1.
Einleitung ^
2.
Visuelle Informationsaufnahme und -verarbeitung ^
2.1.
Sehen ^
2.2.
Wahrnehmen ^
2.3.
Erkennen ^
3.
Beeinträchtigung der höheren visuellen Verarbeitung ^
3.1.
Visuelle Agnosie ^
3.2.
Asymbolie ^
4.
Voraussetzungen einer sicheren Verkehrsteilnahme ^
Visuelle Wahrnehmungskompetenz |
|
Kommunikation |
|
Kognition |
|
Tabelle 1: Visuelle Kompetenzen zur sicheren Teilnahme am Straßenverkehr (nach Stöppler 2002, FN 26)
Weitere Kompetenzen sind im Bereich der auditiven Wahrnehmung, der Aufmerksamkeit, der Reaktionsfähigkeit, der Gedächtnisfähigkeit und der Motorik sowie in den Bereichen soziale Kompetenzen und Interaktion verortet.26 Von besonderer Bedeutung im Straßenverkehr ist zudem die zeitliche Dimension: das visuelle Wahrnehmen und Erkennen muss der oft schnellen Abfolge von Ereignissen Rechnung tragen können.
Die Fähigkeit des Verkehrsteilnehmers, auf die wechselnden Verkehrssituationen angemessen reagieren zu können, setzt zwingend die möglichst vollständige Wahrnehmung der Verkehrsumwelt voraus, dies ist wiederum nur auf der Basis einer ausreichenden Aufmerksamkeit und Konzentration möglich. Für die Beurteilung der Fahreignung ist der visuelle Leistungsbereich von ganz wesentlicher Bedeutung: Das Sehen stellt eine unerlässliche Sinnesmodalität zur Steuerung eines Kraftfahrzeuges dar.27 Die Überprüfung der visuellen Wahrnehmungsleistung, aber auch der Konzentrations- und Reaktionsleistungen ist zudem nur bei intakten visuellen Grundfunktionen möglich.28
5.
Auswirkungen auf Fahrtauglichkeit ^
Bestimmte neurologische und neuropsychologische Ausfälle können gem § 12 Abs 2 FSG-GV29 die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nach § 3 leg cit beschränken.30 Krankheiten oder Schädigungen des Gehirns können zu vielfältigen Störungen der sensorischen, motorischen, kognitiven (intellektuellen, geistigen) und psychischen Funktionen führen, die mit einer Aufhebung oder Beeinträchtigung der Fahreignung assoziiert werden können.31 Zur Wahrnehmung des Geschehens bedarf es neben anatomisch-physiologischen Voraussetzungen des visuellen Wahrnehmungssystems auch der Funktion der Aufmerksamkeit sowie des Rückgriffs auf Gedächtnisinhalte als Bezugsysteme für die laufenden Ereignisse im Straßenverkehr.32 Zum Beispiel wird ein rotes, weiß umrandetes Achteck in seiner verkehrsrelevanten Bedeutung erst dann erkannt, wenn gelernt worden ist, was es bedeutet und wie darauf zu reagieren ist (Sehen: Rote, achteckige Fläche mit vier weißen Zeichen; Erkennen: Das ist ein Stoppschild; Entscheiden: Ich muss anhalten).33 Zudem bergen komplexere Regelungen – etwa Verkehrszeichen mit Zusatztafeln – die Gefahr einer falschen Wahrnehmung oder Interpretation. Dies trifft etwa zu, wenn die Geltung einer Geschwindigkeitsbegrenzung mittels Zusatztafel nur auf Verkehrssituationen verschneiter Fahrbahnen oder Glatteis bezogen wird.
6.
Zusammenfassung ^
7.
Literatur ^
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- 1 Wie das Multisensorische Recht überhaupt: Brunschwig, C.R., Multisensory Law and Legal Informatics – A Comparison of How These Legal Disciplines Relate to Visual Law, in: Jusletter IT, 22.02.2011.
- 2 Wagner, A., The rules of the road, a universal visual semiotics. In: International Journal of the Semiotics of Law, Revue Internationale de Sémiotique Juridique 19 (2006) S. 311–324 (311). Das historisch erste Beispiel für die Verwendung von Verkehrszeichen im Straßenverkehr dürfte die Kennzeichnung steil abfallender Straßen durch Aufmalen eines sogenannten Hemmschuhes (Vorrichtung zum Abbremsen der Wagenräder eines Fuhrwerks) auf die seitlich der Straße liegenden Felsen sein, wobei später dazu übergegangen wurde, Tafeln aufzustellen, die neben der Abbildung noch die Aufschrift "Einhemmstelle" trugen: Krampen, M., Geschichte der Verkehrszeichen, Stauffenburg, Tübingen, S. 27 (1988).
- 3 In Österreich: Straßenverkehrsordnung (StVO), BGBl. 1960/159 idF BGBl. I 2011/59; in Deutschland: Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), BGBl. I 1970, 1565, BGBl. I 1971, 38, idF BGBl. I 2010, 1737; in der Schweiz: Signalisationsverordnung (SSV) vom 5.9.1979 (SR 741.21). Der vorliegende Beitrag bezieht sich auf die österreichische StVO.
- 4 Boehme-Neßler, V., BilderRecht. Die Macht der Bilder und die Ohnmacht des Rechts. Wie die Dominanz der Bilder im Alltag das Recht verändert, Springer, Berlin, S. 113 (2010).
- 5 Authried, N., Pilgerstorfer, M., Verkehrszeichen in Österreich. Eine juristische und wahrnehmungspsychologische Betrachtung. In: ZVR 2011, S. 410-415 (412). Die Aufmachung der Verkehrszeichen (Farbe, Rückstrahlwirkung, Abmessungen, Schriftart und -größe) ist einheitlich geregelt: §§ 2 ff. Straßenverkehrszeichenverordnung (StVZVO), BGBl. II Nr. 238/1998.
- 6 Harms, H., Aktuelle Probleme des Sehens im Straßenverkehr. In: Z Verkehrssicherheit 31 (1985) S. 50–58; Sömen, H.D., Brenner-Hartmann, J., Sehen und Wahrnehmen im Verkehr. In: Ophtalmologie 98 (2001) S. 477–481 (478).
- 7 Sömen, H.D., Brenner-Hartmann, J., Sehen und Wahrnehmen im Verkehr. In: Ophtalmologie 98 (2001) S. 477–481 (478).
- 8 Kolb, B., Whishaw, IQ., Neuropsychologie, 2. Auflage, Spektrum. Heidelberg, S. 90 f. (1996).
- 9 Kolb, B., Whishaw, IQ., Neuropsychologie, 2. Auflage, Spektrum. Heidelberg, S. 93 (1996).
- 10 Gebharter, E., Murg, M., Oder W., Bildnerei in der neurologischen Rehabilitation. Springer, Berlin, S. 19 (2009).
- 11 Goldenberg, G., Neuropsychologie. Grundlagen, Klinik, Rehabilitation, 4. Auflage, Urban & Fischer, München, S. 170 (2007).
- 12 Als zerebrale Sehstörungen werden alle Störungen visueller Funktionen, die durch eine Schädigung des zentralen (d.h. postchiasmischen) Anteils der Sehbahn, des primären Kortex (striärer Kortex, Brodmann Areal 17, V1) oder der sekudären visuellen Areale (visueller Assozialtionskortex) verursacht sind, bezeichnet: Zihl, J., Zerebrale Störungen. In: Karnath, H.-O./Hartje, W./Ziegler, W. (Hrsg.), Kognitive Neurologie, Thieme, Stuttgart, S. 2 (2006).
- 13 Zihl, J., Zerebrale Störungen. In: Karnath, H.-O./Hartje, W./Ziegler, W. (Hrsg.), Kognitive Neurologie, Thieme, Stuttgart, S. 1 (2006).
- 14 Kerkhoff, G., Groh-Bordin, C., Höhere visuelle Funktionen: Neglect, Raumorientierung, Balint-Holmes-Syndrom und visuelle Agnosien. In: Frommelt, P./Lösslein, H. (Hrsg.), Neurorehabilitation, Springer, Berlin, S. 216 (2010).
- 15 Kerkhoff, G., Groh-Bordin, C., Höhere visuelle Funktionen: Neglect, Raumorientierung, Balint-Holmes-Syndrom und visuelle Agnosien. In: Frommelt, P./Lösslein, H. (Hrsg.), Neurorehabilitation, Springer, Berlin, S. 216 (2010).
- 16 Goldenberg, G., Agnosie. In: Karnath, H.-O./Hartje, W./Ziegler, W. (Hrsg.), Kognitive Neurologie, Thieme, Stuttgart, S. 21 (2006).
- 17 Goldenberg, G., Agnosie. In: Karnath, H.-O./Hartje, W./Ziegler, W. (Hrsg.), Kognitive Neurologie, Thieme, Stuttgart, S. 21 (2006).
- 18 Kerkhoff, G., Groh-Bordin, C., Höhere visuelle Funktionen: Neglect, Raumorientierung, Balint-Holmes-Syndrom und visuelle Agnosien. In: Frommelt, P./Lösslein, H. (Hrsg.), Neurorehabilitation, Springer, Berlin, S. 216 (2010).
- 19 Leischner, A., Fradis, A., Die Asymbolien. In: Fortschr. Neurol. Psychiat 42 (1974), 264–279 (274).
- 20 Leischner, A., Aphasien und Sprachentwicklungsstörungen, Thieme, Stuttgart, S. 252 (1987).
- 21 Leischner, A., Fradis, A., Die Asymbolien. In: Fortschr. Neurol. Psychiat 42 (1974), S. 264–279 (274); Leischner A., Aphasien und Sprachentwicklungsstörungen, Thieme, Stuttgart, S. 252 f. (1987).
- 22 Sömen, H.D., Brenner-Hartmann, J., Sehen und Wahrnehmen im Verkehr. In: Ophtalmologie 98 (2001), 477–481 (478).
- 23 Sömen, H.D., Brenner-Hartmann, J., Sehen und Wahrnehmen im Verkehr. In: Ophtalmologie 98 (2001), 477–481 (478).
- 24 Sömen, H.D., Brenner-Hartmann, J., Sehen und Wahrnehmen im Verkehr. In: Ophtalmologie 98 (2001), 477–481 (478).
- 25 Schmotzer, C., Visuelle Orientierung – Optimierung von Verkehrsinformationseinrichtungen, Wien, Kuratorium für Verkehrssicherheit, S. 83 (1998).
- 26 Vgl. dazu die Darstellung bei Stöppler, R., Mobilitäts- und Verkehrserziehung bei Menschen mit geistiger Behinderung, Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 208 f. (2002).
- 27 Sömen, H.D., Brenner-Hartmann, J., Sehen und Wahrnehmen im Verkehr. Ophtalmologie 98 (2001), S. 477–481 (478).
- 28 Sömen, H.D., Brenner-Hartmann, J., Sehen und Wahrnehmen im Verkehr. Ophtalmologie 98 (2001), S. 477–481 (478).
- 29 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung BGBl. II 1997/322 idF BGBl. II 2011/280.
- 30 BMVIT, Leitlinien für die gesundheitliche Eignung von Kraftfahrzeuglenkern, GZ. BMVIT-170.606/0012-II/ST4/2006, S. 118 f. (2006).
- 31 Niemann, H., Hartje, W., Neurokognitive Funktionen und Fahreignung. In: Z Epileptol 20 (2007) S. 184-196 (185).
- 32 Sömen, H.D., Brenner-Hartmann, J., Sehen und Wahrnehmen im Verkehr. Ophtalmologie 98 (2001), S. 477–481 (478).
- 33 Sömen, H.D., Brenner-Hartmann, J., Sehen und Wahrnehmen im Verkehr. Ophtalmologie 98 (2001), S. 477–481 (478).