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Scripted Reality - (Urheber-)rechtliche Herausforderungen neuer Fernsehformate

  • Author: Clemens Thiele
  • Category: Short Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: IP Law
  • Collection: Conference proceedings IRIS 2012
  • Citation: Clemens Thiele, Scripted Reality - (Urheber-)rechtliche Herausforderungen neuer Fernsehformate, in: Jusletter IT 29 February 2012
Alles wirkt täuschend echt – als sei die Kamera mitten drin im wahren Leben. Die sog. „Scripted Reality“ erfreut sich nicht nur im Privatfernsehen steigender Beliebtheit. „Bauer sucht Frau“, „Die Schulermittler“ oder ähnliche Reportagen stellen bloße Pseudo-Dokumentationen dar. Alle Dialoge sind vorgegeben, gesprochen von echten Schauspielern. Der dokumentarische Stil wird lediglich vorgetäuscht und durch einen kurzen, sehr klein geschriebenen Hinweis am Anfang erklärt: „Alle handelnden Personen sind frei erfunden“. Ein Zuschauer der mittendrin einschaltet, merkt aber von der Täuschung nichts. Dieses neue Fernsehformat wirft neben der Frage, ob schlichte Sehertäuschung vorliegt, auch urheber-, medien-, lauterkeits- und persönlichkeitsrechtliche Themen auf.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung – Technische Grundlagen
  • 2. Medienrechtliche Beurteilung
  • 2.1. Trennungsgrundsatz?
  • 2.2. Wahrheitsgrundsatz?
  • 3. Lauterkeitsrechtliche Beurteilung
  • 3.1. Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt
  • 3.2. Spürbare Unlauterkeit
  • 4. Urheberrechtliche Beurteilung
  • 5. Persönlichkeitsrechtliche Beurteilung
  • 5.1. Schutz des Lebensbildes
  • 5.2. Bildnisschutz
  • 5.3. Namensschutz
  • 5.4. Der Katzenberger-Effekt
  • 6. Zusammenfassung
  • 7. Literatur

1.

Einleitung – Technische Grundlagen ^

[1]
Streng genommen sind „Scripted Reality“-Formate von den Doku-Soaps zu unterscheiden.1 Die wesentlichen Unterschiede sind:
  • Der dokumentarische Stil wird lediglich vorgetäuscht und durch einen kurzen Hinweis erklärt: „Alle handelnden Personen sind frei erfunden“.
  • Die handelnden Personen werden meist von gecasteten Laiendarstellern gespielt.
  • Alle Personen agieren nach einem Drehbuch.
  • Die Authentizität einer voyeuristischen Reportage wird inszeniert.
  • Die frei erfundenen Geschichten bilden häufig real existierende Vorurteile ab.
[2]
Bei so verstandenen Scripted Reality-Formaten (oder auch „Pseudo-Dokus“ genannt) tritt als entscheidendes Merkmal hinzu, dass eine klare Kennzeichnung von Fiktion und Information – jedenfalls während der Sendung – gänzlich fehlt. Die empirische IPSOS-Studie2 belegt, dass von den Fernsehzuschauern die Scripted-Reality Formate für klassische Dokumentationen gehalten werden:
[3]
Den „Machern“ der gestellten Dokumentarserien ist die Frage nach der Erkennbarkeit der Inszenierung nebensächlich. Nach ihrer Auffassung sei es für den Zuschauer gleichgültig, ob die Szenen echt seien oder nicht, für ihn zählt ja alleine das Fernsehvergnügen: „Da wir letztlich – wenn auch mit anderen Mitteln – fiktionale Unterhaltung produzieren, tun wir das, was fiktional eine Unterhaltung immer getan hat: Wir dramatisieren.“3
[4]
Medientheoretiker legen sogar zum sog. „factual entertainment“ noch nach, dass die Inszenierungsmaschine Fernsehen mit dem neuen Format lediglich offen lege, dass und nach welchen Regeln sie Wirklichkeit inszeniere – man nennt das „angewandten Konstruktivismus“.4 Derartig medientheoretisch unterfüttert, engagieren die Sender weiterhin Laiendarsteller, die so tun, als würden sie in realen Situationen gefilmt. Scripted Reality, also die inszenierte oder nachgestellte Wirklichkeit, macht Quote. Der finanzielle Aspekt darf nicht vernachlässigt werden: Für die Sender ist es viel billiger, Scripted Reality herstellen zu lassen, als die Kamera im wirklichen Leben einzusetzen. Denn nichts schlimmeres, als wenn sich die Teenager auf der Maturareise einfach gut verstehen und der Krach ausbleibt. Tausende von Euro Produktionskosten wären in den Sand gesetzt; da nimmt der Sender doch lieber die Laiendarsteller und legt fest, wann der Streit eskaliert. Angesichts der Effizienz, mit der hier zu Werke gegangen wird, drängt sich ein Vergleich zum Analogkäse und Gammelfleisch auf: Die industrielle Fleischerzeugung hat weitgehend auf das häufig unförmige Stück Schweinekeule verzichtet und stellt aus Fleischfetzen künstlich zusammengesetzte Formfleischvorderschinken im Pressverfahren her. Im Unterschied zur Fernsehmassenware kann der Schinkenkonsument zumindest exakt nachlesen, was wirklich drinnen ist.
[5]
Ernüchternd ist daher Scherz/Höch5 zuzustimmen: „Fest steht nur, dass die Ausbeutung des Privaten im Fernsehen eine neue Industrialisierungsstufe erreicht hat“. Bedauerlicherweise ist auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen betroffen. Hier tritt der Aspekt der zwangsweisen Gebührenzahlung noch hinzu.

2.

Medienrechtliche Beurteilung ^

2.1.

Trennungsgrundsatz? ^

[6]
Der Trennungsgrundsatz für kommerzielle Kommunikation findet sich in zahlreichen gesetzlichen Bestimmungen. So betont § 14 Abs. 1 Satz 1 ORF-G, dass Werbung als solche leicht erkennbar sein muss, um sie vom redaktionellen Inhalt unterscheiden zu können. Scripted Reality will Unterhaltung und keine Werbung sein; wenngleich der Begriff der Werbung sehr weit auszulegen ist. Im weiteren Sinn dient „Werbung“ dazu, auf ein eigenes Bedürfnis und die Möglichkeit seiner Befriedigung hinzuweisen, wobei auch schon die Anregung zu einer Inanspruchnahme bestimmter Leistungen diesem Begriff unterstellt werden kann.6 Treten also keine zusätzlichen werbebezogenen Aspekte wie z.B. product placement oder ähnliches hinzu, kann das Scripted Reality-Format an sich nicht als gegen den Trennungsgrundsatz verstoßend angesehen werden.

2.2.

Wahrheitsgrundsatz? ^

[7]
Ein juristischer Grundsatz des Werberechts ist – so paradox es klingen mag – der Wahrheitsgrundsatz. Im Printbereich wird dergleichen grundsätzlich auch für den (redaktionellen) Inhalt einer Zeitung vertreten.7 Nach dieser Auffassung trifft Medienunternehmen zwar die Pflicht zur Wahrhaftigkeit, nicht aber zur objektiven Wahrheitsfindung. Diese Pflicht zur Wahrhaftigkeit ist in den § 6 Abs. 2 Z 2 lit. b MedienG sowie § 29 MedienG als Teil der journalistischen Sorgfalt verankert.8 Einer Durchsetzung gegenüber Scripted Reality-Formaten im Sinne eines gänzlichen Verbotes steht jedoch das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 10 MRK gegenüber. Den grundrechtlich gangbaren Weg stellt jedoch m.E. das Gebot erhöhter Informationspflichten dar. Dem Grundrechtsvorbehalt folgend, bedarf es dazu ausdrücklicher gesetzlicher Anordnungen, die derzeit – soweit ersichtlich – für Scripted Reality-Formate fehlen.

3.

Lauterkeitsrechtliche Beurteilung ^

3.1.

Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt ^

[8]
Ausgehend von der journalistischen Sorgfalt als besonderer Ausformung der beruflichen Sorgfalt i.S. von Art. 5 Abs. 2 RL-UGP9 könnte damit argumentiert werden, dass eine derartige „Täuschung“ des Publikums ein unlauteres Verhalten darstellt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Einsatz dieser Fernsehformate das wirtschaftliche Verhalten eines Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen geeignet ist.10
[9]
Zu beachten ist, dass das österreichische Höchstgericht erst jüngst dem EuGH als Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, ob Art. 5 RL-UGP dahin auszulegen ist, dass bei irreführenden Geschäftspraktiken i.S. des Art. 5 Abs. 4 RL-UGP eine gesonderte Prüfung der Kriterien „der beruflichen Sorgfalt“ nach Art. 5 Abs. 2 lit. a der RL-UGP entbehrlich ist oder nicht? Dem Vorabentscheidungsersuchen11 lag folgender Ausgangsfall zugrunde: Das später beklagte Reiseunternehmen hatte mit österreichischen Beherbergungsbetrieben für bestimmte Zeiträume exklusive Kontingentverträge abgeschlossen und die Exklusivität durch Rücktrittsrechte und Vertragsstrafen abgesichert. Die Beklagte bewarb diese Unterkünfte in einer Broschüre als exklusiv bei ihr buchbar. Die spätere Klägerin buchte (nach der Beklagten) bei denselben Betrieben für dieselben Termine ebenfalls Bettenkontingente, womit die Beherbergungsbeträge gegen ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Beklagten verstießen. Die Klägerin klagte auf Unterlassung irreführender Exklusivwerbung, die Beklagte wandte Einhaltung der beruflichen Sorgfalt ein: Auf Grundlage der abgeschlossenen Verträge hätte sie auf die Exklusivität vertrauen dürfen
[10]
Im Kern geht es um das Verhältnis zwischen großer und kleiner Generalklausel des UWG. Liegt nämlich eine objektiv irreführende Angabe vor, ist aber keine Verletzung der beruflichen Sorgfalt zu attestieren, müsste dann der Unterlassungsanspruch entfallen. Diese Frage wird auch in anderen EU-Staaten diskutiert.

3.2.

Spürbare Unlauterkeit ^

[11]
§ 1 Abs. 1 Z 1 UWG erfasst
  • eine unlautere Geschäftspraktik oder
  • sonstige unlautere Handlung,
[12]
die geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht nur unerheblich zu beeinflussen. Mit dem Attributsatz übernimmt die UWG-Nov. im B2B-Bereich das von der Rsp.12 zuvor entwickelte Prinzip der „Spürbarkeit“, d.h. den Grundsatz, wonach die Unlauterkeit nicht losgelöst davon beurteilt werden kann, in welchem Ausmaß sie den Wettbewerb beeinflusst. Gefordert wird, eine nicht unerhebliche Nachfrageverlagerung zu bewirken,13 weil es nicht Aufgabe der Lauterkeitskontrolle sein kann, gegen jede noch so geringe Nachfrageverlagerung vorzugehen. Demzufolge stellt sich die Frage, ob die Sehgewohnheiten sich ändern würden, wenn die Fernsehzuschauer über die inszenierte oder nachgestellte Wirklichkeit von Scripted Reality voll informiert wären.
[13]
Schließlich ist zu bedenken, dass für den Einzelnen das Klagsinstrumentarium des UWG nicht zur Verfügung steht, sondern es erst eines Mitbewerbers im Sinne des § 14 UWG bedarf oder einer Legalpartei wie z.B. Verbraucherschutzorganisationen um lauterkeitsrechtliche Verstöße geltend zu machen.14

4.

Urheberrechtliche Beurteilung ^

[14]
Urheberrechtlich nicht schutztauglich sind sämtliche tatsächlichen Gegebenheiten und Ereignisse, d.h. alles, was – insbesondere durch die Natur oder die Geschichte – vorgegeben ist.15 Hierzu zählen historische Personen und Geschehnisse,16 Tagesereignisse und Nachrichten tatsächlichen Inhalts17 sowie Naturgesetze und Daten.18 Dem Urheberrechtsschutz zugänglich sind dagegen die aus den Tatsachen gezogenen Thesen, die auf den Fakten aufbauende historische Interpretation, das wirtschaftliche Zusammenhänge erläuternde neue Modell oder die soziologische Erklärung gesellschaftlicher Phänomene, soweit sie ihrem Autor nicht vorgegeben waren.19
[15]
Die Rsp.20 verneint i.d.R. bei sog. „Kunstfiguren“ die Bezugnahme i.S. einer persönlichkeitsrechtlichen Betroffenheit ohne zusätzliche personalisierende Elemente von real existierenden Personen. So konnte es zwar beispielsweise keinem Zweifel unterliegen, dass die in Buch, Drehbuch und Film „Der Aufstand“ den handelnden fiktiven Personen gemachten Vorwürfe schwerwiegend waren, unterstellten sie doch, dass ein gutgläubiger Redakteur der Zeitung „Volksstimme“ veranlasst wurde, über Waffentransporte des CIA nach Ungarn zu berichten, was eine Gefahr für das neutrale Österreich, aber auch die Gefahr eines Krieges bewirkt haben konnte. Dennoch vertraten die Gerichte21 die Auffassung, dass die Persönlichkeitsrechte der klagenden Personen, Angestellte der „Volksstimme“ nicht berührt worden sein konnten. Die vom Autor vorgenommene Verfremdung durch die Wahl eines anderen Namens und einer Funktion, die es in der Redaktion der „Volksstimme“ gar nicht gab, schloss eine Identifizierung mit allfälligen Urhebern von vornherein aus.22

5.

Persönlichkeitsrechtliche Beurteilung ^

[16]
Für jene Personen, deren Wirklichkeit inszeniert oder nachgestellt wird, stellt sich die Frage nach ihrem Schutz des Lebensbildes und damit die persönlichkeitsrechtliche Dimension von Scripted Reality. Die Lebenswelten der Charaktere, die von Laiendarstellern nachgeahmt werden, entsprechen meist jenen von „gehirnamputierten Hartz-IV-Empfängern“.23 In der inszenierten Realität werden ausschließlich soziale Dramen vorgeführt: Schwangere Teenager oder stark Fettleibige können die Fernsehmacher immer gut gebrauchen.
[17]
Scripted Reality-Formate streben eine weitgehend realitätsnahe Darstellung von Personen und Geschehnissen an. Abhängig davon, in welchem Maße dabei auf die Person des realen Vorbilds zugegriffen wird, können den Betroffenen verschiedene Rechte zustehen. Dabei sind das allgemeine Persönlichkeitsrecht, der Stimm- und Bildnisschutz, das Namensrecht und vor allem auch das so genannte Recht am Lebens- und Charakterbild von Bedeutung.

5.1.

Schutz des Lebensbildes ^

[18]
Schutzgegenstand des Rechts am Lebens- und Charakterbild ist das Lebensschicksal, d.h. die Handlungen, Worte und Taten und der Charakter, kurz gesagt, das, was allgemein als die Biografie eines Menschen bezeichnet wird.24 Es beinhaltet das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen darüber, ob und wieweit andere sein Lebensbild teilweise oder im Ganzen öffentlich, z.B. in einem Filmwerk oder Werk der Literatur, darstellen dürfen.25
[19]
Lehre26 und Rsp.27 anerkennen übereinstimmend das Recht am Lebens- und Charakterbild als Teil des Schutzes der Geheimsphäre einer Person. Ein Teil der Lehre28 leitet das Recht am Lebensbild immer analog aus dem Bildnisschutz nach § 78 UrhG ab. Ein anderer Teil29 unterscheidet zwischen rein schriftlichen Darstellungen, auf welche die Vorschriften über den Briefschutz nach § 77 UrhG analog angewendet werden sollen, und wenigstens zum Teil bildlichen Darstellungen des Lebensbildes, die analog nach § 78 UrhG zu behandeln sind. Für die wahrheitsgemäße Darstellung können die zum Bildnisschutz entwickelten Grundsätze über die nötige Interessenabwägung herangezogen werden. Im Übrigen möchte ein Teil der Lehre30 vor allem § 1330 ABGB und die strafrechtlichen Wertungen zum Schutz der Ehre anwenden. Die Rsp.31 gesteht ein Recht am Lebensbild zu, das sie aus § 16 ABGB i.Z.m. Wertungen verschiedener Vorschriften der gesamten Rechtsordnung ableitet. Im Übrigen stützen sich die Gerichte häufig auf § 1330 ABGB.32
[20]
Ein anderer Teil der Lehre33 spricht sich für eine Lösung nach § 16 ABGB i.Z.m. den Wertungen der gesamten Rechtsordnung aus, zieht jedoch hauptsächlich § 77 UrhG und § 7 MedienG heran. Demgegenüber sieht Aicher34 keine Notwendigkeit für einen Rückgriff auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus § 16 ABGB, da sich das Recht am Lebensbild zwanglos aus anderen Rechtsnormen herleiten lasse. Da § 16 ABGB als sedes materiae eines allgemeinen Persönlichkeitsschutzes inzwischen anerkannt ist,35 erscheint es tragfähig, das Recht am Lebensbild aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach § 16 ABGB herzuleiten, wobei analog auf die Wertungen des Bildnisschutzes und des MedienG zurückgegriffen werden kann.36
[21]
Solange sich die Darstellung daher auf Vorkommnisse beschränkt, die ausschließlich in der öffentlichen Sphäre spielen, liegt aber keine Verletzung des Rechts am Lebensbild vor.

5.2.

Bildnisschutz ^

[22]
Eine reale Person kann auf verschiedene Art in einem Filmwerk dargestellt werden. Je nachdem in welchem Maße dabei von seiner Person bzw. Persönlichkeit Gebrauch gemacht wird, beurteilt sich die Zulässigkeit der Darstellung.
[23]
Nimmt die Art der Darstellung dabei eine Annäherung an das Erscheinungsbild der realen Person vor, so kann unabhängig vom Recht am Lebensbild auch der Bildnisschutz nach § 78 UrhG zu beachten sein. Voraussetzung ist, dass die äußeren Übereinstimmungen so weit gehen, dass ein erkennbares Abbild der realen Person entsteht. Dies kann nach h.L.37 auch schon bei der Übernahme einzelner charakteristischer Attribute der Fall sein. Kein Bildnis i.S. des § 78 Abs. 1 UrhG liegt allerdings dann vor, wenn sich die Erkennbarkeit allein aus den äußeren Umständen, wie z.B. der erzählten Geschichte und der Namensgebung ergibt, zwischen der realen Person und der im Film dargestellten jedoch keinerlei äußere Ähnlichkeit besteht.

5.3.

Namensschutz ^

[24]
Entscheidend ist in den gegenständlichen Fällen, ob bei der Mehrzahl der Leser, die den Dargestellten persönlich nicht kennen, der Eindruck erweckt werde, dass seine Person, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, so doch in den Grundzügen der Doku-Soap-Figur zum Vorbild gedient habe. Der Umstand allein, dass z.B. der Filmtitel bloß den Zunamen des Dargesetellten zur Bezeichnung des Filmhelden verwendet und nur unter diesem Titel für den Film Reklame gemacht wurde, genügt aber noch nicht zur Begründung des Namensschutzes im Sinne des § 43 ABGB, weil es dafür noch einer entsprechenden Beziehung zur Person bedarf, wie z.B. gleicher Charakterzüge oder äußerlicher Merkmale des Filmhelden, Übereinstimmungen im Aussehen oder Gehabe.38

5.4.

Der Katzenberger-Effekt ^

[25]
Anstatt sich zu beschweren, werden die Rollenfiguren oder die Schauspieler selbst oft zu Stars. Der Medientheoretiker spricht vom sog. „Katzenberger-Effekt“: Ein durch die Medien geschaffenes Kunstprodukt wird von den Zuschauern als „natürlich“ oder „echt“ begriffen.39 Die Wahrnehmung ist medial getrübt. Der Effekt ist ein Produkt medialer Inszenierung.
[26]
Es handelt sich letztlich um gefährliche Vorbilder. Die Teilnahme an einer Reality- oder Casting-Show verschafft zuweilen mehr Ansehen, als durch eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein Studium erreicht werden kann. Jugendliche beobachten die Welt immer häufiger vor allem als Medienwelt, in der nur stattfindet, wer eine eigene Internetseite oder zumindest ein eigenes Profil in den Social Media hat. Eine Medienwelt, in der beliebt ist, wer 5000 Facebook-„Freunde“ hat und in der als Star gilt, wer aus einer Reality-Show als eigene Marke hervorgeht. Die Langzeitfolgen sind verheerend.

6.

Zusammenfassung ^

[27]
Dem Phänomen der Scripted Reality ist mit juristischen Mitteln nur äußerst beschränkt beizukommen. Sollten sich die Fernsehsender nicht an selbst auferlegte Verhaltenskodices gebunden erachten, vermag ein Gerichtsurteil kaum die erforderliche „Compliance“ zu bewirken. Die Langzeitwirkungen sind fatal. Scripted Reality verändert den Publikumsgeschmack. Bessere Informationsverpflichtungen können und sollen Scripted Reality nicht verhindern. Sie würden jedoch dafür sorgen, Auswüchse oder Missbräuche dieser TV-Formate aufzudecken und die Verantwortlichen besser und schneller zur Verantwortung ziehen zu können.

7.

Literatur ^

Adamek, Sascha, Die facebook-Falle. Wie das soziale Netzwerk unsere Leben verkauft, Heyne, München (2011).

Borstna, Nils, Pabst, Eckhard, Wulff, Hans Jürgen, Einführung in die Film- und Fernsehwissenschaft, UTB, Stuttgart (2008).

Doralt, Roswitha, Der Schutz des Lebensbildes, ÖJZ 1973, S. 645.

Fellner, Maria-Luise, Persönlichkeitsschutz juristischer Personen, Neuer Wissenschaftlicher Verlag, Wien (2007).

Frick, Marie-Theres, Persönlichkeitsrechte – Rechtsvergleichende Studie über den Stand des Persönlichkeitsschutzes in Österreich, Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein, Verlag Österreich, Wien (1992).

Korn, Gottfried, Neumayer, Johannes, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht, Medien und Recht, Wien (1991).

Korn, Gottfried, Die berufliche Sorgfalt im Wettbewerbsrecht. Dargestellt am Beispiel des Medienwettbewerbs, ÖBl 2008, S. 169.

Koziol, Helmut, Öffentliche Aufgabe und Wahrhaftigkeitspflicht in der Berichterstattung – Gedankensplitter eines Privatrechtlers. In: Koziol, Helmut, Seethaler, Josef, Thiede, Thomas (Hrsg.), Medienpolitik und Recht, Sramek, Wien (2010), S. 81.

Pauer, Nina, Doku-Soaps: Der produzierte Prolet. In: Die Zeit, vom 9.8.2010. http://www.zeit.de/2010/32/Dokusoaps?page=all aufgerufen 28.12.2011.

Eickmeier, Jens, Eickmeier, Frank, Die rechtlichen Grenzen des Dokudramas, ZUM 1998, S. 1.

Schertz, Christian, Höch, Dominik, Privat war gestern – Wie Medien und Internet unsere Werte zerstören, Ullstein, Berlin (2011).

Schmädel. Judith, Persönlichkeitsrechte im österreichischen und deutschen Filmrecht unter besonderer Beachtung der Rechte des Filmschauspielers, Diss. Univ. Wien (2009). http://othes.univie.ac.at/4662/1/2009-03-11_9948871.pdf aufgerufen 28.12.2011.

  1. 1 Borstna, N., Pabst, E., Wulff, H. J., Einführung in die Film- und Fernsehwissenschaft (2008), S. 45.
  2. 2 Vgl. Näheres unter http://www.ipsos.de (27.12.2011).
  3. 3 Pressesprecher des Unternehmens Filmpool, der erfolgreichsten Produktionsfirma für Scripted Reality-Formate in Deutschland, zitiert nach Pauer, N., in der Zeitschrift Die Zeit, Doku-Soaps: Der produzierte Prolet, vom 9.8.2010, http://www.zeit.de/2010/32/Dokusoaps?page=all (27.12.2011).
  4. 4 Prof. Bernhard Pörksen zitiert nach Pauer, N., in der Zeitschrift Die Zeit, Doku-Soaps: Der produzierte Prolet, vom 9.8.2010, http://www.zeit.de/2010/32/Dokusoaps?page=all (27.12.2011).
  5. 5 Scherz, Ch., Höch, D., Privat war gestern – wie Medien und Internet unsere Werte zerstören (2011), S. 178.
  6. 6 Deutlich OGH 18.5.1999, 4 Ob 113/99 t – Telefonwerbung III, MR 1999, S. 300, ecolex 1999/246.
  7. 7 Koziol, H., Öffentliche Aufgabe und Wahrhaftigkeitspflicht in der Berichterstattung – Gedankensplitter eines Privatrechtlers in Koziol, H., Seethaler, J., Thiede, Th. (Hrsg.), Medienpolitik und Recht (2010), S. 81, Rz. 10 ff.
  8. 8 Koziol, H., Öffentliche Aufgabe, Rz. 22.
  9. 9 Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken), ABl L 149 vom 11.6.2005, 22.
  10. 10 Grundlegend Korn, G., Die berufliche Sorgfalt im Wettbewerbsrecht. Dargestellt am Beispiel des Medienwettbewerbs, ÖBl 2008, S. 169.
  11. 11 OGH 5.7.2011, 4 Ob 27/11s – Schülergruppen Schulskikurs/Exklusivbuchung, wbl 2011/213, 571 = RdW 2011/610, 573 = ecolex 2011/366, 933 = MR 2011, 329.
  12. 12 Deutlich OGH 23.5.2006, 4 Ob 74/06w – Einkaufszentrum U III, wbl 2006/199, 439 (Schuhmacher) = RZ 2006, 231 = ÖBl-LS 2006/126/127, 21 = ÖBl 2006/64, 268 (Rungg/Albiez) = JUS Z/4196 = ecolex 2007/22, 48 (Tonninger) = HS 37.273; 16.1.2007, 4 Ob 222/06k – Stand 15.02.2006, ÖBl 2007/26, 121 (Gamerith) = RZ 2007/EÜ 226, 124 = MR 2007, 94 = wbl 2007/136, 295 = EvBl 2007/76, 419 = RdW 2007/250, 216; dazu Wiltschek, L., Die Spürbarkeitsgrenze im österreichischen Lauterkeitsrecht. In: Schutzverband unlauterer Wettbewerb (Hrsg.), Lauterkeitsrecht (2004), S. 263; Proschak, Ch.-A., Spürbarkeit versus Zugabenverbot. Widerspricht die Wertgrenze „geringwertige Kleinigkeit“ der Judikatur zur Spürbarkeit im Wettbewerbsrecht? ÖBl 2007, S. 196, jeweils m.w.N.
  13. 13 Dies freilich nur abstrakt.
  14. 14 Zur Problematik vgl. Gamerith, H., Keine Schadenersatzansprüche von Verbrauchern nach dem UWG? ÖBl 2011, S. 297.
  15. 15 Vgl OGH 12.2.1965, 4 Ob 303/65 – Silberbauer/Anne Frank, ÖBl 1965, 77 = SZ 38/26.
  16. 16 OGH 7.4.1992, 4 Ob 13/92 – Servus Du, ecolex 1992, 488 = MR 1992, 238 (Walter) = SZ 65/49 = ÖBl 1992, 75; 19.6.1928, 5 Os 255/28 – Rasputin, SSt 8/84.
  17. 17 Siehe dazu § 44 Abs 3 UrhG; OLG Wien 8.5.1958, 3 R 204/58 – Adabei, ÖBl 1958, 98.
  18. 18 OGH 12.8.1996, 4 Ob 2202/96v – Mutan-Beipackzettel, ecolex 1996, 931 = wbl 1996, 502 = ÖBl 1997, 34.
  19. 19 Vgl OGH 18.10.1994, 4 Ob 92/94 – Lebenserkenntnis, ecolex 1995, 113 = MR 1995, 140 (Walter) = ÖBl 1995, 182; 7.4.1992, 4 Ob 13/92 – Servus Du, ecolex 1992, 488 = MR 1992, 238 (Walter) = SZ 65/49 = ÖBl 1992, 75; siehe auch Thiele, C., Urheberrechtliche Herausforderungen der Fanfiction, jusIT 2008, 8, 9 m.w.N.
  20. 20 OLG Wien, 18.5.1987, 14 R 311/86 – Der Aufstand, MR 1987, S. 168.
  21. 21 OGH 11.10.1988, 1 Ob 26/88 – Der Aufstand, EvBl 1989/47 = MR 1989, 15 (Korn) = SZ 61/210 in Bestätigung der Vorinstanz; dazu Zanger, G., Karikatur, Kabarett und Kunstfreiheit, ÖBl 1990, 133, S. 194 ff.
  22. 22 OGH 11.10.1988, 1 Ob 26/88 – Der Aufstand, EvBl 1989/47 = MR 1989, 15 (Korn) = SZ 61/210.
  23. 23 Etikettierung durch eine namentlich ungenannt bleibende Casting-Agentin zitiert nach Pauer, N., in der Zeitschrift Die Zeit, Doku-Soaps: der produzierte Prolet vom 9.8.2010, http://www.zeit.de/2010/32/Dokusoaps?page=all (27.12.2011).
  24. 24 Doralt, R., Der Schutz des Lebensbildes, ÖJZ 1973, S. 645, S. 645; M-L.Fellner, Persönlichkeitsschutz juristischer Personen (2007), S. 159, S. 161 m.w.N.
  25. 25 Vgl. Eickmeier, J., Eickmeier, F., Die rechtlichen Grenzen des Dokudramas, ZUM 1998, S. 1, S. 3.
  26. 26 Statt vieler Posch, W. In: Schwimann, ABGB I3 § 16 Rz. 28 m.w.N.
  27. 27 Jüngst deutlich OGH 13.7.2010, 4 Ob 112/10i – Sexualverhalten I, ÖBl-LS 2010/176 = MR 2010, 316 (Korn); 24.6.2010, 6 Ob 71/10z – Sexualverhalten II, MR 2010, 319 (Korn); 9.8.2011, 4 Ob 120/11t – Sexualverhalten III, nv; 1.9.2010, 6 Ob 73/10v – Sexualverhalten IV, nv; 20.9.2011, 4 Ob 117/11a – Sexualverhalten V, nv.
  28. 28 Rehm, E., Das Recht am eigenen Bild, JBl 1962, S. 65, S. 67 f.
  29. 29 Doralt, R., ÖJZ 1973, S. 645, S. 646 f.
  30. 30 Koziol, H., Österreichisches Haftpflichtrecht II2 (1984), S. 12.
  31. 31 Deutlich OGH 29.8.2002, 6 Ob 283/01p – Omofuma, MR 2002, 288 = RdW 2003/5, 14 = ÖJZ-LSK 2002/265 = ecolex 2003/1, 18 = JBl 2003, 114 = ZfRV-LS 2003/23, 73 = SZ 2002/107.
  32. 32 OGH 7.2.1962, 6 Ob 59/62 – Badewannenmord, SZ 35/22.
  33. 33 Frick, M.-Th., Persönlichkeitsrechte – Rechtsvergleichende Studie über den Stand des Persönlichkeitsschutzes in Österreich, Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein (1992), S. 167.
  34. 34 In: Rummel, ABGB I3 (2000), § 16 Rz. 21.
  35. 35 F. Bydlinski, Die „Person“ im Recht, FS Doralt (2004), 77, 90 ff. m.w.N.
  36. 36 Vgl. Schmädel, J., Persönlichkeitsrechte im österreichischen und deutschen Filmrecht unter besonderer Beachtung der Rechte des Filmschauspielers, Diss. Univ. Wien (2009), 182, abrufbar unter http://othes.univie.ac.at/4662/1/2009-03-11_9948871.pdf (28.12.2011).
  37. 37 Korn, G., Neumayer, J., Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht (1991), S. 93.
  38. 38 OGH 2.5.1956, 1 Ob 793/53 – Die Schuld des Dr. H, SZ 29/38.
  39. 39 Vgl. Scherz, Ch., Höch, D., Privat war gestern, S. 179 ff. m.w.N.