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EU-Grosspilotprojekte «STORK» und «SPOCS»

  • Author: Peter Kustor
  • Category: Short Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Government
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2011
  • Citation: Peter Kustor, EU-Grosspilotprojekte «STORK» und «SPOCS», in: Jusletter IT 24 February 2011
Das Internationale Rechtsinformatik Symposion IRIS 2011 widmet sich dem Generalthema «Europäische Projektkultur als Beitrag zur Rationalisierung des Rechts». Das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation mit den unter diesem Dach laufenden Großpilotprojekten «STORK» und «SPOCS» illustriert eindrucksvoll die «neue» europäische Projektkultur und ihre große politische und praktische Relevanz.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation
  • 2. Das STORK-Projekt
  • 3. Das SPOCS-Projekt
  • 4. Schlussfolgerungen

1.

Das Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation ^

[1]
Mit dem Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (2007-2013)1 wurde ein Meilenstein in der Europäischen Projektkultur gesetzt. Das Rahmenprogramm2 wurde eingerichtet, um einen Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und der Innovationskapazität, zur Entwicklung der Wissensgesellschaft und zur nachhaltigen Entwicklung auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums zu leisten. Anders als bei Maßnahmen zur Förderung der Forschung und technologischen Entwicklung (insbesondere im «siebten Rahmenprogramm für RTD») soll das CIP den Schwerpunkt auf Innovationen legen, wobei hierunter Innovationen sowohl nicht technologischer als auch technologischer Art fallen, die die letzte Phase der Demonstration überschritten haben und bereit sind für die Umsetzung in marktfähige Produkte (Erprobung von Innovationen zur kommerziellen Anwendung). Es sollte gewährleistet werden, dass zwischen der Entwicklung der Forschung und der Anwendung der Ergebnisse (Maßnahmen zum Technologietransfer einschließlich der Phase vor dem Start) keine Finanzierungslücke besteht.3 Das für den Zeitraum von 2007 bis 2013 eingerichtete CIP stellt 3,6 Milliarden Euro an EU-Fördermittel für Investitionen in zahlreiche innovations- und wachstumsorientierte Projekte zur Verfügung. Das Rahmenprogramm enthält drei operationelle Programme:
  • das Programm «unternehmerische Initiative und Innovation (EIP)» mit einem Budget von 2,17 Milliarden Euro zur Förderung von Innovation sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der EU,
  • das «Programm zur Unterstützung der Politik für Informations- und Kommunikations-Technologien (IKT-Förderprogramm)»4 mit einem Budget von 730 Millionen Euro und dem Ziel, eine wettbewerbsfähige, innovative und benutzerfreundliche Informationsgesellschaft für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen zu verwirklichen und
  • das «Programm intelligente Energie – Europa (IEE)» mit einem Budget von ebenfalls 730 Millionen Euro zur Förderung der Energieeffizienz, neuer und erneuerbarer Energiequellen sowie technologischer Lösungen zur Reduzierung verkehrsbedingter Treibhausgasemissionen.
[2]
Als Förderinstrumente/ Projekttypen im Rahmenprogramm, insbesondere im ICT-PSP, wurden die Instrumente des so genannten «Pilot Typ A», «Pilot Typ B» sowie «thematische Netzwerke» und «Best practice Netzwerke» konzipiert:
  • Pilot A: Projekte, die auf Initiativen von Einzelstaaten aufbauen und auf die Herstellung grenzüberschreitender Interoperabilität ausgerichtet sind; das Konsortium hat aus mindestens sechs relevanten nationalen Behörden aus sechs verschiedenen Mitgliedstaaten oder assoziierten Staaten zu bestehen.
  • Pilot B: Projekte, die die Aufnahme von innovativen IKT-Lösungen vorantreiben; das Konsortium muss mindestens vier unabhängige Rechtspersönlichkeiten aus vier verschiedenen Mitgliedstaaten oder assoziierten Staaten beinhalten.
  • Thematisches Netzwerk: Forum für ExpertInnen zum Austausch von Erfahrungen und zur Konsensbildung mit mindestens sieben unabhängigen Rechtspersönlichkeiten aus sieben verschiedenen Mitgliedstaaten oder assoziierten Staaten.
  • Netzwerke für beste Praktiken: Aktivitäten im Thema Digitale Bibliotheken, Expertenaustausch und Spezifikation bzw. Standardisierungsaktivitäten; Konsortiumszusammensetzung wie beim thematischen Netzwerk.
[3]
Die Förderquoten und -volumina (Zahlen aus 2010) betragen:
  • Pilot A: 50% der Projektkosten, Förderung max. 5-10 Mio. € pro Projekt
  • Pilot B: 50% der Projektkosten, Förderung max. 2-2,5 Mio. € pro Projekt
  • Thematisches Netzwerk: max. 300.000 - 500.000 € pro Thematischem Netzwerk (Pauschalsätze)
  • Netzwerk für beste Praktiken: 80% der Projektkosten, keine indirekten Kosten, Förderung max. 3-5 Mio. € pro Projekt
[4]
Die Projektdauer beträgt bei Pilot A max. 36 Monate, bei Pilot B 24-36 Monate und bei thematischen Netzwerken 18-36 Monate.
[5]
Bei Pilot Typ A - Projekten im ICT-PSP arbeiten daher Mitgliedstaaten unmittelbar zusammen, um grenzüberschreitende Interoperabilität in unterschiedlichsten Bereichen der IKT herzustellen. Das besondere an dieser Art von Piloten besteht darin, dass in den jeweils auf die Dauer von drei Jahren angelegten Pilotprojekten konkrete Lösungen konzipiert und technisch auch umgesetzt werden, sodass diese für die Dauer von mindestens einem Jahr in einem pilotartigen Betrieb getestet werden. Als Ergebnis dieser Piloten steht somit eine funktionsfähige (auch technische) Lösung zur Verfügung, die es ermöglichen soll, auf möglichst alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union ausgeweitet zu werden.

2.

Das STORK-Projekt ^

[6]
Im STORK-Projekt5 arbeiten mittlerweile6 17 Mitgliedstaaten mit insgesamt 32 Partnern daran, die jeweiligen auf nationaler Ebene eingeführten Lösungen zur elektronischen Identifikation7 im grenzüberschreitenden Anwendungsbereich anzuerkennen und für konkrete Anwendungsfälle einsetzen zu können. Im November 2010 ging die etwa 2-jährige Forschungs-, Entwicklungs- und Konzeptionsphase in die konkrete Pilotierungsphase über und es wurden zwischen den am STORK-Projekt teilnehmenden Mitgliedstaaten sechs konkrete Piloten gestartet. Diese sind:
  • «Grenzüberschreitende Authentifizierung für elektronische Dienste»,
  • «safer chat»,
  • «Studenten-Mobilität»,
  • «Grenzüberschreitende elektronische Zustellung»,
  • «Adressänderung» und
  • «Kommissionsdienste».
[7]
Nach deren offiziellen Start wird schrittweise an Verbesserungen und Erweiterungen dieser Piloten gearbeitet. Das Ziel in all den Piloten besteht darin, die grenzüberschreitende Nutzung der eID-Lösungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten zu ermöglichen.
[8]
Für Österreich bedeutet dies konkret, dass die Bürgerkarte (sei es die kartenbasierende Variante, sei es die Variante als Handy Signatur)8 für konkrete Applikationen anderer Mitgliedstaaten verwendet werden kann. So kann beispielsweise ein Login-Vorgang mit der Bürgerkarte an E-Government-Portalen anderer Mitgliedstaaten erfolgen. Gleichzeitig können die nationalen elektronischen Identitätsnachweise anderer Mitgliedstaaten bei österreichischen bürgerkartentauglichen Applikationen (z.B.http://www.myhelp.gv.at ;http://www.meinbrief.at etc.) verwendet werden.9 Eine besondere Errungenschaft besteht darin, dass auch die Europäische Kommission selbst an den Piloten insofern beteiligt ist, als sie das zentrale EK-Authentifizierungssystem «ECAS»10 für die in STORK entwickelte Lösung öffnete und an den entsprechenden Erweiterungen teilnimmt. Damit kann beispielsweise die Bürgerkarte in Hinkunft auch für sichere Login-Vorgänge bei Kommissionsapplikationen verwendet werden. Seitens Österreichs sind am STORK-Projekt das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium für Gesundheit sowie die Technische Universität Graz beteiligt.
[9]
Die Bedeutung von STORK ist mittlerweile weit über eine reine Projektrelevanz hinausgewachsen. So wurde sowohl in der E-Government-Ministererklärung von Malmö (Ende 2009), als auch in der digitalen Agenda und im E-Government-Aktionsplan 2011 bis 2015 direkt oder indirekt auf das STORK-Projekt Bezug genommen und die STORK-Lösungen wurden als maßgeblich für die weitere Entwicklung der Interoperabilität von eID-Lösungen in Europa anerkannt.11

3.

Das SPOCS-Projekt ^

[10]
Das SPOCS-Projekt12 wurde ein Jahr nach dem STORK-Projekt mit sieben Mietgliedstaaten und 13 Partnern gestartet. Eine Erweiterung um 9 Mitgliedstaaten wird derzeit mit der Europäischen Kommission verhandelt. SPOCS zielt darauf ab, Effizienzsteigerungen und verbesserte Services für Dienstleistungserbringer im grenzüberschreitenden Bereich herzustellen. Wenngleich nämlich die EU-Dienstleistungsrichtlinie13 , die bis Ende 2009 in den nationalen Mitgliedstaaten umzusetzen war, das Recht einräumt, alle im Zusammenhang mit der Ausübung oder der Aufnahme von Dienstleistungstätigkeiten relevanten Verfahren elektronisch abwickeln zu können14 und die Mitgliedstaaten verpflichtet, so genannte einheitliche Ansprechpartner (EAP) einzurichten, die als (auch elektronische) One-Stop-Shops zu fungieren haben, werden die Dienstleister weiterhin mit unterschiedlichen nationalen Systemen konfrontiert, können deren gewohnte elektronische Services aus ihrem Herkunftsland nicht verwenden und sind daher auch weiterhin mit gewissen Hürden und Barrieren bei der Nutzung von elektronischen Services konfrontiert.
[11]
Das SPOCS-Projekt strebt an, Interoperabilität der dienstleistungsrichtlinienrelevanten Verfahren zu gewährleisten und damit letztlich zur Weiterentwicklung der einheitlichen Ansprechpartner hin zu «EAP 2.0» beizutragen. Die EAP agieren als Mittler zwischen den antragstellenden Dienstleistern und den nationalen zuständigen Behörden. SPOCS entwickelt Methoden und Werkzeuge zur Verbesserung der Services und Prozesse für die Verwirklichung der nächsten Generation von EAP. SPOCS entwickelt damit Verfahren und Standards für ein interoperables Netzwerk innerhalb der EU für einen sicheren grenzüberschreitenden Datenaustausch und generiert durch die Vereinfachung der grenzüberschreitenden Kommunikation Einsparungspotentiale sowohl auf Seiten der Verwaltungen als auch der Unternehmen. Bei einer erfolgreichen Implementierung von EAP der nächsten Generation kann damit ein Beitrag zur Ausweitung grenzüberschreitender Aktivitäten geleistet werden, womit auch der Zugang zu neuen Märkten erleichtert wird, was positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben und Arbeitsplätze generieren kann, wodurch schließlich dazu beitragen werden kann, die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen innerhalb Europas zu steigern.
[12]
Zur Erarbeitung effizienter und innovativer Lösungen gliedert sich das Projekt in die folgenden Teilbereiche:
  • «Content Syndizierung und Mehrsprachigkeit»,
  • «elektronische Dokumente»,
  • «interoperabler und sicherer Daten- und Nachrichtentransport und sichere Datenspeicherung»,
  • «interoperable Diensteverzeichnisse»,
  • «Pilotierungen»,
  • «Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und Kommunikation» sowie
  • «Projektadministration».
[13]
Um die Synergien zwischen den einzelnen Großpilotprojekten optimal zu nutzen, verwendet SPOCS auch die Ergebnisse des Schwesterprojekts STORK sowie von PEPPOL15 , das sich mit EU-weiten elektronischen Beschaffungsprozessen auseinandersetzt.
[14]
Während das STORK-Projekt die elektronischen Identitäten natürlicher Personen im Fokus hat, widmet sich das SPOCS-Projekt (auch) dem Identitätsnachweis von juristischen Personen einschließlich der Vollmachten und Vertretungen natürlicher Personen für diese juristischen Personen. Ein Schwerpunkt bei SPOCS besteht in der Thematisierung der Interoperabilität ausgetauschter elektronischer Dokumente, wo insbesondere auch die Frage der Prüfung der Authentizität übermittelter elektronischer Dokumente einen Fokus bildet. Diesbezüglich ist Österreich mit der Verwendung der Amtssignatur16 in einer gewissen Vorreiterposition, mit der Einrichtung des Unternehmensserviceportals17 einschließlich der dort verwalteten Rechte und Rollen natürlicher Personen für die juristischen Personen als Teilnehmer des USP leitet Österreich ebenfalls einen wichtigen Beitrag in der Projektkonzeption. An SPOCS ist seitens Österreichs die ARGE SPOCS.at beteiligt, die sich aus der TU Graz, dem Bundeskanzleramt, dem Land Wien sowie dem Land Steiermark zusammensetzt. Damit sind auch zwei direkt betroffene EAP am Projekt beteiligt, was gewährleistet, dass die im SPOCS-Projekt entwickelten Lösungen auch konkret beim EAP bzw. bei zuständigen Behörden im Einsatz getestet werden können.
[15]
Die weit über ein «übliches» Projekt hinausreichende Relevanz von SPOCS wird – ähnlich wie bei STORK - eindrucksvoll dadurch dokumentiert, dass sowohl in der digitalen Agenda als auch im E-Government-Aktionsplan 2011 bis 2015 und in der Malmö-Ministererklärung Bezug auf die in SPOCS entwickelten Lösungen genommen wird, und die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert werden, ihre einheitlichen Ansprechpartner zu vollen E-Government One-Stops-Shops weiter zu entwickeln, womit insbesondere die in SPOCS konzipierten Lösungen eines «EAP 2.0» angesprochen sind.

4.

Schlussfolgerungen ^

[16]
Das CIP und die hier beispielhaft angesprochenen Projekte STORK und SPOCS illustrieren eine erfolgreiche Weiterentwicklung der Projektkultur auf europäischer Ebene. Eine Vielzahl von Mitgliedstaaten arbeitet sowohl auf verwaltungs- als auch auf wissenschaftlicher Ebene, aber auch auf Ebene der beteiligten Industrien und Unternehmen intensiv zusammen, um die grenzüberschreitende Interoperabilität nationaler Lösungen zu gewährleisten.
[17]
Mit beträchtlichem finanziellen Aufwand wird daran gearbeitet, dass Europa im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen für die tägliche Praxis und den täglichen Umgang mit den staatlichen Verwaltungen weiter zusammenwächst und nicht durch unterschiedliche elektronische Lösungen nationale Barrieren im virtuellen Raum entstehen, die man in der physischen Welt bereits erfolgreich abbauen konnte.



Peter Kustor, Leiter der Abteilung I/11 – E-Government – Recht, Organisation und Internationales, Bundeskanzleramt, Ballhausplatz 1, 1014 Wien, AT,Peter.Kustor@bka.gv.at ,www.digitales.oesterreich.gv.at


  1. 1 Beschluss Nr. 1639/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 2006, Amtsblatt Nr. L 310 vom 9. November 2006.
  2. 2 Geläufig ist dafür die Abkürzung «CIP» (für «Competitiveness and Innovation Framework Programme»).
  3. 3 Siehe auch Art. 1 Abs. 3 des Beschlusses.
  4. 4 Häufig als «ICT-PSP»(für «ICT policy support programme») zitiert.
  5. 5 «STORK» steht für «Secure idenTity acrOss boRders linKed»;http://www.eid-stork.eu .
  6. 6 Nach der STORK-«Erweiterung» 2010.
  7. 7 eID.
  8. 8 http://www.buergerkarte.at sowiehttp://www.handy-signatur.at .
  9. 9 In rechtlicher Hinsicht ist dazu auf § 6 Abs. 5 E-GovG sowie die E-Government-Gleichwertigkeitsverordnung, BGBl. II Nr. 170/2010, hinzuweisen.
  10. 10 https://webgate.ec.europa.eu/cas/ec/index.jsp .
  11. 11 Alle genannten Dokumente sowie weiterführende Erläuterungen und Links dazu finden sich unterhttp://www.digitales.oesterreich.gv.at/site/7436/default.aspx .
  12. 12 «SPOCS» steht für «Simple Procedures Online for Cross-border Services»;http://www.eu-spocs.eu .
  13. 13 Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. Nr. L 376 vom 27. Dezember 2006.
  14. 14 Siehe Art. 8 der DienstleistungsRL.
  15. 15 http://www.peppol.eu .
  16. 16 Siehe insbesondere die §§ 19 und 20 E-GovG sowie § 18 Abs. 4 AVG.
  17. 17 http://www.usp.gv.at .