Jusletter IT

GDS - ein Public Private Partnership Projekt auf Basis von §294a (3) EO

  • Author: Dieter Zoubek
  • Category: Short Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: e-CODEX, E-Justice
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2012
  • Citation: Dieter Zoubek, GDS - ein Public Private Partnership Projekt auf Basis von §294a (3) EO, in: Jusletter IT 29 February 2012
§294a (3) EO regelt die Bekanntgabe von Geburtsdaten von Verpflichteten bei Vorlage von Exekutionstiteln bei einer Meldebehörde. Der Beitrag beschreibt das Finden eines Workflows für die Übertragung von Exekutionstiteln zu einem Dienstleister, die Einholung der Beauskunftung sowie die strukturiere Übermittlung an den Anfrager. Trägermedium für die Datenübertragung ist der Elektronische Rechtsverkehr der Justiz. Behandelt werden auch gescheiterte legistische Vorhaben für einen durchgehenden Workflow ohne Medienbruch, Problemsituationen mit dem Gebührengesetz, die Vertragskonstruktion zwischen Dienstleister und der beauskunftenden Meldebehörde sowie die tiefe Integration der Dienstleistung in marktübliche ERV-Software für Rechtsanwälte.
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Für die Forderungsbetreibung bietet die österreichische Rechtsordnung das Instrument der Exekution (Synonym zu Deutschland: Zwangsvollstreckung) an. Exekutionsanträge an Gerichte sind unter Bezugnahme auf einen Exekutionstitel, z.B. einen gerichtlichen Zahlungsbefehl zu formulieren. Rechtsanwälte haben sich einer strukturierten Datenübermittlung mittels XML-Datei im sogenannten Elektronischen Rechtsverkehr (ERV) zu bedienen. Bei Verpflichteten, die natürliche Personen sind, ist das Geburtsdatum der betreffenden Person als Pflichtfeld mit zu liefern. In einer zweistelligen Quote von Fällen (Schätzung: 15%) ist beim Rechtsanwalt das Geburtsdatum von Verpflichteten in Exekutionsverfahren nicht vorhanden. Eine der Ursachen ist, dass Gewerbetreibende das Geburtsdatum ihrer Kunden meist nicht erheben bzw. Bedenken haben, diese zu erheben. §294a (3) EO regelt:

Die Meldebehörden haben Personen, die ihnen eine Ausfertigung eines Exekutionstitels oder eine Ablichtung hievon vorlegen, aus dem Melderegister Auskunft über das Geburtsdatum des im Exekutionstitel genannten Schuldners zu erteilen.

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In Österreich ist es üblich, dass sich Rechtsanwälte selbst oder mit Gehilfen persönlich an Meldebehörden (Gemeindeämter oder Magistrate) wenden, auch gab es bisher schon Besorgungsdienstleister.
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Das auf Dienstleistungen der Rechtsinformatik spezialisierte Unternehmen IMD ließ rechtlich prüfen, ob ein durchgehend elektronischer Beauskunftungsprozess Rechtsanwalt -> Gemeinde -> Rechtsanwalt zulässig wäre, dabei hätte ein beim Rechtsanwalt ohnehin elektronisch vorliegender Exekutionstitel über den Elektronischen Rechtsverkehr an Gemeinden gesandt werden können. Diese hätte das beauskunftete Geburtsdatum am gleichen Weg an den anfragenden Rechtsanwalt zurück gemittelt.
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Die rechtliche Prüfung ergab keine grundsätzlichen Hindernisse für diesen Ablauf. Allerdings zeigte sich, dass ein so konstruierter Ablauf erhebliche gebührenrechtliche Folgen hätte. Nach dem Gebührengesetz 1957 wäre eine solche „Eingabe“ als schriftlich zu qualifizieren. Demgemäß fiele eine Bundesabgabe von über 17 EUR pro Beauskunftung an. Da eine Summe dieser Größenordnung wirtschaftlich nicht attraktiv wäre, wurde folgende Konstruktion gewählt:
  • Der Rechtsanwalt übermittelt den Exekutionstitel über den ERV (ersatzweise über E-Mail) elektronisch an IMD.
  • IMD druckt die Titel aus und legt sie ohne separates Ansuchen der Marktgemeinde Guntramsdorf vor.
  • Die Marktgemeinde Guntramsdorf beauskunftet diese mündlich. Dabei beauskunftet diese Gemeinde bundesweit und nicht nur im eigenen Einzugsbereich.
  • IMD-Mitarbeiter erfassen die Geburtsdaten und senden sie strukturiert und aktenbezogen dem anfragenden Rechtsanwalt zurück. Eine geeignete Software beim Kunden vorausgesetzt, wird das Geburtsdatum beim Rechtsanwalt automatisch in den Stammdatenbereich des entsprechenden Aktes eingepflegt und kann ohne Medienbruch und Tippaufwand automatisch für Exekutionsanträge genutzt werden.
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Für Positivauskünfte werden dem Anfrager von IMD 7,50 EUR verrechnet, bei Negativauskünften 4,00 EUR, jeweils zzgl. USt. Ein bestehendes Kundenverhältnis mit IMD ist dabei keine Voraussetzung bzw. wird durch den Vorgang der erstmaligen Übermittlung eines Exekutionstitels begründet.
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Die Marktgemeinde Guntramsdorf erhält einen Anteil am erwirtschafteten Umsatz – anders als bei schriftlicher Vorlage, hier würden Gebühren nach Gebührengesetz nur dem Bund zufließen, die beauskunftende Gemeinde wäre am Ertrag nicht beteiligt.
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IMD beteiligt am Ertrag auch jene Hersteller von Rechtsanwaltssoftware, in deren Produkte ERV-Übermittlungen von Exekutionstiteln an IMD strukturiert angeboten werden. Inzwischen unterstützt die Mehrzahl der österreichischen Hersteller von ERV-Software diesen Modus oder hat das bereits angekündigt.
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Warum Negativauskünfte? In etwa 10 bis 20 Prozent aller Fälle sind Verpflichtete im Zentralen Melderegister (ZMR) nicht oder nicht eindeutig identifizierbar. In diesen Fällen wird eine Negativauskunft erteilt bzw. günstiger verrechnet.
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Bisher gab es mehrere Vorstöße, maßgeblich getragen vom Autor diese Zeilen, Rechtsanwälten den Zugang zu Geburtsdaten zu ermöglichen. Separate Novellenvorschläge des Meldegesetzes und der Exekutionsordnung befanden sich bereits im parlamentarischen Begutachtungsstadium, wurden aber nach Ablehnung durch die Datenschutzkommission zurückgezogen.
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Denkbar erscheint derzeit, dass im Zuge der Neufassung des Meldegesetzes ein legistischer Weg gefunden werden kann, das oben beschriebene PPP-Modell durch einen rein behördlichen Prozess zu ersetzen.