- Aus “Alle Griechinnen sind edel“ aber „Helena ist nicht edel“ folgt „Helena ist keine Griechin“. Baroco
- Aus „Helena ist eine Griechin“ aber „Helena ist nicht edel“ folgt „Manche Griechinnen sind nicht edel“. Bocardo
Barbara | Baroco | Bocardo |
Alle Griechinnen sind edel.Helena ist eine Griechin.Helena ist edel. | Alle Griechinnen sind edel.Helena ist nicht edel.Helena ist keine Griechin. | Helena ist nicht edel.Helena ist eine Griechin.Manche Griechinnen sind nicht edel. |
Der italienische Philosoph Benedetto Croce nimmt an, dass der Name Barock, für einen Stil, der sich mit dynamischen Effekten von der klassischen Haltung der Renaissance abhob, von dem Syllogismus Baroco herkomme. Er weist darauf hin, dass man die Redensart parlare in baroco für geschwollenes Reden schon zu einer Zeit benutzte, als der Barock in der Kunstgeschichte noch gar nicht sichtbar war.2
Croces These ist freilich sehr umstritten. Herrschend ist die Auffassung, dass sich der Name Barock von „Baroco“, dem portugiesischen Wort für eine schiefe, unregelmäßig gewachsene Perle, herleite. Allerdings scheint mir diese Antwort die Frage nur zu verschieben. Es kann sein, dass sich zwar der Stil Barock von dem scholastischen Schluss herleitet, aber dann wiederum fragt es sich, warum die Scholastiker dem Leitbild der schiefen Perle folgten. Die Namen der Modi sind keineswegs sinnlos und nur mnemotechnisch gemeint.
Es gibt nach traditioneller Zählung 24 unterschiedliche Syllogismen.3 Jeder Syllogismus besteht aus drei Sätzen. Diese können affirmativ oder negativ sein, und sie können sich auf “alle ...“ oder auf “einige ...“ richten. Die Namen der Syllogismen deuten dabei ihre Struktur an. Dafür gibt es die Merksätze affirmo und nego. Ein affirmativer Universalsatz ist durch ein a angedeutet, für einen affirmativ-partikulären Satz steht ein i. Der negierte Universalsatz wird durch ein e gekennzeichnet und der negierte Partikularsatz durch ein o.
In Barbara treffen drei affirmative Universalsätze zusammen, also dreimal a im Namen. Die Scholastiker hätten auch amanda wählen können; doch gab es wohl keine heilige Amanda. Was Baroco anlangt, so beginnt er mit einem affirmativen Universalsatz: „Alle Griechinnen sind edel.“ Also a. Als nächstes ein negierter Partikularsatz, also o. Als drittes ebenfalls wieder ein o.
Außerdem ist in den Namen der Syllogismen angedeutet, wie ihre Gültigkeit zu beweisen ist. In Baroco (ebenso in Bocardo) steht ein c für contradictio. Das weist auf eine reductio ad absurdum hin: wenn Baroco ungültig wäre, müsste auch Barbara ungültig sein. Das aber wäre absurd, denn die Gültigkeit von Barbara gilt als evident.
Hätte man für Baroco einen anderen Namen wählen können? Vermutlich ja, es hätten wohl noch andere Ausdrücke finden lassen, in denen ein a, gefolgt von zweimal einem o vorkommt, und in denen dann noch ein c steht. Besonders plausibel ist dieser, der aus dem Arabischen stammt:
ba ← al
ro ← co
co ← hol
Doch die geistlichen Herren, die durch die Pflege des Weinbaus Gewaltiges für die europäische Kultur geleistet haben, konnten diesen Namen wohl nicht unchiffriert verwenden.4 Gibt es aber eine bessere Chiffre für Alkohol als Baroco, die “schräge Perle“?
- 1 Erst im Mittelalter hat man Eigennamen in die Syllogistik eingeführt. Das klassische Beispiel war das vom sterblichen Sokrates: ein treffliches Beispiel, weil Sokrates ein Mensch war, der seine Sterblichkeit in bleibender Weise vorgelebt hat. Hierzu, wie auch sonst zu allen Fragen, die die traditionelle Syllogistik betreffen, vgl. Theodor Bucher, Einführung in die angewandte Logik, 1. Aufl. Berlin 1987.
- 2 Benedetto Croce, Problemi di Estetica, Bari 1954. Dem schließt sich Gustav René Hocke an: Manierismus in der Literatur, Hamburg 1959, und neuerdings Camelia Elias, The Fragment – Towards a History and Poetics of a Performative Genre, Bern 2004.
- 3 Nach moderner, mehr asketischer Zählung sind es 15. Askese ist aber nicht in jeder Hinsicht ein Vorzug; in der Logik vergibt man damit rhetorische Möglichkeiten. (Auf den Zusammenhang von Logik und Rhetorik weist vor allem G. R. Hocke hin, a.a.O. S. 143 ff. und passim.) Man rezitiere einmal einen Syllogismus im Modus Baralipton: Alle Griechen sind scharfsinnig - Alle Athener sind Griechen – Und dann kommt: Einige Athener sind scharfsinnig. Welch eine Überraschung! Man hätte erwartet: Alle Athener sind scharfsinnig. Was Baralipton und Baroco gemein haben, ist eine enttäuschte Barbara-Erwartung. Seit Montaigne und Pascal werden die beiden Namen immer wieder zusammen zitiert, mit antischolastischer Tendenz. „Barbarische Namen, die jene in Erstaunen versetzen, die sie vernehmen.“ So Pascal, Betrachtungen über die Geometrie, in „Kleine Schriften zur Religion und Philosophie“, Hamburg 2005. Weil Baralipton eine logische Abschwächung von Barbara ist, wird der Modus in neueren Listen der gültigen Syllogismen nur mit Vorbehalt geführt.
- 4 Im Arabischen lautet es „al ku hul“. Aber selbst bei Usama bin Laden hat man im Abendland das u durch ein o ersetzt, außer in der sehr genauen Frankfurter Allgemeinen.