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Das «Tertium» als ersten Schritt zum internetfitten Urheberrecht

  • Authors: Maximilian Schubert / Günther Sammer
  • Category: Short Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: IP Law
  • Citation: Maximilian Schubert / Günther Sammer, Das «Tertium» als ersten Schritt zum internetfitten Urheberrecht, in: Jusletter IT 5 October 2011
Die Zukunft ist digital. Um das Urheberrecht «internetfit» zu machen, schlagen die Autoren folgende Lösung vor: Zwischen privater und öffentlicher Nutzung gibt es einen Graubereich (tertium). Zu diesem Graubereich gehören Sachverhalte, die weder eindeutig dem privaten, noch dem öffentlichen Bereich zuzuordnen sind. Als Beispiel sei auf Verwertungshandlungen am Arbeitsplatz verwiesen, die mangels persönlicher Bande unter Arbeitskollegen als öffentlich zu qualifizieren sind. Sachverhalte dieses Graubereichs sollen anhand einer Prüfung, die sich am Drei-Stufen-Test orientiert, entweder dem privaten oder dem öffentlichen Bereich zugeordnet werden.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Status quo (Österreich, Deutschland) aktuelle gesetzliche Rahmenbedingungen
  • 3. Wie reagierte das UrhG bisher auf den technischen Fortschritt?
  • 4. Lösungsvorschläge/ -wege
  • 4.1. Kopierschutz
  • 4.2. Angemessene Vergütung
  • 4.3. Fragestellungen
  • 4.3.1. Frage: Ausdehnung der freien Werknutzung vs Schaffung einer allgemeine Norm
  • 4.3.2. Frage: Adaptierung des Schutzniveaus
  • 5. Der Lösungsansatz des «tertiums»
  • 6. Ausblick und Zusammenfassung
[1]

1.

Einleitung ^

[2]
Der technische Fortschritt macht vor niemandem, auch nicht dem Gesetzgeber, Halt. Die Legislative hinkt immer einen Schritt hinterher. So gab es z.B. zuerst die Autos und erst dann die Straßenverkehrsordnungen. Im Medienzeitalter ist das nicht anders. Der Unterschied besteht nur darin, dass der Gesetzgeber nicht mehr einen Schritt, sondern mehrere hinterherläuft. Der technische Fortschritt hält die legistischen Arbeiten der Parlamente immer mehr auf Distanz.1Das Urheberrecht bildet hier keine Ausnahme.2Vor allem Fragen zu Downloads, die urheberrechtlich eine Vervielfältigung darstellen, beschäftigen nicht nur Juristen, sondern vermehrt auch Urheber und Nutzer. Die vorliegende Arbeit soll sich aber nicht nur an dieser einen Verwertungsart orientieren, sondern eine Lösung für das gesamte Urheberrecht anbieten, um dieses quasi «internetfit» zu machen.
[3]
Die vorgeschlagene Lösung ( tertium , dazu weiter unten) wird sich vor dem historischen Hintergrund der europäischen Urheberrechtsentwicklung bewegen, deren sachgerechte Ergebnisse sowohl Urheber als auch Nutzer zufriedenstellen soll.3Mit diesem tertium soll der Spagat zwischen den Interessen der Rechteinhaber und den Bedürfnissen der Nutzer geschafft werden.
[4]
In einem ersten Schritt werden die aktuelle Rechtslage und deren Mängel aufgezeigt (2.). Darauf folgt ein kurzer Abriss darüber, wie das (österreichische) Urheberrecht bisher auf den technischen Fortschritt reagierte (3.). Lösungsvorschläge für die angesprochenen Probleme (4.) und die Rechtsfigur des tertiums (5.) bilden den Schwerpunkt. Ein Ausblick auf die nahe Zukunft sowie eine Zusammenfassung der Ergebnisse (6.) runden die Ergebnisse ab.

2.

Status quo (Österreich, Deutschland) aktuelle gesetzliche Rahmenbedingungen ^

[5]
Die wohl wichtigste Verwertungsart des Urheberrechts – weswegen es im anglo-amerikanischen Raum auch copyright heisst – ist das Vervielfältigungsrecht. Daran hat auch die technische Entwicklung nichts geändert. Vielmehr wurde das Vervielfältigungsrecht durch die Möglichkeit der verlustfreien digitalen Kopie4aufgewertet.5Das Herstellen einer digitalen Kopie ist nun ohne Qualitätsverlust beinahe aufwandlos möglich.
[6]
Der Gesetzgeber unterscheidet hier zwischen einer Vervielfältigung zum privaten und einer Vervielfältigung zum öffentlichen Gebrauch.6Als privater Gebrauch ist eine Nutzung zu verstehen, bei der die teilnehmenden Personen durch ein persönliches Band untereinander oder zum Veranstalter verbunden sind.7Liegt dieses Band nicht vor, gilt die Nutzung bei derzeitigem Verständnis als öffentlich.
[7]
Zum privaten Gebrauch ist die digitale Vervielfältigung gem. § 42 Abs. 4 UrhG beinahe ohne Einschränkung8erlaubt. Für den eigenen Gebrauch9ist gem. § 42 Abs. 1 UrhG bloß die analoge Vervielfältigung ohne Zustimmung des Berechtigten zulässig10. Die öffentliche Nutzung ist grundsätzlich immer an die Zustimmung des Berechtigten gebunden.11
[8]
Da seit jeher angenommen wird, dass dort, wo die private Nutzung aufhört, die öffentliche beginnt,12kommt es zu einigen nicht sachgerechten Entscheidungen. Nimmt man, so wie die österr. Jud. und Lit., die Legaldefinition des § 15 Abs. 3 dUrhG als Grundlage,13ist die private Nutzung auf eine Nutzung zwischen durch ein persönliches Band verbundenen Personen beschränkt. Jede darüber hinausgehende Nutzung ist an die Zustimmung des Berechtigten gebunden bzw. bedarf einer gesetzlichen Grundlage wie einer freien Werknutzung oder einer gesetzlichen Lizenz. Dies engt die Verwertung z.B. unter (bloßen) Arbeitskollegen stark ein. So ist das Verschicken von geschützten Werken mittels E-Mail an Arbeitskollegen zustimmungspflichtig, da es hierbei zu einer digitalen Vervielfältigung kommt.14Ebenfalls an die Zustimmung des Berechtigten gebunden ist der Upload in ein Intranet, zu dem nur Firmenangehörige Zugriff haben, da Firmenangehörige in der Regel nicht untereinander durch ein persönliches Band verbunden sind.15
[9]
Vereinfacht ausgedrückt: In der Realität werden die Menschen nicht nur in Freunde (privat) und Fremde (öffentlich) unterteilt. Ein Grossteil sind auch Bekannte, die weder Freunde noch Fremde sind. Diese Bekannten behandelt man auch nicht wie Fremde. Und genauso wenig wie es hier nicht nur schwarz und weiß gibt, kann man auch im Urheberrecht diese digitale Meinung (entweder privat oder öffentlich bzw. 1 oder 0) nicht uneingeschränkt vertreten. Um für diesen dazwischen liegenden Graubereich (= tertium ) sachgerechte Lösungen zu finden, ist dieser Graubereich eben nicht automatisch als öffentlich zu qualifizieren, sondern einer differenzierteren Betrachtung zu unterziehen.16
[10]
Auch die Kommission der Europäischen Gemeinschaften ist mit der Situation der Urheber und Nutzer in Bezug auf die Online-Verwertung unzufrieden. Grund dafür ist, dass die Info-RL in den Mitgliedstaaten nicht so umgesetzt wurde, wie geplant. Als Reaktion legte die Kommission ein Grünbuch mit dem Thema «Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft»17 zur Konsultation auf. Aus den Rückmeldungen ergab sich, dass sich die einzelnen Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Info-RL meist für die restriktivste Variante entschieden.18Im Ergebnis barg die Info-RL für die Urheber und ausübenden Künstler in einigen Bereichen mehr Nach- als Vorteile. So haben sich die Berechtigten vor allem darüber beschwert, dass im Zusammenhang mit dem Zurverfügungstellungsrecht (§ 18a UrhG) nennenswerte Einnahmen ausblieben.19Wie nicht anders zu erwarten, kristallisierten sich zwei gegensätzliche Meinungen heraus: auf der einen Seite Bibliotheken, Archive und Universitäten und auf der anderen Seite Verleger, Verwertungsgesellschaften und andere Rechteinhaber. Erstere treten für ein weniger einschränkendes Urheberrechtssystem ein, wohingegen letztere Lizenzvereinbarungen den Vorrang einräumen.20Diesen Meinungen trug die Kommission in der Stellungnahme vom 19. Oktober 200921am Ende des Konsultationsprozesses Rechnung und plant nun weitere Schritte in diese Richtung. Die Kommission Barroso II arbeitet bereits an einem Nachfolger für dieses Grünbuch.22

3.

Wie reagierte das UrhG bisher auf den technischen Fortschritt? ^

[11]
Das österreichische Urheberrecht stammt aus dem Jahre 1936.23Zu dieser Zeit waren Kinos und Rundfunksendungen schon bekannt und deren Entwicklung konnte einigermaßen abgeschätzt und so auch im UrhG 1936 berücksichtigt werden.24
[12]
Einen großen Schritt bedeutete die Erfindung des Personal Computers (~1975), die erst25durch die UrhGNov 199326im öUrhG Berücksichtigung fand. Konnte man Computerprogramme noch unter die Werke der Literatur (§ 2 UrhG) subsumieren, fiel das mit der wohl einschneidendsten Neuerung (dem Internet) schon schwerer. Obwohl das Internet bereits Anfang der 1980er «erfunden» wurde, war es erst mit der Entwicklung des WorldWideWeb Anfang der 1990er so weit ausgereift, dass es massentauglich war und somit auch Auswirkungen auf das alltägliche Leben hatte. Das Web ließ sich nicht so richtig ins System des Urheberrechts einordnen. In den ersten Entscheidungen des OGH zu urheberrechtlichen Aspekten im Internet in den späten 1990er Jahren wurde bei Urheberrechtsverletzungen von der klagenden Partei meist verlangt, das «Publizieren der Webseite»27 zu unterlassen. Nur, «publizieren» ist keine Verwertungshandlung des Urheberrechts. Der OGH behalf sich i.d.R. damit, dass er Verstöße gegen die Verwertungshandlungen des Vervielfältigens (§ 15 UrhG) und des Verbreitens (§ 16 UrhG) annahm.28In der Literatur war in diesem Zusammenhang u.a. auch die Rede von einer «erstarrten Sendung» .29Der Zusammenhang ist auch daran erkennbar, dass z.B. § 18 Abs. 3 UrhG die Rundfunksendung und den Upload hinsichtlich der öffentlichen Wiedergabe gleich behandelt.
[13]
Gerade die Bezugnahme des OGH vor der UrhGNov 2003 auf § 16 UrhG war problematisch. § 16 UrhG, der das Verbreitungsrecht beinhaltet, regelt in Abs. 3 auch den Erschöpfungsgrundsatz, welcher besagt, dass der Urheber das ausschließliche Recht, Werkstücke zu verbreiten, nicht mehr geltend machen kann, sobald mit seiner Einwilligung Werkstücke durch Übertragung des Eigentums in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder in einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebracht worden sind. Sieht man schon darüber hinweg, dass es für die Verbreitung von Werken im Internet keiner körperlich festgelegten Werkstücke bedarf, so kann das Erfordernis der körperlichen Festlegung auch nicht mehr für den Erschöpfungsgrundsatz von Bedeutung sein. Im Ergebnis bedeutete dies vor Inkrafttreten der UrhGNov 2003,30dass hinsichtlich des Verbreitungsrechts der Schutz erschöpft war. Da sich allerdings das Vervielfältigungsrecht nicht erschöpft, stellte dennoch auch jede weitere (öffentliche) Verbreitung einen urheberrechtlichen Verstoß dar. Denn auch wenn sich das Verbreitungsrecht erschöpfte, bedurfte jede weitere Verbreitung auch einer Vervielfältigung. Die Info-RL war sich dieser Problematik durchaus bewusst und legte fest, dass sich «die Frage der Erschöpfung […] weder bei Dienstleistungen allgemein noch bei Online-Diensten im Besonderen»31 stellt und sich das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung32nicht erschöpft.33
[14]
Ein Ende nahmen diese dogmatischen Verrenkungen erst mit der Info-RL, die die Grundlage der UrhGNov 2003 war.

4.

Lösungsvorschläge/ -wege ^

4.1.

Kopierschutz ^

[15]
Dass das Urheberrecht den Anforderungen, die sich aus dem technischen Fortschritt ergeben, mehr schlecht als recht entspricht, ist unstrittig. In der Literatur,34der Politik35und der Wirtschaft36wird vermehrt über die Möglichkeiten einer Anpassung des Urheberrechts an die Bedürfnisse der Nutzer und der Berechtigten gesprochen. Das Urheberrecht soll «internetfit» werden.
[16]
Um den Urhebern einen besseren Schutz zu gewähren, fordert Koch37 in diesem Zusammenhang den Einsatz technischer Hilfsmittel (Streaming), die den Download (und somit sogenannte Raubkopien ) verhindern sollen. Zumindest für den österreichischen Rechtsbereich trifft das nicht den Kern des Problems. Das österreichische Urheberrecht verbietet den Download (= digitale Vervielfältigung) zum privaten Gebrauch nicht explizit.38Das deutsche Urheberrecht verbietet einen solchen Download auch nur dann, sofern die Quelle nicht offensichtlich rechtswidrig ist.
[17]
Das Verhindern des Downloads (z.B. im Wege der angesprochenen Streaming-Technologie) wäre somit eine Beschränkung der rechtmäßigen freien Werknutzungen.39In diesem Sinn ist auch Koch40 zu verstehen, der einen Anspruch des Nutzers auf eine digitale Privatkopie verneint.41Auch das Anschaffen einer Ripping-Software soll, Bortloff folgend, somit nicht erlaubt sein, wobei er aber selbst betont, dass nicht der gerippte Stream das Problem darstellt, sondern das später eventuell folgende Zurverfügungstellen, also der Upload.42
[18]
Hier muss auf das österreichische UrhG verwiesen werden, das in § 90c UrhG verbietet, einen Kopierschutz zu umgehen. § 90c Abs. 1 Z. 1 UrhG lautet wie folgt:

«Der Inhaber eines auf dieses Gesetz gegründeten Ausschließungsrechts, der sich wirksamer technischer Maßnahmen bedient, um eine Verletzung dieses Rechts zu verhindern oder einzuschränken, kann auf Unterlassung und Beseitigung des dem Gesetz widerstreitenden Zustandes klagen,
1. wenn diese Maßnahmen durch eine Person umgangen werden, der bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass sie dieses Ziel verfolgt …»

[19]
§ 90c UrhG meint hier, dass das Umgehen von Sicherungsmaßnahmen nicht erlaubt ist, sofern ein Ausschließungsrecht verletzt oder eingeschränkt werden soll. Das Umgehen des Kopierschutzes zu einem erlaubten Zweck (also z.B. zur Herstellung einer Privatkopie) bleibt jedoch erlaubt. Möchte man Lieder von einer rechtmäßig erworbenen CD auf seinen privaten mp3-player kopieren, um beim Jogging seine Lieblingsmusik zu hören, muss es demnach erlaubt sein, einen allfälligen Kopierschutz zu umgehen.43Eine derartige Nutzung würde auch im Einklang mit dem Drei-Stufen-Test der RBÜ44stehen. Diese Auffassung findet sich auch in den Materialien45zur UrhGNov 2003, mit der u.a. die §§ 90b, 90c und 90d UrhG eingeführt wurden, wieder. Dort heißt es:

«Es ist zu erwarten, dass diese Bestimmung in der Praxis so umgesetzt werden wird, dass die technischen Maßnahmen von vornherein so ausgestaltet werden, dass sie die Nutzung der angeführten Ausnahmen in dem durch Art. 6 Abs. 4 Info-RL gesteckten Rahmen ermöglichen.»
[20]
Im Ergebnis sollte es dem Nutzer erlaubt sein, sich einer sogenannten Ripping-Software zu bedienen, um eine Privatkopie zu erhalten.46Denn auch der Nutzer hat Anspruch auf freie Werknutzungen.47Wie sonst könnte man ErwGr. 52 der Info-RL verstehen?

«… Werden innerhalb einer angemessenen Frist keine derartigen freiwilligen Maßnahmen zur Ermöglichung von Vervielfältigungen zum privaten Gebrauch getroffen, können die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen, damit die Begünstigten der betreffenden Ausnahme oder Beschränkung sie tatsächlich nutzen können. …»
[21]
Die Mitgliedstaaten sind also angehalten (nicht verpflichtet; arg.: können ) sicherzustellen, dass den Nutzern ihre freien Werknutzungsrechte nicht genommen werden.48Dies ergibt sich schon aus der sozialen Bindung des Urheberrechts.49

4.2.

Angemessene Vergütung ^

[22]
Vertritt man die Ansicht, dass z.B. kopiergeschützte Musik-CDs auch nicht für den privaten Gebrauch vervielfältigt werden dürfen, so hätte konsequenterweise der Urheber für dieses Werk auch keinen Anspruch auf eine Leerkassettenvergütung. Denn gem. § 42b Abs. 1 UrhG hat nur der Urheber Anspruch auf eine angemessene Vergütung (Leerkassettenvergütung), dessen Werk «auf einem zu Handelszwecken hergestellten Bild- oder Schallträger festgehalten worden [und] seiner Art nach zu erwarten [ist], dass es durch Festhalten auf einem Bild- oder Schallträger nach § 42 Abs. 2 bis 7 zum eigenen oder privaten Gebrauch vervielfältigt wird […].» Sinn und Zweck eines Kopierschutzes ist nämlich, dass das Werk überhaupt nicht kopiert wird, also fiele hier auch keine Leerkassettenvergütung an. Mit dem Anbringen des Kopierschutzes verzichtete man also auf diese Vergütung.
[23]
Dass der Anspruch der Nutzer auf Beseitigung des Kopierschutzes nur dann bestehen sollte, wenn diese Nutzer bereits im Besitz einer (körperlichen) Werkkopie sind,50ist gerade im digitalen Zeitalter abzulehnen. Das Beispiel einer Rundfunksendung, die auf einer Videokassette aufgenommen wird, verdeutlicht das. Auch hier fertigt der Nutzer nicht eine Kopie eines körperlichen Werkstücks an, sondern hält die unkörperliche Sendung (erstmalig) auf einem körperlichen Vervielfältigungsstück fest. Warum Streamings anders behandelt werden sollten als Sendungen ist nicht ersichtlich. Statt Videorecorder verwendet man Ripping-Software. Eines der ersten Ripping-Programme wurde bezeichnenderweise auch «Streambox VCR Software» genannt.51
[24]
Auch der Vorschlag einer entsprechenden gesetzlichen Lizenz52übersieht jedoch, dass den Nutzern bereits jetzt das Recht auf eine private Vervielfältigung zusteht. Eine gesetzliche Lizenz würde nur bedeuten, dass Nutzer nun für etwas bezahlen, was sie bis jetzt unentgeltlich verwenden durften. Zumindest wenn man von der Leerkassettenvergütung in § 42b Abs. 1 UrhG absieht, die zwar von demjenigen zu leisten ist, der das Trägermaterial als erster gewerbsmäßig entgeltlich in den Verkehr bringt, aber unstreitig an den Endverbraucher weitergegeben wird. Im Ergebnis bezahlen also die Nutzer bereits jetzt für private Vervielfältigungen; eine Rückforderung, wie sie § 42b Abs. 6 Z. 2 UrhG vorsieht, wird von den Endverbrauchern in der Realität wohl nicht häufig vorkommen.
[25]
Ein solcherart «geripptes» Werk darf allerdings in jedem Fall nur zu privaten Zwecken verwendet werden. Z.B. stellte ein Upload wiederum einen Verstoß gegen das Zurverfügungstellungsrecht des § 18a UrhG dar.
[26]
Aufgrund der vielen internationalen Verträge53und der Mitgliedschaft in der EU54empfiehlt sich eine Lösung, die sich an den Grundsätzen dieser Abkommen und Richtlinien orientiert. Ein Ergebnis kann realistischerweise nur erzielt werden, wenn das System des Urheberrechts nicht neu geschrieben werden muss.

4.3.

Fragestellungen ^

[27]
Für den Gesetzgeber stellen sich vorrangig zwei Fragen:
[28]
Die erste Frage ist vorwiegend formeller Natur und zielt darauf ab, ob entweder die freien Werknutzungen bzw. gesetzlichen Lizenzen anzupassen sind oder ob dem gesamten Urheberrecht eine allgemeine Norm vorangestellt werden soll. In letzterem Fall sollte eine Norm in die nationalen Urheberrechtsgesetze aufgenommen werden, die auf alle anfallenden Sachverhalte Anwendung findet.
[29]
Die zweite Frage ist eine inhaltliche. Soll der Schutz der Berechtigten gestärkt werden oder sind den Nutzern mehr Rechte einzuräumen?

4.3.1.

Frage: Ausdehnung der freien Werknutzung vs Schaffung einer allgemeine Norm ^

[30]
Der Vorteil der freien Werknutzungen und der gesetzlichen Lizenzen besteht darin, dass man auf ein konkretes Problem eine konkrete Antwort geben kann. Der Nachteil liegt allerdings darin, dass freie Werknutzungen und gesetzliche Lizenzen meist erst im Nachhinein ins Gesetz aufgenommen werden können, da sie sich an der Verwertungshandlung orientieren müssen. Es ist also nicht möglich, eine freie Werknutzung an einer noch unbekannten Verwertungshandlung zu regeln. Außerdem ist der Gesetzgeber im Fall der nachträglichen Einfügung einer gesetzlichen Bestimmung immer mindestens einen Schritt hinter der Technik. Des Weiteren würde das Gesetz kasuistischer und somit unübersichtlicher. V.a. da es in diesem Zusammenhang auch zur Einschränkung von absoluten Rechten kommt, wird dies von Dillenz bedauert.55
[31]
Wählt man den Ansatz, dass man eine abstrakte Norm in das Gesetz aufnimmt, die für das gesamte Urheberrecht gilt, fällt der gerade erwähnte Nachteil weg. Bei Auftauchen einer neuen Verwertungsart hat man (höchst wahrscheinlich) von Beginn an größere Chancen der Situation Herr werden zu können. Dillenz hebt hier die Technologieneutralität des österreichischen Urheberrechts56 hervor. Der Nachteil gegenüber dem Ausbau der freien Werknutzungen und gesetzlichen Lizenzen besteht allerdings darin, dass eine konkrete Lösung für das spezielle Problem vielleicht nicht möglich ist.

4.3.2.

Frage: Adaptierung des Schutzniveaus ^

[32]
Um die Arbeit der Urheber zu schützen ist ein hohes Schutzniveau zu begrüßen.57Urheber sollen animiert werden, Werke zu schaffen und damit die Kultur eines Landes zu bereichern. Allerdings kann ein hohes Schutzniveau auch hinderlich sein.58Als Beispiel dafür eignet sich der Umgang des österreichischen Gesetzgebers mit Musiknoten.
[33]
Urheber von Musiknoten konnten lange Zeit von einem sehr weitgehenden Schutz «profitieren» . Bis zur UrhGNov 200559war die Vervielfältigung von Musiknoten für den Schul- und Unterrichtsgebrauch verboten. Erst seit dem Inkrafttreten der UrhGNov 2005 am 1. Januar 2006 findet sich die Vervielfältigung von Musiknoten für den Schulgebrauch als freie Werknutzung in § 42 Abs. 6 UrhG. Der Grund dafür lag darin, dass Musikschulen es sich davor nicht leisten konnten bzw. wollten, Musiknoten von Werken, deren Schutzdauer noch nicht abgelaufen war, zu erwerben. Diese Musikschulen kopierten daher Noten, die bereits gemeinfrei waren. Schülern dieser Musikschulen wurden also vorwiegend die «alten Meister» beigebracht. In weiterer Folge wurde von diesen Schülern auch weniger zeitgenössische Musik gespielt. Da aber i.d.R. jede Aufführung auch Geld bringt, fielen die Urheber zeitgenössischer Musik um diese Tantiemen um. Für diese Urheber war also die Reduktion des Schutzes im Endergebnis vorteilhaft.
[34]
Ein weiteres Beispiel für einen effektiveren Schutz der Urheber trotz einer Reduktion der Rechte selbiger bietet die UrhGNov 199660. Das UrhG räumt den Urhebern das Recht ein, andere von der Verwertung ihrer Werke auszuschließen (absoluter Schutz). Dies bedeutet, dass es i.d.R. in der Hand des Urhebers liegt, zu entscheiden, ob61und, wenn ja, in welcher Weise sein Werk verwertet wird. Die UrhGNov 1996 reduzierte nun einige dieser absoluten Rechte zu bloßen Vergütungsansprüchen (gesetzlichen Lizenzen). Urheber können nun nicht mehr verhindern, dass ihre Werke z.B. in Beherbergungsbetrieben öffentlich wiedergegeben werden (§ 56d UrhG). Dennoch wurde die Situation der Urheber verbessert. Denn aufgrund der massenhaft auftretenden Nutzungen wäre ein individueller Vertrag zwischen dem Urheber und jedem Nutzer nicht mehr möglich gewesen und die Urheber wären mangels Übersichtlichkeit der Verwertungshandlungen wirtschaftlich schlechter gestellt.62
[35]
Ähnlich ist die Situation der Urheber im Internet. Ihnen wurde zwar mit der UrhGNov 2003 bzw. der Info-RL das ausschließliche Recht eingeräumt, ihre Werke der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, jedoch bemängeln sie, dass sich dieses Recht für sie nicht «ausgezahlt» habe.63

5.

Der Lösungsansatz des «tertiums» ^

[36]
Unseres Erachtens ist der Lösung der Vorzug zu geben, die eine abstrakte Norm für das gesamte Urheberrecht vorsieht. Die Vorteile überwiegen die Nachteile bei weitem. Außerdem kann im Bedarfsfall, z.B. bei Auftreten einer völlig neuen, unerwarteten Verwertungsart, immer noch mittels freier Werknutzungen bzw. gesetzlicher Lizenzen eine Feinjustierung vorgenommen werden.
[37]
Inhaltlich müsste sich diese Bestimmung am Drei-Stufen-Test der RBÜ64, der selbst eine internationale offen formulierte Norm65 für einen sachgerechten Ausgleich zwischen Nutzer- und Verwerterinteressen66 bildet, orientieren. Dadurch, dass sich eine solche Bestimmung auf historischen Grundlagen des gesamten europäischen Urheberrechts bewegt, wären die Veränderungen in den einzelnen nationalen Gesetzen auch geringfügig und es wären keine Systemänderungen notwendig. Wie bereits oben erwähnt, bedarf es hiezu aber einer Änderung der Auffassung, dass ein Werk entweder bloß privat oder öffentlich verwertet wird.
[38]
Vorgeschlagen wird daher die Berücksichtigung des Graubereichs im urheberrechtlichen Prüfungsschema, das «tertium». Dieses tertium soll dazu dienen, Sachverhalte, die weder eindeutig privat noch eindeutig öffentlich zu nennen sind, einem dieser beiden Bereiche zuzuordnen, um so zu sachgerechteren Lösungen zu gelangen. Eine automatisierte Zuordnung zum öffentlichen Bereich lehnen wir ab.
[39]
Das «tertium» befindet sich im Graubereich zwischen privater und öffentlicher Nutzung. Es handelt sich um Sachverhalte, die weder eindeutig privat noch eindeutig öffentlich zu nennen sind.
[40]
Der Gesetzgeber verlangt aber, dass eine Wiedergabe, die sich außerhalb des privaten Umfelds abspielt, als öffentlich zu behandeln ist. Er verlangt also, dass eine Wiedergabe im Kreis von Arbeitskollegen, die nicht durch ein persönliches Band verbunden sind, gleich behandelt werden muss, wie eine Wiedergabe vor völlig Fremden.
[41]
Für das «tertium»67 bietet der Drei-Stufen-Test der RBÜ68die Basis.69Art. 9 Abs. 2 RBÜ lautet wie folgt:

«(2) Der Gesetzgebung der Verbandsländer bleibt vorbehalten, die Vervielfältigung in gewissen Sonderfällen unter der Voraussetzung zu gestatten, dass eine solche Vervielfältigung weder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigt noch die berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar verletzt.»
[42]
Die erste Stufe richtet sich direkt an die Gesetzgebung der Verbandsländer und beschränkt die Zahl der Ausnahmen (entspricht den freien Werknutzungen und den gesetzlichen Lizenzen) auf wenige Sonderfälle.
[43]
Die zweite Stufe erlaubt freie Vervielfältigungen nur, wenn dadurch die normale Auswertung des Werkes (z.B. wenn es zu massenhaften Vervielfältigungen kommt und nicht bloß einzelne Werke vervielfältigt werden) nicht betroffen ist.
[44]
Die dritte Stufe erlaubt diese Vervielfältigungen nur dann, wenn auch die berechtigten Interessen des Urhebers (z.B. wenn der Urheber für legale Eingriffe keine Vergütung erhält) nicht verletzt werden. Alle drei Stufen müssen kumulativ vorliegen, um die freie Werknutzung in Anspruch nehmen zu können.
[45]
Diejenigen Sachverhalte, welche in diesen Graubereich fallen, sollten einer Prüfung unterzogen werden, die sich am Drei-Stufen-Test orientiert. Es sollte geprüft werden, ob die Wiedergabe vor z.B. Arbeitskollegen die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigt (2. Stufe) oder die berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar verletzt (3. Stufe). Bejaht man eine dieser beiden Fragen, ist der Sachverhalt als öffentlich zu beurteilen, verneint man beide, handelt es sich um eine Verwertung, die einer privaten gleichzuhalten ist, die also nicht an die Zustimmung des Urhebers gebunden ist.
[46]
Dass bezüglich der Unterteilung in «privat» und «öffentlich» ein Graubereich existiert, kann nicht geleugnet werden. Diesen jedoch ohne Prüfung gleich zu behandeln wie eine öffentliche Nutzung ist ebenso wenig sachgerecht, wie ihn ohne Prüfung einer privaten Nutzung zuzuschreiben. Dadurch, dass sich die vorgeschlagene Lösung am Drei-Stufen-Test orientiert, fügt sie sich in das System des (internationalen und europäischen) Urheberrechts problemlos ein.
[47]
Als Beweis dafür, dass sich damit sachgerechtere Entscheidungen ergeben, sei folgendes Beispiel angeführt:
[48]
Die aktuelle Rechtslage erlaubt es juristischen Personen (z.B. einer als GmbH geführten Rechtsanwaltskanzlei), geschützte Werke nur in analoger Weise zu vervielfältigen. Einen Aufsatz aus einer Zeitschrift also bloß auf den Kopierer zu legen und die papierene Kopie weiterzugeben. Ein Einscannen70und das darauf folgende Verschicken dieses Aufsatzes per E-Mail ist nicht gestattet, da die digitale Vervielfältigung nur zum privaten Gebrauch zulässig ist.71Ein solcher Gebrauch scheidet für eine juristische Person mangels privaten Bereichs aber aus. Prüft man diesen Sachverhalt anhand der 2. und 3. Stufe des Drei-Stufen-Tests kommt man zum Ergebnis, dass weder die Auswertung des Werkes noch die berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar beeinträchtigt sind. Ein Verschicken des Aufsatzes per E-Mail also zulässig sein muss.
[49]
Beschäftigt eine Rechtsanwaltskanzlei allerdings einen Studierenden, um diesen zu beauftragen, Aufsätze aus den verschiedensten juristischen Datenbanken einer Universität downzuloaden und per E-Mail an die Kanzlei zu schicken, wird die Prüfung eine Beeinträchtigung der normalen Auswertung des Werkes ergeben, da in erster Linie die Lizenzgebühren für die Online-Datenbank umgangen werden sollen. Eine solche digitale Vervielfältigung ist daher zustimmungspflichtig. I.d.S. wurde auch bei Einführung des Drei-Stufen-Tests in die RBÜ wie folgt ausgeführt:

«Wenn [das Fotokopieren] in der Herstellung einer sehr großen Zahl von Kopien besteht, kann es nicht erlaubt werden, weil es die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigt. Wenn es eine ziemlich große Zahl von Kopie zur Benutzung in Wirtschaftsunternehmen mit sich bringt, werden die berechtigten Interessen des Urhebers unter der Voraussetzung nicht ungebührlich verletzt, dass nationaler Gesetzgebung entsprechend eine angemessene Vergütung bezahlt wird. Wird eine kleine Zahl von Kopien gefertigt, kann das Fotokopieren ohne Vergütungszahlung erlaubt werden, insbesondere für den persönlichen und wissenschaftlichen Gebrauch.»72
[50]
Abgesehen davon dürften Personen, die in rechtsberatenden Berufen tätig sind, bei strenger Auslegung der Ausnahmebestimmung, überhaupt keine wissenschaftlichen Aufsätze digital vervielfältigen und per E-Mail verschicken, da diese Vervielfältigung zumindest mittelbar kommerziellen Zwecken dient. Eine Berufung auf § 42 Abs. 2 UrhG scheint hier also auch erfolglos zu sein. Sachgerecht kann nur eine Lösung sein, die weder die Urheber noch die Nutzer in unzumutbarer Weise beeinträchtigt bzw. einschränkt.
[51]
Ein Argument, das die Notwendigkeit einer entsprechenden Regelung unterstreicht, ist die erst kürzlich einseitig in Österreich eingeführte Urheberrechtsabgabe auf Festplatten.73Die in den Jahren 200574und 200875dazu ergangenen Entscheidungen des OGH, die eine Reprographievergütung auf Personal-Computer ablehnen, sowie der vom OGH hervorgehobene Unterschied zur deutschen Rechtslage, wurden von der Verwertungsgesellschaft bei ihrer Vorgehensweise allerdings nicht berücksichtigt. Wenn juristische Personen, denen mangels Möglichkeit einer privaten Nutzung die freie Werknutzung in der Form der digitalen Kopie versagt ist, eine Urheberrechtsabgabe auf Festplatten zahlen sollen, ist dies ein Widerspruch in sich.
[52]
Natürlich haben gem § 42b Abs. 6 Z. 2 UrhG Verwertungsgesellschaften die angemessene Vergütung an denjenigen zurückzuzahlen, der glaubhaft macht, dass er das Trägermaterial mit Einwilligung des Berechtigten benutzt. In diesem Zusammenhang muss wohl ein Verweis auf § 42 Abs. 4 UrhG reichen, da juristischen Personen die digitale Vervielfältigung überhaupt als freie Werknutzung versagt ist. Davon gehen offenbar auch die Verwertungsgesellschaften aus, wenn sie auf ihrer Webseite verlauten lassen, dass «für die Nutzung in Firmen und Institutionen wie Krankenhäuser und Ämter […] keine Vergütung zu zahlen [ist] bzw. […] diese zurückgefordert werden [kann].»76 Die Verwertungsgesellschaften begnügen sich demnach mit dem Verweis auf die Rechtsgrundlage. Ob so ein Verwaltungsaufwand gerechtfertigt ist, bleibt zu bezweifeln.77Immerhin entrichten alle juristischen Personen für jeden angeschafften Computer eine Abgabe nur um diese in einem nächsten Schritt wieder zurückzufordern.

6.

Ausblick und Zusammenfassung ^

[53]
Die Zukunft ist digital.78Werke können auf technisch höchstem Niveau genutzt werden, freie Werknutzungen müssen jedoch beim Analog-Kopierer stehenbleiben ? Sollten die freien Werknutzungen der Vervielfältigung zum eigenen und zum privaten Gebrauch nicht totes Recht werden, bedarf es einiger Anpassungen im UrhG. Der Trend geht weg vom Papier hin zum e-Paper. Immer mehr Menschen lesen Zeitung oder Bücher79in digitalen Versionen. Der europäische Gesetzgeber ist hier gefordert, rechtzeitig Schritte zu setzen. Das Grünbuch «Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft» (bzw. sein Nachfolger) beschreibt die aktuellen Probleme, lässt allerdings eine Perspektive für eine bereits zu erwartende zunehmende Digitalisierung vermissen. Interessanter dürften da schon die Überlegungen zum «Internet der Dinge»80 , die die EU anstellt, sein. Die darin angesprochenen 14 Aktionsbereiche81haben zwar nicht die urheberrechtliche Problematik zum Thema, jedoch ist zu erwarten, dass auch beim Internet der Dinge das Urheberrecht eine entscheidende Rolle spielen wird.
[54]
Die eingangs gestellte Frage, wie man das Urheberrecht internetfit machen kann, kann aus unserer Sicht also wie folgt beantwortet werden: Als Berechtigte sind nicht nur die aus Urheber- und Leistungsschutzrechten Berechtigten anzusehen, sondern auch die Nutzer. Denn auch sie haben Rechte. Diese Rechte sind von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ebenso sicherzustellen, wie ein effizienter Rechtsschutz der Urheber. Dass ein hohes Schutzniveau ein zweischneidiges Schwert ist und nicht immer den Urhebern die besten Ergebnisse liefert, zeigte sich an den Regelungen über die Musiknoten. Eine nützliche Regelung muss auch umsetzbar sein, um den Urhebern ihren gerechten Lohn zukommen zu lassen. Dass die urheberrechtliche Situation im Internet weder für die Urheber und Leistungsschutzberechtigten noch für die Nutzer befriedigend ist, steht außer Zweifel. Zwar verfügen die Urheber über das ausschließliche Recht ihr Werk der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, jedoch manifestierte sich dieses Recht nicht in barer Münze.
[55]
Um nun zu sachgerechten Lösungen zu kommen, ist von folgender Annahme auszugehen:
[56]
Zwischen privater und öffentlicher Nutzung gibt es einen Graubereich ( tertium ). Zu diesem Graubereich gehören Sachverhalte, die weder eindeutig dem privaten, noch dem öffentlichen Bereich zuzuordnen sind. Als klassisches Beispiel sei auf Verwertungshandlungen am Arbeitsplatz verwiesen, die nach geltender Rechtslage mangels persönlicher Bande unter den Arbeitskollegen als öffentlich zu qualifizieren sind. Sachverhalte dieses Graubereichs sollen anhand einer Prüfung, die sich am Drei-Stufen-Test orientiert, entweder dem privaten oder dem öffentlichen Bereich zugeordnet werden. Wird weder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigt noch die berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar verletzt, gilt die Verwertungshandlung als privat. In dem Fall, dass entweder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigt wird oder die berechtigten Interessen des Urhebers unzumutbar verletzt werden, ist diese Handlung als öffentlich anzusehen.
[57]
Auf das Beispiel der digitalen Musik umgemünzt, würde das bedeuten, dass der Austausch von Musikstücken im Freundeskreis bzw. in der Schule keine Urheberrechtsverletzung darstellen würde, während der Upload in einem Filesharing-Netzwerk auch weiterhin einen Urheberrechtsverstoß darstellen würde.
[58]
Am 5. November 2010 forderte Neelie Kroes82 in ihrer Rede «A digital world of opportunities» : «Instead of a dysfunctional system based on a series of cultural Berlin walls, I want a return to sense.»83
[59]
Das tertium kann ein solcher Schritt in diese Richtung sein und die Verwertung vernünftiger gestalten.



Dr. Günther Sammer hat Rechtswissenschaften an der Karl-Franzens Universität Graz studiert und 2010 zum Thema «Der Öffentlichkeitsbegriff im Urheberrecht» promoviert. Dr. Sammer war am Institut für österreichisches und internationales Unternehmens- und Wirtschaftsrecht an der Karl-Franzens Universität Graz tätig und arbeitet als Tutor am International Management Center Graz. Im Moment bereitet er sich in Köln auf das Rechtsreferendariat vor.

Mag. Maximilian Schubert LL.M. hat Rechtswissenschaften an der Karl-Franzens Universität Graz studiert und 2007 einen Master in «Innovation, Technologie & The Law» an der Universität Edinburgh abgeschlossen. Seit Ende 2009 ist er als Rechtsreferent bei ISPA - Internet Providers Austria in Wien tätig und betreibt zudem die englischsprachige Webseite www.austrotrabant.at welche sich mit dem Thema seiner Dissertation (Keyword Advertising) beschäftigt.


  1. 1 Auch im Kampf «Technik vs Technik» behauptet sich das Internet. So gelang es den USA nicht einmal durch einen Eingriff in das DNS (Domain-Name-System), den Zugriff auf wikileaks.org zu verhindern. Internetsperren, die technisch ähnlich funktionieren, sind, vor allem vor dem Hintergrund, dass Information zu den essential facilities gehört, inadäquat und packen das Problem nicht an der Wurzel. Vgl auch Farrand , The Digital Economy Act 2010: A Cause for Celebration, or a cause for Concern? in: European Intellectual Property Review (2010) 536 (539).

  2. 2 Vgl. Dillenz , Schwerpunkt «Konvergenz der Medien – Konsequenzen für die staatliche Regulierung» – Urheberrecht im Lichte der Konvergenz, JRP 2000, 184 (184).

  3. 3 Vgl. Rintelen , Urheberrecht und Urhebervertragsrecht (1958), 1, 132, der vom Urheberrecht als sozial gebundenem Recht spricht. Vgl auch M. Walter , Österreichisches Urheberrecht – Handbuch I. Teil (2008) Rz 952.

  4. 4 Dazu zählt gem § 15 UrhG auch der Download.

  5. 5 Vgl. Abele , Wirtschaftliche Aspekte der Verwertung von Urheberrechten, MR 2005, 177 (178).

  6. 6 Sowohl in Österreich als auch in Deutschland bildete die RL 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ABl L 2001/167, 10 (in Folge: Info-RL) die Grundlage für die urheberrechtlichen Novellen.

  7. 7 Vgl. § 15 Abs. 3 dUrhG.

  8. 8 Beachte den Drei-Stufen-Test des Art. 9 Abs. 2 RBÜ (Revidierte Berner Übereinkunft), Art. 13 TRIPS-Übereinkommen bzw. den Drei-Schritt-Test des Art. 5 Abs. 5 Info-RL und § 53 dUrhG, der den Download nur dann als rechtmäßig anerkennt, «soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird» .

  9. 9 Der eigene Gebrauch stellt als freie Werknutzung einen privilegierten öffentlichen Gebrauch dar.

  10. 10 Auf das Problem der Versendung eines geschützten Werkes per E-Mail (digitale Kopie) für den beruflichen Gebrauch (hiebei handelt es sich um den eigenen Gebrauch) wird weiter unten eingegangen.

  11. 11 Für eine kritische Auseinandersetzung, ob diese Trennung so aufrecht erhalten bleiben kann s. Sammer , Der Öffentlichkeitsbegriff im Urheberrecht (2011), 167 f, 216.

  12. 12 Rintelen , Urheberrecht 103.

  13. 13 OGH 4 Ob 344/73, Kurheim , GRUR Int 1974, 383 ( Walter ); 4 Ob 131/08f, Schulfilm , MR 2008, 299 = ÖBl 2009/27 (zust. Büchele ) = ecolex 2009/122 ( Schumacher ).

  14. 14 Wiebe , Das neue «digitale» Urheberrecht – Eine erste Bewertung, MR 2003, 309.

  15. 15 Urheberrechtlich stellt dies ein Zurverfügungstellen gem. § 18a UrhG dar.

  16. 16 S. dazu weiter unten.

  17. 17 Grünbuch – Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft, KOM(2008) 466 endg.

  18. 18 Grünbuch – Urheberrechte, KOM(2008) 466 endg, 4.

  19. 19 Grünbuch – Urheberrechte, KOM(2008) 466 endg, 5.

  20. 20 Mitteilung der Kommission – Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft KOM(2009) 532 endg, 4.

  21. 21 Mitteilung der Kommission – Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft KOM(2009) 532 endg.

  22. 22 Vgl Barnier , Copyright in the digital era, speech/11/40 (Rede vom 22.1.2011) http://ec.europa.eu/commission_2010-2014/barnier/docs/speeches/20110122/s11_40_en.pdf (1.2.2011).

  23. 23 BGBl 1936/111.

  24. 24 Hinsichtlich der Verteilung s Radosch , Mechanische Musik – Verteilungspraxis und rechtliche Grundlagen, MR 2009, 200.

  25. 25 Boytha , Zur Entwicklung des Urheberrechts in der Europäischen Union, MR-Int 2008, 53 (56) spricht in diesem Zusammenhang von einer «schnell und oft bahnbrechend» reagierenden Europäischen Gemeinschaft.

  26. 26 BGBl 1993/93.

  27. 27 OGH 4 Ob 94/01d, telering.at , ÖBl 2001, 276 = RdW 2001/609 = MR 2001, 234 = wbl 2001/318 ( Thiele ) = ecolex 2001/316 ( Schanda ).

  28. 28 OGH 4 Ob 155/01z, caret-bay villas , ÖBl 2003/69 = RdW 2001/750 = 2001/352 ( Schanda ) ÖJZ 2002/7 = MR 2001, 311.

  29. 29 Vgl. Schanda , Urheberrecht in der Informationsgesellschaft, ecolex 1996, 104 (106), Sammer , Öffentlichkeitsbegriff 188.

  30. 30 BGBl. I 2003/32.

  31. 31 ErwGr. 29 der Info-RL.

  32. 32 Da § 16 Abs. 1 UrhG bereits den Begriff «zugänglich machen» verwendet, entschied sich der österreichische Gesetzgeber den Begriff « right of making available» mit « zur Verfügung stellen» zu übersetzen. Vgl. ErläutRV 40 BlgNR 22. GP 9; § 18a öUrhG und § 19a dUrhG.

  33. 33 Art. 3 Abs. 3 Info-RL.

  34. 34 Heinrich Böll Stiftung (Hrsg) Copy.Right.Now! – Plädoyers für ein zukunftstaugliches Urheberrecht (2010).

  35. 35 In Österreich z.B. Grüne Überlegungen zur Zukunft des Urheberrechts, http://www.gruene.at/uploads/media/urheberrecht_gruenes_papier.pdf (01.02.2011).

  36. 36 EuroISPA , Joint Declaration on Intellectual Property Rights in the digital market from leading European ICT & Communication organisations (2011) http://www.euroispa.org/files/1103_joint_declaration_ipr.pdf .

  37. 37 Koch , Der Content bleibt im Netz – Gesicherte Werkverwertung durch Streaming-Verfahren, GRUR 2010, 574.

  38. 38 Mitterer , Keine verstaubte Materie: Warum Videorekorder auch im «Online-Wohnzimmer» zulässig sein sollten, wbl 2009, 261 (264) mwN und Philapitsch , Zum Erfordernis einer legalen Quelle für die Digitale Privatkopie, MR 2004, 111 (Fazit) fordern auch, so wie im deutschen Rechtsbereich eine rechtmäßige Kopiervorlage. Anderer Ansicht Schmidbauer , Up and Down – Der Download als zulässige Privatkopie? http://www.i4j.at/news/aktuell46a.htm (6.2.2011); Thiele / Laimer , Die Privatkopie nach der Urheberrechtsgesetznovelle 2003, ÖBl 2004/17 (D. 3.) sowie Wiebe , Der virtuelle Videorekorder – in Österreich erlaubt? MR 2007, 130 (133), wobei letzterer betont, dass es darauf nicht mehr ankommt.

  39. 39 Vgl. Handig , Die Nutzung des World Wide Web aus urheberrechtlicher Sicht – Rechtslage nach der UrhG-Nov 2003, ÖBl 2004/52 (B 1.), der darauf abstellt, ob die Website nur über eine Zugangskontrolle (oder einer anderen Bedingung wie Entgeltlichkeit) abrufbar ist.

  40. 40 Koch , GRUR 2010, 577.

  41. 41 Ebenso Wiebe , MR 2003, FN 37.

  42. 42 Bortloff , Internationale Lizenzierung von Internet-Simulcasts durch die Tonträgerindustrie, GRUR Int 2003, 669 (671).

  43. 43 Sammer , Öffentlichkeitsbegriff 71 f.

  44. 44 Art. 9 Abs. 2 RBÜ.

  45. 45 ErläutRV 40 BlgNR 22. GP 45.

  46. 46 Vgl Thiele / Laimer , ÖBl 2004/17 (D. 5. a.E.).

  47. 47 I.d.S. offenbar auch Peifer , Wissenschaftsmarkt und Urheberrecht: Schranken, Vertragsrecht, Wettbewerbsrecht, GRUR 2009, 22 (28), der von einer moralischen Pflicht der Verlage spricht.

  48. 48 So auch Fallenböck / Haberler , Technische Schutzmassnahmen und Urheberrecht in der Informationsgesellschaft, ecolex 2002, 262 (264).

  49. 49 Rintelen , Urheberrecht 1, 132; M. Walter , Handbuch I. Teil Rz 952.

  50. 50 Koch , GRUR 2010, 578.

  51. 51 Bortloff , GRUR Int 2003, 671.

  52. 52 Koch , GRUR 2010, 578.

  53. 53 Revidierte Berner Übereinkunft (RBÜ, BGBl 1982/319 idF BGBl 1986/612 [DFB]), Römer Leistungsschutzabkommen (BGBl 1973/413), Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS, Agreement on T rade- R elated Aspects of I ntellectual P roperty Right s , BGBl 1995/1), Welturheberrechtsabkommen (WUA, BGBl 1982/293) etc.

  54. 54 Auch die EU als Gesamtes ist Vertragspartner vieler dieser internationalen Übereinkommen.

  55. 55 Dillenz , Harmonisierung des Rechts der Verwertungsgesellschaften, GRUR Int 1997, 315 (320). Der völlige Ersatz von Ausschließungsrechten durch Vergütungsansprüche wird von Dillenz , JRP 2000, 193 allerdings nicht erwartet.

  56. 56 Dillenz , JRP 2000, 184.

  57. 57 Ohne entsprechendes Urhebervertragsrecht bleibt der Schutz aber zahnlos, s Dillenz , GRUR Int 1997, 320.

  58. 58 S. Grünbuch – Urheberrechte, KOM(2008) 466 endg, 5.

  59. 59 BGBl I 2006/22.

  60. 60 BGBl 1996/151.

  61. 61 Erst mit der Veröffentlichung gem. § 8 UrhG entsteht z.B. das Recht ein Werk iSd § 46 Z. 1 UrhG zu zitieren.

  62. 62 Dillenz , GRUR Int 1997, 320.

  63. 63 Grünbuch – Urheberrechte, KOM(2008) 466 endg, 5.

  64. 64 Nicht zu verwechseln mit dem Drei-Stufen-Test der §§ 11d – 11f dRStV (Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien), s dafür Huber , Aktuelle Fragen zum Drei-Stufen-Test, ZUM 2010, 201.

  65. 65 Senftleben , Grundprobleme des urheberrechtlichen Drei-Stufen-Tests, GRUR Int 2004, 200 (201).

  66. 66 Senftleben , GRUR Int 2004, 202.

  67. 67 Sammer , Öffentlichkeitsbegriff 167 f, 216.

  68. 68 Beachte in diesem Zusammenhang das Projekt des Max-Planck-Instituts für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht «Die Neujustierung des Drei-Stufen-Tests», http://www.ip.mpg.de/ww/de/pub/forschung/forschungsarbeit/die_neujustierung_des_drei_stu.cfm?objIDlist=Projektbeschreibung#Projektbeschreibung (13. Dezember 2010).

  69. 69 Auch M. Walter , Updating and Consolidation of the Aquis – The Future of European Copyright (aka Santiago Speech) 7, http://ec.europa.eu/internal_market/copyright/docs/conference/2002-06-santiago-speech-walter_en.pdf (23. Dezember 2010) sieht auf diesem Gebiet offenbar Harmonisierungsbedarf.

  70. 70 Das bloße Einscannen einer papierenen Vorlage ist gem ErläutRV 40 BlgNR. 22. GP 32 allerdings erlaubt.

  71. 71 Vgl Fallenböck , Urheberrecht in der digitalen Ökonomie: Die EG-Urheberrechtsrichtlinie und ihre Umsetzung, ecolex 2002, 103 (104,105).

  72. 72 Zitiert bei Senftleben , GRUR Int 2004, 204 (FN 43).

  73. 73 Am 1.10.2010 führte die Verwertungsgesellschaft Austro-Mechana einseitig eine Urheberrechtsabgabe bzw. Leerkassettenvergütung ein. Vgl http://www.aume.at/show_content2.php?s2id=221 (13. Dezember 2010).

  74. 74 OGH 4 Ob 115/05y.

  75. 75 OGH 4 Ob 225/08d. Vgl krit M. Walter , Keine reprographische Gerätevergütung auf Computerfestplatten, MR 2009, 316 (321–326).

  76. 76 http://www.aume.at/show_content2.php?s2id=221 (13. Dezember 2010).

  77. 77 Vgl Staudegger , Die Urheberrechtsabgabe auf Speichermedien und der «gerechte Ausgleich» im europäischen Urheberrecht, jusIT 2011, 1 (4).

  78. 78 Peifer , GRUR 2009, 22.

  79. 79 Z.B. Amazon Kindle.

  80. 80 Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen – Internet der Dinge – ein Aktionsplan für Europa KOM(2009) 278 endg.

  81. 81 In erster Linie handelt es sich um datenschutzrechtliche Fragestellungen.

  82. 82 EU-Kommissarin für die Digitale Agenda.

  83. 83 Kroes , A digital world of opportunities (Rede vom 5.11.2010 beim Forum d’Avignon – Les rencontres internationals de la culture, de l’économie et de medias) http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=SPEECH/10/619&format=HTML&aged=0&language=en&guiLanguage=en (14. Dezember 2010).