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Unterschrift und Signatur in der Judikatur

  • Author: Gerhard Varga
  • Category: Short Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: Cellphone-signature
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2010
  • Citation: Gerhard Varga, Unterschrift und Signatur in der Judikatur, in: Jusletter IT 1 September 2010
Ausgehend vom Grundsatz, dass Schriftlichkeit Unterschriftlichkeit bedeutet, gibt der Beitrag eine Übersicht über die Rechtsprechung zu den Fragen, welche Anforderungen an eine Unterschrift bestehen, ob durch ein Telefax die Schriftlichkeit gewahrt bleibt, inwieweit eine SMS zur Übermittlung von Erklärungen ausreicht und inwieweit die Unterschrift durch eine Signatur ersetzt werden kann - mit Beispielen aus dem Verwaltungsrecht, dem Testamentsrecht, zur Bürgschaft, aus dem Arbeitsrecht und dem Vergaberecht.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Die Unterschrift
  • 1.1. Schriftlichkeit bedeutet Unterschriftlichkeit
  • 1.2. Die Unterschrift: eigenhändig geschriebener Name
  • 1.3. Lesbarkeit der Unterschrift
  • 1.4. Elektronische Signatur
  • 2. Nachbildung auf mechanischem oder elektronischem Wege
  • 3. Die Unterschrift im Verwaltungsverfahren
  • 4. Die Unterschrift im Testamentsrecht
  • 5. Die Bürgschaft
  • 6. Die Unterschrift im Arbeitsrecht
  • 6.1. Unterschriftsloses Kündigungsschreiben an eine Vertragsbedienstete (9 OB 14/08m)
  • 6.2. Lehrlingskündigung per SMS (9 OB A 96/07v)
  • 6.3. Krankmeldung per SMS (8 OB A 92/03t )
  • 7. Vergabeverfahren
  • 8. Zusammenfassung

1.

Die Unterschrift ^

1.1.

Schriftlichkeit bedeutet Unterschriftlichkeit ^

[1]

Im österreichischen Privatrecht besteht gemäß § 883 ABGB das Prinzip der Formfreiheit, das aber durch gesetzliche Formvorschriften durchbrochen wird. Auch die Parteien selbst können vereinbaren, dass sie eine bestimmte Form einhalten wollen (gewillkürte Form - § 884 ABGB).

[2]

Die in der Praxis bedeutsamste Formvorschrift ist die Schriftlichkeit. Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung bedeutet Schriftlichkeit auch Unterschriftlichkeit. § 886 ABGB legt in Satz 1 fest: «Ein Vertrag, für den Gesetz oder Parteiwille Schriftlichkeit bestimmt, kommt durch Unterschrift der Parteien … zustande.» Es reicht somit nicht aus, den Text von eigener oder fremder Hand geschrieben oder gedruckt vorliegen zu haben, zur Erfüllung der Schriftform ist auch die Unterschrift erforderlich. Bei gewillkürter Schriftform gilt das wohl nur im Zweifel (Rummel in Rummel3, § 886 Rz 1).

[3]

Unterschrift ist dabei wörtlich zu verstehen In den europäischen Sprachen wird von oben nach unten geschrieben, die Fertigung schließt als Unterschrift den darüber stehenden Text räumlich ab, Textteile unterhalb der Unterschrift sind von dieser in der Regel nicht mehr gedeckt. (Apathy/Riedler in Schwimann, ABGB3, § 886 Rz 1). Davon wird nur in engen Grenzen (bei in Vordrucken enthaltenen, üblichen Klauseln und unter Berücksichtigung des redlichen Verkehrs) eine Ausnahme gemacht (Rummel in Rummel3, § 886 Rz 1).

[4]

Diese Grundsätze gelten sowohl für einseitige Erklärungen als auch für Verträge, wobei bei diesen beide Vertragspartner unterschreiben müssen, was aber nicht zwingend in einer gemeinsamen Urkunde geschehen muss, zwei getrennte (aber selbstverständlich übereinstimmende) Urkunden reichen für die Einhaltung der Schriftform aus, nicht aber die bloß konkludente Zustimmung des anderen Vertragspartners zu einer nur von einer Partei unterfertigten Vereinbarung (OGH, 7 OB 181/08f – Mietzinserhöhung, Unterschrift nur des Mieters reicht nicht!).

[5]

Ausdrückliche Ausnahmen von der Unterschriftlichkeit und die Zulässigkeit von Telefax sehen § 6 Abs. 3 TNG (Teilzeitnutzungsgesetz), § 583 Abs. 1 ZPO für den Schiedsvertrag und § 114 Abs. 3 AktG für die Übermittlung von Vollmachten vor (unklar hingegen: § 3 Abs. 4 KSchG für den Rücktritt des Verbrauchers). Nach Art. 13 UN-KaufR reicht sogar ein Telegramm aus.

1.2.

Die Unterschrift: eigenhändig geschriebener Name ^

[6]

Die Unterschrift besteht aus dem eigenhändig gesetzten Schriftzug des Familiennamens, der Vorname kann, muss aber nicht beigesetzt werden. Als Unterschrift akzeptiert werden auch der Künstlername und, soweit keine Zweifel an der Person bestehen, der bloße Vorname (Rummel, aaO., § 886 Rz 3; Apathy/Riedler, aaO., § 886 Rz 9). Mit gleicher Voraussetzung wird es bei einem Doppelnamen ausreichen, nur mit einem Teil zu unterschreiben.

[7]

Ein Sonderfall ist die Unterschrift des Vertreters mit dem Namen des Vertretenen, die trotz mangelnder Eigenhändigkeit als zulässig angesehen wird (Rummel, aaO., § 886 Rz 6). Für des Schreibens unkundige oder wegen eines Gebrechens des Schreibens unfähige Parteien sieht § 886 ABGB die Beisetzung ihres gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichens oder die Beisetzung des Handzeichens vor zwei Zeugen, von denen einer den Namen der Partei «unterfertigt», vor.

1.3.

Lesbarkeit der Unterschrift ^

[8]

Die Unterschrift kann in jeder üblichen Schriftart geleistet werden, es muss sich nicht um eine lateinische Schrift handeln. Blockbuchstaben und zumindest nach der Literatur auch Stenogramme reichen aus. Lesbarkeit ist nicht erforderlich1 , eine Geheimschrift ist aber nicht zulässig (Rummel, aaO., § 886 Rz 3; Apathy/Riedler, aaO., § 886 Rz 9).

[9]

Für den OGH war in einem wechselrechtlichen Prozess zu 8 OB 8/91 eine «offenbar in fremden Buchstaben gehaltene und daher gar nicht näher abgrenzbare, insgesamt völlig unleserliche Unterschrift» eines Blankoindossaments, für das eine - tatsächlich zutreffende - Bestätigung ihrer Echtheit eingeholt worden war, wirksam.

[10]

Raschauer2 hebt sehr richtig die Wichtigkeit eines handschriftlich flüssig geschriebenen Namenszuges, der Einheitlichkeit und Kontinuität aufweist, hervor. Ein strenges Verständnis der Leserlichkeit würde verhindern, dass bei Unterschriftsleistung ein für die Person charakteristischer Schriftzug gewählt wird bzw. gewählt werden kann.

1.4.

Elektronische Signatur ^

[11]

Eine qualifizierte elektronische Signatur (§ 2 Z. 3a) erfüllt gemäß § 4 Abs. 1 Signaturgesetz das rechtliche Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift, insbesondere der Schriftlichkeit im Sinne des § 886 ABGB, sofern durch Gesetz oder Parteienvereinbarung nicht anderes bestimmt ist. Die bloße «fortgeschrittene elektronische Signatur» (§ 2 Z. 3) ersetzt daher die Unterschrift nicht.

[12]

Diese Begriffsbestimmungen wurden durch die Novelle BGBl. I Nr. 8/2008 vorgenommen, die Stammfassung des Signaturgesetzes knüpfte in seinem § 4 Abs. 1 an die «sichere elektronische Signatur» gemäß der damaligen § 2 Z. 3 an, die der nunmehrigen qualifizierten elektronischen Signatur (§ 2 Z. 3a) entspricht. Die notwendigen Anpassungen an die Änderungen des Signaturgesetzes wurden aber etwa im Bundesvergabegesetz 2006 noch nicht vorgenommen.

2.

Nachbildung auf mechanischem oder elektronischem Wege ^

[13]

§ 886 letzter Satz ABGB bestimmt, dass eine Nachbildung der eigenhändigen Unterschrift auf mechanischem Wege nur da genügt, wo sie im Geschäftsverkehr üblich ist3 . Unstrittig stellt ein Telegramm keine Nachbildung der Unterschrift auf mechanischem Wege dar und entspricht daher nicht der Schriftform (OGH 2 OB 723/52, telegrafische Annahme eines Schiedsvertragsoffertes). Die Judikatur ist bei der Anerkennung solcher Nachbildungen insgesamt eher zurückhaltend:

[14]

Die Haftungserklärung einer Bank bestimmte, dass ihre Inanspruchnahme nur «mittels eingeschriebenen Briefes» erfolgen konnte, der Abruf der Bankgarantie wurde aber mittels Fernschreiben vorgenommen. Der OGH erklärte dies im Erkenntnis 6 OB 537/88 als unwirksam. Die Garantieleistung könne nur in der durch die Haftungserklärung des Garanten bestimmten Form in Anspruch genommen werden, was auch immer Zweck dieser Formvorschrift sein mag.

[15]

Dem OGH-Erkenntnis 1 OB 525/93 lag eine schriftliche Anzeige des Ersatzanspruchs eines Mieters zu Grunde, die einerseits mittels Telefax übersandt wurde, andererseits anstelle der eigenhändigen Unterschrift des Erklärenden nur dessen mit Maschinschrift geschriebenen Namen enthielt. Dass damit dem Formgebot der Schriftlichkeit nicht entsprochen wurde, ist wohl eindeutig.

[16]

In der Entscheidung 1 OB 515/95 (siehe auch unten Punkt 5.) verneinte der OGH, dass mit einer per Telefax übermittelten Verpflichtungserklärung des Bürgen die Schriftform gewahrt sei, selbst wenn das Original des so übermittelten Schreibens eine eigenhändige Unterschrift aufweist.

[17]

In 1 OB 620/95 setzte sich der OGH mit der von einem Teil der Lehre geäußerte Kritik am Erkenntnis 6 OB 537/88 auseinander, blieb jedoch dabei, dass eine Garantie nicht durch Telefax abgerufen werden kann. Er betonte dabei die Formstrenge der Garantie. Auch müsse sichergestellt werden, dass der Abruf tatsächlich durch den Begünstigten erfolgt. Der OGH wies dabei auf die Fälschungsgefahr hin; durch ein Telefax ließe sich der Eindruck der Authentizität einer zusammenkopierten Urkunde sehr einfach vermitteln.

[18]

In einem Fall nach § 14d WGG differenzierte der OGH (5 OB 77/98d): Soweit es um die Bekanntgabe der Einforderung von Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen ging, war eine eigenhändige Unterfertigung der dem Mieter übermittelten Erklärung durch den Vermieter nicht erforderlich. Für die schriftlich abzugebende Verpflichtungserklärung der gemeinnützigen Bauvereinigung, die eingehobenen Beiträge bestimmungsgemäß zu verwenden, forderte der OGH aber zu Beweissicherungszwecken eine dem § 886 ABGB entsprechende Unterfertigung der Urkunde.

[19]

In einem weiteren Fall der Anzeige des Ersatzanspruches nach § 10 Abs. 4 Z. 1 MRG, bei der das in das Telefax eingelegte Schreiben eine Unterschrift des Mieters aufwies, erachtete der OGH (5 OB 207/02f) die Schriftlichkeit als gewahrt. Begründet wurde dies damit, dass nach der Lebenserfahrung für diese Mitteilung keine Fälschungsgefahr bestand, die Wirksamkeit einer per Telefax übermitteltem Erklärung konnte daher nicht mit der größeren Fälschungsgefahr eines Telefax bezweifelt werden.

[20]

Wegen des übernationalen Charakters meint der OGH beim Schriftlichkeitsgebot des CMR (6 Ob 512/96) sowie zu Art 17 Abs 1 lit. a LGVÜ (OGH 1 Ob 358/99z) und nunmehr Art. 23 EuGVVO (OGH 2 OB 280/05y) nicht an der nach nationalem Recht angeordneten Unterschriftlichkeit festhalten zu können und lässt auch Telefaxe zu.

[21]

Meiner Ansicht nach enthält ein E-Mail ähnlich einem Telegramm keinen eigenhändig gesetzten Schriftzug, für ein PDF-Dokument gilt das für das Telefax Ausgeführte, denn «copy and paste» ist noch leichter als beim Telefax. Soweit überblickbar gibt es dazu aber keine Judikatur.

3.

Die Unterschrift im Verwaltungsverfahren ^

[22]

Auf § 18 AVG mit seinen mehrfachen Änderungen, insbesondere durch

  • die Novelle BGBl. I. Nr. 10/2004 mit Übergangsbestimmung bis 31.12.2007 in § 82 Abs. 14 letzter Satz AVG und
  • die Novelle BGBl. I. Nr. 5/2008 mit Übergangsbestimmung bis 31.12.2010 in § 82a AVG,
[23]

ist hier nicht näher einzugehen, ebenso wenig auf die zahlreichen Erkenntnisse des VwGH über gesetzte, fehlende oder nicht erforderliche Unterschriften auf Erledigungen und Ausfertigungen. Interessant sind aber die vom VwGH vorgenommenen Abgrenzungen, was eine Unterschrift ist.

[24]

Der immer wieder zitierte Stammrechtssatz des VwGH stammt aus dem Erkenntnis vom 31. Oktober 1979, 1817/78, Slg. N.F. Nr. 5423/F: «Eine Unterschrift ist ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann. Es ist nicht zu verlangen, dass die Unterschrift lesbar ist. Es muss aber ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender, individueller Schriftzug sein, der entsprechende charakteristische Merkmale aufweist und sich als Unterschrift eines Namens darstellt.»

[25]

Es wird somit zwar nicht Lesbarkeit verlangt, der Name muss aus dem Schriftbild aber noch herauslesbar sein. «Offenbar im Durchschreibeverfahren entstandene graphische Gebilde von Menschenhand, die aber nicht die geringste Ähnlichkeit mit irgendwelchen Buchstaben einer in Mitteleuropa üblichen Schreibschrift aufweisen, geschweige denn auch nur annähernd leserlich sind» erweckten beim VwGH im Verfahren 86/18/0213 nicht den Eindruck einer Unterschrift.

[26]

Nach weiteren Erkenntnissen des VwGH muss die Anzahl der Schriftzeichen zwar nicht der Anzahl der Buchstaben des Namens entsprechen (93/13/0025), zur Gänze unleserliche Fertigungen (94/05/0344), Handzeichen, die keinen Namen erkennen lassen (94/05/0097) und Paraphen (98/10/0013) wurden aber nicht als Unterschriften anerkannt. Aus dem Schriftzug muss man nicht einen bestimmten Namen herauslesen können, da die Unterschrift keine Mitteilungsfunktion im Sinne einer Namensbekanntgabe hat. Wohl aber besteht eine Individualisierungsfunktion im Sinne eines Identitätsmerkmals und muss jemand, der den Namen des Betreffenden kennt, ihn aus dem Schriftbild herauslesen können (Raschauer, aaO., 591).

4.

Die Unterschrift im Testamentsrecht ^

[27]

Im Testamentsrecht kommt der Unterschrift eine besondere Bedeutung zu. Auch der eigenhändig geschriebene letzte Wille muss unterschrieben sein (holographes Testament - § 578 ABGB). Allerdings ist die Rechtsprechung beim Erfordernis des (Familien-)Namens großzügiger. Es genügt eine solche Bezeichnung, unter der der Erblasser bekannt ist, sodass an seiner Identität kein Zweifel besteht (OGH 10 OB 2335/96x - «Euer Fredi»).

[28]

Im Erkenntnis 1 OB 145/05p reichte dem OGH die Kopie eines in Blockbuchstaben geschriebenen Telefax an «MENE LIEBE!», das mit «IN LIEBE DEN VYTAS» endete, um eine Beteiligung am Nachlassverfahren einzuräumen. Die Fragen, ob der Erblasser das dem Telefax zugrunde liegende Original eigenhändig geschrieben und unterschrieben habe sowie ob die Revisionsrekurswerberin überhaupt Adressatin dieser Mitteilung gewesen sei, wären in einem Erbrechtsprozess zu klärende reine Beweisfragen.

[29]

In der Entscheidung EvBl 1955/102 erachtete der OGH die Unterfertigung einer letztwilligen Verfügung mit «Eure Mutter» als ausreichend. Zweifel an der Identität des Erklärenden sind vor allem dann ausgeschlossen, wenn er mit einer Bezeichnung unterschrieben hat, die er im Verkehr mit seinen nahen Angehörigen üblicherweise verwendet hat, wie dies bei den die Familienzugehörigkeit ausdrückenden Bezeichnungen regelmäßig der Fall ist.

[30]

Dem Erkenntnis OGH 4 OB 237/04p lag zu Grunde, dass die Erblasserin auf der Rückseite ihres (auf der Vorderseite mit Vor- und Zunamen unterfertigten) Testaments eine Nacherbschaft festlegte, diese Verfügung aber nur mit den Anfangsbuchstaben ihres Namens fertigte. Für den OGH war die das Testament nicht unwesentlich einschränkende Verfügung auf der Rückseite gültig, obwohl nicht der volle Name gesetzt war.

[31]

Festzuhalten ist, dass bei Rechtsgeschäften des Familien- und Erbrechts, die an die Schriftform (oder ein strengeres Formerfordernis) gebunden sind, auch eine qualifizierte elektronische Signatur nicht die Rechtswirkungen der Schriftlichkeit entfaltet (§ 4 Abs. 2 Z. 1 Signaturgesetz), also die Unterschrift nicht ersetzen kann. Die Gegenausnahme, dass die über das Rechtsgeschäft errichtete Urkunde die Erklärung eines Rechtsanwaltes oder eines Notars enthält, dass er den Signator über die Rechtsfolgen seiner Signatur aufgeklärt hat, gilt ausdrücklich nicht für letztwillige Anordnungen.

5.

Die Bürgschaft ^

[32]

Zu den bekanntesten Beispielen für rechtsgeschäftliche Erklärungen, die bei sonstiger Unwirksamkeit zwingend schriftlich abgegeben werden müssen, gehört die Bürgschaft. Die Verpflichtungserklärung des Bürgen bedarf gemäß § 1346 Abs. 2 ABGB (einseitig) der Schriftform, was insbesondere Schutz vor Übereilung gewähren soll.

[33]

In der Entscheidung 1 OB 515/95 knüpfte der OGH an frühere Entscheidungen an, wonach das Erfordernis der Schriftform nicht Selbstzweck sei, sondern vielmehr gewährleisten solle, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der abzugebenden Erklärung und die Person, von der sie ausgehe, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Er sprach zu der gebotenen Schriftform aus, dass eine Erklärung des Bürgen mittels Telefax dem Schriftformgebot auch dann nicht entspreche, wenn die der Fernkopie als Grundlage dienende Urkunde die eigenhändige Unterschrift des Erklärenden enthalte. Dem lasse sich jedenfalls für die schriftliche Verpflichtungserklärung eines Bürgen nicht mit dem Argument begegnen, wer sich am Telefaxverkehr beteilige, gebe damit zu erkennen, dass für ihn diese Übermittlungsform und Unterschrift geschäftsüblich sei.

[34]

Das am 1.1.2007 in Kraft getretene Handelsrecht-Änderungsgesetz (BGBl I Nr. 120/2005), mit dem das Handelsgesetzbuch (HGB) zum Unternehmensgesetzbuch (UGB) umgestaltet wurde, beseitigte auch die Formfreiheit der Bürgschaft eines Kaufmanns. Ein Rest der aufgehobenen Differenzierung der Formvorschriften bei der Bürgschaft blieb jedoch erhalten. Gemäß § 4 Abs. 1 Signaturgesetz reicht für Bürgschaftserklärungen, die von Personen in ihrer gewerblichen, geschäftlichen oder beruflichen Tätigkeit abgegeben werden, eine qualifizierte elektronische Signatur. Für Bürgschaftserklärungen, die «außerhalb» der genannten Tätigkeit abgegeben werden, ist ergänzend die Erklärung eines Rechtsanwaltes oder eines Notars erforderlich, dass er den Bürgen über die Rechtsfolgen seiner Verpflichtungserklärung aufgeklärt hat. Nach dem Gesetzestext muss diese Erklärung über die Belehrung in der Urkunde selbst abgegeben werden, eine separate Urkunde würde bedeuten, dass die Schriftform nicht eingehalten ist.

6.

Die Unterschrift im Arbeitsrecht ^

[35]

Angestrebte Rechtssicherheit durch Inhalts- und Abschlussklarheit und der Schutz des Arbeitnehmers als – in der Regel – schwächerer Partner haben zur Folge, dass es im Arbeitsrecht einige Bestimmungen gibt, die für die Wirksamkeit von rechtsgeschäftlichen Erklärungen Schriftlichkeit und damit Unterschriftlichkeit verlangen. Neben diversen Kollektivverträgen, die für Auflösung oder Kündigung des Dienstverhältnisses Schriftlichkeit verlangen (siehe etwa OGH 9 OB 78/08y), sind als Beispiele für gesetzliche Schriftformgebote anzuführen:

  • Vereinbarung der Rückzahlung von Ausbildungskosten (§ 2d Abs. 2 AVRAG),
  • Überlassung künftiger Diensterfindungen an den Dienstgeber (§ 7 Abs.1 Patentgesetz),
  • Kündigung von Vertragsbediensteten durch den Dienstgeber, wenn das Dienstverhältnis bereits ununterbrochen ein Jahr gedauert hat (§ 32 Abs. 1 VBG),
  • vorzeitige Auflösung des Lehrausbildungsverhältnisses (§ 15 Abs. 2 BAG, Berufsausbildungsgesetz)
  • einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses von schwangeren Dienstnehmerinnen (§ 10 Abs. 7 Mutterschutzgesetz) oder eines Elternteiles während einer Elternteilzeit (§ 15n Mutterschutzgesetz und § 7 Abs. 3 Väter-Karenzgesetz),
  • einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses von Präsenz- und Zivildienern (§ 16 Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz)
[36]

Da solche arbeitsrechtliche Schriftformgebote den Beteiligten oft nicht bekannt sind, gibt es zum Thema Unterschriften einige arbeitsrechtliche Entscheidungen des OGH, gerade auch aus den letzten Jahren.

6.1.

Unterschriftsloses Kündigungsschreiben an eine Vertragsbedienstete (9 OB 14/08m) ^

[37]

Eine als HTL-Lehrerin beschäftigte Vertragsbedienstete, deren Dienstverhältnis bereits (weit) mehr als ein Jahr gedauert hatte, wurde vom Dienstgeber aus gesundheitlichen Gründen gekündigt. Das betreffende Schreiben des zuständigen Landesschulrates endete mit «Für den Amtsführenden Präsidenten: Mag. W***** R*****». Das Schreiben wies keine Unterschrift und keine Amtssignatur auf. Die Dienstnehmerin ging mit Klage gegen die Kündigung vor, spät im Prozess wurde dann auch das Fehlen einer Unterschrift geltend gemacht. Die beklagte Republik Österreich wandte dagegen ein, dass das Schreiben vom zuständigen Organ approbiert worden sei, in Zeiten des elektronischen Aktes sei es üblich, auf eigenhändige Unterschriften zu verzichten.

[38]

Das Erstgericht meinte, der Verstoß gegen das Schriftlichkeitsgebot mache die Kündigung unwirksam. Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf. Der Formzweck des Schriftlichkeitsgebots des § 32 Abs 1 VBG verlange, die Beendigung des Dienstverhältnisses und die Kündigungsgründe besonders sorgfältig und umfassend auszuarbeiten und dem Dienstnehmer mitzuteilen. Mit dem vorliegenden Schreiben sei das erfüllt, in einem solchen Fall könne für die Wirksamkeit der schriftlichen Kündigung nicht verlangt werden, dass diese auch unterschrieben sei.

[39]

Der OGH gab dem Rekurs der Klägerin Folge und sprach u.a. aus: «Das Erfordernis der Schriftform soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. … In der Unterzeichnung liegt die Anerkennung des Urkundentextes und die Perfektion des Rechtsakts. … Dem Vertragsbediensteten soll deutlich vor Augen geführt werden, welcher Kündigungsgrund vom Dienstgeber herangezogen wurde. … Dem Empfänger des Schriftstücks soll aber auch die Möglichkeit der Überprüfung geboten werden, dass das Schreiben tatsächlich von der dafür zuständigen Person stammt, was insbesondere durch die Unterschrift verifiziert werden kann. Gerade bei einem Dienstgeber wie dem Bund, der hierarchisch gegliedert ist, kommt diesem Aspekt besondere Bedeutung zu.»

[40]

Der OGH ließ die Argumente, bei Erkennbarkeit des Beendigungswillens des Dienstgebers erscheine es übertrieben formalistisch, die Kündigung an einer fehlenden Unterschrift scheitern zu lassen, und im Zeitalter des elektronischen Aktes sei das Gebot der Unterschriftlichkeit nicht einzuhalten, nicht gelten und verwies auf die Möglichkeiten der elektronischen Signatur. Das VBG regle ausschließlich private Dienstverhältnisse, in denen der Bund dem Dienstnehmer nicht hoheitlich gegenübertritt. Es sei daher mangels eines entgegenstehenden Willens des Gesetzgebers davon auszugehen, dass das Schriftlichkeitsgebot des § 32 VBG auch «Unterschriftlichkeit» verlangt. Dieses Wirksamkeitserfordernis könne weder dadurch ersetzt werden, dass das zuständige Organ innerhalb der Kündigungsfrist eine Unterschrift nachzutragen versucht, noch dadurch, dass dieses mündlich bestätigt, dass das Schriftstück von ihm stamme.

6.2.

Lehrlingskündigung per SMS (9 OB A 96/07v) ^

[41]

Sowohl die Begründung als auch die (speziellen Voraussetzungen unterliegende) Auflösung eines Lehrverhältnisses bedürfen gemäß § 12 Abs. 1 bzw. § 15 Abs. 2 Berufsausbildungsgesetz (BAG) der Schriftform. Die Gesetzesmaterialien begründen dies mit der «Wichtigkeit eines solchen Vertrags für die Vertragspartner». Es sollen damit auch eine der Ausbildung nicht zuträgliche Fluktuation hintangehalten und unbedachte Schritte zur Unterbrechung oder Aufgabe einer Ausbildung vermieden werden (RV 876 BlgNR 11. GP 39). Während aber die Nichteinhaltung der Schriftform beim Abschluss des Lehrvertrags keine Nichtigkeit bewirkt (§ 12 Abs. 7 BAG), ist die Auflösung des Lehrverhältnisses ohne Schriftform rechtsunwirksam (§ 15 Abs. 2 BAG).

[42]
Ein (volljähriger) Lehrling, die spätere Klägerin, erhielt eines Abends (etwa drei Stunden vor Ablauf der dreimonatigen Probezeit) auf ihrem Mobiltelefon eine SMS des Lehrherrn: «Muss dich mit heutigem Tag kündigen. Können wir aber wahrscheinlich widerrufen, wenn ich in Wien bin. Liebe Grüße Bernd.» Zu einem solchen Widerruf der Kündigung kam es nicht, der Lehrherr wurde geklagt und unterlag in den ersten beiden Instanzen. Der OGH meinte, dass der Frage der Einhaltung der Schriftform durch eine SMS im Hinblick auf die weite Verbreitung der Kommunikation per SMS über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt, und ließ die Revision zu (§ 502 Abs. 1 ZPO).
[43]
Im meritorischen Teil des Erkenntnisses fasste der OGH Judikatur und Literatur zur Schriftlichkeit zusammen und betonte den damit bezweckten allgemeinen Schutz des Rechtsverkehrs, den Übereilungsschutz, die Klarheit und die Beweissicherung. Das Erfordernis der Schriftform solle gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Die Unterzeichnung solle damit auch einen Schutz vor Fälschungen bieten; zumindest erschwere das Unterschriftserfordernis Fälschungen.
[44]
Unstrittig sei, dass eine eigenhändige Unterfertigung der SMS durch den Absender nach der technischen Konzeption des «Short Message Service» nicht vorgesehen ist. Dass im Text der SMS der Vor- und/oder Zuname des Absenders steht, stelle noch keine eigenhändige Unterfertigung des Textes dar. Die Beendigungserklärung mit einer reinen Textnachricht ohne eigenhändige Unterschrift genüge nicht der Schriftform. Dem Argument des Beklagten, dass es sich bei SMS um ein bedeutendes, häufig verwendetes Kommunikationsmittel handelt und im Hinblick auf den heutigen Stand der Technik und die damit verbundene Entwicklung ein SMS für die Schriftform ausreiche, lehnte der OGH ab. Mangels eigenhändiger Unterschrift entspreche die schlichte SMS nicht der Schriftform im Sinne des herrschenden Verständnisses.

6.3.

Krankmeldung per SMS (8 OB A 92/03t ) ^

[45]
Zulässig und rechtlich wirksam war hingegen gemäß OGH-Erkenntnis 8 OB A 92/03t eine per SMS übermittelte (und auch zugegangene) Mitteilung des Krankenstandes einer Arbeitnehmerin. § 4 Abs. 4 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) enthält keine Vorschriften über die Form der Anzeige der Dienstverhinderung. Da der Arbeitgeber seine Dienst-Mobilnummer angegeben und dabei keine Einschränkung auf Telefonate gemacht hatte, durfte sich die Erkrankte des Mobiltelefons in allen seinen Kommunikationsformen (Anruf, Nachricht auf Mailbox, SMS) bedienen). Eine Unterschrift ist eben nur dann erforderlich, wenn gesetzlich oder vertraglich die Schriftform vorgeschrieben ist.

7.

Vergabeverfahren ^

[46]
Das Bundesvergabeamt befasste sich in seiner Entscheidung N/0007-BVA/05/2006-54 mit einer nur eingescannten und als Kopie eingefügten Unterschrift eines Mitglieds der Bietergemeinschaft im Vergabeverfahren. In der Ausschreibungsbekanntmachung war festgelegt, dass der Teilnahmeantrag schriftlich einzubringen und auch schriftlich zu unterfertigen war, bei einer Bewerbergemeinschaft hatte die Unterfertigung des Teilnahmeantrages durch sämtliche Mitglieder der Bietergemeinschaft in rechtsgültiger Form zu erfolgen.
[47]

Am Ende des Teilnahmeantrages der Antragstellerin befand sich eine Seite mit einem gescannten Computer-Farbausdruck der Unterschriften der vier Unternehmen der Bewerbergemeinschaft. Zusätzlich war mit Kugelschreiber angemerkt: «eingescannte Kopie B*** Unterschrift im Original kann auf Wunsch nachgereicht werden». Auf der allerletzten Seite, mit Unterschriftenliste bezeichnet, schienen nur die Originalunterschriften von drei der vier Mitglieder auf, eine Unterschrift der B*** fehlte.

[48]

Die Nicht-Zulassung zur Teilnahme wurde von der Bietergemeinschaft - erfolglos - angefochten. Unter Verweis auf das OGH-Erkenntnis 1 OB 525/93, jüngere Entscheidungen wären treffender gewesen, entschied das Bundesvergabeamt, dass die nur in eingescannter Form erbrachte Unterschrift infolge einer erleichterten Fälschungsmöglichkeit der rechtsgültigen Unterschrifts-leistung im Sinne des § 886 ABGB nicht entspricht. Eine Unterschrift durch Einscannen, elektronische Übermittlung und Ausdrucken auf einem Drucker abzugeben, entspreche auch nicht einer üblichen Vorgehensweise im Bereich des öffentlichen Auftragswesens. Das Bundesvergabeamt verwies auch auf § 4 Signaturgesetz sowie § 22 Abs 2 und 3 BVergG 2002.

8.

Zusammenfassung ^

[49]

Ein gesetzliches oder vertragliches Gebot der Schriftlichkeit bedeutet in der Regel, dass das Dokument unterschrieben werden muss. Die Unterschrift besteht aus dem eigenhändig gesetzten Schriftzug des Familiennamens. An die Lesbarkeit werden in Österreich weniger strenge Anforderungen gestellt als in Deutschland, es muss aber ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender, individueller Schriftzug sein, eine Paraphe reicht nicht aus. Mechanische oder elektronische Nachbildungen werden vom OGH kaum als Unterschrift anerkannt, eine SMS entspricht eindeutig nicht dem Schriftlichkeitsgebot. Gemäß Signaturgesetz ersetzt eine qualifizierte elektronische Signatur die Unterschrift, besondere Fallgruppen sind davon jedoch ausgenommen.



Gerhard Varga, Prokuratursanwalt, Finanzprokuratur
Singerstraße 17-19, 1010 Wien AT, gerhard.varga@bmf.gv.at

  1. 1 Das deutsche BGB verlangt für die Schriftform die eigenhändige Namensunterschrift. Die deutsche Rechtsprechung ist daher bezüglich der Lesbarkeit verglichen mit Österreich um einiges strenger. Für eine Unterschrift müssen zumindest Andeutungen von mehreren (drei?) Buchstaben vorhanden und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennbar sein, selbst wenn sie nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozess gekennzeichnet ist (z.B. Bundesarbeitgericht, 6 AZR 519/07).
  2. 2 Unterschrift, Organwalterkompetenz und absolute Nichtigkeit (in Schäffer [Hrsg.], Staat – Verfassung - Verwaltung: Festschrift Friedrich Koja (1998), 589 ff .
  3. 3 Nach § 127 Abs. 2 BGB genügt zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, die telekommunikative Übermittlung, bei einem Vertrag der Briefwechsel.