Jusletter IT

Strukturierung der Kernprozesse von Forschungseinrichtungen als Voraussetzung zur Gestaltung von IT-Services

  • Authors: Claudia Lemke / Melanie Baier
  • Category: Short Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Wissensbasiertes Prozessmanagement in Verwaltungsnetzwerken
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2011
  • Citation: Claudia Lemke / Melanie Baier, Strukturierung der Kernprozesse von Forschungseinrichtungen als Voraussetzung zur Gestaltung von IT-Services, in: Jusletter IT 24 February 2011
Auswirkungen der aktuellen Reformprozesse im deutschen Wissenschaftssystem auf die Ausgestaltung der Aufgaben der IT-Organisation sind bislang kaum untersucht, obwohl hier erheblicher Handlungsbedarf besteht. Unter Betrachtung der spezifischen Prozesslandschaft solcher Institutionen und den Besonderheiten dieser IT-Organisationen wird in diesem Beitrag beispielhaft für den Kernprozess Forschung einer Forschungseinrichtung gezeigt, welche Prozessformen und -varianten existieren und welcher Einfluss hieraus auf die besondere Gestaltung der IT-Services besteht.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Forschungsansatz
  • 3. Geschäftsprozesse in Forschungseinrichtungen
  • 3.1. Besonderheiten und Struktur von Forschungsprozessen
  • 3.2. Beispielhafte Ausgestaltung des Kernprozesses Forschung für das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)
  • 4. Zusammenspiel von Geschäftsprozessen und IT-Services
  • 4.1. Die Bedeutung der Prozesslandkarte für die Ausgestaltung der IT-Services
  • 4.2. Prozessorientierte Gestaltung von IT-Services
  • 5. Literatur

1.

Einleitung ^

[1]
Das deutsche Wissenschaftssystem ist im Zuge der Reformen des «New Public Managements» in den letzten Jahren massiv unter Transformationsdruck geraten. Die Veränderungen betreffen nicht nur die Bereiche der Verwaltung, sondern auch die originären Aufgabenfelder der Lehre und Forschung. Die politischen Forderungen beziehen sich vor allem auf eine effizientere Gestaltung von Ressourcenflüssen, eine stärkere Fokussierung der Forschung auf gesellschaftlich relevante Themen und eine transparente Darstellung der Forschungsleistung. Wie sich diese «neue Governance der Forschung» auf die Organisationsstruktur und die Steuerung von Forschungseinrichtungen auswirkt, ist Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten.1 .
[2]
Bislang wenig berücksichtigt wurden hingegen die spezifischen Auswirkungen der Reformen auf die Ausgestaltung der Informations- und Kommunikationstechnik (IuKT)2 in einer Forschungseinrichtung. Auch die IT-Organisationen im Wissenschaftssystem stehen vor der Herausforderung, ihre gesamten IT-Aufgaben der Planung, Gestaltung und Erbringung auf ein anwenderorientiertes, aber dennoch ressourceneffizientes IT-Leistungsangebot auszurichten.
[3]
Das wesentliche Kennzeichen dieses Paradigmenwechsels in der Art und Weise der IT-Erbringung besteht in der Ausrichtung der IT an den Geschäftsprozessen der Organisation. Grundlage hierfür ist eine Dokumentation der Geschäftsprozesse, im Kontext von Forschungseinrichtungen also der Kern- und Supportprozesse der Forschungsinstitution. Diese Prozessstruktur und die damit verbundene Wertschöpfung für eine Institution bestimmen die konkrete Ausgestaltung des IT-Leistungsangebots. Die verschiedenen in der Praxis bestehenden Ansätze und Konzepte, die eine prozess- und damit anwenderorientierte Leistungserbringung der IT unterstützen, haben ihre Wirksamkeit für die Privatwirtschaft gezeigt.3 Im Wissenschaftssystem hingegen, und speziell in Forschungseinrichtungen, liegen derzeit kaum Erfahrungen in der Anwendung dieser vor. Somit stellt sich als Forschungsaufgabe die Frage, inwieweit sich diese Konzepte für die Belange von IT-Organisationen und den spezifischen Ausprägungen von Forschungseinrichtungen eignen und wenn ja, unter welchen Bedingungen und Anpassungen.

2.

Forschungsansatz ^

[4]
Die bereits erwähnten Ansätze und Konzepte finden sich in verschiedenen Literatursträngen unter Begriffen wie Industrialisierung der IT, Service Science oder Service Engineering wieder.4 Trotz unterschiedlicher Modellausprägungen ist allen Ansätzen gemein, IT-Leistungen als eine spezifische Form einer Dienstleistung zu betrachten. Diese wird allgemein als ein hybrides Produktbündel aus Dienst- und Sachleistungen5 verstanden und im betriebswirtschaftlichen Sinn als IT-Service bezeichnet. Ein IT-Service ist eine Kombination von Hardware-, Software- und Netzwerkkomponenten sowie den Leistungen zur Bereitstellung und Betreuung dieser und richtet sich an der Erfüllung der Erfordernisse der (Geschäfts-)Prozesse einer Institution aus.6 Das lebenszyklusorientierte Management der IT-Services, von der strategischen Planung über das strukturierte Design bis hin zu einer nach industriellen Fertigungslogiken organisierten Produktion und Bereitstellung, wird als IT-Service-Management verstanden. Anknüpfend an die Grundsätze zum Dienstleistungsmanagement umfasst ein IT-Dienstleistungsmanagement neben dem Management der IT-Services auch die bewusste und nachhaltige Gestaltung der Reorganisation zu einem serviceorientierten Verhalten dergesamten Organisation. Daraus ergeben sich nach Ansicht der Autoren im Kontext von Forschungseinrichtungen primär folgende Untersuchungsfelder:
  1. Wodurch zeichnet sich die (Geschäfts-)Prozessstruktur einer Forschungseinrichtung aus und wie lässt sich aus deren Ausgestaltung ein standardisierbares IT-Produktangebot in Form von IT-Services ableiten?
  2. Leisten die bestehenden Modelle und Ansätze aus dem IT-Service-Management ausreichende Erklärungsmuster zur Gestaltung, Optimierung und Neuausrichtung von IT-Organisationen in Forschungseinrichtungen oder bedingen die spezifischen Organisationsformen in Forschungseinrichtungen besondere Reorganisationsmaßnahmen im Rahmen eines IT-Dienstleistungsmanagements?
[5]
Im Folgenden fokussieren die Autoren auf die einführende Betrachtung des ersten Untersuchungsfelds, indem ein Entwurf einer generischen Prozesslandkarte für Forschungseinrichtungen die Basis für die Ableitung und Gestaltung von IT-Services liefern soll.

3.

Geschäftsprozesse in Forschungseinrichtungen ^

3.1.

Besonderheiten und Struktur von Forschungsprozessen ^

[6]
Einen wesentlichen Pfeiler der deutschen Forschungslandschaft von insgesamt rund 750 durch Bund und/oder Länder finanzierten Forschungseinrichtungen stellen die außeruniversitären Forschungseinrichtungen (auF) dar.7 Sie unterscheiden sich hinsichtlich der Aufteilung zwischen Grund- und drittmittelbasierter Finanzierung, der Einflussnahme durch Bund und Länder in der Mittelherkunft der Grundfinanzierung, ihrer Forschungsdomäne und -zielsetzung sowie der organisationalen Einbindung der zugehörigen Institute.
[7]
Die zentrale Wert schöpfende Aktivität von auF, nämlich das Schaffen von Erkenntnisgewinn, soll im vorliegenden Abschnitt dahingehend präzisiert werden, welche konkreten Ausgestaltungsmöglichkeiten von Forschungsprozessen – unter den genannten Rahmenbedingungen einer «neuen Governance der Forschung» – existieren.8 Die Motivation für die intensive Auseinandersetzung mit den Wert schöpfenden Aktivitäten von auF besteht darin, dass die Orientierung an den Prozessen der Leistungserbringung («Wertschöpfung») als notwendige Voraussetzung für eine serviceorientierte IT-Leistungserbringung angesehen wird. Dabei können Prozesslandkarten als Dokumentations- und Analysewerkzeug helfen, Transparenz über das Forschungshandeln zu schaffen, Probleme in der Prozessausführung zu identifizieren und eine Komplexitätsreduktion herbeizuführen (vgl. Becker et al., 2007, S.62f.).
[8]
Als Ansatz zur Strukturierung der spezifischen Wertschöpfung einer auF wurde die Differenzierung nach ihrem definierten Forschungsauftrag gewählt. Demnach können diese Einrichtungen entsprechend ihrer Schwerpunktsetzung der Grundlagenforschung (Typ «Bohr»), der anwendungsinspirierten Grundlagenforschung (Typ «Pasteur»9 ) oder der rein angewandten Forschung (Typ «Edison») zugeordnet werden.10
[9]

Generell lassen sich folgende Prozessarten unterscheiden: (1) Kern- bzw. (Geschäfts-)Prozesse, die sich aus den organisationsspezifischen Kernkompetenzen11 ableiten, einen direkten Nutzen für den Adressaten haben, einen messbaren Beitrag zur Wertschöpfung leisten und damit strategisch vorteilhaft sind.12 Im Kontext von Forschungseinrichtungen sind die Prozesse als Kernprozesse zu bezeichnen, deren Ausführung einen messbaren Beitrag zur Schaffung von Erkenntnisgewinn (als zentrales Ziel einer Forschungseinrichtung) im Sinne der spezifizierten Zielerreichung (Bohr/Pasteur/Edison) leisten. Ein typischer naturwissenschaftlicher Forschungsprozess ist im Folgenden abgebildet (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1: Ausgestaltung eines Forschungsprozesses
[10]
Unter den Rahmenbedingungen der «neuen Governance der Forschung» wird argumentiert, dass der in Abbildung 1 skizzierte Forschungsprozess um weitere Aktivitäten des Forschungsmanagements zu erweitern ist, da diese eine zunehmend kritische Rolle im Hinblick auf die Zielerreichung und damit die Wertschöpfung einer Forschungseinrichtung spielen (vgl. Abbildung 2). Dies gilt beispielsweise für die Drittmittelakquise im Zuge steigender Relevanz derselbigen gerade für Forschung mit Anwendungsbezug: Die Information über mögliche Finanzmittel und Vergabemodalitäten wird im Sinne verfügbarer und schneller Informationsdienste ein kritischer Faktor, der unmittelbar Auswirkungen auf zukünftige Forschungsvorhaben hat. Auch das Management von Netzwerken und Kooperationen wird im Zuge der geforderten Fokussierung auf Kernkompetenzen zu einer zunehmend wichtigen Aufgabe für Wissenschaftler, wenn komplementäre Kompetenzen anderer Akteure eingebunden werden.13
Abbildung 2: Kernprozess Forschung(-smanagement)

[11]

(2) Zusätzlich zu dem Kernprozess der Forschung werden daher auch Forschungsmanagementprozesse in Abhängigkeit ihrer Relevanz für unterschiedliche Forschungsbereiche als optionale Kernprozesse definiert:

  • Drittmittelakquise: Informationsbeschaffung: Beobachten der Förderlandschaft und kontinuierliche Aktualisierung der Informationssammlung (Ausschreibungen unterschiedlicher Institutionen, Links, Datenbanken, Preise)14 , ggf. Antragstellung.
  • Wissenstransfer und Recruiting: Wissenschaftliche Veröffentlichungen, Lehrtätigkeit von Wissenschaftlern, Ausbildung von Studenten und Wissenschaftlern innerhalb der FE, Vertretung in wissenschaftlichen Gremien.
  • Kooperation und Netzwerkkoordination: Kooperationen mit über- oder untergeordneten Einheiten der Forschungseinrichtung oder anderen Akteuren (Industrie, Universitäten, andere Institutionen) planen, steuern und kontrollieren, Vertragsmanagement.
  • Technologietransfer: Nutzbarmachung eigener Forschungsarbeiten für Dritte (meist für die Anwendung im Entwicklungs- oder Produktionsprozess), insbesondere durch Lizenz- und Patentmanagement, befristete Nutzung besonderer Forschungsgeräte der Forschungseinrichtung, Beratungsdienstleistung, Vertragsmanagement.
  • Öffentlichkeitsarbeit. Corporate Design, Pressedienst, Besucherservice, Bildungsangebote.
  • Zentrale Informationsdienste: Infrastruktur (Nutzung von Bibliotheken der Forschungseinrichtung, Datenbanken, Bildbearbeitung, Rechen-/ Speicherkapazitäten, etc.).
[12]
(3) Supportprozesse, die zwar keinen direkten Beitrag zur Wertschöpfung leisten, sind notwendig um die Kernprozesse auszuführen. Supportprozesse umfassen folgende Bereiche:
  • Allgemeine Verwaltung: Beschaffung, Haushalt (z.B. Projektadministration (Antragstellung, Ressourcenplanung und -abrechnung, Berichtswesen steuern und kontrollieren), Personal, Controlling.
  • Facility Management: Betreuung der Gebäudetechnik, Wartung der technischen Gerätschaften.
  • Informationstechnologie: Gesamtheit der zur Speicherung, Verarbeitung und Kommunikation zur Verfügung stehenden Ressourcen sowie die Art und Weise, wie diese Ressourcen organisiert sind (vgl. Krcmar, 2010, S.30).
[13]
Zusammenfassend ergibt sich aus dem jeweiligen Forschungsauftrag und den genannten Prozessarten eine mögliche generische Prozesslandkarte für auF (vgl. Abbildung 3):

Abbildung 3: Entwurf einer generischen Prozesslandkarte für auF
[14]
Wesentliches Merkmal dieser generischen Prozesslandkarte ist, dass der Kernprozess Forschung nur in der sinnvollen Verbindung mit den Forschungsmanagementprozessen eine nachhaltige, den Anforderungen aus einer «neuen Governance der Forschung» entsprechende Wertschöpfung erzielen kann. Der wissensintensive Forschungsprozess, der einem kreativen Akt von «Versuch und Irrtum» unterliegt, steht in seiner konkreten Zielerreichung in wechselseitiger Abhängigkeit mit den jeweiligen Ausprägungen der verbundenen Managementprozesse. Durch die Verknüpfung mit dem konkreten Forschungsauftrag («Bohr», vs. «Pasteur» vs. «Edison») kann ein spezifischer Strukturansatz zur Gestaltung der Kernprozesse einer auF geschaffen werden. Dies soll im folgenden Abschnitt exemplarisch dargestellt werden.

3.2.

Beispielhafte Ausgestaltung des Kernprozesses Forschung für das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) ^

[15]
Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft betreibt das HZDR langfristig ausgerichtete Spitzenforschung in gesellschaftlich relevanten Gebieten wie Energie, Struktur der Materie und Schlüsseltechnologien. Eine große Rolle spielt hierbei auch die Erforschung, Nutzung und Bereitstellung von Großgeräten. Die grundsätzliche Ausrichtung der Forschungsaktivitäten orientiert sich damit an der Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung («Bohr») und anwendungsinspirierter Grundlagenforschung («Pasteur»).
[16]
Neben der Frage nach der grundsätzlichen Forschungsausrichtung ist weiterhin zu spezifizieren, in welcher Form eine «Marktbearbeitung» stattfindet. Für das HZDR lässt sich entsprechend eine Unterteilung in die unterschiedlichen Forschungsprogramme «Neue Materialien, Krebsforschung, nukleare Sicherheitsforschung» und das Dienstleistungsangebot Nutzung von «Forschungsinfrastruktur» vornehmen (vgl. Abbildung 4). Die Leistungen innerhalb eines Forschungsprogramms werden durch unterschiedliche Prozessvarianten erbracht (z.B. die Ausprägung Radioökologie für die nukleare Sicherheitsforschung). Dabei ist in jeder Prozessvariante der Kernprozess der Projektforschung enthalten, der mit seinen Aktivitäten eine Minimalanforderung an einen naturwissenschaftlichen Forschungsprozess darstellt.
Abbildung 4: Prozesslandkarte des HZDR im Überblick
[17]

Die Großgeräte sind hier einerseits in der engen Sicht als Sachmittel für den Kernprozess (Kernprozess naturwissenschaftliche Forschung plus eine Prozessvariante) definiert, indem sie als ein Bestandteil zur Sicherstellung der Erbringung des internen Forschungsprozesses dienen. Großgeräte des HZDR können jedoch auch von externen Wissenschaftlern genutzt werden. Die Bereitstellung von Großgeräten (und zentraler Informationsdienste) ist in diesem Fall eine Dienstleistung mit der Wertigkeit eines optionalen Kernprozesses. Eine Definition als eigenständige Leistung der auF hat in der Folge auch Auswirkungen auf das Leistungsangebot der IT, da in diesem Fall die Bereitstellung als eigenständiger (IT-)Service zu definieren ist. Damit wird deutlich, dass die Prozesse einer auF und ihre Kombinationen Auswirkungen auf das IT-Service Portfolio einer auF haben.

[18]
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Prozesslandkarte sich rein auf die Ablauforganisation bezieht, d.h. eine inhaltliche Strukturierung der Prozesse darstellt. Diese Strukturierung ist nicht im organisatorischen Sinne zu sehen. Eine Zuordnung von Aktivitäten eines Prozesses zu Organisationseinheiten ist ein weiterer, hier nicht dargestellter und fokussierter Strukturierungsschritt.

4.

Zusammenspiel von Geschäftsprozessen und IT-Services ^

4.1.

Die Bedeutung der Prozesslandkarte für die Ausgestaltung der IT-Services ^

[19]
Im Hinblick auf das aus der Prozesslandkarte abzuleitende IT-Service Portfolio als lebenszyklusbasierte Übersicht aller IT-Services lassen sich folgende Überlegungen anstellen: Sind Aktivitäten eines Forschungsprozesses standardisierbar darstellbar (z.B. Simulation als Aktivität im Forschungsprozess, die sowohl in der «Großgerätenutzung» als auch in der Variante «Subatomare und Laserphysik» genutzt wird), so kann auch die entsprechende IT-Unterstützung standardisiert erfolgen (standardisierter forschungsnaher IT-Service). Aus den Prozessvarianten können sich aber auch spezifische IT-Services ableiten, wenn beispielsweise Basis IT-Services mit variantenspezifischen IT-Services kombiniert werden (vgl. Abbildung 4).
[20]
Zur Erzeugung einer kompletten Übersicht aller benötigten IT-Services und ihren Bereitstellungsformen ist eine genaue Aufnahme und Bewertung aller Prozessvarianten mit den ihr inhärenten Aktivitäten notwendig. Diese umfängliche Darstellung kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Dennoch lassen sich bereits auf Basis dieser Übersicht bestimmte, standardisierbare Anforderungsmuster für die Gestaltung von IT-Services formulieren.

4.2.

Prozessorientierte Gestaltung von IT-Services ^

[21]
Aus dem Entwurf einer Prozesslandkarte für auF und der beispielhaften Konkretisierung im vorigen Abschnitt lassen sich drei Kategorien von IT-Services identifizieren, die in Forschungseinrichtungen Verwendung finden:
(1) Unabhängig vom Forschungsauftrag existiert ein Minimalset an Anforderungen aus jedem Forschungsprozess bzw. jeder Prozessvariante, das als Schablone eine IT-organisationsweite IT-Servicegestaltung erlaubt (Beispiel IT-Basis-Services wie PC-Arbeitsplatz oder elektronische Kommunikation).
(2) In Abhängigkeit vom Forschungsauftrag und unabhängig von der konkreten Prozessvariante bestehen für alle Forschungsprozesse einer auF gemeinsame fachliche Anforderungen an einen IT-Service. Beispiele hierfür stellen forschungsnahe IT-Services wie Hochleistungsrechnen (Messen, Simulation, Auswertung), Wissens- oder Recherche-Datenbanken dar.
(3) Schließlich bedingen spezifische Ausprägungen einer Prozessvariante in Kombination mit dem konkreten Forschungsauftrag eine variantenorientierte Ausgestaltung spezifischer IT-Services. Beispiele hierfür sind IT-Basis-Services in den Varianten mobiler Arbeitsplatz oder die Bereitstellung von Forschungsgroßgeräten für externe Nutzer.
[22]
Dem Postulat einer prozessorientierten Organisationsgestaltung als Voraussetzung für die Schaffung einer serviceorientierten Gestaltung von IT-Organisationen in auF folgend, wurde ein Entwurf vorgestellt, der die Sicht auf die Kernprozesse einer auF um die Forschungsmanagementprozesse bzw. optionale Kernprozesse erweitert und somit neue Anforderungen an derartige Institutionen berücksichtigt. Aus diesem Strukturierungsansatz für die Kernprozesse einer auF können standardisierbare Anforderungsmuster für die Gestaltung (das Design und die konkrete Erstellung) von IT-Services entwickelt werden. Somit ist eine wesentliche und notwendige Bedingung für ein funktioniertes IT-Dienstleistungsmanagement erfüllt.
[23]
Die im Rahmen des durch Mittel des Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderten Forschungsprojektes «praxisorientiertes IT-Dienstleistungsmanagement für kleine IT-Organisationen» (Förderkennzeichen 2008001369) durchzuführenden konzeptionellen und auch empirischen Untersuchungen sollen hierbei einen gestaltungsorientierten Beitrag zur Weiterentwicklung der genannten Ansätze für den spezifischen Kontext von Forschungseinrichtungen leisten.

5.

Literatur ^

Becker, J.; Meise, V. : Strategie und Ordnungsrahmen. In: Becker, J.; Kugeler, M.; Rosemann, M., (Hrsg.), Prozessmanagement, 4. korrigierte und erweiterte Auflage, Springer, Berlin Heidelberg (2003).

Buhl, H.U., Heinrich, B., Henneberger, M., Krammer, A. : Service Science. In: Wirtschaftsinformatik, Heft 50 (1), S. 60-65 (2008).

Bullinger, H.-J.; Scheer, A.-W. (Hrsg .): Service Engineering, Springer, Berlin Heidelberg (2003).

Jansen, D.: Neue Governance für die Forschung- Ein Überblick über die Beiträge zur Diskussion der Reformen im deutschen Wissenschaftssystem. In: Jansen, D. (Hrsg.), Neue Governance für die Forschung, Nomos, Baden-Baden, S. 11-20 (2009).

Krcmar, H.: Informationsmanagement. 5.Auflage. Springer, Berlin Heidelberg (2010).

Leimeister, J.M.; Glauner, C.: Hybride Produkte – Einordnung und Herausforderungen für die Wirtschaftsinformatik. In: Wirtschaftsinformatik, Heft 50 (3), S. 248-251 (2008).

OGC Office of Government Commerce: IT Infrastructure Library. Service Design, The Stationary Office, London (2007).

Stauss, B.; Engelmann, K.; Kremer, A.; Luhn, A. (Hrsg.): Services Science, Springer, Berlin Heidelberg (2008).

Stokes, D.E. : Pasteur’s Quadrant: Basic Science and Technological Innovation, Brookings Institution Press, Washington, D.C (1997).

Vahs, D. : Organisation. 6., überarbeitete und erweiterte Auflage, Schäffer-Poeschel, Stuttgart (2007).

Wald, A.; Franke, K.; Jansen, D.: Governance Reforms and Scientific Production Evidence from German Astrophysics. In: Jansen, D. (Hrsg.), New Forms of Governance in Research Organizations, Springer, Dordrecht (2007).

Walter, S.M.; Böhmann, T.; Krcmar, H .: Industrialisierung der IT-Grundlagen, Merkmale und Ausprägungen eines Trends. In: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik, Heft 256 (August 2007), S. 6-13 (2007).

Zarnekow, R.: Produktionsmanagement von IT-Dienstleistungen, Springer, Berlin Heidelberg (2007)..



Claudia Lemke, Professorin für Wirtschaftsinformatik, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR), Fachbereich Duales Studium Wirtschaft und Technik, Campus Lichtenberg, Alt-Friedrichsfelde 60, 10315 Berlin, DE,claudia.lemke@hwr-berlin.de

Melanie Baier, Forschungsassistenz, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR), Fachbereich Duales Studium Wirtschaft und Technik, Campus Lichtenberg, Alt-Friedrichsfelde 60, 10315 Berlin, DE,melanie.baier@hwr-berlin.de


  1. 1 Vgl. Jansen, 2009.
  2. 2 Im weiteren Verständnis unter dem Begriff Informationstechnik (IT) verwendet.
  3. 3 Vgl. Best-Practices wie ITIL (IT Infrastructure Library) sowie Standards/Normen am Markt wie z.B. ISO 20000.
  4. 4 Vgl. Buhl et al., 2008, Bullinger und Scheer, 2003, Stauss et al., 2008, Walter et al., 2007 und Zarnekow, 2007.
  5. 5 Vgl. Leimeister und Glauner, 2008.
  6. 6 Vgl. OGC, 2007.
  7. 7 Zu den auF in Deutschland gehören die Max-Planck-Gesellschaft (MPG), die Fraunhofer Gesellschaft (FhG), die Helmholtz Gemeinschaft deutscher Forschungszentren (HGF) und die Leibniz-Gemeinschaft (WGL).
  8. 8 Die steuernde Funktion der Preise, die Kunden für eine Leistung (nicht) zu zahlen bereit sind, wird im Forschungskontext – wie bereits erwähnt – durch die Ressourcenbereitstellung unterschiedlicher Stakeholder ersetzt. Im Wissenschaftssystem fehlt die unmittelbar steuernde Funktion der Preise wie im marktwirtschaftlichen Kontext. Die Steuerung erfolgt hier zwar nicht so unmittelbar und zeitnah wie unter Marktbedingungen, hat aber mittelbar die gleiche Funktion.
  9. 9 Vgl. Stokes, 1997.
  10. 10 Hierbei handelt es sich um eine stilisierte Klassifizierung der drei Forschungstypen: So gibt es zum einen von Natur aus viele Forschungseinrichtungen, die an Schnittstellen zweier Quadranten agieren. Zudem haben die wettbewerblichen Instrumente aktueller Forschungspolitik dazu geführt, dass viele Forschungseinrichtungen ihre Aktivitäten in andere Forschungsbereiche ausdehnen.
  11. 11 Kernkompetenzen bilden den Wettbewerbsvorteil ab, den eine Organisation gegenüber anderen hat, indem sie Ressourcen und Fähigkeiten so (effizient) kombiniert, dass sie einen schwer imitierbaren, nicht substituierbaren Mehrwert für den Kunden bzw. Adressaten der Leistungserbringung erzeugen kann. Merkmal von Kernprozessen ist daher, dass sie Schnittstellen zu den Adressaten der Leistung (ggf. identisch mit dem Bereitsteller von Ressourcen) aufweisen.
  12. 12 Vgl. Vahs, 2007, S. 230 und Becker und Meise, 2003, S. 131.
  13. 13 Vgl. Wald et al., 2007, S. 217.
  14. 14 Z.B. Nachwuchsförderung, nationale und EU-weite Fördermöglichkeiten.