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Herausforderungen der Rechtsvisualisierung aus Perspektive der Wirtschaftsinformatik

  • Authors: Marcel Heddier / Ralf Knackstedt
  • Category: Short Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Legal Visualisation
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2012
  • Citation: Marcel Heddier / Ralf Knackstedt, Herausforderungen der Rechtsvisualisierung aus Perspektive der Wirtschaftsinformatik, in: Jusletter IT 29 February 2012
Mit der Sicherstellung inhaltlicher Adäquanz, methodischer Korrektheit und Wirtschaftlichkeit werden drei ausgewählte Herausforderungen der Rechtsvisualisierung vor dem Hintergrund aktueller Forschungsergebnisse der Wirtschaftsinformatik diskutiert. Die Diskussion zeigt exemplarisch Potenziale einer interdisziplinären Betrachtung dieser Herausforderungen auf und leitet Empfehlungen für die Ausrichtung einer gemeinsamen Forschungsagenda ab. So sollten zukünftig verstärkt auch die Beziehungen zwischen Visualisierungen zum Gegenstand der Forschung gemacht werden und die Gestaltungsentscheidung zwischen darstellenden Bildern und Strukturdiagrammen sollte durch empirische Forschungen unterstützt werden.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Auf dem Weg zu einer bidirektionalen Betrachtung
  • 2. Inhaltliche Adäquanz
  • 3. Methodische Korrektheit
  • 4. Wirtschaftlichkeit
  • 5. Schlussfolgerungen
  • 6. Literatur

1.

Auf dem Weg zu einer bidirektionalen Betrachtung ^

[1]
Visualisierungen wird allgemein die Eigenschaft nachgesagt, die Aufmerksamkeit zu erhöhen, die Koordination zwischen Wissensarbeitern zu verbessern, die Einprägsamkeit zu fördern, die Motivation zur Beschäftigung mit der Grafik zu erhöhen, ein tieferes Verständnis des Visualisierten zu vermitteln und versteckte Verbindungen aufzuzeigen (vgl. Eppler, Burkhard 2004). Der Erschließung dieser (und weiterer) Potenziale der Visualisierung rechtlich relevanter Sachverhalte widmet sich die Rechtsvisualisierung. Dabei ist hervorzuheben, dass im Kontext der Rechtsvisualisierung neben den Potenzialen der Visualisierung vor allem auch die Grenzen der Visualisierbarkeit intensiv diskutiert werden (vgl. z.B. Brunschwig 2001, Boehme-Neßler 2008, S. 225 ff.)
[2]
Die systematische Entwicklung von Visualisierungstechniken ist seit langem auch Gegenstand der Wirtschaftsinformatik und des Software Engineering. Der ingenieursmäßige Gestaltungsprozess sowohl der IT-unterstützten Aufbau- und Ablauforganisation von Unternehmen als auch von komplexen Softwareanwendungen allein wird dabei als eine Kette von Transformationen von Dokumenten konzipiert, wobei die Dokumente in der Regel jeweils einen hohen visuellen Anteil besitzen. Dokumente gehen dabei als Input in eine Aufgabe ein, ihr Inhalt wird verarbeitet und ein neues Dokument wird erzeugt, das wiederum in eine nachfolgende Aufgabe eingeht und so weiter. Die visuellen Anteile motivieren sich im Wesentlichen aus zwei Zielsetzungen, die durchaus miteinander in Konflikt stehen können. Einerseits kann die Visualisierung entsprechend ihrer genannten Potenziale die Kommunikation der Gestaltungsoptionen im Dialog mit Nicht-Experten unterstützen. Andererseits können die grafischen Notationen zur Formalisierung und damit zur technischen Umsetzung der Gestaltungsanforderungen beitragen.
[3]
Angesichts der großen Bedeutung von Visualisierungen in der Wirtschaftsinformatik erscheint es sinnvoll, bei Forschungen zur Rechtsvisualisierung insbesondere auch die Ergebnisse dieser Disziplin aufzugreifen (vgl. z.B. Knackstedt et al. 2011, 2010). Vor allem Ansätze zur Geschäftsprozessmodellierung wurden in den letzten Jahren von der Rechtsvisualisierung aufgegriffen und hinsichtlich ihrer Potenziale aber auch ihrer Grenzen intensiv diskutiert (vgl. Kahlig 2011, Fill 2010, Beglinger und Tobler 2008, Fill 2008, Olbrich 2007). Während beobachtet werden kann, dass die Rechtsvisualisierung die Arbeiten der Wirtschaftsinformatik aufzugreifen beginnt – wenn auch noch beschränkt sowohl in der Breite der verschiedenen Visualisierungsansätze als auch der Tiefe des Facettenreichtums einzelner Methoden – stellt sich die Frage, ob nicht auch die Wirtschafts-informatik die Forschungsprobleme und -ergebnisse der Rechtsvisualisierung intensiver aufgreifen sollte. Angesichts dessen, dass die Rechtsvisualisierung die Grenzen der Visualisierbarkeit gegenwärtig stark thematisiert, während die Wirtschaftsinformatik mit ihren Visualisierungsansätzen in Unternehmen große praktische Erfolge erzielt, läge die Vermutung nahe, dass die Forschung zur Modellierung von Informationssystemen von den Impulsen einer kritischen Reflexion in der Rechtsvisualisierung profitieren könnte.
[4]
Ziel des Beitrags ist es vor diesem Hintergrund, einer bidirektionalen Betrachtung von Rechtsvisualisierung und Wirtschaftsinformatik Vorschub zu leisten – ohne hier eine Vollständigkeit in An-spruch nehmende Diskussion führen zu können. Dem zur Verfügung stehenden Platz geschuldet, wird die Diskussion auf einige ausgewählte Herausforderungen, die in der Rechtsvisualisierung thematisiert werden, beschränkt.

2.

Inhaltliche Adäquanz ^

[5]
Die inhaltliche Adäquanz bezieht sich auf die Frage, inwieweit die Visualisierung die Sachverhalte, die der Hersteller des Bildes kommunizieren möchte, adäquat wiedergibt. In der Rechtsvisualisierung wird hierzu z. B. das Problem diskutiert, inwieweit Bilder in der Lage sind, Negationen angemessen zu repräsentieren (vgl. ausführlich Brunschwig 2001, S. 106 f.). Verbotsschilder im Straßenverkehr bilden dabei ein Beispiel für die generelle Möglichkeit. Im Folgenden werden mit der Umsetzung einer adäquaten Abstraktionshöhe und Unschärfe in Modellen der Wirtschaftsinformatik zwei der Problemfelder exemplarisch – und keineswegs erschöpfend – adressiert, die in der Rechtsvisualisierung hinsichtlich der inhaltlichen Adäquanz ebenfalls erhebliche Beachtung finden.
[6]
Angesichts des sehr konkreten Charakters darstellender Bilder (Fotos, Comics, gegenständliche Zeichnungen) ist es naheliegend zu diskutieren, dass ein Bild im Vergleich zum Rechtstext unter Umständen nicht die notwendige Abstraktionshöhe erreicht (vgl. Lachmayer 2002). Im Interesse einer bidirektionalen Betrachtung von Rechtsvisualisierung und Wirtschaftsinformatik ist es nun zu untersuchen, ob bzw. wie das geschilderte Phänomen bei der Nutzung von Strukturdiagrammen auftritt, die in beiden Disziplinen Verwendung finden. Es werden daher Prozessmodelle als Beispiel gewählt. Ein erster Blick auf typische Prozessmodellierungstechniken könnte die Vermutung nahe legen, dass diese genau ein Abstraktionsniveau erreichen. Eine genauere Analyse zeigt, dass Informationssystemmodelle differenzierte Ausdrucksmittel zur Verfügung stellen, mit denen sich ein gewünschter Abstraktionsgrad gezielt kommunizieren lässt. In der Regel werden mit Prozessmodellen allgemeine Prozesstypen dargestellt, denen sich mehrere Instanzen von Prozessdurchläufen zuordnen lassen. Werden den Funktionen statt allgemeiner Organisationseinheiten konkrete Mitarbeiter zugeordnet, reduziert sich die Anzahl der möglichen Instanzen und damit der Abstraktionsgrad der Visualisierung. Wird ggf. zusätzlich nachgehalten, wann genau einzelne Funktionen durchgeführt wurden bzw. durchzuführen sind, kann im Extremfall mit einem Prozessmodell genau eine Instanz eines Prozessdurchlaufs dargestellt werden (vgl. Knackstedt 2006, S. 42 f.). Neben den Organisationseinheiten eignen sich weitere Prozessmodellelementtypen, um den Abstraktionsgrad eines Prozessmodells gezielt zu beeinflussen (vgl. Tabelle 1). In der Regel werden die Unterschiede in den Abstraktionsgraden defektfrei kommuniziert, sofern der Leser des Modells mit der Modellierungstechnik vertraut ist. Das Phänomen, dass Informationssystemmodelle sich für unterschiedliche Abstraktionsgrade eignen, ist nicht auf Prozessmodelle beschränkt, sondern findet sich z. B. auch bei Datenmodellen in Form der Modellierung von Enititytypen und Entities in Entity-Relationship-Modellen (vgl. Chen 1976).
Typ der an eine Funktionannotierten Ressource Ausprägungen der Ressource unterschiedlicherAbstraktionshöhe
Organisationseinheit Abteilung, Rolle, Mitarbeiter
Daten Entitytyp (z. B. Kunde, Warengruppe), Entität (z. B. Frau Müller, Obst und Gemüse)
Anwendungssystem Anwendungssystemtyp (z. B. Warenwirtschaftssystem),konkrete Installationen im Unternehmen
Wissen Typen von Wissensquellen (z. B. Internet), konkrete Seite des Intranets eines Unternehmens

Tabelle 1: Modellelementtypen und -ausprägungen in unterschiedlich abstrakten Prozessmodellen

3.

Methodische Korrektheit ^

[7]
Die methodische Korrektheit fragt danach, ob das Modell bzw. die Visualisierung einer bestimmten Menge an Modellierungs- bzw. Darstellungsregeln entsprechend erstellt worden ist. Im Gegensatz zur inhaltlichen Adäquanz wird das Bild dabei nicht mit juristisch relevanten Regelungen oder Sachverhalten in Beziehung gesetzt, die das Bild gegebenenfalls repräsentieren soll, sondern es wird danach beurteilt, ob eine vorgegebene Methode zu seiner Erstellung korrekt angewendet wurde. Die Explikation der Methode dient insbesondere dem besseren Verständnisses des Bildes.
[8]
Die Modellierungs- bzw. Darstellungsregeln können selbst wiederum zum Gegenstand der Visualisierung gemacht werden. Die Bildwissenschaften diskutierten diesen Aspekt im Zusammenhang mit Bildgrammatiken (vgl. Sachs-Hombach und Rehkämper 1998). Diese Arbeiten machen auch deutlich, dass es gegebenenfalls eines Wechsels in der Darstellung bedarf, um die Regeln adäquat abzubilden. In der Wirtschaftsinformatik werden Metamodelle zur Beschreibung von Modellierungsmethoden verwendet. Das zu Grunde gelegte Metaisierungsprinzip stellt dabei klar, welcher Aspekt einer Modellierungsmethode, die dem betrachteten Modell zu Grunde gelegt wurde, von dem Metamodell betrachtet wird (vgl. im Folgenden Strahringer 1996). Sprachorientierte Metamodelle stellen die verwendeten Sprachkonstrukte und ihre Beziehungen dar. Den Sprachkonstrukten können dabei zu verwendende Symbole zugeordnet werden. Zu den Sprachkonstrukten der EPK gehören z. B. Funktionen, Ereignisse und Ressourcen, wobei letztere weiter spezialisiert werden können. Der Metamodellausschnitt in Abbildung 1 links stellt dar, dass Ressourcen mit Funktionen in Beziehung gesetzt werden können, aber nicht mit Ereignissen. Bei einer korrekten EPK sind demnach an Ereignisse keine Ressourcen annotiert (vgl. Abbildung 1 rechts). (Das Metamodell des Prozessmodells wird dabei mit einer Datenmodellierungstechnik dargestellt und stellt ein Beispiel für den Wechsel der Darstellungsmittel von der Modell- zur Metamodellebene dar.) Prozessorientierte Metamodelle bilden den Prozess der Methodenanwendung im Sinne einer Handlungsanleitung dar. Eine Handlungsanleitung der EPK könnte z. B. vorsehen, dass erst die jeweilige Funktion zu modellieren ist, bevor ihre Ressourcen zugeordnet werden. (Ein solches Metamodell ließe sich wiederum als EPK darstellen, so dass kein Wechsel in der Modellierungstechnik erfolgt.) Die Handlungsanleitungen besitzen häufig eher Empfehlungscharakter, während die sprachbasierten Metamodelle streng einzuhalten sind, um die Konsistenz des Modells zu wahren. Ggf. ist das Metamodell anzupassen, um zu explizieren, dass bisher unzulässige Modellvarianten erlaubt sein sollen. Weitere Metaisierungsprinzipien sind denkbar, wenn auch weniger häufig genutzt. Beispielsweise könnten die Aufgabenträger der Modellerstellung und ihre Beziehungen modelliert werden (in Form von Organigrammen oder Softwarearchitekturen je nach Automatisierungsgrad der Aufgabenträger) (vgl. Knackstedt 2006; S. 43 ff.).
[9]
Da Prozessmodelle auch in der Rechtsvisualisierung Anwendung finden, ist davon auszugehen, dass die Ansätze der Metamodellierung auch hier hilfreich eingesetzt werden (können). Die Anwendungsdomäne der Rechtsvisualisierung eröffnet hier allerdings die Möglichkeit, die Grenzen bestehender Metamodellierungsansätze neu auszuloten. Gegebenenfalls motivieren in der Rechtsvisualisierung gebräuchliche Darstellungsregeln eine Erweiterung des Methodenapparats der Metamodellierung in der Wirtschaftsinformatik.

4.

Wirtschaftlichkeit ^

[10]
Der Aspekt der Wirtschaftlichkeit verweist darauf, dass Visualisierung ein aufwändiges Unterfangen ist, das sich durch seinen Nutzen rechtfertigen muss. Der Steigerung der Wirtschaftlichkeit dient insbesondere die Verwendung von Softwarewerkzeugen zur Visualisierung. So wird auch in der Literatur zur Rechtsvisualisierung auf die mögliche Verwendung von Grafikanwendungen hingewiesen (vgl. z.B. Fill 2007). In der Wirtschaftsinformatik wird dieser Aspekt durch die Entwicklung neuer Modellierungssoftware adressiert. Eine weitere Möglichkeit zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit besteht in der Nutzung von Vorlagen. In Analogie zu Musterverträgen lassen sich anpassbare Schablonen auch für Rechtsvisualisierungen entwickeln und nutzen. In der Wirtschaftsinformatik wird dieser Aspekt in der Forschung zur Referenzmodellierung sehr ausführlich behandelt (vgl. Knackstedt 2006 m.w.N.). Im Folgenden soll mit der Model driven Architecture ein Ansatz zur Wirtschaftlichkeitssteigerung diskutiert werden, welcher der Rechtsvisualisierung weitere Impulse verleihen könnte (vgl. im Folgenden ausführlich http://www.omg.org/mda/).
[11]
Ziel der Model driven Architecture (MDA) ist eine Erhöhung des Automatisierungsgrads im Softwareentwicklungsprozess. Sie unterscheidet Plattform-unabhängige Modelle (PIM: platform independent model), Plattform-spezifische Modelle (PSM: platform specific model) und die softwaretechnische Implementierungen (Code). Transformationsprogramme zwischen PIM und PSM sowie PSM und Code sollen eine möglichst weitgehend automatisierte Überführung der Anforderungsspezifikationen in die Implementierung unterstützten. Zur Realisierung der Transformationsprogramme ist es insbesondere notwendig, die Metamodelle von PIM und PSM sowie PSM und Code aufeinander abzustimmen. Entscheidungsfreiräume bei der Transformation sowie fehlende Informationen auf der übergeordneten Ebene bedingen, dass die generierten Modelle der nachfolgenden Stufe häufig nicht vollständig automatisiert fertiggestellt werden können. Nichtsdestotrotz reduziert sich in der Regel der notwendige Erstellungsaufwand erheblich. Ein einfaches Beispiel für eine schrittweise Transformation stellt die Überführung eines Klassendiagramms in ein Relationenschema dar, aus dem SQL-Befehle zur Generierung von Tabellen im Datenbankmanagementsystem abgeleitet werden (z.B. CREATE TABLE). Das Klassendiagramm stellt hier ein PIM dar, da es auch in ein anderes als das relationale Datenbankschema überführt werden könnte.
[12]
Für die Rechtsvisualisierung stellt sich die Frage, ob die mit hohem Aufwand geschaffenen Visualisierungen nicht von vornherein so konzipiert werden können, dass sie für Umsetzungen genutzt werden können, die sich gegebenenfalls in Anlehnung an den MDA-Ansatz zumindest in Teilen automatisiert generieren lassen. Insbesondere Visualisierungen zu rechtlichen Regelungen in organisatorischen, informationstechnischen und sonstigen technischen (Umweltrecht, Verkehrstechnik) Bereichen, sollten auf entsprechende Potenziale hin untersucht werden. Bestehende Ansätze, die Vorgehensweisen und Werkzeuge des Software Engineerings für juristische bzw. regulatorische Arbeit nutzen, wie z.B. die Verwendung und Weiterentwicklung von Versionsverwaltungs- und Content-Management-Werkzeugen zur Handhabung rechtlicher Dokumente (vgl. z.B. Reimer 2011), sollen zukünftig auch die Potenziale des MDA-Ansatzes verstärkt berücksichtigen. In anderen Anwendungsbereichen der Rechtsvisualisierung als den genannten wird eine Umsetzung des MDA-Ansatzes vorerst wahrscheinlich auf große Schwierigkeiten stoßen. Insbesondere sofern sich die Rechtsvisualisierung darstellender Bilder (im Gegensatz zu Strukturdiagrammen) bedient, ist es gegenwärtig – insbesondere aufgrund fehlender oder unzureichender Metamodelle – nicht möglich, geeignete Transformationsroutinen zu entwickeln. Die Grenzen auch in diesen Bereichen auszuloten und gegebenenfalls neue Entwicklungen anzustoßen, könnte ein Impuls sein, der von der Rechtsvisualisierung ausgeht.

5.

Schlussfolgerungen ^

[13]
Es wurden ausgewählte Herausforderungen der Rechtsvisualisierung vor dem Hintergrund aktueller Forschungsergebnisse der Wirtschaftsinformatik diskutiert. Dabei wurden mit der inhaltlichen Adäquanz, der methodischen Korrektheit und der Wirtschaftlichkeit – grob unterschieden – drei Blickwinkel eingenommen.1 In weiterführenden Arbeiten sollten diese Perspektiven ausgeweitet und in größerer Detailliertheit untersucht werden. Um dem interdisziplinären Charakter einer solchen Untersuchung besser gerecht zu werden, wäre es zudem wünschenswert entsprechende Folgeuntersuchungen durch ein interdisziplinär zusammengesetztes Expertenpanel zu unterstützen, die beispielsweise im Rahmen einer Delphi-Studie entsprechende Herausforderungen und Lösungsansätze ihrer jeweiligen Disziplinen gegenüberstellen. Die hier vorgestellte Diskussion kann als ein vorbereitender Schritt für ein derartiges Forschungsprojekt angesehen werden.
[14]
Die Ergebnisse der bisherigen Untersuchung können in zwei wesentlichen Schlussfolgerungen zusammengefasst werden:

Empfehlung 1: Zukünftig sollten in der Rechtsvisualisierung verstärkt auch die Beziehungen zwischen Visualisierungen zum Gegenstand der Forschung gemacht werden.

[15]
Gegenwärtig steht die Beziehung zwischen den darzustellenden Rechtsinhalten und den Visualisierungen im Vordergrund. Die Diskussion in Abschnitt 2 kann als exemplarischer Beleg dafür gelten, dass Vergleiche von Rechtstexten und Visualisierungen hinsichtlich Abstraktionsgrad und Unschärfe zu wichtigen Ergebnissen führen. Neben den hier ausgewählten Beurteilungskriterien ist noch eine Vielzahl weiterer Kriterien relevant, die hier nicht behandelt werden konnten (vgl. z. B. Brunschwig 2001, Boehme-Neßler 2008, S. 225 ff.). Neben dieser Beziehungskategorie (zwischen Text bzw. Sachverhalt/Inhalt und Visualisierung bzw. Modell) sollten weitere Beziehungen zwischen Visualisierungen aber nicht vernachlässigt werden:
  • Modell – Metamodell: Metamodellierung stellt ein wirksames Instrument zur Sicherstellung einer methodisch korrekten Entwicklung von Visualisierungen dar (vgl. Abschnitt 3) und bildet eine wesentliche Basis für die Realsierung von Visualisierungssoftware (vgl. Abschnitt 4).
  • Modell – Referenzmodell: Die Referenzmodellierung unterstützt eine systematische Entwicklung von Vorlagen, welche die Produktivität der Visualisierung drastisch erhöhen kann (vgl. Abschnitt 4).
  • Modell – transformiertes Modell: Die (teil)automatisierte Transformation einer Visualisierung in eine andere, z. B. implementierungsnähere oder adressaten(kreis)gerechtere, Visualisierung kann ebenfalls dazu beitragen, die Wirtschaftlichkeit der Rechtsvisualisierung zu erhöhen (vgl. Abschnitt 4).

Empfehlung 2: Die Gestaltungsentscheidung zwischen darstellenden Bildern und Strukturbildern sollte durch empirische Forschungen unterstützt werden.

[16]
Viele der diskutierten Ansätze der Wirtschaftsinformatik zur Steigerung insbesondere der Wirtschaftlichkeit der Visualisierung lassen sich zumindest gegenwärtig nur auf Strukturdiagramme sinnvoll anwenden. In der Rechtsvisualisierung werden aber vor allem auch darstellende Bilder zur Vermittlung rechtlich relevanter Sachverhalte intensiv diskutiert. Vor diesem Hintergrund erscheint es notwendig, den Nutzen und die Kosten darstellender Bilder im Vergleich zu Strukturbildern genauer zu untersuchen. Entsprechende Forschungsergebnisse wären ein wesentlicher Beitrag, um in der juristischen Praxis eine fundierte Entscheidung zwischen Visualisierungsalternativen treffen zu können.
[17]
Eine verstärkte Forschung in Richtung beider Empfehlungen würde nicht allein der Rechtsvisualisierung zu gute kommen. In beiden Fällen könnten Erkenntnisse gewonnen werden, welche auch der Wirtschaftsinformatik zusätzliche Impulse verleihen.

6.

Literatur ^

Becker, J., Schütte, R., Handelsinformationssysteme, 2. Aufl., Frankfurt am Main (2004).

Beglinger, J., Tobler, C., Das EUR-Charts-Projekt oder: The Making of „Essential EC Law in Charts“ – Visualisierung eines Rechtsgebietes am Beispiel des Rechts der Europäischen Union, in: Schweighofer, E., Geist, A., Heindl, G., Szücs, C. (Hrsg.), Komplexitätsgrenzen der Rechtsinformatik, Tagungsband des 11. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2008, 531–539 (2008).

Boehme-Neßler, V., Unscharfes Recht, Überlegungen zur Relativierung des Rechts in der digitalisierten Welt, Berlin (2008).

Brunschwig, C. R., Visualisierung von Rechtsnormen, Legal Design, M.T. Fögen et al. (Hrsg.), Zürcher Studien zur Rechtsgeschichte, Vol. 45, Zurich (2001).

Chen, P. P.-S., The Entity-Relationship Model – Toward a Unified View of Data, in: ACM Transactions on Database Systems, Vol. 1, No. 1, 9-36 (1976).

Eppler, M.J., Burkhard, R.A., Knowledge Visualization. Towards a New Discipline and its Fields of Application. Arbeitsbericht Nr. 2/2004. University della Svizzera italiana, Faculty of Communication Sciences (2004).

Fill, H.-G., A Polysyntactic View on the Encoding of Semantics in Legal Visualizations, in: Jusletter IT, 1 September 2010 (2010).

Fill, H.-G., Basic Considerations of Semantics in Visual Models, in: Schweighofer, E., Geist, A., Heindl, G., Szücs, C. (Hrsg.), Komplexitätsgrenzen der Rechtsinformatik, Tagungsband des 11. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2008, 549–557 (2008).

Fill, H.-G., On the Technical Realization of legal Visualizations, in Tagungsband des 10. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS (2007).

Kahlig, W., Visualisierungstypologie des Deutschen Privatrechts, in: Jusletter IT, 24. Februar 2011 (2011).

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Knackstedt, R., Eggert, M. Gräwe, L., Spittka, J., Forschungsportal für Rechtsinformatik und Informationsrecht, in: MultiMedia und Recht, 13 (2010) 8, S. 528–533 (2010).

Knackstedt, R., Fachkonzeptionelle Referenzmodellierung einer Managementunterstützung mit quantitativen und qualitativen Daten, Berlin (2006).

Knackstedt, R., Heddier, M., Becker, J., Fachkonzeptionelle Modellierung rechtskonformer Informationssysteme als Anwendungsgebiet der Rechtsvisualisierung, in: Schweighofer, E., Kummer, F. (Hrsg.), Europäische Projektkultur als Beitrag zur Rationalisierung des Rechts. Tagungsband des 14. Internationalen Rechtsinformatik Symposions, IRIS 2011, Wien, S. 559–568 (2011).

Lachmayer, F., Visualisierung des Abstrakten, in: Schweighofer, E.; Menzel, T./Kreuzbauer, G. (Hrsg.), IT in Recht und Staat, Aktuelle Fragen der Rechtsinformatik, Wien: Band 6 der Schriftenreihe Rechtsinformatik, 309-317 (2008).

Olbrich, S., Visualisierung von rechtlichen Rahmenbedingungen in Geschäftsprozessmodellen, in: Schweighofer, E., Geist, A., Heindl, G. (Hrsg.), 10 Jahre IRIS – Bilanz und Ausblick, Tagungsband des 10. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2007, 475–479 (2007).

Reimer, S., Neue Methoden zur effizienten Ausarbeitung von Vertrags- und Gesetztestexten, in: Schweighofer, E., Kummer, F. (Hrsg.), Europäische Projektkultur als Beitrag zur Rationalisierung des Rechts. Tagungsband des 14. Internationalen Rechtsinformatik Symposions, IRIS 2011, S. 449-458 (2011).

Sachs-Hombach, K.; Rehkämper, K. (Hrsg.), Bildgrammatik, Interdisziplinäre Forschungen zur Syntax bildlicher Darstellungsformen, Magdeburg (1998).

Schütte, R., Grundsätze ordnungsmäßiger Referenzmodellierung, Konstruktion konfigurations- und anpassungsorientierter Modelle, Wiesbaden (1998).

Strahringer, S., Metamodellierung als Instrument des Methodenvergleichs. Eine Evaluierung am Beispiel objektorientierter Analysemethoden, Aachen (1996).

Thomas, O., Fuzzy Process Engineering. Integration von Unschärfe bei der modellbasierten Gestaltung prozessorientierter Informationssysteme, Wiesbaden, Gabler (2009).

Zadeh, L. A., Fuzzy Sets, in: Information and Control, Vol. 8, No. 3, 338353 (1965).

  1. 1 Die gewählten Blickwinkel lehnen sich – ohne dies hier ausführlich diskutieren zu können – an die Grundsätze ordnungsmäßiger Modellierung an, in denen die Richtigkeit der Modelle aus semantischer und syntaktischer Perspektive sowie die Wirtschaftlichkeit der Modellierung hervorgehobene Beachtung finden (vgl. ausführlich Becker, Schütte 2004, Schütte 1998).