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Zweitverwertung gebrauchter Digitalgüter

  • Authors: Clemens Appl / Marlene Schmidt
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: IP Law
  • Collection: Tagungsband-IRIS-2013
  • Citation: Clemens Appl / Marlene Schmidt, Zweitverwertung gebrauchter Digitalgüter, in: Jusletter IT 20 February 2013
Der EuGH hat sich in seiner Leitentscheidung in Rs C-128/11 «Oracle vs. Used Soft» für die Zulässigkeit des Handels mit «Gebrauchtsoftware» oder richtiger mit «Gebraucht-Softwarelizenzen» ausgesprochen. Er hat damit erstmals erkannt, dass sich der Erschöpfungsgrundsatz auch auf per Internet unkörperlich verbreitete Software, die mittels Download zum Kunden gelangt, erstreckt. Dieser grundlegende Ansatz lässt sich jedoch nicht ohne Weiteres auf andere Werkarten übertragen.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Leitentscheidung: EuGH C-128/11 – UsedSoft vs Oracle
  • 3. Urheberrechtliche Aspekte am Beispiel Gebrauchtsoftware
  • 3.1. Verbreitung und Erschöpfung
  • 3.2. Der
  • 4. Schlussfolgerungen für die Zweitverwertung von Digitalgütern
  • 5. Literatur

1.

Einleitung ^

[1]
Der Vertrieb digitaler Güter erfolgt nicht mehr ausnahmslos über körperliche Datenträger: In Zeiten von E-Books, MP3s, Smartphone-Apps und herkömmlicher Software, die per Download erworben werden kann, erscheint es angezeigt, den urheberrechtlichen Verbreitungsbegriff und den damit eng verbundenen Erschöpfungsgrundsatz grundlegend zu überdenken. Angesichts der Tatsache, dass eine unkörperliche Werkverbreitung durch Zurverfügungstellung durch den Anbieter und Download durch den User das funktionale und wirtschaftliche Äquivalent zum Vertrieb körperlicher Werkexemplare darstellt, vermag es prima vista nicht zu überzeugen, die Verkehrsfähigkeit unkörperlicher gegenüber körperlichen Werkexemplaren zu beschränken.
[2]

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 3.6.2012 zur Rs C-128/11 – UsedSoft/Oracle1 zumindest für den unkörperlichen Vertrieb von Software klargestellt,2 dass das Verbreitungsrecht an einer Software, die im Rahmen eines Downloads den Erst-User (und dessen Einzelrechtsnachfolger) erreicht, erschöpft ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob sich dieser Grundsatz auch auf Werkstücke anderer Werkarten, die als «Digitalgüter» unkörperlich vertrieben werden, erstrecken lässt.

[3]

Der Handel von «gebrauchten»3 Digitalgütern hat eine große ökonomische Dimension, wie vor allem der Softwarebereich zeigt, wo sich auf Zweitverwertung spezialisierte Unternehmen etabliert haben.4 Doch auch in anderen Bereichen zeigt sich ein wachsendes Bedürfnis der User, gebrauchte Digitalgüter weiterzugeben. Dabei ist etwa an Musik-Files, E-Books oder Smartphone-Apps zu denken, wo aber Anbieter bemüht sind, technisch wie rechtlich, das Entstehen von Märkten für Gebraucht-Digitalgüter zu verhindern. Ob diese Blockade-Strategie mit Mitteln des Urheberrechts möglich ist, erscheint angesichts des jüngsten EuGH-Urteils zur Gebrauchtsoftware mehr als fraglich.

2.

Leitentscheidung: EuGH C-128/11 – UsedSoft vs Oracle ^

[4]
Der weiteren Darstellung ist ein kurzer Abriss der eingangs erwähnten Leitentscheidung des EuGH voranzustellen. Der EuGH hatte – zu einem Vorabentscheidungsersuchen des d. BGH – insb. darüber zu entscheiden, ob der Erschöpfungsgrundsatz auch im Falle des unkörperlichen Softwarevertriebs zu Anwendung kommen solle sowie ob eine Aufspaltung von Volumenlizenzen zulässig und der Erwerber solcher abgespalteten Lizenzen auch als «rechtmäßiger Erwerber» i.S.d. Software-RL zu qualifizieren sei. Dabei lag kurzgefasst folgender Sachverhalt zugrunde: Das Geschäftsmodell des deutschen Unternehmens UsedSoft beruht im Wesentlichen darauf, ungenützte oder abgespaltete Volumenlizenzen entweder en bloc oder in Einzellizenzen «zerlegt» an Zweiterwerber weiterzugeben. Diese Aufspaltung erfolgt einerseits durch den Ersterwerber, der nicht benötigte Lizenzen aus einem Lizenzpaket an UsedSoft entgeltlich abgibt, oder durch UsedSoft selbst, wenn die erworbene Lizenz ein weiteres Mal abgespalten wird. Die Lizenz wird sodann durch den Zweiterwerber «gebraucht» von UsedSoft erworben, während die Software (im ggst. Fall ein Oracle-Produkt) dazu direkt von der Homepage des Softwareherstellers heruntergeladen wird. Eine notariell beglaubigte Urkunde über den erworbenen «Lizenzteil» wird dem Zweiterwerber ebenfalls übergeben. Im Endeffekt solle dadurch der Zweiterwerber die Software durch selbstständigen Download von der Herstellerwebseite i.V.m. mit der ermächtigenden Lizenz rechtmäßig nutzen.
[5]
Der EuGH kam kurz zusammengefasst zu folgenden Ergebnissen:
  • Lizenzpakete dürfen nicht aufgespalten werden, um dann in Folge einzelne Lizenzen daraus weiterzuverkaufen.
  • Der Erschöpfungsgrundsatz ist auch auf den Download von Software anwendbar – es bedarf keines physischen Datenträgers.
  • Keine Anwendung hingegen findet der Erschöpfungsgrundsatz auf Lizenzen, die einer zeitlichen Befristung unterliegen.
  • Der Weiterverkauf einer Lizenz ist nur dann möglich, wenn dieser eine Verbindung mit der Programmkopie aufweist – Kopie und Lizenzvertrag sollen ein «unteilbares Ganzes» bilden.
  • Der Zweiterwerber ist dann als «rechtmäßiger Erwerber» zu qualifizieren, solange er keine isolierte Lizenz erworben hat und eine Verbindung zwischen dem Weiterverkauf der Lizenz und der vom Urheberrechtsinhaber heruntergeladenen Programmkopie vorliegt.5
  • [6]
    Für die weitere Beurteilung, welche Auswirkungen das Urteil auf andere Digitalgüter zeitigt, sind vorrangig die Aussagen des EuGH zum Erschöpfungsgrundsatz sowie zum Begriff des «rechtmäßigen Erwerbers» ausschlaggebend.

    3.

    Urheberrechtliche Aspekte am Beispiel Gebrauchtsoftware ^

    3.1.

    Verbreitung und Erschöpfung ^

    [7]
    Aus urheberrechtlicher Perspektive liegen dem unkörperlichen Vertrieb von digitalen Gütern, insb. Software, i.d.R. die folgenden urheberrechtlichen Verwertungsformen zugrunde: Der Anbieter vervielfältigt (§ 15 UrhG) das Werk zunächst durch Upload am Server. Sobald die Daten des Werks am Server Mitgliedern der Öffentlichkeit via Internet zugänglich bzw. abrufbar sind, ist das Werk zur Verfügung gestellt (§ 18a UrhG). Der nachfolgende Download durch den User ist demgegenüber als Vervielfältigung i.S.d. § 15 UrhG zu qualifizieren. Im Fall von Software – hier gibt es kein Recht auf Privatkopie (§ 40d Abs. 1 UrhG, § 42 UrhG) – bedarf bereits der Download und die anschließende Nutzung der Software (Installation, Ablaufenlassen u.s.w.) der Zustimmung des Rechteinhabers («Lizenz»). Da i.d.R. diese Lizenzen unter einem Weitergabeverbot i.S.e. Zessionsverbots stehen bzw die Weitergabe der Lizenz, die auch Pflichten des Lizenznehmers statuieren kann, zu einer Vertragsübernahme führt, bedarf die Übertragung grds. der Zustimmung des Rechteinhabers. Hier knüpft nun die Frage nach der Reichweite der Erschöpfung an, insb. ob diese auch zur Nichtigkeit von Zessionsverboten führt und damit die Verkehrsfähigkeit der bloßen «Lizenz» sichert.
    [8]

    Der Eintritt der Erschöpfung des Verbreitungsrechts gem. § 16 Abs. 3 UrhG verlangt, dass das Werkstück mit Zustimmung des Berechtigten durch Eigentumsübertragung im EU/EWR-Raum in Verkehr gebracht worden ist. Die h.A. ging bisher davon aus, dass ein Gut dann als «Werkstück» zu qualifizieren sei, wenn es die Eigenschaft der Körperlichkeit erfüllt. Die Kritik an dieser engen Betrachtungsweise knüpft am grundlegenden Gedanken der Erschöpfungslehre, nämlich der Herstellung und Sicherung der Verkehrsfähigkeit von Werkstücken,6 an.7 Gäbe es keine Erschöpfung des Verbreitungsrechts, hätte der Urheber uneingeschränkt die Möglichkeit, die weitere Verbreitung seiner geschaffenen Werke zu kontrollieren und neuerlich Lizenzentgelte zu lukrieren. Das wiederum würde einen drastischen Eingriff in die Mobilität der Güter darstellen8 und den geschäftlichen Verkehr massiv belasten.9 Zwar hat der historische Gesetzgeber in § 16 Abs. 3 UrhG die Erschöpfung für körperliche Werkstücke ausdrücklich vorgesehen, konnte aber freilich die unkörperliche Verbreitung digitaler Güter via Internet und per Download nicht vorhersehen.10 Ein Teil der Lehre geht daher, auch im Lichte des EuGH-Urteils in der Rs UsedSoft, für das nationale Urheberrecht von einer Lücke aus.11 Der EuGH hat zumindest im Anwendungsbereich der Software-RL klargestellt, dass die Erschöpfung auch auf Downloadvorgänge anwendbar ist. Dies auch deswegen, weil Art. 4 Abs. 2 Software-RL auf «Programmkopien» abstellt, diesen aber keine besondere Qualifikation abverlangt.12

    3.2.

    Der ^

    [9]

    Die Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes setzt voraus, dass ein Eigentumsübergang – etwa durch Verkauf – stattgefunden hat. Grundsätzlich ist dabei ein «Verkauf» eine Vereinbarung, nach der eine Person ihre Eigentumsrechte an einem ihr gehörenden körperlichen oder nichtkörperlichen Gegenstand gegen Zahlung eines Entgelts an eine andere Person abtritt.13 Der OGH14 nimmt eine Eigentumsübertragung sinngemäß dann an, wenn die zeitlich unbegrenzte Verfügungsmacht über das Werkstück eingeräumt wird – also ein Sachkauf vorliegt. Auch in Bezug auf Digitalgüter bedarf es an der «Übertragung des Eigentums».

    [10]

    Für den EuGH bilden Programmkopie an sich und Lizenz eine untrennbare Einheit in dem Sinn, dass eine dauerhafte Überlassung der Programmkopie einen Kauf (bzw. eine «Eigentumsübertragung» i.S.d. Art. 4 Abs. 2 der Software-RL15) darstellt, selbst wenn die Lizenz als zeitlich unbefristetes «Dauerschuldverhältnis» ausgestaltet ist. Formulierungen wie z.B. «Diese Software wird nicht verkauft, sondern auf unbestimmte Dauer zur Nutzung überlassen bzw. lizenziert», ändern somit nichts an der Natur des Geschäfts, wenn die Programmkopie samt Lizenz gegen Einmalzahlung dauerhaft überlassen wird. Nach Auffassung des EuGH ist ein vertragliches Weitergabeverbot mit dem zwingenden Erschöpfungsgrundsatz in Widerspruch und folglich unwirksam. Durch die Weitergabe («Eigentumsübertragung» i.S.d. Art. 4 Abs. 2 der Software-RL) der Lizenz (ggf. mit der Programmkopie) an einen Zweiterwerber übernimmt dieser vom Ersterwerber die Rechtsstellung als «rechtmäßiger Erwerber» und ist fortan zur Nutzung der Programmkopie im Rahmen der übernommenen Lizenz berechtigt. Der Ersterwerber hat dabei spätestens im Zeitpunkt der Weiterveräußerung seine Programmkopie zu löschen.16

    4.

    Schlussfolgerungen für die Zweitverwertung von Digitalgütern ^

    [11]
    Neben Software können auch andere Digitalgüter unkörperlich durch Download vertrieben werden, wie die Praxis-Beispiele E-Book, MP3 oder Film belegen. Im Unterschied zu Computerprogrammen erfordert der Werkgenuss im Falle von Werken der Ton- bzw Filmkunst, der bildenden Kunst und der Literatur nicht die Zustimmung des Rechteinhabers, zumal § 41a und § 42 UrhG allenfalls erforderliche Vervielfältigungsvorgänge freistellt. Andererseits ist hinsichtlich der Umgehung technischer Schutzmaßnahmen § 90b UrhG bei Computerprogrammen großzügiger ausgestaltet und verbietet nicht die Umgehung durch den User, während für alle anderen Werkarten § 90c UrhG grds. auch die Umgehung durch den User sanktioniert. Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage, ob die Grundsätze der EuGH-Entscheidung zur Rs UsedSoft zur Erschöpfungslehre übertragen werden können.
    [12]

    Vor der EuGH-Entscheidung hatte etwa das OLG Stuttgart17 bezüglich eines heruntergeladenen Hörbuchs noch erkannt, dass eine Weitergabe an Dritte durch ein vertragliches Weitergabeverbot wirksam untersagt werden könne. Angesichts der UsedSoft-Entscheidung wird dies zu überdenken sein, weil grds. äquivalente Sachverhalte vorliegen und insb. die Übermittlung des Digitalguts zum Kunden auf gleichartige Weise, namentlich durch Download, geschieht. Eine rechtlich äquivalente Behandlung aller Digitalgüter und ihrer Vertriebsmodelle erscheint als konsequenter Weg.18 Hierfür spricht auch, dass der EuGH in Rn. 61 der UsedSoft-Entscheidung die Veräußerung einer Software auf einem Datenträger und den Download aus dem Internet als wirtschaftlich gesehen vergleichbar identifiziert.19

    [13]

    Ein Argument, dass gegen die Ausdehnung dieses Grundsatzes und die Gleichbehandlung aller Digitalgüter vorgebracht wird, ist der ausschließliche Bezug des Urteils auf die Software-RL und die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 Software-RL,20 der von «Programmkopie» und nicht von «Werkstück» o.ä. spricht und Erstere keine besondere Beschaffenheit aufweisen müsse.21 Da die Software-RL als Lex specialis Sonderregelungen ausschließlich für Computerprogramme enthält, liegt dieser Schluss in der Tat nahe und schließt eine Ausdehnung der Grundsätze des Urteils prima vista aus.22 Insofern lässt sich die UsedSoft-Entscheidung nicht unmittelbar auf andere Fälle von Digitalgütern übertragen. Allerdings ist zu bedenken, dass «Software» nicht nur aus dem Computerprogramm per se, sondern auch aus Werken anderer Art, insb. Werken der angewandten Kunst, besteht. Selbst technische Produkte, wie eine Datenbank-Software, werden eine grafische Benutzerschnittstelle oder Textdateien enthalten, die integraler Bestandteil sind. Wird nun dem EuGH tatsächlich unterstellt, dass er den Erschöpfungsgrundsatz nicht auch auf andere Werkarten ausdehne, würde dies zu dem zweifelsfrei bizarren Ergebnis führen, dass zwar das Computerprogramm nicht, aber andere für den Programmlauf wesentliche Komponenten, insb. Grafiken, erfasst wären. Damit wäre aber der Idee der Gleichbehandlung funktional und wirtschaftlich gleichwertiger Vertriebsformen hinsichtlich der Anwendung der Erschöpfung nicht Rechnung getragen. Die Anwendung der Erschöpfung beim Online-Vertrieb für reine Computerprogramme, nicht aber andere Werkarten anzuwenden, wäre somit – von eher hypothetischen Ausnahmen abgesehen – ein recht widersinniges Unterfangen, würde dies doch die Verkehrsfähigkeit des gesamten Software-Pakets nicht fördern.

    [14]
    Freilich ist aber ins Treffen zu führen, dass – wie eingangs erwähnt – je nach Werkart grds. unterschiedliche Rechtsfolgen eintreten. Während § 40d Abs. 1 UrhG die Anwendbarkeit des § 42 UrhG für Computerprogramme ausschließt, erfasst das Recht auf Privatkopie (§ 42 Abs. 4 UrhG) insb. Werke der Literatur, der bildenden Kunst sowie der Ton- und Filmkunst. Es bestehen demnach weitreichende Freistellungen zugunsten anderer Digitalgüter als Software. So ist es etwa zulässig eine Musik-CD zu kaufen, für den Privatgebrauch zu kopieren und danach den Original-Datenträger Dritten weiterzuverkaufen. Für Computerprogramme ist dies hingegen rechtlich unzulässig, weil lediglich Sicherungskopien, nicht aber Privatkopien gestattet sind. Der Schutz technischer Maßnahmen nach §§ 90b, 90c UrhG ist ebenso unterschiedlich ausgestaltet, wobei Programme hier schwächer geschützt werden und die Umgehung durch den User nicht sanktioniert wird. Ob diese Unterschiede letztlich eine differenzierte Beurteilung der unterschiedlichen Vertriebsformen für andere Digitalgüter als Computerprogramme rechtfertigt, erscheint zweifelhaft. Dies vor allem deshalb, weil die «Missbrauchs»-Möglichkeiten trotz der unterschiedlichen Ausgestaltung des Vertriebs bei Digitalgütern letztlich gleich bleiben. Abhilfe kann sich der Anbieter nur durch wirksame technische Maßnahmen, insb. DRM-Systeme oder Online-Aktivierungsvorgänge23, verschaffen. Hier ist insb. die Half-Life II-Entscheidung des d. BGH beachtenswert.24 Der d. BGH hat den Erschöpfungsgrundsatz als unberührt angesehen, wenn etwa ein Spielehersteller ein Computerspiel solcherart programmiert, dass ohne Aktivierung eines Online-Benutzerkontos eine Ausführung des Spiels nicht möglich ist. So ist ein Weiterverkauf des Datenträgers mit dem Benutzerkonto zwar kein Verstoß gegen das Urheberrecht, aber allenfalls eine Übertretung der vertraglichen Kompetenzen zwischen Ersterwerber und Spielehersteller. Letzterem stehen dann aber freilich vertraglich bedingte Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche zu.25
    [15]
    Erw.Gr. Nr. 29 der InfoSoc-RL26 lässt aber einen Restzweifel offen, weil die Anwendung der Erschöpfungsregelung ihrem Wortlaut nach bei Online-Diensten ausgeschlossen wird.27 Dem kann aber wiederum entgegengehalten werden, dass Erw.Gr. Nr. 29 vorrangig eine Dienstleistung vor Augen hat. Demzufolge ist darauf abzustellen, ob eine dauerhafte Überlassung des Digitalguts (gegen Einmalzahlung) bezweckt oder das Digitalgut nur zur Nutzung im Rahmen einer Dauerschuldbeziehung (z.B. Abo-Dienste, befristeter Serverzugriff u.s.w.) überlassen wird. Nur wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung eine endgültige Überlassung des Digitalguts erfolgt, ist eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts anzudenken.28
    [16]
    U.E. ist das Argument der funktionalen und wirtschaftlichen Gleichwertigkeit von körperlichem und unkörperlichem Vertrieb, wie dies auch in Rz. 61 der UsedSoft-Entscheidung zum Tragen kommt, ein gewichtiges. Daher erscheint eine analoge Anwendung der Grundsätze der Entscheidung auf andere Digitalgüter grundsätzlich sinnvoll. Gegenstand der Erschöpfung ist dabei das konkret erworbene Digitalgut.

    5.

    Literatur ^

    Heydn, Truiken J./Schmiedl, Michael, Der Handel mit gebrauchter Software und der Erschöpfungsgrundsatz. In: KR S. 74 (2006).

    Rigamonti, Cyrill P., Der Handel von Gebrauchtsoftware nach schweizerischem Urheberrecht. In: GRURInt S. 14 (2009).

    Sosnitza, Olaf, Die urheberrechtliche Zulässigkeit des Handels mit «gebrauchter» Software. In: KR S. 206 (2006).

    Heydn, Truiken J., Anmerkung zu EuGH 3.6.2012, C-128/11, UsedSoft. In: MMR S. 591 (2012).

    Schmitt, Thomas Rainer, Der Online-Vertrieb von Software nach dem EuGH-Urteil «UsedSoft». In: MR S. 256 (2012).

    Rüffler, Friedrich, Ist der Handel mit gebrauchter Software urheberrechtlich zulässig?. In: ÖBl S. 52 (2008).

    Hoeren, Thomas/Försterling, Matthias, Onlinevertrieb «gebrauchter» Software, Hintergründe und Konsequenzen der EuGH-Entscheidung «UsedSoft». In: MMR S. 642 (2012)

    Ander, Axel in Kucsko, Guido (Hrsg.), urheber.recht, Manz, Wien, § 16 S. 234 (2007).

    Walter, Michael M., Handel mit Gebrauchtsoftware. In: MR-Int S. 34 (2012).

    Berger, Christian, Urheberrechtliche Erschöpfungslehre und digitale Informationstechnologie. In: GRUR S. 198 (2002).

    Marly, Jochen, Der Handel mit so genannter «Gebrauchtsoftware». In: EuZW S. 654 (2012).

    Staudegger, Elisabeth, Zulässigkeit und Grenzen des Handels mit «Gebrauchtsoftware». In: jusIT S. 127 (2012).

    Gräbig, Johannes, BGH: Half-Life 2 – Ende des Handels mit Gebrauchtsoftware?. In: MMR-Aktuell S. 307861 (2010).

    Spindler, Gerhard, Der Handel mit Gebrauchtsoftware – Erschöpfungsgrundsatz quo vadis?, CR S. 69 (2008).

     


     

    Clemens Appl, Universitätsassistent, Wirtschaftsuniversität Wien, Institut für Zivil- und Unternehmensrecht, Abteilung für Informations- und Immaterialgüterrecht.

     

    Marlene Schmidt, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Wirtschaftsuniversität Wien, Institut für Zivil- und Unternehmensrecht, Abteilung für Informations- und Immaterialgüterrecht.

     


     

    1. 1 EuGH 3.6.2012, C-128/11, UsedSoft, CR 2012, 498.
    2. 2 Der EuGH hält unzweifelhaft fest, dass sich das Urteil auf die Software-RL bezieht, EuGH 3.6.2012, C-128/11, UsedSoft, CR 2012, 498.
    3. 3 Der Begriff «gebraucht» ist in Bezug auf Digitalgüter freilich irreführend, weil Digitalgüter – anders als ein etwaiges Trägermedium – keiner Abnützung unterliegt. Der Begriff ist jedoch etabliert und bezeichnet die Folgeverwertung des Digitalguts durch einen Folgeerwerber. S dazu Heydn/Schmiedl, Der Handel mit gebrauchter Software und der Erschöpfungsgrundsatz, KR 2006, 74; Rigamonti, Der Handel von Gebrauchtsoftware nach schweizerischem Urheberrecht, GRURInt 2009, 14.
    4. 4 Sosnitza, Die urheberrechtliche Zulässigkeit des Handels mit «gebrauchter» Software, KR 2006, 206.
    5. 5 S. dazu Anm. Heydn zu EuGH 3.6.2012, C-128/11, UsedSoft, MMR 2012, 591.
    6. 6 BGH 6.7.2000, I ZR 244/97, OEM-Entscheidung, NJW 2000, 3571.
    7. 7 Anderl in Kucsko, urheber.recht, Manz, Wien, § 16 S. 234 (2007).
    8. 8 Berger, Urheberrechtliche Erschöpfungslehre und digitale Informationstechnologie, GRUR 2002, 198.
    9. 9 Anderl in Kucsko, urheber.recht § 16 S. 234.
    10. 10 Schmitt, Der Online-Vertrieb von Software nach dem EuGH-Urteil «UsedSoft», MR 2012, 256.
    11. 11 Rüffler, Ist der Handel mit gebrauchter Software urheberrechtlich zulässig?, ÖBl 2008, 52; zust. Schmitt, MR 2012, 256.
    12. 12 EuGH 3.6.2012, C-128/11, UsedSoft, insb. Rz. 55.
    13. 13 EuGH 3.6.2012, C-128/11, UsedSoft, insb. Rz. 42.
    14. 14 OGH 23.5.2000, 4 Ob 30/00s, MR 2004, 249.
    15. 15 RL 2009/24/EG des Parlaments und des Rates v. 23.4.2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, ABl. L 111/16.
    16. 16 Hoeren/Försterling, Onlinevertrieb «gebrauchter» Software, Hintergründe und Konsequenzen der EuGH-Entscheidung «UsedSoft», MMR 2012, 642.
    17. 17 OLG Stuttgart 3.11.2011, 2 U 49/11, BeckRS 2012, 05352.
    18. 18 Schmitt, MR 2012, 256; zust. Walter, Handel mit Gebrauchtsoftware, MR-Int 2012, 34; zust. Marly, Der Handel mit so genannter «Gebrauchtsoftware», EuZW 2012, 654.
    19. 19 EuGH 3.6.2012, C-128/11, UsedSoft, CR 2012, 498.
    20. 20 Software-RL 2009/24/EG, ABl. L 111/16.
    21. 21 Hoeren/Försterling, MMR 2012, 642.
    22. 22 Staudegger, Zulässigkeit und Grenzen des Handels mit «Gebrauchtsoftware», jusIT 2012, 127.
    23. 23 BGH 11.2.2010, I ZR 178/08, GRUR 2010, 822.
    24. 24 BGH 11.2.2010, I ZR 178/08, GRUR 2010, 822.
    25. 25 Gräbig, BGH: Half-Life 2 – Ende des Handels mit Gebrauchtsoftware?, MMR-Aktuell 2010, 307861.
    26. 26 RL 2001/29/EG des Rates v. 22.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft, ABl. L 167/10.
    27. 27 S. dazu auch Walter MR-Int 2012, 34; Berger, GRUR 2002, 198 – die beide eine andere Meinung vertreten, dem Erw.Gr. aber Beachtung schenken wollen.
    28. 28 Spindler, Der Handel mit Gebrauchtsoftware – Erschöpfungsgrundsatz quo vadis?, CR 2008, 69.