1.
Einleitung ^
Einen neuen Schub für das Thema E-Government in Deutschland bringt nun die Verabschiedung des E-Government-Gesetzes (EGovG1) durch das Bundeskabinett im September 2012 mit sich. Selbst wenn bis zum Inkrafttreten des Gesetzes (erwartet 2013) möglicherweise Änderungen notwendig sind, die vom Bundesrat (Länderkammer) gefordert werden, so stehen die wesentlichen Inhalte und Vorgaben des EGovG fest und es kann begonnen werden, sich konkret auf die Umsetzung vorzubereiten.
2.
Überblick über das E-Government Gesetz ^
Die wesentlichen Regelungen des EGovG sind:
- Verpflichtung der Verwaltung zur Eröffnung eines elektronischen Zugangs und zusätzlich eines De-Mail-Zugangs
- Verpflichtung, Identitätsprüfungen mit der Online-Ausweisfunktion des neuen Personalausweises zu ermöglichen
- Erleichterung bei der Erbringung von elektronischen Nachweisen und der elektronischen Bezahlung in Verwaltungsverfahren
- Erfüllung von Publikationspflichten durch elektronische Amts- und Verkündungsblätter
- Grundsätze der elektronischen Aktenführung und des ersetzenden Scannens
- Verpflichtung zur Dokumentation und Analyse von Prozessen
- Regelung zur Bereitstellung von maschinenlesbaren Datenbeständen durch die Verwaltung (open data)
3.
Bezug zu Geschäftsprozessen der Verwaltung ^
Dies bedeutet, die Prozesse sind
- zu analysieren
- zu dokumentieren
- zu optimieren und
- elektronisch zu unterstützen,
mit anderen Worten, die Prozesse müssen E-Government-tauglich transformiert werden.
4.
Prozesse im E-Government-Gesetz ^
Eine bemerkenswerte Studie von 20113 hat die Erfahrung bestätigt, dass Prozessmanagement in der dt. Bundesverwaltung noch nicht flächendeckend praktiziert wird. In der Studie im Auftrag des Bundesinnenministeriums wurden die Rückläufer von 38 Bundesbehörden auf eine Umfrage zum Thema aktuelle Praxis des Prozessmanagements ausgewertet. Auch die Gründe hierfür sind interessant, es wird primär «fehlendes Personal» und «nicht gesehener Nutzen» genannt. Gleichwohl ist Prozessmanagement als Führungsthema und –aufgabe in den Behördenleitungen angekommen.
Die inhaltlichen Ergebnisse der Studie zeigen, dass der öffentliche Sektor in Bezug auf eine durchgängige Implementierung von Prozessmanagement noch am Anfang steht. In fast allen Dimensionen der Untersuchung befindet sich der jeweils größte Anteil der Verwaltungen auf einer 5-stufigen Reifegradskala auf dem Reifegrad 1 (ad hoc) oder 2 ( wiederholbar), aber nicht (mindestens) auf dem Reifegrad 3 (definiert).
Das Organisationshandbuch der Bundesverwaltung4 gibt ein Grundmuster vor, wie eine grundlegende Prozessanalyse und –optimierung durchgeführt werden kann: Aufgabenkritik – Zweckkritik – Vollzugsanalyse. Projekte zum Geschäftsprozessmanagement haben immer einen hohen Stellenwert in einer Organisation, da hierdurch Auftrag und Selbstverständnis auf dem Prüfstand stehen und schließlich auch Fragen des aktuellen und künftigen Personalbedarfs damit verknüpft sind. Am Ende ist die Frage zu stellen, ob optimierte Prozesse Kandidaten für den Betrieb in einem Shared Servicecenter sind.
5.
Initiativen der deutschen Bundesverwaltung zum Geschäftsprozess-management ^
Mit dem Programm Vernetzte und transparente Verwaltung hat die Bundesregierung 2010 eine Strategie für die weitere Modernisierung der Verwaltung vorgelegt. Die Verwaltung sieht die Notwendigkeit, «mitarbeiterorientiert die Stärken traditionellen Verwaltungshandelns – Rechtmäßigkeit, Neutralität und Gemeinwohlorientierung – mit den gestiegenen Anforderungen an Effizienz, Transparenz, Bürgernähe und Servicequalität in Einklang bringen und die Integrität ihrer Beschäftigten bestärken5». Im Portfolio dieses Programms findet sich auch eine Reihe von Projekten zum Geschäftsprozessmanagement.
5.1.
Konzeptionell ^
Es folgt eine Zusammenstellung von grundlegenden Konzepten, die im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums zum Thema Geschäftsprozessmanagement herausgegeben wurden7:
- Leitfaden für Entwickler von Prozess- und Datenmodellen
- Leitfaden für die Erhebung von Geschäftsprozessen
- Leitfaden für die Analyse von Geschäftsprozessen
- Rahmenwerk für ein einheitliches Prozessmanagement
- Konventionenhandbuch Teil 1 (Modellierungskonventionen)
- Konventionenhandbuch Teil 2 (Verzahnung von Fachseite und IT)
- Ableitung von Diensten aus Prozessen
- Rahmenarchitektur IT-Steuerung Bund
5.2.
Infrastrukturanforderungen ^
Das EGovG fordert den Aufbau einer bundesweiten IT-Infrastruktur, die erst die Voraussetzungen für die Bereitstellung und Nutzung der E-Government Dienste schafft:
- De-Mail-Zugang
- System zur elektronischen Identifizierung (eID) mit der Online-Ausweisfunktion des «neuen Personalausweises» (nPA)
- System zur Abwicklung von Bezahlvorgängen
- Scansysteme zur Digitalisierung von Dokumenten
- Systeme für die elektronische Aktenführung
5.3.
Organisationseinheiten ^
5.3.1.
Dienstleistungszentren ^
- Bundesstelle für Informationstechnik (BIT) im Bundesverwaltungsamt im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums
- Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik (ZIVIT) im Geschäftsbereich des Bundesfinanzministeriums
- Dienstleistungszentrum Informationstechnik im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (DLZ-IT BMVBS)
5.3.2.
Kompetenzzentren ^
- Kompetenzzentrum Geschäftsprozessmanagement in der Bundesstelle für Informationstechnik (CC GPM)
- Competence Center Prozessmanagement (CCP) des Dienstleistungszentrums für Informationstechnologie im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (DLZ-IT BMVBS)
- Kompetenzgruppe Prozessanalyse und Anforderungsmanagement des Zentrums für Informationsverarbeitung und Informationstechnik (ZIVIT)
- Geschäftsprozessmodellierung in der Zollverwaltung
Alle genannten Aktivitäten bekommen als Konsequenz des EGovG weitere Priorität. Für 2013-2014 sollen weitere Pilotprojekte zum Geschäftsprozessmanagement aufgenommen werden, die sich eng am EGovG ausrichten müssen, damit schnell praktische Erfahrungen bei der gesetzeskonformen Analyse und Optimierung von Geschäftsprozessen gewonnen werden können.
Zu berücksichtigen ist dabei:
- Pilotprojekte sollen den Ansatz der medienbruchfreien Abwicklung der Geschäftsprozesse (vom Antrag zum Bescheid und Archiv) unterstützen,
- die Wirtschaftlichkeit der neuen Prozesse muss betrachtet und mit den Schätzungen im EGovG abgeglichen werden,
- ein besonderes Optimierungspotential bieten Prozessketten8, diese Thematik muss verstärkt in Pilotprojekten aufgegriffen werden.
Durch die Umsetzung des EGovG der Bundesverwaltung wird ein Sogeffekt auf weitere Ver waltungsebenen und –Bereiche erwartet (Motornorm). Es sollte im Interesse des nationalen IT-Planungsrats sein, dass sich die Erfahrungen und Ergebnisse aus der Umsetzung des EGovG rasch in der gesamten öffentlichen Verwaltung aufgegriffen werden. Erst mit einer flächendeckenden Um setzung der Prinzipien der elektronischen Verwaltung sind auch die erwarteten Optimierungs- und Einspareffekte zu erzielen und die Kosten der Einführung zu rechtfertigen.
6.
Wirtschaftliche Aspekte ^
So wurde ein Umstellungsaufwand über die gesamte Umstellungsdauer von 690 Mio. € für die Bundesverwaltung prognostiziert. Dem gegenüber werden jährliche Ersparnisse bei Verfügbarkeit der elektronischen Dienste von 36 Mio. € bei den Bürgerinnen und Bürgern, 208 Mio. € bei der Wirtschaft und 930 Mio. € bei der Verwaltung gesehen. Dieses Entlastungspotenzial kann allerdings nur dann realisiert werden, wenn alle im Gesetz vorgesehenen Infrastrukturkomponenten eingeführt und für die Verwaltungsprozesse der Behörden des Bundes nutzbar gemacht werden. Dazu stellt der Normenkontrollrat9 in seinem Kommentar fest, dass es zu diesem Reformprozess keine wirkliche Alternative gibt.
7.
Risiken ^
8.
Fazit ^
Michael Tonndorf, Diplom-Informatiker, CSC Deutschland Solutions GmbH.
- 1 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften, 14.11.2012, Bundesministerium des Innern.
- 2 Aus: Begründung zum EGovG (zu § 9 Optimierung von Verwaltungsabläufen und Information zum Verfahrensstand).
- 3 Projekt Prozessmanagement: Reifegradanalyse. Regierungsprogramm Vernetzte und transparente Verwaltung.
- 4 http://www.orghandbuch.de.
- 5 Aus: Regierungsprogramm Vernetzte und transparente Verwaltung.
- 6 Aus: Begründung zum EGovG (zu § 9 Optimierung von Verwaltungsabläufen und Information zum Verfahrensstand).
- 7 Siehe http://www.cio.bund.de und http://www.bva.bund.de.
- 8 siehe z.B. http://www.p23r.de/.
- 9 Siehe http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/OED_Verwaltung/ ModerneVerwaltung/stellungnahme_nkr_egovg.pdf.