1.1.
Neue Aufmerksamkeit für Geschäftsprozesse ^
1.2.
Öffentliche Verwaltung als Sonderfall beim Geschäftsprozessmanagement? ^
2.1.
Gute Gründe für GPM als Gegenstand interkommunaler Kooperation ^
- Durch interkommunale Kooperation können einige der mit dem GPM verbundenen Aufgaben arbeitsteilig erledigt werden. Beispielsweise können sich Kommunen die zu dokumentierenden Ist-Abläufe untereinander aufteilen, um auf dieser Basis dann gemeinsam Optimierungsmöglichkeiten zu entwickeln.
- Erfahrungstransfer und gemeinsame Lösungsentwicklung können dazu führen, dass die für Organisationsentwicklung erforderlichen Kompetenzen im Allgemeinen und das Know-how in Sachen GPM im Besonderen in den beteiligten Kommunen schneller und nachhaltiger auf- bzw. ausgebaut werden.
- Die Erfahrung zeigt, dass für manche Probleme in einem kommunalen Prozess andernorts vielfach schon eine Lösung gefunden wurde. Schon dieser Austausch guter Praxis kann die Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerledigung deutlich verbessern [Wind 2009, S. 13 f.].
- Interkommunale Zusammenarbeit kann die Durchsetzbarkeit von organisatorischen Veränderungen verbessern. Den Beharrungskräften im eigenen Haus kann wirkungsvoll begegnet werden, wenn ein gemeinsam optimierter Geschäftsprozess andernorts bereits erfolgreich umgesetzt worden ist.
- Schließlich legt interkommunale Zusammenarbeit die Grundlage für neue Formen kommunaler Aufgabenerledigung [Berger, Wind 2009]. Hier sind an erster Stelle Leistungsnetzwerke [Schuppan 2006], insbesondere in Form sog. Shared Services, zu nennen. Die heutige Situation ist durch eine außerordentlich hohe Fertigungstiefe gekennzeichnet: Jede Kommune erledigt die Angelegenheiten für ihren territorialen Zuständigkeitsbereich inklusive aller Aufgaben der internen Verwaltung zum allergrößten Teil in Eigenregie. Aufgrund der Gleichartigkeit der Aufgaben würde es sich anbieten, von territorialen Aufgabenzuschnitten abzurücken und stattdessen eine organisationsübergreifende fachliche Arbeitsteilung zu praktizieren. Wenn eine Kommune Aufgaben für andere übernimmt und umgekehrt Leistungen an andere ausgliedert, würde sich die Fertigungstiefe deutlich reduzieren. Know-how könnte an wenigen Stellen gebündelt und Skaleneffekte würden für nachhaltige Verbesserungen in der Wirtschaftlichkeit kommunaler Aufgabenerledigung sorgen. Voraussetzung hierfür wäre die gemeinsame Auseinandersetzung mit den relevanten Geschäftsprozessen und hier insbesondere mit den Anforderungen an die zu erbringenden Leistungen und mit den in diesem Zusammenhang relevanten Schnittstellen zwischen den beteiligten Partnern.
2.2.
Aufbau und Nutzung von Prozessbibliotheken ^
- In der Prozessbibliothek der KGSt werden Geschäftsprozesse mit einem eigenen kommunalen „Fachmodellierungsstandard“ (abgekürzt als „FaMoS“) dokumentiert und den Mitgliedern zur Verfügung gestellt. Diese Notation nutzt zu einem großen Teil Elemente der BPMN, zudem wird ein methodischer Bezug zur kommunalen Produktsystematik hergestellt. Kommunen können ihre Prozessdokumentationen einreichen, die dann von der KGSt in FaMoS übertragen und über die Bibliothek zugänglich gemacht werden.
- Im Rahmen eines vom Bundesministerium des Innern geförderten Forschungsprojekts wird eine Nationale Prozessbibliothek (NPB) aufgebaut, die mit unterschiedlichen Notationen erstellte Dokumentationen enthalten soll. Eine Zusammenarbeit mit der KGSt-Prozessbibliothek wird angestrebt.
- Die ersten beiden Initiativen stammen aus Deutschland, einen weiteren interessanten Ansatz verfolgt die Schweiz: Im Rahmen der dortigen Initiative „eCH“ zur Entwicklung und Verabschiedung von E-Government-Standards wurde eine „eCH BPM Community“ aufgebaut. Mit Hilfe eines eigenen GPM-Tools können registrierte Nutzer Prozessdokumentationen mit BPMN erstellen und Erfahrungen mit der Prozessdokumentation austauschen.
2.3.
Interkommunales GPM in der Virtuellen Region Nordwest ^
- Die teilnehmenden Kommunen haben sich auf eine Auswahl relevanter Geschäftsprozesse verständigt, die einzeln oder in Kooperation dokumentiert werden. Die Prozessmodelle werden dann unter methodischen Gesichtspunkten, vor allem aber hinsichtlich möglicher Verbesserungsmöglichkeiten im Kreis der Teilnehmer erörtert.
- Die erarbeiteten Prozessmodelle werden in eine gemeinsame Datenbank überführt und auf diese Weise allen teilnehmenden Kommunen zur Verfügung gestellt.
- Gemeinsam getroffene Konventionen zur Gestaltung von Prozessmodellen werden in einem Modellierungshandbuch dokumentiert, das als fundierte Basis für die Weiterarbeit nach Projektende dienen kann.
- Bei der Dokumentation von Geschäftsprozessen ist deutlich geworden, dass der Übergang von Ist- zu Soll-Modellen, also zu optimierten Verfahrensabläufen, fließend ist. Schon bei der Aufnahme der Ausgangslage werden schnell Verbesserungsoptionen identifiziert, die von Fall zu Fall sogar gleich umgesetzt werden. Das bedeutet zweierlei: Erstens bestätigt sich, dass allein die bewusste Auseinandersetzung mit dem Status quo in vielen Fällen bereits zu Verbesserungen führen kann. Dies ist ein Kernelement von Methoden wie Total Quality Management oder Kaizen, die über den Umweg des GPM nun auch Einzug in die Organisationspraxis deutscher Kommunalverwaltungen halten könnten. Zweitens erweist sich eine Beschränkung von Tools oder Projekten auf die Dokumentation von Ist-Prozessen als unpraktikabel.
- Die Verwendung gängiger schematischer Darstellungen wie Swimlane- oder BPMN-Diagrammen hat sich als vollkommen unproblematisch erwiesen. Kommunale Abläufe lassen sich damit ebenso modellieren wie Prozesse in beliebigen anderen Branchen. Die Modelle werden auch von den Vertretern der einzubeziehenden Fachbereiche schnell verstanden. Mit dem eingesetzten Tool wie auch mit den meisten anderen am Markt angebotenen Werkzeugen lassen sich selbst umfangreiche Modelle so strukturieren, dass den unterschiedlichen Informationsbedürfnissen – von der Managementinformation über die Kommunikation mit Fachexperten bis zur IT-Konzeption für ausgewählte Prozessschritte – umfassend Rechnung getragen werden kann
- Nachdem in der Anfangsphase die Tendenz zu sehr detaillierten Prozessmodellen zu beobachten war, hat sich die Projektgruppe später darauf verständigt, Modelle wieder möglichst einfach zu gestalten. Diskutiert wurde, ob für die Darstellungen über die vom Tool standardmäßig angebotenen grafischen Notationselemente hinaus zusätzlich ausgewählte Symbole aus BPMN verwenden sollen. Auf eine entsprechende Konvention wurde verzichtet, bei Bedarf steht es den Projektteilnehmern aber offen, ihre Modelle mit BPMN-Symbolen anzureichern. Relevant erscheinen hier insbesondere die Symbole für Nachrichten- und Zeitereignisse.
- Bei der Integration der erstellten Prozessmodelle könnte sich das Problem stellen, dass in den unterschiedlichen Kommunen gleichlautende Bezeichnungen für nicht identische Objekte (Prozesselemente, Organisationseinheiten etc.) verwendet worden sind. Im weiteren Projektverlauf wird sich zeigen, wie derartige semantische Konflikte gelöst werden können und mit welchem Änderungsaufwand dies verbunden ist.
3.
Ausblick ^
4.
Literatur ^
Becker, J., Algermissen, L., Falk, T., Prozessorientierte Verwaltungsmodernisierung. Prozessmanagement im Zeitalter von E-Government und New Public Management, 2. Auflage, Berlin, Heidelberg (2009).
Berger, D., Wind, M., Die „Virtuelle Region Nordwest“ – ein Beispiel für interkommunale Zusammenarbeit beim E-Government in Deutschland, In: eGov Präsenz, Heft 1/2009, S. 84–86 (2009).
Georgantzis, S., Woran die Einführungen von PM-Tools scheitern. Die Ursachen für den Misserfolg liegen oft im Unternehmen selbst, In: Computerwoche, Heft 49/11, S. 36/37 (2011).
Mayer, A., Die Einführung neuer IT-gestützter Arbeitsprozesse in eine gewachsene Verwaltungslandschaft. Ein Selbstläufer? In: Verwaltung und Management, 17. Jg., Heft 5, S. 263–269 (2011).
Meyer, M. M., Großprojekt mit ein paar Nebenwirkungen. Die Einführung einer Projekt-Management-Software ist ein risikoreiches Vorhaben, In: Computerwoche, Heft 44/11, S. 34/35 (2011).
MIK (Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen), Der Modellversuch „Vernetzte Verwaltung“. Öffentliche Leistungserbringung in kommunaler Zusammenarbeit durch vernetzte Verwaltung mit Hilfe von IT (E-Government), Düsseldorf, http://www.d-nrw.de/referenzen/modellversuch/item/download/44 aufgerufen: 4.12.2011 (2010).
Ruisinger, D., Social-Media-Strategie. Zuerst das Ziel, dann die Tools, In: Zeitschrift Führung + Organisation, 80. Jg., Heft 5, S. 326–328 (2011).
Schilling, P., Neuland EU-Dienstleistungsrichtlinie. Eine strategie- und lösungsorientierte Übersicht für Unternehmen, Behörden und deren IT-Berater, Berlin, Wien, Zürich (2009).
Schumacher, H., Wind, M., Standardisierung kommunaler Geschäftsprozesse als Voraussetzung für erfolgreiche IT-Nutzung, In: eGov Präsenz, Heft 2/2010, S. 94–96 (2010).
Schuppan, T., Strukturwandel der Verwaltung mit E-Government. Eine Untersuchung am Beispiel von Kreis und Gemeinde, Berlin (2006).
Stember, J., Hindernisse für ein Prozessmanagement in Verwaltungen. Motivation zur Überwindung nicht rationaler Hinderungsgründe erforderlich, In: innovative Verwaltung, Heft 11/2011, S. 17–19 (2011).
Wind, M., Digitales Schriftgutmanagement in Kommunen. Ergebnisse einer Praxisanalyse der Deutschen Post AG mit dem Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund, den Gemeinden Seevetal, Neu Wulmstorf, der Samtgemeinde Jesteburg und der b.i.t.consult GmbH, http://www.nsgb.info/pics/medien/1_1251808951/Rd16709A.pdf aufgerufen: 3.1.2012 (2009).
Wind, M., Breiter, A., Erscheinungsformen der Organisationslücke: Perspektiven auf die Einbettung der Informationstechnik, In: Breiter, A., & Wind, M. (Hrsg.), Informationstechnik und ihre Organisationslücken. Soziale, politische und rechtliche Dimensionen aus der Sicht von Wissenschaft und Praxis. LIT, Münster, S. 9–40 (2011).
ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften), Business Process Management 2011 – Status quo und Zukunft. Eine empirische Studie im deutschsprachigen Europa, Winterthur (2011).