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Ein Spaziergang durch die Welt der Rechtsinformatik an der Hand von Erich Schweighofer

  • Author: Dieter Merkl
  • Region: Austria
  • Field of law: Zur Person Erich Schweighofer
  • Collection: Festschrift Erich Schweighofer
  • Citation: Dieter Merkl, Ein Spaziergang durch die Welt der Rechtsinformatik an der Hand von Erich Schweighofer, in: Jusletter IT 22 February 2011
Mit diesem Aufsatz werden, basierend auf persönlichen Erfahrungen des Autors, Herausforderungen der interdisziplinären Forschung, insbesondere im Lichte der Begriffswelt der beteiligten Personen, beleuchtet. Eingebettet sind diese knappen Überlegungen in einem, wenngleich kursorischen, Abriss der Geschichte der Zusammenarbeit zwischen Erich Schweighofer und Dieter Merkl. Für etwaige juristische Ungenauigkeiten trage ich in dieser Darstellung die alleinige Verantwortung.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Ein erster Anfang
  • 2. Ein kurzer Exkurs zur «Begrifflichkeit»
  • 3. Ein Privatissimum in Internationalem Recht
  • 4. Danksagung
  • 5. Literatur

1.

Ein erster Anfang ^

[1]

Es begann wohl alles anlässlich einer Konferenz. Bei derInternational Conference on Database and Expert Systems Applications in Wien konnten wir unser allererstes Paper präsentieren [Merkl et al. 1990]. Ich arbeitete damals an einem Forschungsprojekt mit, in dem es darum ging, alternative Zugänge zu den Urteilen des Obersten Gerichtshofes in Wien zu ermöglichen. Dabei versuchten wir, Teile des österreichischen Rechtssystems in einem Expertensystem abzubilden. Das war zu dieser Zeit durchausMain-Stream-Research in der symbolischen Artificial Intelligence. Weiters sollte über Zitate von Rechtsvorschriften eine Hypertext-Vernetzung der Dokumente erreicht werden. Erich Schweighofer nahm damals im Rahmen dieser Konferenz Kontakt zu uns auf. Er fand den Zugang interessant; vielleicht war er aber auch einfach zu höflich, um gegenteiliges zu behaupten. Während der nächsten beiden Jahre bewegte ich mich immer weiter von Fragestellungen der Rechtsinformatik weg und suchte statt dessen nach Möglichkeiten der Verwendung von Neuronalen Netzen, somit der subsymbolischen Artificial Intelligence, zur Erkennung von inhaltlichen Ähnlichkeiten zwischen Text-Dokumenten. Schlußendlich tauchte ich immer tiefer in spezifische Fragestellungen der Self-Organizing Map [Kohonen 1982] ein.

[2]

In dieser Zeit arbeitete Erich, unter anderem mit einem meiner Kollegen, Werner Winiwarter, am Institut für Angewandte Informatik und Informationssysteme der Universität Wien, an Konnotationsanalysen juristischer Ausdrücke. Es lag dann beinahe auf der Hand, dass wir früher oder später auch die Self-Organizing Map verwendeten, um begriffliche Zusammenhänge darzustellen bzw. begriffliche Mehrdeutigkeiten aufzulösen [Merkl et al. 1994]. In der Zwischenzeit zog ich übrigens von der Universität Wien an die Technische Universität Wien weiter und die Arbeit an unserem ersten gemeinsamen Paper für dieACM Conference on AI and Law [Schweighofer et al. 1995] war für mich immer wieder eine sehr willkommene Entschuldigung, um für Besprechungen an die Universität Wien zu fahren.

2.

Ein kurzer Exkurs zur «Begrifflichkeit» ^

[3]

Jede interdisziplinäre Zusammenarbeit steht zunächst erst einmal vor dem Problem, dass die beteiligten Personen ihre Weltsichten in Einklang bringen müssen. Um diesen Aspekt der Zusammenarbeit zu veranschaulichen, werden in diesem Aufsatz in weiterer Folge die Titel der wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Erich Schweighofer1 den Titeln meiner eigenen Veröffentlichungen gegenübergestellt2 . Diese Titel, genauer gesagt die Wörter aus den Titeln, geben dann eine, wenngleich notwendigerweise verkürzte, Vorstellung von der wissenschaftlichen Begriffswelt, in der sich ein Autor bewegt. Mithin kann man damit auch eine gewisse Approximation an die Forschungsthemen der Autoren erreichen. Zur Visualisierung der Begriffswelten werde ich in dieser Arbeit ein derzeit sehr populäres Hilfsmittel verwenden; das derTag-Cloud .3 Dabei erscheint ein Begriff in einer Schriftgröße, die in etwa proportional zur Häufigkeit des Begriffes in einer bestimmten Textmenge ist. So ergab sich in einer ersten Analyse der in Abbildung 1 dargestellte Begriff als der Häufigste in den Titeln der Veröffentlichungen von Erich Schweighofer.

Abbildung 1: Der häufigste Begriff in den Veröffentlichungen von Erich Schweighofer

[4]

Nun, das sollte mich bei meiner Forschungsvergangenheit im Bereich des Information Retrieval nicht weiter überraschen. Konsequenterweise entfernte ich umgehend eine Liste von Stop-Wörtern aus der Textmenge. Es sind dies Wörter, denen man nicht notwendigerweise sinnprägende Wichtigkeit zugesteht, wie etwa eben Pronomen, Bindewörter, Artikel und dergleichen. Dieser kleine Kunstgriff führt unmittelbar zu einem weitaus aussagekräftigeren Ergebnis. So ist nunmehr in Abbildung 2 der häufigste Begriff in den Titeln der Veröffentlichungen von Erich Schweighofer mit jenem meiner eigenen Veröffentlichungen gegenübergestellt. Man wird wohl keine ernsthaften Probleme haben zu erkennen, welcher Begriff zu welchem Autor gehört.

Abbildung 2: Der häufigste Begriff in den Veröffentlichungen von Erich Schweighofer und Dieter Merkl

[5]

Es ist jedoch naheliegend, dass ein einzelner Begriff keinen tieferen Einblick in die Begrifflichkeit bzw. die thematische Bandbreite der Veröffentlichungen eines Autors erlaubt. Daher nähern wir uns nunmehr schrittweise einer umfangreicheren Darstellung der Begriffswelt eines Autors an; siehe Abbildung 3(a)-(c). Auch hier wird man wohl keine ernsthaften Probleme mit der Zuordnung zum konkreten Autor haben.

Abbildung 3: Die Begriffswelten von Erich Schweighofer und Dieter Merkl, dargestellt in verschiedenen Detaillierungsgraden

[6]

Zuletzt zeige ich in Abbildung 4 die beeindruckende Begriffsvielfalt aus den Titeln der Veröffentlichungen von Erich Schweighofer an Hand der 450 häufigsten Begriffe.

Abbildung 4: Die Begriffswelt von Erich Schweighofer in 450 Begriffen aus den Titeln seiner Veröffentlichungen

3.

Ein Privatissimum in Internationalem Recht ^

[7]

Wie ich im vorangegangenen Abschnitt versucht habe zu demonstrieren, war eine gehörige Portion beiderseitigem guten Willens notwendig, damit wir unsere verschiedenen Sichtweisen in Einklang bringen konnten. In der Zwischenzeit war ich persönlich gerade dabei, anstelle der Self-Organizing Map mit Hierarchical Feature Maps [Miikkulainen 1992] zur Darstellung von Zusammenhängen in Textkollektionen zu experimentieren [Merkl 1997]. Wir haben diese Überlegungen aufgegriffen und auf eine Textkollektion zum Internationalen Recht angewandt. Bei der Diskussion der Ergebnisse, die aus der Darstellung der Hierarchical Feature Map herleitbar waren, kam ich, für mich damals sehr unerwartet, in den Genuß eines wohl zweistündigen Privatissimums in meinem Büro an der TU Wien, in dem mir Erich Schweighofer Zusammenhänge im Internationalen Recht an Hand der Darstellung des Neuronalen Netzes erklärte. Ein ganz besonderer Höhepunkt war dabei für mich der Zusammenhang zwischen Raumfahrtsrecht und Hochseerecht. So müssen beispielsweise schiffbrüchige Raumfahrer von vorbeikommenden Raumschiffen aufgenommen werden; eine Vorstellung, die mich aufgrund der Physik der Raumfahrt heute noch erheitert.

[8]

Jedenfalls beschlossen wir, die Erkenntnisse in einem weiteren Paper für dieACM Conference on AI and Law zusammenzufassen [Merkl & Schweighofer 1997]. Da ich zur Zeit des Schreibens gerade für ein Post-Doc Semester am RMIT in Melbourne war, kamen wir gleichzeitig in den Genuß, einen Vorteil der globalisierten Welt auskosten zu können. Durch die Zeitverschiebung zwischen Wien und Melbourne konnten wir beinahe 16 Stunden am Tag an dem Paper arbeiten; wechselweise natürlich. Das war jedenfalls eine sehr spannende Erfahrung, die ich zur Nachahmung nur empfehlen kann.

[9]

Wieder zurück in Wien nach dem Post-Doc Aufenthalt in Melbourne beschäftigte ich mich einige Zeit mit alternativen Möglichkeiten zur inhaltlichen Beschreibung von Lernergebnissen der Self-Organizing Map. Auch hier war es wieder naheliegend einen juristischen Textkorpus zu verwenden, um die derart entstandenen Möglichkeiten zu illustrieren. Diese gemeinsame Arbeit führte schließlich zu einem weiteren Paper bei derACM Conference on AI and Law [Schweighofer & Merkl 1999].

4.

Danksagung ^

[10]

In diesem Sinne, vielen Dank für die bisherige Zusammenarbeit, lieber Erich!

5.

Literatur ^

Kohonen, T., Self-organized formation of topologically correct feature maps, Biological Cybernetics, Vol. 43, 1982.
Merkl, D. , Exploration of text collections with hierarchical feature maps, In Proceedings of the Int'l ACM SIGIR Conference on Research and Development in Information Retrieval (SIGIR'97), Philadelphia, PA, ACM Press, 1997.
Merkl, D., & Schweighofer, E. , The exploration of legal text corpora with hierarchical neural networks: A guided tour in public international law, In Proceedings of the ACM Int'l Conference on AI and Law (ICAIL'97), Melbourne, VIC, ACM Press, 1997.
Merkl, D., Schweighofer, E., & Winiwarter, W. , CONCAT – Connotation analysis of thesauri based on the interpretation of context meaning, In Proceedings of the Int'l Conference on Database and Expert Systems Applications (DEXA'94), Athens, Greece, Springer-Verlag, 1994.
Merkl, D., Vieweg, S., & Karapetjan, A., KELP – A hypertext oriented user-interface for an intelligent legal fulltext information retrieval system, In Proceedings of the Int'l Conference on Database and Expert Systems Applications (DEXA'90), Vienna, Austria, Springer-Verlag, 1990.
Miikkulainen, R. , Trace feature maps: A model of episodic associative memory, Biological Cybernetics, Vol. 66, 1992.
Schweighofer, E., & Merkl, D. , A learning technique for legal document analysis, In Proceedings of the ACM Int'l Conference on AI and Law (ICAIL'99), Oslo, Norway, ACM Press, 1999.
Schweighofer, E., Winiwarter, W., & Merkl, D. , Information filtering: The computation of similarities in large corpora of legal texts, In Proceedings of the ACM Int'l Conference on AI and Law (ICAIL'95), College Park, MD, ACM Press, 1995.



Dieter Merkl, ao.Univ.Prof. Dr., Technische Universität Wien, Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme, Favoritenstraße 9-11/188, 1040 Wien, AT,dieter.merkl@ec.tuwien.ac.at ;www.ec.tuwien.ac.at/~dieter/

  1. 1 Entnommen vonwww.univie.ac.at/rechtsinformatik/ES/content/publikationen.html , Zugriff am 27. November 2010.
  2. 2 Entnommen vonwww.ec.tuwien.ac.at/~dieter/research/publications/lop-dm.pdf , Zugriff am 27. November 2010.
  3. 3 Konkret wurde das Online-ToolWordle für die Abbildungen verwendet,www.wordle.net/ , Zugriff am 27. November 2010.