, belehrende Ausführungen über die Rechtslage und dergleichen zu vermeiden.
ÖLRL 4. Wiederholungen: Die Wiederholung einer geltenden Norm durch denselben oder einen anderen Normsetzer ist – außer bei Wiederverlautbarungen und paktierten Normen – grundsätzlich zu vermeiden.
Die Vorgabe, in Rechtstexte keine nicht normativen Formulierungen aufzunehmen, deckt sich mit den in Österreich geltenden legistischen Grundsätzen.
4.7.
Richtlinie 15 ^
ALRL 15. Wenn es sinnvoll erscheint, sollen am Beginn des Rechtstextes Regelungen über den Zweck und den Geltungsbereich getroffen werden.
Diese Aufzählung der im Rechtsakt explizit hervorgehobenen Metadaten ist nicht vollständig. Auch Derogationen etc. sind hier zu erwähnen. Neben der traditionellen legistischen Struktur des Rechtstextes ist auch auf die zunehmend interessant werdende technische Strukturierung (wie etwa mittels XML) hinzuweisen, deren sich die Legisten auch bedienen müssen.
ÖLRL 3. Motive: Motive für eine Bestimmung sind in die Rechtsvorschrift nur dann aufzunehmen, wenn dies zur Ermittlung des Sinnes der Bestimmung erforderlich ist. Im Übrigen sind die Motive in den Erläuterungen wiederzugeben.
ÖLRL 5. Salvatorische Klauseln: Sogenannte «Salvatorische Klauseln», die den Geltungsbereich einer Rechtsvorschrift durch einen allgemeinen Vorbehalt gegenüber einer anderen Rechtsvorschrift umschreiben, deuten auf eine Unsicherheit des Normsetzers über den Geltungsbereich oder auf eine schlechte Gliederung hin und sich daher zu vermeiden.
Auch die Vorgaben betreffend Zweck und Anwendungsbereich der Rechtsvorschrift sind ähnlich. Wie schon zu ALRL 9 angemerkt, finden sich in österreichischen Rechtsvorschriften am Beginn häufig Bestimmungen allgemeiner Natur; diese regeln zumeist auch die Ziele und den Anwendungsbereich der Rechtsvorschrift.
4.8.
Richtlinie 16 ^
ALRL 16. Wenn nötig sollen Definitionen vorgesehen werden. Insbesondere können sie dazu dienen, Mehrdeutigkeiten zu vermeiden oder neue Begriffe einzuführen. Die Definitionen sollten am Anfang oder am Ende des Textes stehen.
Wenn explizite Semantiken auf der Metaebene vorhanden sind, so sind Definitionen in diese einzubetten.
ÖLRL 30. Legaldefinition: Die Begriffe sollen in jener Bedeutung verwendet werden, die ihnen im allgemeinen Sprachgebrauch oder in der Fachsprache zukommt. Begriffsbestimmungen sind in Rechtsvorschriften nur dann aufzunehmen, wenn sie der Rechtsklarheit dienen.
Hier sind keine wesentlichen Unterschiede erkennbar.
4.9.
Richtlinie 17 ^
ALRL 17. Es kann zweckmäßig sein, den Rechtsakt in eine Abfolge verschiedener Regelungen («Provisions») zu strukturieren: Regelungen über den Zweck und die Anwendbarkeit, Definitionen, Rechte und Pflichten, Verfahrensregelungen, Sanktionen, Übergangsregelungen Schlussbestimmungen. Ebenso kann es zweckmäßig sein, standardisierte Formulierungen für bestimmte Regelungen zu entwerfen.
Es ist eine Aufgabe der Rechtsinformatik, eine Ontologie dieser «Legal Provisions» auszuarbeiten.
Wie bereits zu ALRL 9 angemerkt, enthalten die ÖLRL keine expliziten Vorgaben über den Aufbau von Rechtsvorschriften. Auf Grund der gängigen legistischen Praxis weisen jedoch die meisten Rechtsvorschriften einen strukturierten Aufbau auf (vgl. die Ausführungen zu ALRL 9).
4.10.
Richtlinie 18 ^
ALRL 18. «Basic-Units» (Paragraphen, Artikel) können untergliedert und zu höheren Gliederungseinheiten zusammengefasst werden.
Grundsätzlich ist das ein Thema der Legistik, die sich wiederum hier an traditionelle Formen halten wird. Dennoch kann es sein, dass die neuen Strukturen der Dokumentation sich auch auf die legistische Textgestaltung auswirken, insbesondere was das Thema der Granularität betrifft. Dieses ist wiederum für die automatische Novellierung interessant.
ÖLRL 111. Grobgliederung: Gesetze und Verordnungen, die aus mehr als etwa 20 Paragraphen bestehen, sind grob zu gliedern. Dabei ist als oberste Gliederungseinheit «Teil», als Untergliederung «Hauptstück» und als unterste Gliederungseinheit «Abschnitt» zu verwenden.
ÖLRL 113. Detailgliederung: Gesetze und Verordnungen sind in Paragraphen (§ 1, § 2, ...) zu gliedern; erforderlichenfalls sind diese in Absätze ((1), (2), ...) und diese in mit Zahlen bezeichnete Gliederungseinheiten (1., 2., ...) zu unterteilen.
ÖLRL 114. Artikel: Eine Gliederung von Bundesgesetzen und Verordnungen in Artikel ist nur bei Novellen (vgl. aber die ALRL 65 und 66), Wiederverlautbarungen und Bundesverfassungsgesetzen zulässig.
ÖLRL 115. Fortlaufende Nummerierung: Die Artikel oder Paragraphen sind vom Anfang bis zum Ende durchzunummerieren. Innerhalb des Gesetzes oder der Verordnung darf mit der Zählung nicht von neuem begonnen werden.
ÖLRL 116. Unbezeichnete Absätze: Innerhalb des Textes haben Einrückungen und Absätze, die nicht ausdrücklich als Absatz oder Zahl gekennzeichnet sind, grundsätzlich zu unterbleiben.
Die ÖLRL enthalten zur Frage der Gliederung einer Rechtsvorschrift konkretere Vorgaben.
4.11.
Richtlinie 19 ^
ALRL 19. Ein Rechtsakt kann durch Anhänge und Tabellen ergänzt werden, welche jedoch im Rechtsakt selbst vorzustellen sind. Es gibt drei Arten von Anhängen: integrierte Teile des Rechtsaktes, angeschlossene Instrumente sowie lediglich informative Anhänge.
Anhänge und Tabellen sind aus der Sicht der Dokumentalistik nicht trivial. Bei den Anhängen tritt die Frage der Gliederung auf, bisher fehlen hier einheitliche Gliederungskriterien. Was die Tabellen betrifft, so geht es um deren formale Reproduzierbarkeit. Früher wurde oft bei den Tabellen formal «geschummelt», d.h. eine Form vorgetäuscht, die formal gar nicht so war.
ÖLRL 112. Anlagen: Bei Bedarf kann dem Gesetz oder der Verordnung auch eine Anlage angefügt werden.
ÖLRL 118. Tabellen: Tabellen sollen eine Breite von 69 Zeichen nicht überschreiten, um ihre Darstellung in der Bundesnormendokumentation zu ermöglichen.
Auch die ÖLRL sehen Anhänge (Anlagen) zu Gesetzen und Verordnungen vor:
Bestimmte Inhalte lassen sich oft nur sehr schwer mit ausschließlich sprachlichen Mitteln zum Ausdruck bringen. In diesen Fällen ist nicht selten eine Darstellung unter Verwendung von Tabellen, Formeln, Symbolen und Graphiken zweckmäßig. Da die Integrierung solcher Darstellungsformen in die grundsätzlich rein sprachliche Darstellungsweise eines Rechtstextes nur beschränkt möglich ist, können in Österreich in solchen Fällen dem Textteil ein oder mehrere Anhänge angefügt werden.
4.12.
Richtlinie 20 ^
ALRL 20. Integrierte Anhänge können dazu dienen, Regelungen oder Teile von Regelungen aufzunehmen, welche den Rechtsakt ausweiten oder ergänzen.
Aus der Sicht der Dokumentalistik ist nicht so sehr die gleiche Rechtsaktqualität das Problem als vielmehr die innere Struktur der Anhänge im Sinne der standardisierten Gliederung.
ÖLRL 112. Anlagen: Bei Bedarf kann dem Gesetz oder der Verordnung auch eine Anlage angefügt werden.
Entsprechend der legistischen Praxis in Österreich müssen sämtliche Anordnungen im Textteil des Rechtsaktes getroffen werden; erst in Verbindung mit diesen Anordnungen erhält ein Anhang (eine Anlage) normativen Charakter.
4.13.
Richtlinie 21 ^
ALRL 21. Unter einem «angeschlossenen Instrument» versteht man ein bestehendes eigenständiges rechtliches «Instrument». Es ist einem Rechtsakt angeschlossen, um zusätzliche rechtliche Wirkungen für das angeschlossene «Instrument» zu bewirken; in der Regel geschieht dies, indem das «angeschlossene Instrument» für anwendbar erklärt wird.
Es scheint sich um eine Form der Verweisungstechnik zu handeln: Der Geltungsbereich des «angeschlossenen Instruments» wird insofern erweitert, als er nunmehr auch den Geltungsbereich des Rechtsaktes umfassen soll.
Der Aspekt der Gewaltenteilung ist dann berührt, wenn es sich bei dem Rechtsakt und dem «angeschlossenem Instrument» um Akte von Rechtssetzungsautoritäten handelt, die verschiedenen Staatsgewalten zuzuordnen sind (z.B. Gesetzgebung und Verwaltung).
«Angeschlossene Instrumente» meinen offensichtlich nicht «Anhänge» («Anlagen») im Sinn der österreichischen Gesetzestechnik; denn solche «Anhänge» («Anlagen») erlangen ihre rechtliche Verbindlichkeit erst durch die Verknüpfung mit dem Normtext.
4.14.
Richtlinie 22 ^
ALRL 22. «Informative Anhänge» beinhalten Informationen über dem Akt, dem sie angeschlossen sind. Es handelt sich nicht um rechtlich verbindliche Instrumente.
Bei diesen zusätzlichen Informationen bietet die Rechtsinformatik völlig neue Möglichkeiten, die auch genutzt werden könnten. Das gilt für die Erläuterungen zu den generellen Normen ebenso wie für Mitteilungsblätter bei den Formularverfahren zu individuellen Normen.
ÖLRL 3. Motive: Motive für eine Bestimmung sind in die Rechtsvorschrift nur dann aufzunehmen, wenn dies zur Ermittlung des Sinnes der Bestimmung erforderlich ist. Im Übrigen sind die Motive in den Erläuterungen wiederzugeben.
Bei den in ALRL 22 beschriebenen «informativen Anhängen» handelt es sich nach österreichischem Verständnis um Erläuterungen. Informative Anhänge sollen die Auslegung und Anwendung des Rechtsaktes erleichtern und dessen Inhalt leichter verständlich machen.
5.1.
Richtlinie 23 ^
ALRL 23. Verweisungen auf andere Rechtsakte sollten auf ein Minimum beschränkt werden.
Was die expliziten Verweisungen im Text betrifft, so ist dem nur zuzustimmen. Die IT eröffnet jedoch ein weites Feld von zusätzlichen Verweisungen und Vernetzungen, die hier zum Thema gemacht werden können.
ÖLRL 54. Allgemeine Regel: Verweisungen sind nur dann vorzusehen, wenn dadurch gegenüber der inhaltlichen Wiedergabe der Rechtsvorschrift eine wesentliche Vereinfachung erzielt werden kann und die Verständlichkeit nicht beeinträchtigt wird.
ÖLRL 63. Verfassungsrechtlich unzulässige Verweisung: Die Verweisung auf Rechtsvorschriften einer anderen normsetzenden Autorität «in ihrer jeweils geltenden Fassung» ist verfassungsrechtlich unzulässig. Verfassungsrechtlich unbedenklich sind nur solche dynamische Verweisungen, mit denen in den Tatbestand einer Norm einzelne Elemente aufgenommen werden, deren Vorliegen auf Grund von Vorschriften eines anderen Normsetzers zu beurteilen ist (z.B. Tatbestandswirkungen, Vorfragen).
Es gilt in beiden Fällen der Grundsatz, dass Verweisungen auf andere Rechtsakte eingeschränkt und nur unter bestimmten Voraussetzungen vorzusehen sind.
5.2.
Richtlinie 24 ^
ALRL 24. Interne und externe Verweisungen sollen so präzise sein, dass sie eine eindeutige Identifikation der verwiesenen Regelungen ermöglichen.
Interessant wäre eine Ontologie der Verweisungen, sodass diese Varianten schon von vornherein mitgedacht und im konkreten Fall dann im Schema auch auszufüllen werden.
ÖLRL 56. Verständlichkeit der Verweisungen: Wenn verwiesen wird, so ist die verweisende Bestimmung so zu fassen, dass ihr Grundgedanke ohne Nachschlagen zu verstehen ist.
ÖLRL 64. Dynamische Verweisung 2. Grades: Sollen die Rechtsvorschriften eines bestimmten Regelungsbereiches angewendet werden, so ist die Verweisung derart zu fassen, dass auf die «Vorschriften über ...» verwiesen wird. (Anmerkung: Eine solche Verweisung ist jedoch nur zulässig, wenn der Regelungsbereich klar abgrenzbar ist. In diesem Fall erstreckt sich die dynamische Verweisung über eine bestimmte Rechtsvorschrift in ihrer jeweils geltenden Fassung hinaus auch auf alle künftigen Vorschriften, die denselben Regelungsgegenstand haben.)
Auch die ÖLRL betonen die Verständlichkeit der Verweisung und die präzise Umschreibung der verwiesenen Regelung. Allerdings kann gemäß ÖLRL 64 unter bestimmten Voraussetzungen auch auf einen bestimmten Regelungsbereich verwiesen werden.
5.3.
Richtlinie 25 ^
ALRL 25. Eine Verweisung auf einen anderen Rechtsakt kann dynamisch oder statisch sein, je nach den Rechtstraditionen oder den besonderen Umständen. Der Leser muss aber in der Lage sein festzustellen, ob eine dynamische oder eine statische Verweisung vorliegt.
Das Thema der dynamischen Verweisungen stellt sich auch beim elektronischen Kommentar, wie er insbesondere von Erich Schweighofer thematisiert wurde.
ÖLRL 60. Statische Verweisung (Textverweisung): Soll eine Rechtsvorschrift, auf die verwiesen wird, in einer bestimmten Fassung angewendet werden, so sind dem Titel der Rechtsvorschrift die Fundstelle der Stammfassung und die Fundstellen jener Novellen beizufügen, in deren Fassung die betreffende Rechtsvorschrift angewendet werden soll.
ÖLRL 61. Allgemeine Regel: Soll eine Rechtsvorschrift, auf die verwiesen wird, in ihrer jeweiligen Fassung angewendet werden, so ist dem Zitat mit dem Titel (Kurztitel) und der Fundstelle der Stammfassung die Wendung «in der jeweils geltenden Fassung» anzufügen.
ÖLRL 62. Generelle Verweisungsbestimmung: Wenn ein Gesetz oder eine Verordnung eine größere Zahl von dynamischen Verweisungen auf verschiedene Rechtsvorschriften enthält, so empfiehlt es sich, folgende Bestimmung in die Rechtsvorschrift (am besten am Anfang) aufzunehmen: «Soweit in diesem Bundesgesetz auf Bestimmungen anderer Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.»
Auch nach den ÖLRL sind dynamische und statische Verweisungen möglich, wobei die ÖLRL darüber hinaus zwischen dynamischen Verweisungen 1. und 2. Grades unterscheiden. Ebenso muss in Österreich eine Verweisung klar zum Ausdruck bringen, um welche Variante der Verweisung (dynamisch oder statisch) es sich handelt.
5.4.
Richtlinie 26 ^
ALRL 26. Verweisungen sind anzupassen, wenn der verwiesene Text geändert wurde.
Der Aufwand der Verweisungs-Pflege spricht an sich gegen die Verweisungen, bzw. handelt es sich um eine Grenze der Zweckmäßigkeit des massenhaften Einsatzes von Verweisungen.
ÖLRL 72. Anpassung von Verweisungen: Wenn eine Bestimmung, die den Gegenstand einer Verweisung bildet (verwiesene Bestimmung), novelliert wird, so hat diejenige Stelle, der die legistische Betreuung der verweisenden Bestimmung obliegt, Klarheit über die Konsequenzen dieser Novellierung im mittelbaren Anwendungsbereich der verwiesenen Bestimmungen zu schaffen. Dies ist ein wichtiger Zweck des Begutachtungsverfahrens!
ÖLRL 73. Umwandlung von Verweisungen: Wenn Verweisungen anzupassen sind, soll dies in der Form einer Novelle der verweisenden Rechtsvorschrift ausdrücklich angeordnet werden und nicht durch eine allgemeine Anordnung in der verweisenden Rechtsvorschrift, die zum Entstehen von leges fugitivae führt, erfolgen.
ÖLRL 74. Implizite Verweisung: Auch bei bloß impliziten Verweisungen durch Anknüpfung an Begriffe oder Tatbestandsmerkmale einer anderen Rechtsvorschrift (vgl. ALRL 63) ist bei Aufhebung oder Ersetzung der implizit verwiesenen Rechtsvorschrift durch eine Novelle der verweisenden Rechtsvorschrift klarzustellen, welche Bedeutung die implizite Verweisung nunmehr haben soll. (Anmerkung: Die Erlassung einer allgemeinen Anordnung, dass Verweisungen nunmehr auf die neuen Bestimmungen zu beziehen sind oder dass bestimmte Begriffe durch die in der neuen Rechtsvorschrift verwendeten Begriffe zu ersetzen seien, sollte vermieden werden, weil es sonst zu einer materiellen Derogation implizit verweisender Rechtsvorschriften kommt.)
In beiden Fällen sind Verweisungen bei Bedarf anzupassen. Die ÖLRL präzisieren an dieser Stelle, dass die Anpassung in Form einer Novelle der verweisenden Rechtsvorschrift ausdrücklich angeordnet werden muss und nicht bloß durch eine allgemeine Anordnung.
5.5.
Richtlinie 27 ^
ALRL 27. Rückverweisungen, Verweisungsketten oder «relative» Verweisungen (z.B. auf den nächsten Absatz) sind zu vermeiden.
Es werden hier verschiedene Fälle zusammengefasst: Die Rückverweisungen können ein formales Problem darstellen, indem der Inhalt dann durch diese Verweisungsstruktur unbestimmt bleibt. Hingegen lassen sich gerade Verweisungsketten trefflich mit dem Computer darstellen, zumindest von ihrer formalen Seite her. Relative Verweisungen sind ein Thema der Adressierung und können bei Novellierungen zum Problem werden.
ÖLRL 55. Verbot von Kettenverweisungen: Verweisungen auf Rechtsvorschriften, die ihrerseits auf andere Rechtsvorschriften weiter verweisen, sind soweit als möglich zu vermeiden.
Hier erweisen sich die Vorgaben als sehr ähnlich.
5.6.
Richtlinie 28 ^
ALRL 28. Nur mit Vorsicht sind Verweisungen auf rechtlich nicht bindende Dokumente zu setzen.
Vordergründig ist dies eine Fragen der Sprechaktqualität (keine Geltung als verbindlicher Rechtsakt), doch werden damit in der Regel auch Fragen der Adressierung und der Inhaltsbestimmung verbunden sein.
ÖLRL 58. Wahrung der Publizität: Eine Verweisung auf Kundmachungen, die, wenn überhaupt, nur einer ganz geringen Zahl von Staatsbürgern zugänglich sind, ist unzulässig.
In Österreich ist bei einer Verweisung auf Bestimmungen, die nicht im Bundesgesetzblatt kundgemacht sind, zu beachten, dass nach Art. 49 Abs. 1 B-VG die verfassungsrechtliche Verpflichtung besteht, den Inhalt einer generellen Rechtsvorschrift der breiten Öffentlichkeit in klarer und erschöpfender Weise zur Kenntnis zu bringen.
6.1.
Richtlinie 29 ^
ALRL 29. Besondere Vorsicht ist geboten, wenn Regelungen entworfen werden, welche andere Regelungen berühren. Der Bearbeiter sollte klar die Ergebnisse beschreiben, welche dadurch bei der anderen Regelung hervorgerufen werden, und konsequent den dafür passenden sprachlichen Ausdruck und die dafür geeignete legistische Technik auswählen.
Das vernetzte Denken ist eine Grundkompetenz des legistischen Arbeitens. Der Computer kann hier nur unterstützend eingreifen, die legistische «Landschaftsgestaltung» ist eine genuin legistische Aufgabe.
ALRL 29 scheint die Formulierung von Novellierungsanordnungen anzusprechen.
6.2.
Richtlinie 30 ^
ALRL 30. Soll der Inhalt einer vorhandenen Regelung geändert werden, so ist ausdrücklich der Wortlaut der betroffenen Stelle anzugeben.
Die genaue Adressierung ist ein legistisches Grundprinzip. Das gilt aber nicht nur für die ganze Einheit sondern insbesondere dafür, die Adresse einer zu ändernden oder zu ersetzenden Phrase anzugeben.
ÖLRL 120. Titel: Im Titel einer Novelle ist der Titel der zu ändernden Rechtsvorschrift ohne Datum und Fundstelle zu zitieren.
(Hat die zu ändernde Rechtsvorschrift einen Kurztitel, so ist dieser zu verwenden.)
ÖLRL 122. Änderung vollständiger Gliederungseinheiten: Grundsätzlich sind nur vollständige Gliederungseinheiten (§, Abs., Z, allenfalls bei älteren Rechtsvorschriften auch lit.) zu novellieren.
ÖLRL 123. Zitierung: Bei der Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bestimmungen der Stammvorschrift sind allfällige Unterteilungen zu berücksichtigen.
Betreffend die konkrete Formulierung einer Novellierungsanordnung und die Bezeichnung der zu ändernden Stelle ist auf ÖLRL 123 verweisen. Weitergehende explizite Anordnungen zur Ausgestaltung von Novellierungsanordnungen sind den ÖLRL nicht zu entnehmen. Allerdings lassen sich aus den in den ÖLRL genannten Beispielen Vorgaben für die Formulierung von Novellierungsanordnungen ableiten. Zudem wird vom BundeskanzleramtVerfassungsdienst im Rahmen der Begutachtung von Gesetzes- und Verordnungsentwürfen auf die korrekte und einheitliche Formulierung der Novellierungsanordnungen besonders geachtet.
6.3.
Richtlinie 31 ^
ALRL 31. Eine Regelung, welche die Geltung oder die Anwendbarkeit einer anderen Regelung betrifft, muss klar bestimmen, ob damit die Geltung oder die Anwendbarkeit geregelt wird, und sie muss ausdrücklich den Zeitpunkt des Beginns und des Endes der Geltung oder der Anwendbarkeit festlegen.
Das RIS kennt nur die Kategorien der Geltung, die finanzrechtliche Dokumentation nimmt zusätzlich die Anwendbarkeit mit hinein.
ÖLRL 38. Art. 49 B-VG: Sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, treten gemäß Art. 49 BVG und § 4 des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1985 Rechtsvorschriften, die im Bundesgesetzblatt kundgemacht werden, nach Ablauf des Tages, an dem das Stück des Bundesgesetzblattes, das die Kundmachung enthält, herausgegeben und versendet worden ist, in Kraft.
6.4.
Richtlinie 32 ^
ALRL 32. Eine Regelung, welche die Rechtsgeltung oder den rechtlichen Status einer anderen Regelung betrifft, muss unzweideutig das beabsichtigte Ergebnis angeben und den Zeitpunkt, wann dieses eintreten soll.
Das Prinzip ist hier, dass zumindest auf der Metaebene klare Aussagen zu treffen sind.
Als eine vergleichbare österreichische Regelung könnte der Umsetzungshinweis in Rz 37 des EU-Addendums (Ergänzungen zu den ÖLRL 1990) angesehen werden; diesem zu Folge ist in der umsetzenden Rechtsvorschrift auf den Umstand hinzuweisen, dass durch sie bestimmte Gemeinschaftsrechtakte umgesetzt werden.
6.5.
Richtlinie 33 ^
ALRL 33. Änderungen sollen explizit und klar erkennbar sein und sollen standardisierte Formulierungen verwenden.
Die Forderung nach standardisierten Formulierungen ist zu unterstützen, doch sollen diese vor dem Hintergrund einer diesbezüglichen Ontologie zu sehen sein.
ÖLRL 70. Formulierung im Indikativ: Die Novellierungsanordnung ist im Indikativ zu formulieren.
Wie bereits zur ALRL 30 ausgeführt, sehen die ÖLRL bis dato keine Standardisierung der Novellierungsanordnung vor. Auf die korrekte und einheitliche Formulierung von Novellierungsanordnungen wird in erster Linie durch das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst im Rahmen der Begutachtung von Gesetzes- und Verordnungsentwürfen geachtet.
6.6.
Richtlinie 34 ^
ALRL 34. Ein Rechtsakt oder eine Vorschrift, welche als unanwendbar, als überflüssig oder als bloß wiederholend angesehen wird, soll ausdrücklich aufgehoben werden.
Ob eine Vorschrift als unanwendbar oder als überflüssig anzusehen ist, ist möglicherweise eine das Faktische einbeziehende Bewertungsfrage. Zu Redundanzen kann man verschiedener Meinung sein, zumal Redundanzen auch ihre Funktion haben können.
Eine solche, die Rechtsbereinigung betreffende Anordnung ist den ÖLRL nicht zu entnehmen.
7.1.
Richtlinie 35 ^
ALRL 35. Alle inhaltlichen Änderungen einer Regelung haben durch formelle Novellierungen zu geschehen.
Es ist dies das Prinzip der formellen Derogation im Gegensatz zu den bloß materiellen Derogationen, die traditionell abgelehnt werden. Doch möglicherweise ist das ganze Problem auf Grund der verschiedenen Vernetzungsebenen des Rechtes neu zu sehen.
ÖLRL 44. Vermeidung materieller Derogationen: Wenn durch eine Rechtsvorschrift eine andere aufgehoben werden soll, so ist dies ausdrücklich anzuordnen (formelle Derogation). Die aufgehobenen Rechtsvorschriften sind im Einzelnen zu bezeichnen. Materielle Derogationen sind zu vermeiden.
ÖLRL 70. Formulierung im Indikativ: Die Novellierungsanordnung ist im Indikativ zu formulieren.
Die Vorgabe, die Aufhebung einer Rechtsvorschrift ausdrücklich anordnen zu müssen und materielle Derogationen zu vermeiden, findet sich auch in den ÖLRL.
7.2.
Richtlinie 36 ^
ALRL 36. Der Titel einer Novelle soll ausdrücklich Bezug nehmen auf den zu ändernden Rechtsakt.
Die Titel von Rechtsvorschriften sind eine besonders hervorgehobene immanente Metaebene. Auf diese Weise können die Titel jedoch wieder überladen werden, sodass dann ein neuer Kurztitel angemessen ist.
ÖLRL 120. Titel: Im Titel einer Novelle ist der Titel der zu ändernden Rechtsvorschrift ohne Datum und Fundstelle zu zitieren.
(Hat die zu ändernde Rechtsvorschrift einen Kurztitel, so ist dieser zu verwenden.)
ÖLRL 124. Einleitungssatz: Im Einleitungssatz einer Novelle ist die zu ändernde Rechtsvorschrift mit dem Titel (falls vorhanden mit dem Kurztitel und einer allfälligen Abkürzung) und der Fundstelle der Stammfassung sowie allen bisherigen Änderungen zu zitieren. Ist die betreffende Rechtsvorschrift bereits häufig geändert worden, so kann bloß die Normenkategorie und Fundstelle der letzten Änderung – ohne Rücksicht darauf, ob diese Änderung die zu novellierenden Bestimmungen betroffen hat – zitiert werden.
Hier sind keine wesentlichen Unterschiede erkennbar. Nach den ÖLRL ist die zu ändernde Rechtsvorschrift im Einleitungssatz der Novelle genau zu zitieren, während man sich im Titel – sofern vorhanden – auf den Kurztitel der Stammfassung beschränken soll.
7.3.
Richtlinie 37 ^
ALRL 37. Eine Novelle soll keine von der Novellierung unabhängige neue Regelungen enthalten, die keinen Bezug zum novellierten Rechtsakt haben.
Es ist ein traditionelles legistisches Prinzip, dass eine Novelle ausschließlich aus novellierenden Elementen zusammengesetzt sein soll und dass eigenständige Regelungsinhalte, die formell keiner Novelle zugeordnet werden können, zu vermeiden sind.
ÖLRL 66. Verbot von selbständigen Bestimmungen: Eine Novelle sollte nur Bestimmungen enthalten, mit welchen ein Gesetz oder eine Verordnung aufgehoben, abgeändert oder ergänzt wird (vgl. ALRL 75). (Anmerkung: Eine Novelle sollte keine selbständigen Bestimmungen (wie z.B. Übergangs- oder Anpassungsbestimmungen) enthalten. Solche Bestimmungen sollten grundsätzlich in das betreffende Gesetz oder die betreffende Verordnung eingebaut werden. Wenn dies nicht zweckmäßig ist, so ist eine eigene Rechtsvorschrift zu erlassen.)
Auch dieser legistische Grundsatz findet sich in den ÖLRL. Allerdings entspricht es der legistischen Praxis einiger österreichischer Bundesländer, die Inkrafttretensbestimmung einer Novelle in einem eigenen Artikel außerhalb der Stammfassung zu regeln.
7.4.
Richtlinie 38 ^
ALRL 38. Eine Novelle soll ausdrücklich sein, soll eine gesamte Texteinheit umfassen und spezifizieren, welcher Text im novellierten Rechtsakt eingefügt, hinzugefügt, gelöscht oder ersetzt werden soll.
Dieses Prinzip ist die Grundlage für die permanente authentische elektronische Konsolidierung.
ÖLRL 70. Formulierung im Indikativ: Die Novellierungsanordnung ist im Indikativ zu formulieren.
ÖLRL 121. Gliederung: Novellen sind in (arabische) Zahlen zu gliedern. Soweit ausnahmsweise eine Gliederung der Novellen in Artikel zulässig ist (vgl. die ALRL 65, 66 und 114), sind diese weiter in arabische Zahlen zu untergliedern.
ÖLRL 122. Änderung vollständiger Gliederungseinheiten: Grundsätzlich sind nur vollständige Gliederungseinheiten (§, Abs., Z., allenfalls bei älteren Rechtsvorschriften auch lit.) zu novellieren.
ÖLRL 123. Zitierung: Bei der Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bestimmungen der Stammvorschrift sind allfällige Unterteilungen zu berücksichtigen. (Anmerkung: Dabei ist die Reihenfolge: Paragraph, Absatz und Zahl (bei älteren Rechtsvorschriften auch Kleinbuchstabe) einzuhalten.)
Auch die ÖLRL sehen vor, dass grundsätzlich nur vollständige Gliederungseinheiten zu novellieren werden sollen. Diese Technik erleichtert die elektronische Erstellung einer konsolidierten Fassung. Gegen den Grundsatz, nur vollständige Gliederungseinheiten zu novellieren, spricht allerdings, dass für den Leser der Novelle die einzelnen Änderungen schwieriger erkennbar sind.
7.5.
Richtlinie 39 ^
Hier handelt es sich um eine Forderung der traditionellen Legistik, wodurch Komplexität vermieden werden soll.
ÖLRL 67. Verbot der Novellierung von Novellen: Die Novellierung einer Novelle ist nur hinsichtlich ausnahmsweise enthaltener selbständiger Bestimmung zulässig.
Dieser Grundsatz gilt auch in Österreich.
7.6.
Richtlinie 40 ^
ALRL 40. Eine Novelle soll die Gliederungsstruktur des novellierten Rechtsaktes nicht ändern.
Technisch ginge dies leicht, doch erschwert dies massiv die bisherigen Verweisungen, nicht nur der Gesetze untereinander sondern auch der Judikatur und der Literatur.
ÖLRL 126. Einfügung: Wenn durch eine Novelle die Reihenfolge der Paragraphen, der Absätze oder der Zahlen (bei älteren Rechtsvorschriften gegebenenfalls auch der Kleinbuchstaben) etwa durch Einfügung einer neuen Bestimmung geändert wird, so sind diese Bezeichnungen der Gliederungseinheiten in der Regel nicht zu berichtigen.
ÖLRL 127. Umfangreiche Novellierungen: Wenn eine Verordnung umfangreich geändert wird, so sollte sie zur Gänze neu erlassen werden.
Auch nach der österreichischen legistischen Tradition ist eine Nachnummerierung bei Einfügungen von Gliederungseinheiten nicht vorgesehen. Einzufügende Paragraphen, Absätze etc. sind durch einen nachgestellten Buchstaben zu bezeichnen. Nachnummerierungen erweisen sich vor allem in Hinblick auf bestehende Verweisungen als nachteilig.
7.7.
Richtlinie 41 ^
ALRL 41. Die Novelle soll demselben Rechtstyp angehören wie der novellierte Rechtsakt.
Dieses Prinzip der Gleichrangigkeit der Novelle entstammt dem Modell des Stufenbaus der Rechtsordnung.
Dieser auch in Österreich geltende Grundsatz ist in den ÖLRL nicht explizit verankert. Zu beachten ist, dass es in Österreich Ausnahmen von diesem Grundsatz gibt, vgl. z.B. Art. 2 des Deregulierungsgesetzes 2006, BGBl. I Nr. 116, der die Aufhebung von Verordnungen vorsieht.
7.8.
Richtlinie 42 ^
ALRL 42. Die Novellierung eines Anhangs sollte im Anhang des zu novellierenden Textes erfolgen.
Eine solche Anordnung ist den ÖLRL nicht zu entnehmen. Entsprechend der legistischen Praxis in Österreich wird die Änderung eines Anhangs/einer Anlage in einer Novellierungsanordnung am Ende der Novelle angeordnet.
7.9.
Richtlinie 43 ^
ALRL 43. Ist ein Rechtsakt primär nicht dazu bestimmt, andere Rechtsakte zu ändern, so können dennoch in diesem Rechtsakt Novellierungen anderer Rechtsakte enthalten sein, wenn diese Änderungen Konsequenzen der neu erlassenen Regelungen sind. Handelt es sich jedoch um wichtige Änderungen, so sind diese in einer gesonderten Novelle zu beschließen.
Hier geht es auch um die politische Frage, dass relevante Änderungen nicht in anderen Novellen gleichsam «versteckt» werden sollen. Technisch ist das kein Problem.
In Österreich gilt der Grundsatz, leges fugitivae zu vermeiden. In der Praxis gibt es in besonderen Fällen jedoch Ausnahmen; so wurde etwa in Art. 5 der SPG Novelle 2005, BGBl. I Nr. 151/2004, diese Regelungstechnik angewendet. In einem anderen Fall kam diese Technik nicht zur Anwendung: vgl. die Begleitbestimmungen zum Eingetragene Partnerschaftsgesetz (EPG), BGBl. I Nr. 135/2009.
7.10.
Richtlinie 44 ^
Dieses Thema berührt bereits die der Legistik vorausgehende politische Arbeit, nämlich welche politischen Entscheidungen in der Regelungsperipherie zu treffen sind. Eine spezielle politische Planungssoftware kann diese Aufgabe unterstützen.
Eine solche explizite Anordnung ist den ÖLRL nicht zu entnehmen. Die Berücksichtigung solcher Zusammenhänge ist vor allem bei Verweisungen innerhalb eines Rechtsaktes geboten.
8.1.
Richtlinie 45 ^
ALRL 45. Ein Rechtsakt tritt in Kraft zu dem festgesetzten Zeitpunkt, oder nach Ablauf einer bestimmten Frist nach der Veröffentlichung. In manchen Fällen kann das Inkrafttreten hinausgeschoben werden, um eine ausreichende Vorbereitungszeit zu ermöglichen.
Die klare dokumentalistische Festlegung von IDAT und ADAT erfolgt auf Grund der legistischen Vorgaben.
ÖLRL 37. Allgemeines: Rechtsvorschriften können in verschiedener Hinsicht in zeitlichen Bezügen stehen. Da dies zu Auslegungsproblemen führen kann, ist bei der Formulierung der entsprechenden Rechtsvorschriften auf eine klare Trennung zu achten.
ÖLRL 38. Art. 49 B-VG: Sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, treten gemäß Art. 49 B-VG und § 4 des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1985 Rechtsvorschriften, die im Bundesgesetzblatt kundgemacht werden, nach Ablauf des Tages, an dem das Stück des Bundesgesetzblattes, das die Kundmachung enthält, herausgegeben und versendet worden ist, in Kraft.
ÖLRL 39. Abweichendes Inkrafttreten: Wenn ein von der Bestimmung des Art. 49 B-VG abweichendes Inkrafttreten angeordnet werden soll, so ist klarzustellen, inwieweit der Bedingungs- oder der Rechtsfolgenbereich gemeint ist.
Die ÖLRL knüpfen an die in Österreich geltende verfassungsrechtliche Vorgabe an, dass Bundesgesetze – soweit nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist – mit Ablauf des Tages ihrer Kundmachung in Kraft treten.
ALRL 45 scheint hingegen als Grundsatz vorzugeben, dass zwischen Kundmachung und Inkrafttreten eine Frist gesetzt werden soll, um den Adressaten der neuen Regelung, Zeit zur Anpassung zu geben. In Österreich kann diesem Anliegen – wenn dies rechtspolitisch gewünscht oder auch verfassungsrechtlich geboten ist – ebenfalls durch die Anordnung einer Legisvakanz oder entsprechender Übergangsbestimmungen entsprochen werden.
8.2.
Richtlinie 46 ^
ALRL 46. Ein Inkrafttreten zu einem Zeitpunkt vor der Kundmachung ist nur bei besonderer Dringlichkeit zulässig.
Die Rückwirkung ist ein rechtliches bzw. rechtspolitisches Problem. Technisch gäbe es hier kaum Hindernisse, ebenso wenig wie bei der Legisvakanz, welche das Inkrafttreten in die Zukunft hinaus schiebt.
ÖLRL 47. Allgemeine Regel: Das rückwirkende Inkrafttreten einer Rechtsvorschrift darf angeordnet werden, soweit dem verfassungsrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. (Anmerkung: Verfassungsrechtlich ausgeschlossen ist die rückwirkende Erlassung von Strafgesetzen; weiters ist bei der Erlassung rückwirkender Rechtsvorschriften der Gleichheitssatz in besonderer Weise zu beachten, das heißt, dass bei der Rückerstreckung des Geltungsbereiches eines Gesetzes nicht in unsachlicher Weise zwischen den von der Rückwirkung erfassten und den davon nicht erfassten Sachverhalten unterschieden werden darf. Verordnungen dürfen nur dann rückwirkend erlassen werden, wenn dafür eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage besteht.)
ÖLRL 48. Beginn von Fristen: Wenn ein Gesetz rückwirkend in Kraft gesetzt wird, so ist deutlich zu machen, ob allfällige Fristen mit dem Inkrafttreten oder erst mit der Kundmachung des Gesetzes beginnen sollen.
ÖLRL 49. Nachträgliche Verkürzung einer Legisvakanz: Eine nachträgliche Verkürzung einer Legisvakanz in der Weise, dass der neue Zeitpunkt des Inkrafttretens vor der Kundmachung der Verkürzung liegt, ist nur unter den für eine rückwirkende Erlassung von Rechtsvorschriften geltenden Beschränkungen zulässig.
ALRL 46 scheint bei einem Inkrafttreten vor der Kundmachung in erster Linie an die Dringlichkeit anzuknüpfen. Unter Punkt 46.1. wird jedoch auch auf die verfassungsrechtlichen Grenzen des rückwirkenden Inkrafttretens hingewiesen. Insofern bestehen keine wesentlichen Unterschiede zu den österreichischen Vorgaben.
8.3.
Richtlinie 47 ^
ALRL 47. Die Anwendbarkeit eines Rechtsaktes kann gegenüber dem Inkrafttreten hinausgeschoben oder vorverlegt werden. Ein Vorverlegen ist nur unter besonderen Umständen zulässig.
Das Eine wie das Andere ist technisch machbar. Das Problem liegt bei der Rückwirkung der Anwendbarkeit (ebenso wie bei der Rückwirkung der Geltung) nicht im Technischen sondern im Rechtlichen bzw. im Rechtspolitischen.
ÖLRL 38. Art. 49 B-VG: Sofern nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, treten gemäß Art. 49 B-VG und § 4 des Bundesgesetzes über das Bundesgesetzblatt 1985 Rechtsvorschriften, die im Bundesgesetzblatt kundgemacht werden, nach Ablauf des Tages, an dem das Stück des Bundesgesetzblattes, das die Kundmachung enthält, herausgegeben und versendet worden ist, in Kraft.
ÖLRL 39. Abweichendes Inkrafttreten: Wenn ein von der Bestimmung des Art. 49 B-VG abweichendes Inkrafttreten angeordnet werden soll, so ist klarzustellen, inwieweit der Bedingungs- oder der Rechtsfolgenbereich gemeint ist.
ÖLRL 47. Allgemeine Regel: Das rückwirkende Inkrafttreten einer Rechtsvorschrift darf angeordnet werden, soweit dem verfassungsrechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen.
Nach ÖLRL 39 ist zu unterscheiden, ob sich die Abweichung von Art. 49 B-VG auf jenen Zeitraum bezieht, in dem die Norm anzuwenden ist (Rechtsfolgenbereich), oder auf jenen Zeitraum, für den eine Verhaltensnorm maßgeblich ist (Bedingungsbereich). Sollen diese beiden Zeiträume zum selben Zeitpunkt beginnen, so ist die Formulierung zu verwenden: «Das Gesetz tritt mit ... in Kraft.» Soll hingegen eine differenzierende Regelung erfolgen, so ist dies deutlich zu machen; z.B.
«Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 1988 in Kraft und ist auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach dem 31. Dezember 1986 ereignen.»
8.4.
Richtlinie 48 ^
ALRL 48. Alle Zeitbegriffe sind exakt festzulegen. Zu diesen zählen Datumsangaben, Fristen, Ausnahmen, Derogationen und Verlängerungen, Übergangsbestimmungen (insbesondere solche, welche sich auf Auswirkungen bei anderen Rechtsakten beziehen) und Schlussbestimmungen (Inkrafttreten, festgelegtes Außerkrafttreten und zeitlich befristete Anwendung des Rechtsaktes).
Es wäre zweckmäßig, die Dimension der Zeit in den Ontologien des Rechts konsequent zu berücksichtigen, und zwar sowohl beim Recht in der Zeit als auch bei der Zeit im Recht.
ÖLRL 40. Inkrafttretensregelungen als Schlussbestimmung: Rechtsfolgenbereich und Bedingungsbereich sind grundsätzlich am Ende einer Rechtsvorschrift zu regeln.
ÖLRL 42. Befristete Geltung einer Rechtsvorschrift: Wenn eine Rechtsvorschrift nur für einen bestimmten Zeitraum gelten soll, so ist dies in der Inkrafttretensklausel ausdrücklich anzuordnen.
ÖLRL 43. Bezeichnung: Auch in Regelungen über die Beendigung des zeitlichen Geltungsbereiches einer Rechtsvorschrift ist deutlich zu machen, ob ihr Bedingungs- oder ihr Rechtsfolgenbereich beendet werden soll. Sollen beide Bereiche gleichzeitig beendet werden, so soll das «Außerkrafttreten» in der betreffenden Rechtsvorschrift angeordnet werden; sollen hingegen Bedingungs- und Rechtsfolgenbereich zu unterschiedlichen Zeitpunkten enden, so wäre dies durch eine entsprechende Formulierung klarzumachen.
ÖLRL 44. Vermeidung materieller Derogationen: Wenn durch eine Rechtsvorschrift eine andere aufgehoben werden soll, so ist dies ausdrücklich anzuordnen (formelle Derogation). Die aufgehobenen Rechtsvorschriften sind im Einzelnen zu bezeichnen. Materielle Derogationen sind zu vermeiden.
Die in ALRL 48 normierten Vorgaben finden sich im Wesentlichen auch in den ÖLRL wieder.
9.
Zusammenfassung ^
Zusammenfassend kann aus legistischer Sicht gesagt werden, dass die Legistischen Richtlinien für Afrika (ALRL) im Wesentlichen jenen Grundsätzen folgen, die auch in der österreichischen Legistik-Tradition im Vordergrund stehen. Im Einzelnen enthalten sie aber auch Aspekte, die für die weitere Entwicklung der Gesetzgebungstechnik von Interesse sein können.
Aus österreichischer Sicht kann es bei dieser vor allen darum gehen, die reichen Erfahrungen mit den ÖLRL des Bundes und die neuen Ansätze in den Bundesländern in diese weitere Entwicklung einzubeziehen. Ebenso könnte es ein Ziel der künftigen Entwicklung sein, den legistischen Erfahrungsschatz des Parlaments explizit zu machen.
10.
Schlussfolgerungen ^
Die österreichische Entwicklung begann mit dem Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS), das als Datenbank konzipiert wurde. In einem nächsten Schritt wurde das Produktionssystem (eRecht) einbezogen. Eine der Leistungen der damaligen Zeit war, dass man durchgehende Datenformate auf Basis der eXtensible Markup Language (XML) geschaffen hat. Damit war die aus heutiger Sicht zweckmäßige Voraussetzung geschaffen, von einer Ex-post-Dokumentation zu einer ex-ante-Gestaltung der Dokumente überzugehen (Abbildung 1). Wenn man diese Entwicklungslinie konsequent weiter verfolgt, geht es darum, das noch vor dem eRecht befindliche Gebiet der Legistik ebenfalls einzubeziehen.
Freilich ist der gegenständliche Vergleich nur eine erste Situationsdarstellung. In weiteren Schritten könnte eine Synopse erstellt und deren Ergebnisse mit einer zeitgemäßen Sichtweise auf die Legistik als eine gesellschaftlich relevante Tätigkeit verbunden werden. Das Ergebnis sollte ein Redesign der Legistik sein. Naheliegende Ziele dieser Vorgangsweise könnten es sein, die Effizienz und die Qualität des jetzigen legislativen Produktionsprozess zu steigern. In diese Richtung fortzuschreiten sollte eine Verpflichtung sein, die sich aus der historischen Avantgardeposition für die österreichische Legistik ergibt.
Weitere Schritte im Sinne der aufgezeigten Entwicklungslinie könnten schließlich dahin gehen, auch die politische Willensbildung in das Strukturierungsanliegen einzubeziehen (Abbildung 1). Dadurch ließe sich der textuelle Kreislauf im Sinne des dokumentalistischen Lebenszyklus von der Politik bis zur Rechtsanwendung in den Formen von eGov schließen.
Harald Hoffmann, Geschäftsführer, METADAT GmbH, Simmeringer Hauptstraße 24, 1110 Wien AT harald.hoffmann@metadat.com, http://www.metadat.com
Friedrich Lachmayer, Professor, Leopold-Franzens-Universität, Innrain 47, 6020 Innsbruck AT friedrich.lachmayer@uibk.ac.at, http://www.legalvisualization.com/
Erich Pürgy, Stv. Leiter, BundeskanzleramtVerfassungsdienst, Abt. V/2 Ballhausplatz 2, 1010 Wien AT erich.puergy@bka.gv.at, http://www.bka.gv.at