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Jean-Jacques Rousseau, ein Memetiker avant la lettre

  • Author: Lothar Philipps
  • Category: Short Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Legal Theory
  • Citation: Lothar Philipps, Jean-Jacques Rousseau, ein Memetiker avant la lettre, in: Jusletter IT 5 October 2011
Der Name «Memetik» ist in Anlehnung an «Genetik» gebildet worden, vom Evolutionstheoretiker Richard Dawkins. «Meme» sind geistige Entitäten, die sich selbst vervielfältigen, so wie es in der biologischen Welt die Gene tun. Menschen werden als Mittel zur Replikation benutzt. Bereits bei Rousseau finden sich scharfsinnige Analysen dazu; dieser berühmte Satz ist kein Solitaire: «Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ zu sagen: dies ist meinund der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der wahre Gründer der bürgerlichen Gesellschaft.» In der Tat: Nachdem einer den Anfang gemacht hatte, wollte – musste – jeder mitmachen, wenn er nicht eigentumslos, ja rechtlos sein wollte; dass er damit ein Mem weitertrug, wird er nicht erkannt haben, es würde ihn auch nicht interessiert haben.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. I
  • 2. II
  • 3. III
  • 4. IV
  • 5. V
  • 6. VI

1.

I ^

[1]
Die Memetik ist im Anschluss an die Genetik entstanden, in Anlehnung wie in Abgrenzung. Ihr Begründer ist der britische Genetiker Richard Dawkins . Dawkins wendet sich in seinem Buch The Selfish Gene (1976)1gegen Biologen, die alles Verhalten der Menschen sowie den Aufbau ihrer Institutionen mit den Wirkungen von Genen zu erklären versuchen.2Solche Ansprüche möchte Dawkins zwar nicht zurückweisen, aber zurückschneiden ( to cut down ). Dabei bleibt Dawkins durch und durch Darwinist. Nur nimmt er an, dass gen-artige Entitäten, die die Fähigkeit zur Vervielfältigung haben, nicht notwendigerweise aus DNA bestehen müssten und nicht auf das Reich des biologischen Lebens beschränkt sein. Solche Entitäten hätten sich auch in der geistigen Welt herausgebildet; Dawkins spricht hier von «Memen».3

2.

II ^

[2]
Jede Theorie hat ihre Vorläufer. Wesentliche Einsichten der Memetik finden sich schon bei Rousseau , ebenso die Beschreibung einzelner Meme und ihrer Wirkungsweise.4Das berühmteste Beispiel ist dieses:

Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ zu sagen: dies ist mein und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der wahre Gründer der bürgerlichen Gesellschaft.
[3]
Dass sich dies tatsächlich so abgespielt habe, nimmt wohl kaum jemand an; bewundert wird der Satz wegen seiner rhetorischen Brillanz. Ein Memetiker wird Rousseau jedoch ernster nehmen: er wird zwar auch nicht fragen, ob seine Sentenz wahr sei, wohl aber, ob sie funktioniere. Um die Antwort vorwegzunehmen: Sie funktioniert.
[4]
Es gibt ein alltägliches Modell des Rousseau´schen Mems, das von jedermann studiert werden kann. Bewusst geworden ist mir das vor einigen Jahren auf Ischia. Meine Frau und ich hielten uns in einem angenehmen Hotel auf; zwei bis drei Stunden täglich räkelten wir uns in Liegestühlen am Swimmingpool. Nach 14 Tagen ergab sich im Hotel ein weitgehender Gästewechsel. Zuvor war das Haus voll besetzt, nunmehr nur noch zu drei Vierteln. Indessen: Zuvor konnte man es sich, wann immer man wollte, in einem der Liegestühle am Pool bequem machen; nunmehr waren sämtliche Stühle schon am frühen Morgen durch Badetücher als «reserviert» gekennzeichnet. Einer der neuen Gäste hatte damit angefangen, und es bedurfte höchstens zweier Tage, um das Reservieren zu einem Usus werden zu lassen. (Ich kann das mit ziemlicher Sicherheit sagen, weil mich Normen des Alltags interessieren und ich ihre Auswirkungen zu beobachten pflege.)
[5]
Fortan musste man früh aufstehen, um sich noch vor dem Frühstück einen Platz zu sichern. Mehr Gäste als Stühle hatte es vorher schon gegeben; dass dies erst nach Einführung des Reservierung spürbar wurde, erklärte sich daraus, dass Badetücher, Anspruch erhebend, eine wesentlich längere Zeit auf Liegestühlen zu liegen pflegen als ihre Besitzer.
[6]
Warum hat sich nicht jemand gefunden, der eines Morgens das erste einen Liegestuhl reservierende Badetuch auf den Boden schleuderte und mit Rousseau ausrief: «Hütet euch, auf diesen Betrüger zu hören, diesen Imposteur!»
[7]
Ja, wem hätte er das zurufen sollen? Im Morgengrauen ist kein Auditorium da, und wenn es da ist, am sonnigen Vormittag, ruht es auf Liegestühlen und freut sich seines Besitzes. Außerdem: Wer kommt, wenn noch Stühle frei sind, scheint keinen berechtigten Grund zu haben, anderer Leute Badetücher auf den Boden zu werfen. Wer kommt, wenn alle Stühle reserviert sind, muss mit so vielen Opponenten rechnen, wie Badestühle besetzt sind. Eine verzwickte Situation, und es ist, als werde sie von einem intelligenten Etwas, das man das «Reservierungsmem» nennen könnte, ausgenutzt.5Dieser Eindruck ist nicht falsch: Es ist ein quasi-intelligentes Verhalten, was die Meme überleben lässt.
[8]
Das Reservierungsmem hat, wie jedes Mem, nur das eine Interesse, sich fortzupflanzen und zu verbreiten. Was die Beweggründe der Reservierenden, der Träger und Verbreiter des Mems anlangt, so sind sie ganz unterschiedlich. Es gibt Menschen, die unglücklich sind, solange sie nicht ein eigenes Revier um sich herum haben, sei es sonst ihr Auto, sei es jetzt ihr Liegestuhl (möglichst jeden Tag derselbe). Manche Frühaufsteher tun Bekannten, die selber gern länger schlafen, einen Gefallen, von dem sie hoffen, dass er irgendwie zurückgezahlt wird. Und einige verabscheuen die Prozedur (ich zum Beispiel), aber sie wissen: wenn sie nicht mitmachen, werden sie keinen Platz am Pool bekommen.
[9]
Doch welches auch immer ihr Motiv sein mag, den meisten Badegäste ist der Brauch lästig. Aber sie können sich ihm nicht entziehen. Das ist nicht anders als bei Viren. Es ist den meisten Menschen peinlich, wenn sie in einem überfüllten U-Bahn-Wagen heftig niesen. Sie tun es trotzdem unter dem Zwang und im Interesse der Schnupfenviren.

3.

III ^

[10]
Wenn man sich erfolgreiche Meme, nun da die Wissenschaft auf sie aufmerksam geworden ist, mit der sachlichen Neugierde eines Naturforschers anschaut, wird man einen erstaunlichen Gestaltungsreichtum erblicken. Einige wichtige Eigenschaften und Distinktionen hat schon Rousseau erkannt. Ich greife noch einmal die angeführte Sentenz auf:

Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ zu sagen: dies ist mein und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der wahre Gründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wieviel Not und Elend und wie viele Schrecken hätte derjenige dem Menschengeschlecht erspart, der die Pfähle herausgerissen oder den Graben zugeschüttet und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: «Hütet euch, auf diesen Betrüger zu hören; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass die Früchte allen gehören und die Erde niemandem.»
[11]
Es werden hier zwei Meme einander gegenübergestellt: das Mem der privaten Aneignung und ein möglicher Gegenspieler, der dem kommunistischen Memkomplex zugehört. Die beiden Meme benötigen ganz unterschiedliche Voraussetzungen zum Erfolg. Für die Ausbreitung des Aneignungsmems braucht es nur ein paar Leute, die infiziert werden, es können schlichte Naturen sein ( des gens assez simple ): dann breitet es sich wie von selbst aus bis auf praktisch alle Menschen. Wer sich für das Gegenmem einsetzen will, hat es schwerer. Er muss ausdrücklich einen Appell an nicht weniger als alle Menschen richten, und auch der Inhalt dieses Appells muss alle Menschen einbeziehen, ist also hochgradig reflexiv: Allen gehören die Früchte, niemandem gehört die Erde.
[12]
Dass die beiden Meme unterschiedliche Erfolgsaussichten haben, liegt auf der Hand: Sich ein Grundstücks anzueignen, dient dem eigenen Vorteil, und zwar augenscheinlich und unmittelbar. Dass man dagegen durch den Verzicht auf Aneignungen dem Menschengeschlecht eine Vielzahl von «Verbrechen, Kriege, Morde, ... Not und Elend ...» ersparen würde, dieser ferne Vorteil wäre dem Menschengeschlecht vermutlich weithin gleichgültig. Dass Not und Elend verhütet würde, ist auch keineswegs augenscheinlich und steht unter der gewagten Voraussetzung, dass bei dem Verzicht auf Grundeigentum alle mitmachen würden. Rousseau selber äußert sich resignativ zu den Chancen, die ein Opponent gehabt hätte, jedenfalls an einem höheren Entwicklungspunkt schon der Frühgesellschaft gehabt hätte.6

4.

IV ^

[13]
Dass Rousseau ein ernstzunehmender Evolutionstheoretiker war, zeigen schon die Zeiträume, die er für die Evolution in Betracht zieht: für die Entstehung der Sprache beispielsweise «Tausende Jahrhunderte»; gar keine schlechte Schätzung.7Die Formulierung ist übrigens interessant: unter «Tausenden von Jahrhunderten» konnte sich das Publikum jener Zeit etwas vorstellen, wahrscheinlich nicht dagegen unter «Jahrhunderttausenden» oder gar «Jahrmillionen» – Begriffe, an die wir uns unter dem Einfluss des Darwinismus längst gewöhnt haben.
[14]
Wie Rousseaus Übersetzer und Kommentator Heinrich Meier immer wieder betont, hat sich Rousseau hinsichtlich der Evolution von jeglichen teleologischen oder entelechialen Vorstellungen freigemacht.8Entgegen einer verbreiteten Meinung also kein Verlust eines Paradieses, und auch kein Hinstreben zu einem Neuen Jerusalem. Rousseau brauchte aber einen Mechanismus für die Evolution der menschlichen Kultur, und diesen Mechanismus sah er – gut darwinistisch – in der Selektion. So zunächst im Naturzustand9:

Obwohl der Mensch sich an die Widrigkeiten der Luft, die Kälte, den Mangel, sogar den Hunger gewöhnt, gibt es dennoch einen Punkt, an dem die Natur unterliegt. Als Beute dieser grausamen Prüfungen geht alles, was schwächlich ist, zugrunde; alles übrige steigert sich, und es gibt keinen Mittelweg zwischen der Stärke und dem Tod.
[15]
Später übernimmt die Gesellschaft die Selektion.10

... jenes universelle Verlangen nach Reputation, Ehren und Auszeichnungen, das uns alle verzehrt, die Talente und die Kräfte übt und vergleicht; und – da es alle Menschen zu Konkurrenten, Rivalen oder vielmehr Feinden macht –, wie viele Schicksalsschläge, Erfolge und Katastrophen aller Art es täglich dadurch verursacht, dass es so viele Bewerber dasselbe Rennen laufen lässt. ... Dieser Eifer, von sich reden zu machen, diese Raserei, sich zu unterscheiden, die uns beinahe immer außerhalb unserer selbst hält ....
[16]
Das Ergebnis dieser Selektionen ist nach Rousseaus Ansicht unerfreulich: «eine Menge schlechter Dinge gegenüber einer geringen Anzahl guter».

5.

V ^

[17]
Eine typische Verbindung der modernen Evolutionstheorie mit der Spieltheorie ist der Gedanke der evolutionär stabilen Strategie ( Evolutionarly Stable Strategy – ESS ), und dies ist ein Gedanke, der bei Rousseau schon in völliger Klarheit vorkommt. Eine Population ist dann evolutionär stabil, wenn die meisten ihrer Angehörigen sich in einer Weise verhalten – also eine solche Strategie verfolgen –, dass die Population nicht von Subjekten mit einer anderen Strategie unterwandert und in ihrem vorherrschenden Charakter verändert werden kann. Richard Dawkins schlägt eine prägnante Formulierung vor, von der er zwar weiß, dass sie ungenau ist – was wir auch sogleich sehen werden –; der Biologe möchte aber die genetische Leitidee in den Vordergrund rücken11: «Eine ESS ist eine Strategie, die gegen Kopien ihrer selbst gut abschneidet.» D.h. wenn man seine Verhaltensweisen vererbt und diese ESS-Charakter haben, wird man mit seinen Nachkommen gut auskommen. Wenn man an die Stelle der genetischen Verbreitung die memetische setzt, müsste man im Falle einer ESS mit allen den Menschen gut auskommen, die sich in ihrem Verhalten von den gleichen Memen leiten lassen wie man selbst, und dieses müsste sich über viele Generationen fortsetzen. Das ist längst nicht bei jeder Weltanschauung der Fall. Es gibt auch Weltanschauungen, die evolutionär stabil zu sein scheinen und es in Wahrheit doch nicht sind. Rousseau führt als Beispiel dafür das Christentum an, freilich «nicht das heutige, sondern das des Evangeliums, das davon ganz und gar verschieden ist».12

Man sagt uns, dass ein wahrhaft christliches Volk die vollkommenste Gesellschaft bilden würde, die man sich vorstellen kann. ...
Jeder würde seine Pflicht erfüllen; das Volk wäre den Gesetzen ergeben, die Oberhäupter gerecht und mäßig, die Beamten redlich und unbestechlich, die Soldaten würden den Tod verachten, es gäbe weder Eitelkeit noch Luxus; das alles ist recht schön – aber sehen wir weiter!
Ich behaupte, dass diese gedachte Gesellschaft bei all ihrer Vollkommenheit weder die stärkste noch die dauerhafteste wäre ...
Damit die Gesellschaft friedlich sei und die Harmonie sich erhalte, wäre es nötig,
dass alle Bürger ohne Ausnahme gute Christen wären. Wenn sich dann aber unglücklicherweise ein einziger Ehrgeizling, ein einziger Heuchler findet, ein Catilina zum Beispiel oder ein Cromwell, dann wird dieser sicherlich leichtes Spiel mit seinen frommen Mitbürgern haben.
[18]
Was im Falle des Eindringens eines Catilina oder Cromwell in das christliche Volk geschehen würde, wird von Rousseau gründlich ausgemalt: die Schilderung des Scheiterns einer Weltanschauung, die auf den ersten Blick das Kriterium der ESS erfüllt.13

6.

VI ^

[19]
Es ist ein unvertrautes Bild Rousseaus , das ich hier skizziert habe: Rousseau als Schöpfer von evolutionstheoretischen Denkfiguren, die ihrer Zeit um zwei Jahrhunderte voraus waren und dabei ebenso kühn wie subtil sind. Ich will gar nicht leugnen, dass es eine andere Seite Rousseaus gibt, die dem Augenschein eher zugewandt ist: romantisch, expressiv, ja paranoid. Es ist gerade das Imponierende an manchen Philosophen aus dem französischen Kulturkreis, dass existentielle Grenzerfahrungen neben wissenschaftlichem Schöpfertum von äußerster Kühnheit und Genauigkeit stehen. So bei Descartes , bei Pascal , und so auch bei Rousseau .



Lothar Philipps ist Professor emeritus für Strafrecht, Rechtsinformatik und Rechtsphilosophie an der Ludwig Maximilians Universität München.

loth@jura.uni-muenchen.de

Dieser Text ist erstmals erschienen in:
Das Menschenbild im weltweiten Wandel der Grundrechte (Kolloquium zu Ehren von Heinrich Scholler), Hrsg. B. Schünemann, J.P. Müller, L. Philipps, Berlin 2002, 319–327

  1. 1 Oxford University Press. 2. Aufl. 1989, hier zitiert nach der Rowohlt Taschenbuch-Ausgabe 1996 (Das egoistische Gen). Gleich zu Anfang dieses Beitrags sei daran erinnert, daß der Darwinismus in sozialer Interpretation im Geruche einer äußerst unerfreulichen politischen Einstellung steht, und zwar nicht nur in Deutschland und nicht ohne Grund. Diese Einschätzung trifft jedoch auf die Darwinisten der Gegenwart nicht zu, und auf Dawkins schon gar nicht.

  2. 2 Der Klassiker ist E.O. Wilson , Sociobiology Cambridge M.A. (Havard University Press) 1975. Wilsons Buch Consilience. The Unity of Knowledge New York (A.A. Knopf) 1998 greift – in zurückhaltender Weise – den Gedanken der Meme auf. Versuche, solche soziobiologischen Ansätze in die Rechtswissenschaft einzuführen, finden sich u.a. in dem Sonderheft Law, Human Behavior and Evolution des Journal of Contemporary Legal Issues (University of San Diego School of Law), Vol 8, 1997; im Zusammenhang dieser Festgabe für Heinrich Scholler ist dabei besonders interessant der Beitrag von J.O. McGinnis : The Human Constitution and Constituive Law: A Prolegomenon (S. 211-239).

    Im Zentrum solcher rechtswissenschaftlichen Untersuchungen steht das « Gruter Institute for Law and Behavioral Research» ( http://www.gruterinstitute.org ); dessen deutsche Dependance von Wolfgang Fikentscher geleitet wird.

  3. 3 Zur Memetik vgl. vor allem S. Blackmore , The Meme Maschine, Oxford University Press 1999, und D.C. Dennett , Darwin’s Dangerous Idea, New York (Touchstone) 1995. Zu rechtswissenschaftlichen Aspekten vgl. L. Philipps , Von Menschen und Memen, in: Zeit und kommunikative Rechtskultur in Europa – im Spiegelbild von Deutschen und Polen, hrsg. von S . Lamnek und M. Th. Tinnefeld, S. 318–325, Baden-Baden (Nomos-Verlag) 2000.

  4. 4 Ich benutze im Folgenden Rousseaus Discours sur l’inégalité in der von Heinrich Meier mit Übersetzung und Kommentar versehenen Ausgabe, Paderborn (Schöningh) 1984, zitiert als «Diskurs»; hier S. 173.

  5. 5 Wem die Vorstellung eines «Reservierungsmems» nicht behagt, der möge sich vor Augen halten, dass es eine Variante des vertrauten Aneignungsmems ist, eben des Rousseau´schen Mems. Meme, wie Viren, mit denen sie oft verglichen werden, sind ungemein variabel. Für eine gewisse Eigenständigkeit der Reservierungsvariante spricht die Beobachtung, daß es auf Teneriffa und anderswo territoriale Auseinandersetzungen zwischen deutschen und britischen Touristengruppen um die besten Plätze am Strand gibt. Wie Tiere und Pflanzen gehen auch Meme symbiotische Verbindungen ein im Kampf ums Dasein, und das Mem des Nationalismus ist hier wie so oft ein starker und zuverlässiger Partner.

  6. 6 «Aber mit großer Wahrscheinlichkeit waren die Dinge damals bereits an dem Punkt angelangt, an dem sie nicht mehr bleiben konnten, wie sie waren ...», aaO. S. 173.

  7. 7 Diskurs S. 117. Bemerkenswert ist auch Rousseaus , moderne Theorien vorwegnehmende, Einsicht in die Bedeutung von «Inseln» für die Evolution, hier die Evolution der Sprache, Diskurs S. 185 ff.

  8. 8 Vgl. Diskurs S. 95 Anm. 118, S. 132 Anm. 166.

  9. 9 Diskurs S. 80 Anm. Das Zitat ist entnommen dem Essai sur l’origine des Langues .

  10. 10 Diskurs S. 257. Warum die Gesellschaft gerade den von Rousseau beschriebenen Selektor wählt, hat er bei aller Plausibilität seiner Darlegungen nicht weiter erklärt.

  11. 11 aaO. S. 447. Die Formulierung findet sich in den Nachbemerkungen, die Dawkins der 2. Auflage seines Buches angefügt hat. Genauer aber komplizierter ist die Definition auf S. 126, die auf Maynard Smith zurückgeht: «Eine evolutionär stabile Strategie oder ESS ist definiert als eine Strategie, die – wenn die Mehrzahl der Angehörigen einer Population sie sich zu eigen macht – von keiner alternativen Strategie übertroffen werden kann.»

  12. 12 Gesellschaftsvertrag (Anm. 9) S. 147 ff.

  13. 13 Eine brillante Satire ist dabei Rousseau s Beschreibung, wie die Bürger die Forderungen des Usurpators zunächst einmal zu Forderungen ihrer Religion umzudeuten versuchen würden.