1.1.
Allgemeine Merkmale ^
1.2.
Besonderheiten der Rechtssprache ^
Hinter den sich mit der Gemeinsprache überschneidenden Sprachelementen stehen weiters Begriffszusammenhänge und komplexe Begriffssysteme. Darin sind Ausdruckformen und Wortfolgen implementiert, welche den Nichtfachleuten unzugängliche, materiell- und verfahrensrechtlich richtungsweisende Funktionen erfüllen. Häufig handelt es sich dabei um Ausdrücke, denen im allgemeinen Sprachgebrauch kein besonderer, appellhafter Charakter zukommt, sodass schon der Umstand der Unterlegung mit Signalwirkung an sich nicht erkennbar ist. So werden durch anscheinend bloß grammatisch bedingte Satzteile so gewichtige Elemente und Rechtsinstitute wie die Bezugnahme auf das Legalitätsprinzip (z.B. § 2 Abs. 1 EStG 1988: «Der Einkommensteuerist das Einkommen zugrundezu legen , …» oder § 33 Abs. 5 FinStrG: «Die Abgabenhinterziehungwird mit einer Geldstrafe bis …geahndet . … Neben der Geldstrafeist … auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu erkennen .») angesprochen. Einfache Ausdrucksformen verankern die Normierung der Offizialmaxime (z.B. § 115 Abs. 1 BAO: «Die Abgabenbehördenhaben von Amts wegen … zu ermitteln .»), die Einräumung eines Ermessensspielraumes (z.B. § 289 Abs. 1 BAO. «… sokann die Abgabenbehörde zweiter Instanz die Berufung durch Aufhebung des angefochtenen Bescheides und allfälliger Berufungsvorentscheidungen unter Zurückweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanzerledigen , wenn ...») oder legen Legaldefinitionen fest (z.B. § 2 Abs. 1 UStG 1994: «Unternehmer ist, wer …»). Die Verweistechnik, welche nicht nur den Stufenbau der Rechtsordnung widerspiegelt, sondern auch das Gefüge einer Rechtsvorschrift in sich ordnet, kann zum Erfordernis einer gleichsam kaskadenartigen Heranziehung maßgeblicher Regelungen führen.
2.1.
Gemeinsamkeit ^
2.2.
Die inhaltlichen Ebenen ^
2.3.
Der Adressatenkreis ^
2.4.
Wirkung der Rechtssprache in Bezug auf die Situationsebenen ^
2.5.
Die kommunikative Ebene ^
3.
Kritik an der Rechtssprache und Herstellung der Nähe zum fachunkundigen Rechtsadressaten ^
3.1.
Vereinfachung der Sprache ^
3.2.
Andere Ansatzpunkte ^
4.
Schlussfolgerungen ^
5.
Literatur ^
Braselmann, Petra, Gleiches Recht für alle – in allen Sprachen?. In: Haß-Zumkehr, Ulrike (Hrsg.), Sprache und Recht, de Gruyter, Berlin (2002)
Heringer, Hans Jürgen, Eine Beleidigung! Ein paar linguistische Überlegungen. In: Haß-Zumkehr, Ulrike (Hrsg.), Sprache und Recht, de Gruyter, Berlin (2002)
Kirchhof, Paul, Rechtsprechen ist mehr als Nachsprechen von Vorgeschriebenem. In: Haß-Zumkehr, Ulrike (Hrsg.), Sprache und Recht, de Gruyter, Berlin (2002)
Lasser, Ingeborg, Man kann Gesetze zugänglicher machen (Podiumsdiskussion). In: Haß-Zumkehr, Ulrike (Hrsg.), Sprache und Recht, de Gruyter, Berlin (2002)
Mathis, Silvia, Prämienberechtigte Kälber und beitragspflichtige Schafe. Überlegungen zu komprimierten Attributen in der Rechtssprache. In: Niederhauser, Jürg & Szlęk, Stanislaw (Hrsg.), Sprachsplitter und Sprachspiele: Nachdenken über Sprache und Sprachgebrauch; Festschrift für Willy Sanders, Lang, Bern (2000)
Otto, Walter, Amtsdeutsch heute bürgernah und praxisnah, Boorberg, Stuttgart, München, Hannover (1978)
Roessler, Paul, Entwicklungstendenzen der österreichischen Rechtssprache seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, Lang, Frankfurt am Main (1994)
Schmuck, Michael, Deutsch für Juristen, Vom Schwulst zur klaren Formulierung, 2. Auflage, Schmidt, Köln, (2006)
Schulz von Thun, Friedemann, Miteinander reden 1, Störungen und Klärungen, 48. Auflage, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg (2010)
Simonnæs, Ingrid, Verstehensprobleme bei Fachtexten, Lang, Frankfurt am Main (2005)
Soeffner, Hans-Georg, Ursachen von Kommunikationsstörungen vor Gericht. In: Wassermann, Rudolf & Petersen, Jürgen (Hrsg.), Recht und Sprache, Müller, Heidelberg (1983)
Wassermann, Rudolf, Recht und Verständigung als Element der politischen Kultur. In: Wassermann, Rudolf & Petersen, Jürgen (Hrsg.), Recht und Sprache, Müller, Heidelberg (1983)
Wieners-Horst, Barbara, Die Arbeit des Redaktionsstabes der Gesellschaft für deutsche Sprache beim Deutschen Bundestag (Podiumsdiskussion). In: Haß-Zumkehr, Ulrike (Hrsg.), Sprache und Recht, de Gruyter, Berlin (2002)
Christiane Seissl, Hauptberufliches Mitglied des Unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, Innrain 32, 6020 Innsbruck, AT,christiane.seissl@bmf.gv.at
- 1 Simonnæs, Ingrid (2005), S. 47.
- 2 Eingehende Darstellung der Entwicklung der Fachsprachenforschung und Vorstellung der wichtigsten Erklärungsmodelle in Simonnæs, Ingrid (2005), S. 17 ff..
- 3 So geht Mathis, Silvia (2000), S. 90, davon aus, dass Adjektivbildungen des Typs –pflichtig nur mit enzyklopädischem Wissen interpretierbar sind, dieses aber bei Ausdrücken wie beispielsweise «beitragspflichtigen Schafen» oft in die Irre leitet, weil auf das Wesentliche reduzierende Komposita gebildet werden und dies in mehr als der Hälfte der Fälle kombiniert mit gegenständlichen Bezugsnomina geschieht.
- 4 Zur Relevanz der Frage nach der terminologischen Vergleichbarkeit synonym verwendeter Begriffe und den Problemen der Übersetzung in Hinblick auf die Gleichrangigkeit der amtssprachlichen Versionen in Bezug auf die EU: Braselmann, Petra (2002), Sandrini, Peter, Rechtsübersetzen in der EU: Translatio Legis Pluribus,www2.uibk.ac.at/downloads/trans/publik/ring08.pdf , Bergmann, Sebastian, Steuerhinterziehungs- und Mißbrauchsterminologie im europäischen Steuerrecht in SWK 10/2010, S. 477.
- 5 Heringer, Hans Jürgen (2002), S. 300: «Nach meiner Auffassung ist die juristische Tätigkeit im Grunde eine Auseinandersetzung mit Texten. Auch Handlungen, um die es im Prozess im Wesentlichen geht, gehen nur textuell ein. Sie müssen gedeutet und verbalisiert werden und natürlich auch durch die Verbalisierung gedeutet werden.».
- 6 Soeffner, Hans-Georg (1983), S. 87: «Die Welt lebt hier (Anm.: in Gerichtsverhandlungen) in und von der Sprache. Sie wird zum interpretierbaren Text, dessen abschließende Interpretation durch quasi objektive, zumindest aber in ihrer Einhaltung überprüfbare Regeln abgesichert werden muss.».
- 7 Kirchhof, Paul (2002), S. 131: «Recht lebt in Sprache und durch Sprache Unsägliches lässt sich nicht verbindlich machen.».
- 8 Roessler, Paul (1994), S. 37.
- 9 Hoffmann, Lothar, Kommunikationsmittel Fachsprache. Eine Einführung, Akademie-Verlag, Berlin (1976). In: Simonnæs, Ingrid (2005), S. 32.
- 10 § 113 BAO: «Die Abgabenbehörden haben den Parteien, die nicht durch berufsmäßige Parteienvertreter vertreten sind, auf Verlangen die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben und sie über die mit ihren Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren; diese Anleitungen und Belehrungen können auch mündlich erteilt werden, worüber erforderlichenfalls ein Aktenvermerk aufzunehmen ist.».
- 11 Kirchhof, Paul, (2002), S. 121.
- 12 Oksaar, Els, Sprachliche Mittel in der Kommunikation zwischen Fachleuten und Laien im Bereich des Rechtswesens, (1979). In: Simonnæs, Ingrid (2005), S. 12.
- 13 www.schulz-von-thun.de/mod-sitmod.html , abgefragt: 27. Dezember 2010.
- 14 Schulz von Thun, Friedemann (2010), S. 30, verweist hierzu auf Bühler, K., Sprachtheorie, Jena (1934) und Watzlawick, P., und Beaven, J.H.; Jackson von Huber, D.D.: Menschliche Kommunikation, Bern-Stuttgart (1969).
- 15 Soeffner, Hans-Georg (1983), S. 86.
- 16 Schulz von Thun, Friedemann, Miteinander reden 1, Störungen und Klärungen, 48. Auflage, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg (2010).
- 17 Wieners-Horst, Barbara (2002), S. 375 ff.;www.gfds.de/redaktionsstab-beim-deutschen-bundestag/ , abgefragt: 5. Januar 2011.
- 18 Vgl. Otto, Walter (1978), Schmuck, Michael (2006); Projekt «Wien spricht anders» unter Bereitstellung einer Broschüre «KundInnenfreundliche Sprache» aufwww.wien.gv.at/medien/pid/inland/sprache/ , abgefragt: 27. Dezember 2010.
- 19 Roessler, Paul (1994), insbesondere S. 191 ff.
- 20 Simonnæs, Ingrid (2005), insbesondere S. 165 ff., in denen sie zur Schlussfolgerung kommt, dass in Urteilstexten umso weniger Paraphrasen vorkommen, je höher das Gericht im Instanzenzug angesiedelt ist. Der Mischstil aus der Verwendung von Paraphrasen neben Termini bringt einen Wechsel von der abstrakten zur ontischen Ebene des Einzelfalles mit sich und ist begründet in der Doppelstrategie des Textverfassers zur gleichzeitigen Sicherung der Nachvollziehbarkeit der Entscheidung für den Betroffenen und deren rechtlicher Nachprüfbarkeit durch höhere Instanzen.
- 21 Roessler, Paul (1994), S. 203, 227.
- 22 Roessler, Paul (1994), S. 95, bezeichnet diese Konstruktion als semantischen Imperativ, der den grammatischen Imperativ umschreibt und im Laufe des 19. Jahrhunderts als Weg zu einer relativierten Sprache der Handlungsaufforderung entwickelt wurde.
- 23 Nach Lasser, Ingeborg (2002), S. 371, können generalisierende stilkritische Ansätze richtungsweisend sein, doch fehlt ihnen die Anbindung an psycholinguistische und kognitive Modelle des Textverstehens.