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Bekannte Marke als zulässiges Keyword?

  • Author: Verena Stolz
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Commerce, Trademark Law
  • Citation: Verena Stolz, Bekannte Marke als zulässiges Keyword?, in: Jusletter IT 11 December 2013
With reference to the case law of the ECJ the German BGH has ruled that the use of a well-known trademark as a keyword is not an unfair practice in itself. In case that an alternative product and/or service is recommended, this is to be seen as part of fair and healthy competition and is thus justified. Neither the ECJ nor the German BGH have however specified under which exact circumstances the use of a well-known trademark as a keyword is justified. This article thus examines this question against the backdrop of the case law of the ECJ and the German BGH in order to find out under which specific circumstances the use of a well-known trademark as a keyword is permissible.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Ausgangslage
  • 2. Allgemeines zur Markenverletzung
  • 3. Zur Verwendung einer bekannten Marke
  • 3.1. Grundsätze
  • 3.2. Keine Nachahmung von Waren
  • 3.3. Vermeidung von Funktionsbeeinträchtigungen
  • 3.4. Vermeidung der Verwässerung und Verunglimpfung
  • 4. Schlussfolgerung

1.

Ausgangslage ^

[1]

Der BGH hat kürzlich wieder festgehalten, dass die Auswahl einer bekannten Marke als Schlüsselwort einer Adwords-Anzeige durch einen Mitbewerber des Markeninhabers eine Markenverletzung gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. c GMV sein kann. Eine Verletzung der bekannten Marke kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Werbende Nachahmungen von Waren des Inhabers dieser Ware anbietet oder die mit der bekannten Marke versehenen Waren in einem negativen Licht darstellt. Wird dagegen eine Alternative zu den Waren oder Dienstleistungen des Inhabers der bekannten Marke vorgeschlagen – ohne Funktionen der Marke zu beeinträchtigen – ist davon auszugehen, dass eine solche Benutzung grundsätzlich nicht ohne rechtfertigenden Grund im Sinne von Art. 9 Abs.1 lit. c GMV erfolgt.1 Der BGH hat dabei auf die EuGH-Judikatur zu Interflora verwiesen, da der EuGH dort bereits – zumindest am Rande – festgestellt hat, dass die Verwendung einer bekannten Marke als Schlüsselwort nicht per se unlauter ist und für den Fall, dass eine Alternative zu den Waren und Dienstleistungen es Inhabers vorgeschlagen wird, davon auszugehen ist, dass dies zu einem gesunden und lauteren Wettbewerb zählt und daher gerechtfertigt ist.2 Nähere Ausführungen, in welchen Fällen die Verwendung einer bekannten Marke als Keyword gerechtfertigt ist, haben weder der BGH noch der EuGH vorgenommen.

[2]
Diese Abhandlung prüft, wann eine zulässige Verwendung einer bekannten Marke als Keyword vor dem Hintergrund der höchstgerichtlichen Leitlinien in der Praxis denkbar ist.

2.

Allgemeines zur Markenverletzung ^

[3]

Gemäß Art. 9 Abs. 1 lit. c GMV gewährt die Gemeinschaftsmarke dem Inhaber ein ausschließliches Recht; dieses Recht gestattet es dem Inhaber Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Gemeinschaftsmarke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Gemeinschaftsmarke eingetragen ist, wenn diese in der Gemeinschaft bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Gemeinschaftsmarke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Der Gesetzestext spricht eindeutig von einer Benutzungshandlung; das identische oder ähnliche Zeichen muss benutzt werden, um in bestehende Markenrechte einzugreifen. Zunächst unklar war, wer im Zuge der Verwendung einer Marke als Keyword auf der Plattform eines Suchmaschinenbetreibers die Benutzungshandlung setzt. Damit hat sich der EuGH in der Entscheidung zu Google France auseinanderzusetzen gehabt und festgehalten, dass Suchmaschinenbetreiber – wie etwa Google – keine Benutzungshandlungen vornehmen; sie stellen lediglich Suchmöglichkeiten zur Verfügung, verwenden weder Keywords noch Suchbegriffe selbst zur Bezeichnung von Waren oder Dienstleistungen.3 Das heißt, die Benutzungshandlung im Rahmen der Verwendung eines Keywords setzt der Werbende; dieser kann haftbar gemacht werden, weil er die fremden (ähnlichen oder identischen) Zeichen als Keyword benutzt. Benutzung eines mit einer Marke identischen oder ähnlichen Zeichens durch Dritte verlangt nach der EuGH-Rechtsprechung schließlich, dass der Dritte das Zeichen im Rahmen seiner eigenen kommerziellen Kommunikation benutzt. Ist dies der Fall, darf der Inhaber einer Marke einem Werbenden grundsätzlich verbieten, auf ein mit dieser Marke identisches Keyword, das von diesem Werbenden ohne Zustimmung im Rahmen eines Internetreferenzierungsdienstes ausgewählt wurde, für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit den von der Marke erfassten identisch sind; dies wiederum unter der Voraussetzung, dass für einen Durchschnittsverbraucher nicht oder lediglich schwer zu erkennen ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen vom Markeninhaber oder einem mit ihm verbundenen Unternehmen oder von einem Dritten stammen.4 Es ist daher auf die konkrete Anzeige abzustellen, um eine allfällige Markenverletzung im Sinne der obigen Ausführungen zu beurteilen. Bei der Verwendung einer bekannten Marke als Keyword spielt die Verwechslungsgefahr wiederum keine Rolle; wesentlich dabei ist vielmehr, dass ein unlauteres Element hinzukommt, indem der Werbende beispielsweise die bekannte Marke als Keyword benutzt, um in die Sogwirkung der bekannten Marke zu gelangen.

3.

Zur Verwendung einer bekannten Marke ^

3.1.

Grundsätze ^

[4]
Der BGH hat nunmehr unter Heranziehung der bereits vom EuGH in der Entscheidung zu Interflora definierten Leitlinien festgehalten, dass die Verwendung eines Keywords, das einer bekannten Marke entspricht, «gerechtfertigt» und sohin zulässig sein kann; damit unterstreicht der BGH einmal mehr, dass die Verwendung von Marken als Keywords auf den Einzelfall beruht und daher nicht per se rechtswidrig ist. Eine bekannte Marke als Keyword ist nicht unlauter, wenn (i) keine Waren angeboten werden, die eine bloße Nachahmung der unter der bekannten Marke vertriebenen Waren darstellen, (ii) wenn keine Verwässerung oder Verunglimpfung der bekannten Marke hervorgerufen wird, (iii) wenn die Funktionen der bekannten Marke nicht beeinträchtigt werden und (iv) wenn eine Alternative zu den Markenwaren angeboten wird.

3.2.

Keine Nachahmung von Waren ^

[5]

Bereits in der Entscheidung Interflora hat der EUGH ausgeführt, dass eine unlautere Ausnutzung von fremden Markenrechten dann vorliegt, wenn der Werbende im Internet Schlüsselwörter benutzt, die einer bekannten Marke entsprechen und er dabei Nachahmungen von Waren des Inhabers dieser Marke anbietet oder die mit der bekannten Marke versehenen Waren negativ darstellt; der Begriff der Nachahmung wird dabei nicht näher definiert. Eine Nachahmung ist dem Duden zufolge auch als Fälschung, Imitat, Imitation oder Kopie zu verstehen; unter Heranziehung der Bestimmungen des Lauterkeitsrechtes ist eine Nachahmung unter bestimmten Umständen unlauter. Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Unlauterkeit einer Nachahmung voraus, dass eine bewusste Nachahmung erfolgt, wodurch die Gefahr von Verwechslungen herbeigeführt wird, obwohl eine andersartige Gestaltung zumutbar gewesen wäre. Die nachgeahmte Leistung muss dabei wettbewerbsrechtliche Eigenart besitzen und eine gewisse Bekanntheit aufweisen.5 Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung liegt keine bloße Nachahmung vor, wenn der Werbende Waren anbietet, die nicht zur Verwechslung mit den Waren des Markeninhabers geeignet sind. Der Werbende hat – nach Ansicht des EuGH – vielmehr echte Alternativen zu den Waren und Dienstleistungen des Markeninhabers anzubieten; was unter Alternativen zu verstehen ist, lässt er – wie auch der BGH – offen; fraglich ist, ob es als Alternative bereits genügt, eine andere (z.B. analog statt digital), aber im Übrigen gattungsgleiche Ware anzubieten. Hier wird es vor dem Lichte des Markenrechtes entscheidend sein, dass der Werbende Waren oder Dienstleistungen anbietet, die sich von jenen des Markeninhabers der bekannten Marke charakteristisch abheben und unterscheiden; nur dann wird eine Abgrenzung erreicht und die beteiligten Verkehrskreise fassen das Werbeangebot nicht als Angebot des Markeninhabers auf.

3.3.

Vermeidung von Funktionsbeeinträchtigungen ^

[6]

Eine weitere Voraussetzung für eine zulässige Verwendung einer bekannten Marke als Keyword ist, dass die Funktion der bekannten Marke durch die resultierenden Anzeigen nicht beeinträchtigt wird. Die Marke erfüllt eine Reihe von Funktionen, wobei stets die Herkunftsfunktion die vordergründigste und wesentlichste Funktion der Marke darstellte. Die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der mit der Marke versehenen Waren zu garantieren.6 Eine Beeinträchtigung der Interessen des Markeninhabers ist daher gegeben, wenn die Benutzung eines identischen oder verwechslungsfähigen Zeichens den Eindruck vermittelt, dass eine Verbindung zwischen jenen Produkten und dem Markeninhaber besteht. Daher ist entscheidend und maßgeblich für eine rechtsverletzende Zeichenbenutzung, wie die beteiligten und relevanten Verkehrskreise dies auffassen.7 Mit der Herkunftsfunktion eng verbunden ist die Vertrauensfunktion. In Anbetracht der Judikaturentwicklung zur Herkunftsfunktion und dem Grundsatz der freien Übertragbarkeit von Markenrechten, kann bereits die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Herkunftsfunktion kein notwendiger Bestandteil des Markenbegriffes mehr ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Herkunftsfunktion der Marke von der Identitätsfunktion abgelöst wird. Letztere ist wesentlich produktbezogener, weil das Prüfungskriterium darin besteht, ob die Marke einen Hinweis auf ein bestimmtes Erzeugnis und/oder dessen Beschaffenheit gewährt.8 Damit einhergehend – und als Pseudonym zu betrachten – ist die Garantiefunktion; die Verkehrskreise erwarten sich von einer Markenware eine zumindest gleich bleibende Qualität. Eine weitere wesentliche Funktion stellt die Werbefunktion dar. Jede Marke dient dazu, Wirkung auf potentielle oder bereits vorhandene Kunden auszuüben. Die Ware oder Dienstleistung wird durch die Marke beworben. Damit hängt wiederum die Kommunikations- und Informationsfunktion zusammen, da durch die Marken, sobald sie ihre Werbefunktion erfüllt und den Kunden auf die Ware oder Dienstleistung aufmerksam gemacht haben, auch mit den Kunden kommuniziert wird und er über gewisse Markeneigenschaften informiert wird.

[7]

Ob durch die unter der Verwendung eines Keywords gezeigte Anzeige eine der genannten Funktionen verletzt oder beeinträchtigt wird, hängt wiederum von der Anzeige selbst ab. Ähnlich wie das Angebot einer (echten) Alternative darf sich auch vor diesem Hintergrund die Werbung nicht so gestalten, dass aus der Anzeige für einen normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht oder nur schwer zu erkennen ist, ob die in der Anzeige beworbenen Waren oder Dienstleistungen von dem Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder von einem Dritten stammen. Es besteht sonst die Gefahr, dass der Internetnutzer hinsichtlich des Ursprungs der betroffenen Ware oder Dienstleistung irrt.9 Eine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden und vertrauensbildenden Funktion ist daher gegeben, wenn die Anzeige suggeriert, dass zwischen diesem Dritten und dem Markeninhaber eine wirtschaftliche Verbindung besteht. Ebenso ist auf eine Beeinträchtigung zu schließen, wenn die Anzeige das Bestehen an der wirtschaftlichen Verbindung zwar nicht suggeriert, aber hinsichtlich der Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen so vage gehalten ist, dass ein normal informierter und angemessen aufmerksamer Internetnutzer aufgrund des Werbelinks und der ihn begleitenden Werbebotschaft nicht erkennen kann, ob der werbende im Verhältnis zum Markeninhaber Dritter oder vielmehr mit diesem wirtschaftlich verbunden ist.10

[8]

Daher kann es sein, dass der Werbende zwar keine dem Markeninhaber nachgeahmte Waren anbietet, jedoch mit Waren wirbt, die zumindest eine wirtschaftliche Verbindung zum Unternehmen des Markeninhabers vermuten lassen. Gerade wenn eine bekannte Marke ein breites Sortiment umfasst ist nicht auszuschließen, dass die beteiligten Verkehrskreise annehmen, dass eine Anzeige über Produkte, die derzeit nicht von der bekannten Marke umfasst sind, ein neues Produktsortiment der bekannten Marke zeigen (z.B. nunmehr digital statt analog). Nur wenn für die beteiligten Verkehrskreise völlig auszuschließen ist, dass es sich um keine weiteren Waren des Markeninhabers handelt bzw. dass nicht Produkte eines mit dem Markeninhaber wirtschaftlich verbundenen Unternehmens angeboten werden, lässt sich diese Voraussetzung verwirklichen. Es darf nicht übersehen werden, dass der Werbende die bekannte Marke als Keyword in aller Regel aus dem Grund verwendet, dass ja gerade ein – wie auch immer gearteter – Bezug zum Markeninhaber hergestellt wird.

3.4.

Vermeidung der Verwässerung und Verunglimpfung ^

[9]

Nur für den Fall, dass die Verwendung einer bekannten Marke als Keyword nicht zu einer Verwässerung oder Verunglimpfung der bekannten Marke führt, kann die Verwendung der bekannten Marke als Keyword gerechtfertigt sein. Die Beeinträchtigung und Unterscheidungskraft der bekannten Marke wird auch als Verwässerung bezeichnet; diese liegt vor, wenn die Eignung dieser Marke, die Waren oder Dienstleistungen für die sie eingetragen ist, zu identifizieren, geschwächt wird. Die Beeinträchtigung der Wertschätzung der Marke wird als Verunglimpfung bezeichnet; diese liegt dann vor, wenn die Waren oder Dienstleistungen, für die das identische oder ähnliche Zeichen von Dritten benutzt wird, auf die Öffentlichkeit in einer solchen Weise wirken können, dass die Anziehungskraft der Marke geschmälert wird.11

[10]

Eine Verwässerung führt dazu, dass der Verbraucher nicht mehr in der Lage ist, eine unmittelbare gedankliche Verbindung mit einer bestimmten gewerblichen Herkunft hervorzurufen. Der Markeninhaber darf daher jegliche Benutzung eines mit dieser Marke identischen oder ähnlichen Zeichens verbieten, durch die ihre Kennzeichnungskraft verringert wird, ohne dass er abwarten muss, dass es tatsächlich zu einem Verlust der Unterscheidungskraft der Marke kommt. Der EuGH hat bereits klargestellt, dass bei der Verwendung von Zeichen als Schlüsselwörter, die fremden bekannten Marken entsprechen, grundsätzlich von einer Benutzung auszugehen ist, bei der sich der Werbende in den Bereich der Sogwirkung der bekannte Marke gibt, es sei denn, es ist ein rechtfertigender Grund gegeben.12 Der EuGH unterstellt dem Werbenden sohin völlig zu Recht, dass er die bekannte Marke als Schlüsselwort verwendet hat, um den positiven Einfluss der bekannten Marke auszunutzen.

[11]

Der OGH hat zu diesem Thema ebenfalls festgehalten, dass bei einer identen Verwendung eines bekannten Kennzeichens die Unlauterkeit häufig zu vermuten ist; es liegt bei der Verwendung eines dem bekannten Zeichen ähnlichen Zeichens für eine idente Marke nahe, dass unlautere Motive gegeben sind, da die Möglichkeit einer Rufausbeutung auf der Hand liegt. Dies erlaubt den Schluss, dass Rufausbeutung, Rufbeeinträchtigung und Verwässerung bekannter Marken grundsätzlich die Rechtswidrigkeit indizieren und dass diese nur entfällt, wenn der Angegriffene besondere Umstände geltend macht, die sein Verhalten rechtfertigen. Vor dem Hintergrund dieser Judikatur ist sohin in aller Regel von einer Rechtswidrigkeit auszugehen. Dies gilt nicht nur bei der Verwendung von gleichen, sondern auch von ähnlichen Zeichen.13

[12]

Fraglich ist daher, welche rechtfertigenden Umstände hier aus der Sicht der höchstgerichtlichen Judikatur in Betracht kommen können. In diesem Zusammenhang ist etwa an Unkenntnis zu denken; der OGH hat bereits einmal festgehalten, dass derjenige, der keine Kenntnis von Tatsachen hat, aus denen er auf eine Verletzung von Marken oder sonstigen Kennzeichenrechten schließen muss und annehmen kann, dass eine Marke mit Zustimmung des Markeninhabers angebracht wurde, keine Markenverletzung begeht.14 Im zu entscheidenden Fall hat der OGH die Haftung eines Handelsunternehmens, welches Zigaretten der Marke BOSS in einem Duty-Free-Shop verkauft hat, verneint, zumal das Handelsunternehmen zwar eine kennzeichenrechtliche Benutzungshandlung setzt, diese jedoch nicht unlauter ist, zumal es keine Kenntnis davon gehabt hat, dass der Verkauf nicht durch Zustimmung des Markeninhabers der bekannten Marke BOSS erfolgt.15

[13]
Umgemünzt auf die Verwendung eines Keywords würde dies bedeuten, dass der Werbende – da er eine Benutzungshandlung setzt – keine Kenntnis davon hat, dass die Verwendung einer bekannten Marke als Keyword ohne Zustimmung des Markeninhabers erfolgt. Der Werbende sucht jedoch gerade aktiv nach einem oder mehreren für ihn «passenden Schlüsselwörtern», weshalb er sich kaum erfolgreich darauf kann, er habe nicht gewusst, dass es sich bei «seinem» Keyword um eine (bekannte) Marke handelt.
[14]

In der Praxis verwendet der Werbende eine bekannte Marke als Keyword, um von ihrer Anziehungskraft zu profitieren. Gerade dieser Umstand der Verwendung der bekannten Marke ohne jegliche finanzielle Gegenleistung und ohne dafür Anstrengungen machen zu müssen und um sohin die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke auszunutzen, ist im Sinne der herrschenden höchstgerichtlichen Judikatur unlauter.16 Auch der Umstand, dass bekannte Marken oder Zeichen von den Internetnutzern häufiger als Suchwort eingegeben werden, als weniger bekannte Zeichen bedeutet, dass in der Regel die Verwendung einer bekannten Marke als Keyword in einer Suchmaschine die Wertschätzung und Unterscheidungskraft der bekannten Marke ausnutzt.17 Es ist daher völlig offen, welche Rechtfertigung der Werbende entgegenhalten halten kann, Unkenntnis jedenfalls nicht.

4.

Schlussfolgerung ^

[15]

Unter Zugrundelegung der Ausführungen unter Punkt 3 stellt sich die Frage, in welchen Fällen eine bekannte Marke als Keyword tatsächlich zulässigerweise verwendet werden darf. Ein Keyword ist nach allgemeinem Verständnis eine Texteinheit, meist ein gängiger Begriff, der entweder im Text selbst vorkommt (Stichwort) oder mit dem ein Text «verschlagwortet» werden kann.18 Insofern werden lediglich Zeichen verwendet, die begehrt sind; die hohe Bekanntheit eines Zeichens ist meist mit einer positiven Grundeinstellung verbunden, weshalb solche Zeichen in der Regel positive Emotionen hervorrufen.19 Ein zumindest theoretischer Fall, der für eine zulässige Verwendung einer bekannten Marke als Keyword spricht, ist die Verwendung einer rein beschreibenden Marke. Allerdings werden rein beschreibende Marken in der Praxis als Schlüsselwörter kaum eingesetzt, da dabei gerade die positive Sogwirkung einer Marke nicht (entsprechend) gegeben ist; der User erhält bei der Suche von allgemein beschreibenden Begriffen eine Vielzahl an Treffern; es besteht daher die Gefahr, dass jene Anzeige, die durch das Keyword gezeigt wird, ob der Vielzahl der Treffer «untergeht». Werbende greifen daher vorwiegend zu charakteristischeren Begriffen als zu beschreibenden Angaben.

[16]
Es bleibt daher die weitere Entwicklung der höchstgerichtlichen Judikatur abzuwarten; möglicherweise kommt es zu einer Konkretisierung der vom EuGH vorgegebenen Leitlinien. So, wie sie derzeit gegeben sind, lässt sich eine zulässige Verwendung einer bekannten Marke als Keyword wohl nur in der Theorie umsetzen.

 

Verena Stolz, Rechtsanwältin, PEHB Rechtsanwälte GmbH.

  1. 1 BGH I ZR 172/11 – Beate Uhse.
  2. 2 EuGH C-323/09 vom 22. September 2011 – Interflora Inc.
  3. 3 EuGH C-236/08 vom 23. März 2010 – Google France.
  4. 4 EuGH C-236/08 vom 23. März 2010 – Google France.
  5. 5 Vgl. Wiebe in Wiebe/G. Kodek (Hrsg.) UWG-Kommentar, § 1 Rz 580 ff.
  6. 6 EuGH C-206/01 vom 12. November 2002 – Arsenal.
  7. 7 Eisenführ/Schennen (Hrsg.) Kommentar zur Gemeinschaftsmarkenverordnung, (2. Auflage), 258.
  8. 8 Engin – Deniz (Hrsg.) Kommentar zum Markenschutzgesetz (2. Auflage), 49 f.
  9. 9 EuGH C-329/09 vom 21. Dezember 2011 – Interflora.
  10. 10 EuGH C-236/08 vom 23. März 2010 – Google France.
  11. 11 EuGH C-324/09 vom 12. Juli 2011 – L’Oréal.
  12. 12 EuGH C-323/09 vom 22. September 2011 – Interflora Inc.
  13. 13 RIS-Justiz RS0120365, insbesondere OGH 4Ob 122/05b vom 29. November 2005.
  14. 14 OGH 4 Ob 234/01t vom 11. September 1984.
  15. 15 Krit. Entscheidungsbesprechung Schönherr Georg, ecolex 2001/106.
  16. 16 EuGH C-324/09 vom 12. Juli 2011 – L’Oréal.
  17. 17 EuGH C-323/09 vom 22. September 2011 – Interflora Inc.
  18. 18 Vgl. www.wikipedia.org – abgerufen am 24. Oktober 2013.
  19. 19 Vgl. dazu Korn Gottfried, Schmarotzen an der Bekanntheit fremder Zeichen, MR 2012, 102 f.