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Effiziente Geschäftsprozesse als Grundlage einer modernen Verwaltung in Deutschland

  • Author: Michael Tonndorf
  • Category: Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Wissensbasiertes Prozessmanagement in Verwaltungsnetzwerken
  • Collection: Tagungsband-IRIS-2013
  • Citation: Michael Tonndorf, Effiziente Geschäftsprozesse als Grundlage einer modernen Verwaltung in Deutschland, in: Jusletter IT 20 February 2013
Im September 2012 wurde vom Bundeskabinett das E-Government-Gesetz verabschiedet. Das Gesetz muss zwar noch den Bundestag durchlaufen, wonach es möglicherweise Modifikationen erfahren wird. Gleichwohl ist die Zielrichtung des Gesetzes klar und der Umfang des Veränderungsbedarfs durch das Gesetz absehbar. In diesem Beitrag wird ein kurzer Überblick über die Forderungen des dt. E-Government-Gesetzes gegeben, die besondere Rolle von Geschäfts-prozessmanagement herausgestellt und den Stand des Ausbaus des Geschäftsprozessmanagements in der Bundesverwaltung zusammengefasst.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Überblick über das E-Government Gesetz
  • 3. Bezug zu Geschäftsprozessen der Verwaltung
  • 4. Prozesse im E-Government-Gesetz
  • 5. Initiativen der deutschen Bundesverwaltung zum Geschäftsprozess-management
  • 5.1. Konzeptionell
  • 5.2. Infrastrukturanforderungen
  • 5.3. Organisationseinheiten
  • 5.3.1. Dienstleistungszentren
  • 5.3.2. Kompetenzzentren
  • 6. Wirtschaftliche Aspekte
  • 7. Risiken
  • 8. Fazit

1.

Einleitung ^

[1]
Eine moderne Volkswirtschaft lebt davon, dass sich die öffentliche Verwaltung als eine Dienstleisterin der Wirtschaft versteht und dieser durch Erbringung von effizienten und kostengünstigen Verwaltungsdienstleistungen Standort- und Wettbewerbsvorteile verschafft. Aber auch der Bürger profitiert von einer modernen öffentlichen Verwaltung, indem Behördengänge reduziert, Verfahren beschleunigt und die Rechtssicherheit erhöht wird. Als technologischer Schlüssel zu der so verstandenen Verwaltungsmodernisierung hat sich die Disziplin E-Government etabliert.
[2]

Einen neuen Schub für das Thema E-Government in Deutschland bringt nun die Verabschiedung des E-Government-Gesetzes (EGovG1) durch das Bundeskabinett im September 2012 mit sich. Selbst wenn bis zum Inkrafttreten des Gesetzes (erwartet 2013) möglicherweise Änderungen notwendig sind, die vom Bundesrat (Länderkammer) gefordert werden, so stehen die wesentlichen Inhalte und Vorgaben des EGovG fest und es kann begonnen werden, sich konkret auf die Umsetzung vorzubereiten.

2.

Überblick über das E-Government Gesetz ^

[3]
Pläne für ein deutsches E-Government-Gesetz wurden bereits ab Mitte des vergangenen Jahrzehnts gemacht. Seit dieser Zeit wurden vermehrt E-Government-Dienstleistungen in der deutschen Bundesverwaltung online gesetzt. So endete die erste nationale E-Government Initiative BundOnline 2005 im Jahr 2005 mit 440 online-gesetzten Dienstleitungen. Damit zeigten sich aber auch mehr und mehr die Unzulänglichkeiten der Verwaltungspraxis, wie z.B. die Frage der Online-Abbildung von handschriftlichen Unterschriften, Medienbrüchen in der Abwicklung von Verwaltungsprozessen (elektronische vs. Papier-Dokumente, unklare elektronische Schnittstellen zwischen Öffentlichkeit und Behörden usw.). Absicht des E-Government-Gesetzes ist es u.a., diese Unsicherheiten zu beseitigen und hier rechtlich eindeutige Regelungen vorzugeben, sowie Zielvorgaben für die weitere Einführung von E-Government-Verfahren festzuschreiben.
[4]

Die wesentlichen Regelungen des EGovG sind:

  • Verpflichtung der Verwaltung zur Eröffnung eines elektronischen Zugangs und zusätzlich eines De-Mail-Zugangs
  • Verpflichtung, Identitätsprüfungen mit der Online-Ausweisfunktion des neuen Personalausweises zu ermöglichen
  • Erleichterung bei der Erbringung von elektronischen Nachweisen und der elektronischen Bezahlung in Verwaltungsverfahren
  • Erfüllung von Publikationspflichten durch elektronische Amts- und Verkündungsblätter
  • Grundsätze der elektronischen Aktenführung und des ersetzenden Scannens
  • Verpflichtung zur Dokumentation und Analyse von Prozessen
  • Regelung zur Bereitstellung von maschinenlesbaren Datenbeständen durch die Verwaltung (open data)
[5]
Wichtig ist die Feststellung, dass erst die obengenannten Maßnahmen in Summe den beabsichtigten Zweck (Verwaltungsmodernisierung) erfüllen, indem sie sich ergänzen und in der Wirkung verstärken.
[6]
Es ist vorherzusehen, dass die Umsetzung des E-Government Gesetzes eine Fülle von weiteren Änderungen an Gesetzen und Vorschriften nach sich ziehen wird. Die Berechnungen zum Bedarf an Haushaltsmitteln gehen von einem Gesamtzeitraum von ca. 30 Jahren aus, bis alle Forderungen des E-Government-Gesetzes umgesetzt sind. Der deutsche Normenkontrollrat hat aber hier eine deutliche Verkürzung des Umsetzungszeitraums angemahnt (Horizont 10 Jahre), andernfalls drohe der notwendige Schwung von vornherein zu verpuffen.
[7]
Ziel des Gesetzes ist es, durch den Abbau bundesrechtlicher Hindernisse die elektronische Kommunikation mit der Verwaltung zu erleichtern. Das Gesetz soll dadurch über die föderalen Ebenen hinweg Wirkung entfalten und Bund, Ländern und Kommunen ermöglichen, einfachere, nutzerfreundlichere und effizientere elektronische Verwaltungsdienste anzubieten.
[8]
Grundlegendes Hemmnis für den Ausbau von E-Government in der Verwaltung waren und sind immer noch die Schriftformerfordernisse, die keine einfache elektronische Übermittlung und Verarbeitung von Dokumenten zuließen. Allein die Überprüfung der Notwendigkeiten der Schriftformerfordernisse wird eine Überprüfung von ca. 3500 Vorschriften im dt. Bundesrecht zur Folge haben, dies muss in einem sog. «Normenscreening» erfolgen.

3.

Bezug zu Geschäftsprozessen der Verwaltung ^

[9]
Nachdem die Implikationen des EGovG im Überblick dargestellt wurden, soll nun der Bezug zu den Geschäftsprozessen hergestellt werden.
[10]
Wie das Thema E-Government so ist auch das Thema Geschäftsprozesse schon eine gewisse Zeit auf der Agenda. Die Verbindung von E-Government mit Geschäftsprozessen war immer offenkundig. Es fehlten jedoch die rechtlichen Voraussetzungen, um durchgängige Lösungen von E-Government zu entwickeln, die eine elektronische Abbildung der internen und externen Verwaltungsprozesse ermöglichen.
[11]
Früh wurden elektronische Schnittstellen von und zu Behörden hin etabliert (z.B. E-Mail für eine einfache Kommunikation ohne Schriftformerfordernis, aber auch sichere elektronische Zugänge wie z.B. die elektronische Patentanmeldung oder elektronische Antragstellung). In den internen Prozessen der Behörde kam es aber dann i.d.R. zu Medienbrüchen, da die betr. Dokumente weiterhin in Papierform weiterverarbeitet werden mussten.
[12]
Erst die durchgängige Repräsentation eines Dokuments in elektronischer Form bringt einen wirklichen Effizienzgewinn bei der Verarbeitung, eine entsprechende Infrastruktur vorausgesetzt. Mit der weiteren Verbreitung von E-Government-Diensten setzte sich daher die Erkenntnis durch, dass erst mit einer Unterstützung der Prozesse durch Workflow-Systeme und der elektronischen Akte wirksame Fortschritte beim Thema Medienbruchfreiheit erzielt werden konnte. Gleichwohl waren in der Mitte des letzten Jahrzehnts die E-Akte bzw. Dokumentenmanagementsysteme und Workflowsysteme einfach noch nicht so ausgereift, dass eine flächendeckende Einführung verbindlich gefordert werden konnte – von Vorreitern und Pionieren wie immer abgesehen.
[13]
Dieser Zustand hat sich nun kontinuierlich verbessert, so dass die Autoren des EGovG in Deutschland zu Recht die Einführung einer E-Akte im Gesetz fordern und festschreiben konnten. Und die E-Akte kann nun wiederum als Basis für die elektronische Abbildung/Unterstützung der Geschäftsprozesse der Organisation dienen.
[14]
Der Erfolg oder Misserfolg der weiteren E-Government Initiativen wird also entscheidend davon abhängen, ob und wie schnell es gelingt, die Prozesse einer Organisation bzw. Behörde so aufzubereiten, dass eine durchgängige elektronische Unterstützung möglich wird.
[15]

Dies bedeutet, die Prozesse sind

  • zu analysieren
  • zu dokumentieren
  • zu optimieren und
  • elektronisch zu unterstützen,

mit anderen Worten, die Prozesse müssen E-Government-tauglich transformiert werden.

[16]
Es wird dann auch nicht damit getan sein, einmalig einzelne Prozesse einer Organisation zu transformieren. Vielmehr erschließt sich der volle Nutzen von Geschäftsprozessmanagement erst dann, wenn ein (mehr oder weniger detailliertes) Gesamtbild der Prozesslandschaft einer Organisation (Prozesshaus) erstellt ist und dies regelmäßig überprüft und gepflegt wird.

4.

Prozesse im E-Government-Gesetz ^

[17]
Die Forderung zur Verpflichtung zur Dokumentation und Analyse von Prozessen ist mithin ein Schwerpunkt und Erfolgsfaktor in der Umsetzung des EGovG. Eine prozessorientierte elektronische Verwaltungsarbeit im Sinne des EGovG setzt die systematische und ganzheitliche Untersuchung und Dokumentation von Prozessen voraus. Gängige Methoden zur Prozessmodellierung sind insbesondere solche Vorgehensweisen, die die Bundesbeauftragte für Informationstechnik für die Erfassung und Erstellung von IT-Zustandsanalysen empfiehlt.
[18]
Auf Basis der zur Dokumentation geeigneten Methoden erfolgt die Auswahl der zu verwendenden Werkzeuge, wobei deren Nutzung einheitlich erfolgen sollte. Ziel ist die einheitliche Darstellung der Prozess- und Datenmodelle durch Werkzeuge, welche die geeigneten Standards und Technologien unterstützen. Hierdurch wird zugleich dem übergreifenden Wirtschaftlichkeitsgedanken Rechnung getragen.2
[19]
Prozessanalysen und -optimierungen werden also als die zentralen Erfolgsfaktoren bei der Umsetzung des EGovG gesehen. Neben umfangreichen Investitionen in die IT-Infrastruktur rückt damit die Disziplin Geschäftsprozessmanagement bei der Verwaltungsmodernisierung in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Hierzu sind Analysen anzustellen, welche Arbeiten und Vorarbeiten durch die Bundesverwaltung bereits geleistet wurden und welche Veränderungen sich durch die Inkraftsetzung des EGovG weiter ergeben werden.
[20]

Eine bemerkenswerte Studie von 20113 hat die Erfahrung bestätigt, dass Prozessmanagement in der dt. Bundesverwaltung noch nicht flächendeckend praktiziert wird. In der Studie im Auftrag des Bundesinnenministeriums wurden die Rückläufer von 38 Bundesbehörden auf eine Umfrage zum Thema aktuelle Praxis des Prozessmanagements ausgewertet. Auch die Gründe hierfür sind interessant, es wird primär «fehlendes Personal» und «nicht gesehener Nutzen» genannt. Gleichwohl ist Prozessmanagement als Führungsthema und –aufgabe in den Behördenleitungen angekommen.

[21]

Die inhaltlichen Ergebnisse der Studie zeigen, dass der öffentliche Sektor in Bezug auf eine durchgängige Implementierung von Prozessmanagement noch am Anfang steht. In fast allen Dimensionen der Untersuchung befindet sich der jeweils größte Anteil der Verwaltungen auf einer 5-stufigen Reifegradskala auf dem Reifegrad 1 (ad hoc) oder 2 ( wiederholbar), aber nicht (mindestens) auf dem Reifegrad 3 (definiert).

[22]
Die Einführung eines definierten und kontinuierlichen Prozessmanagements ist zweifellos eine zentrale Voraussetzung bei der Umsetzung des EGovG. Und dies ist in erster Linie kein technisches, kein politisches und kein rechtliches Thema sondern ein Thema der Organisation – die Prozesse einer Organisation bestimmen das Verständnis vom Aufgabenspektrum der jeweiligen Behörde.
[23]
An dieser Stelle ist die Feststellung zu treffen, dass Prozessanalysen und optimierungen nicht umsonst zu haben sind. Vielmehr hat die Erfahrung gezeigt, dass die Einführung und kontinuierliche Umsetzung von Prozessmanagement eine Aufgabe ist, die zumindest phasenweise einen erheblichen personellen Aufwand erfordert. In Projekten im Rahmen der Regierungsinitiative Vernetzte und transparente Verwaltung konnte hier eine Reihe von Erfahrungen gesammelt werden. Auf dieser Basis wurde auch ein pragmatisches Vorgehensmodell zur Prozessmodellierung (Rahmenwerk, s. Kap. 5.1) entwickelt und Anstöße für weitergehende Standardisierungen gegeben.
[24]

Das Organisationshandbuch der Bundesverwaltung4 gibt ein Grundmuster vor, wie eine grundlegende Prozessanalyse und –optimierung durchgeführt werden kann: Aufgabenkritik – Zweckkritik – Vollzugsanalyse. Projekte zum Geschäftsprozessmanagement haben immer einen hohen Stellenwert in einer Organisation, da hierdurch Auftrag und Selbstverständnis auf dem Prüfstand stehen und schließlich auch Fragen des aktuellen und künftigen Personalbedarfs damit verknüpft sind. Am Ende ist die Frage zu stellen, ob optimierte Prozesse Kandidaten für den Betrieb in einem Shared Servicecenter sind.

5.

Initiativen der deutschen Bundesverwaltung zum Geschäftsprozess-management ^

[25]

Mit dem Programm Vernetzte und transparente Verwaltung hat die Bundesregierung 2010 eine Strategie für die weitere Modernisierung der Verwaltung vorgelegt. Die Verwaltung sieht die Notwendigkeit, «mitarbeiterorientiert die Stärken traditionellen Verwaltungshandelns – Rechtmäßigkeit, Neutralität und Gemeinwohlorientierung – mit den gestiegenen Anforderungen an Effizienz, Transparenz, Bürgernähe und Servicequalität in Einklang bringen und die Integrität ihrer Beschäftigten bestärken5». Im Portfolio dieses Programms findet sich auch eine Reihe von Projekten zum Geschäftsprozessmanagement.

[26]
Die bisherigen Aktivitäten der Bundesverwaltung können verschiedenen Arbeitsschwerpunkten zugeordnet werden:

5.1.

Konzeptionell ^

[27]
Damit sich, wie im EGovG gefordert, eine einheitliche Methodik zum Geschäftsprozessmanagement etabliert, muss es im Interesse der Bundesverwaltung sein, dass Standards entwickelt werden und über Best Practices informiert wird. Dies geschieht auf den Webseiten des Bundes, vor allem der Bundesbeauftragten für Informationstechnik und des Bundesverwaltungsamts als zentralem Dienstleister der Bundesverwaltung. Insbesondere bei verwaltungsträgerübergreifenden Prozessen ist für den Erfolg der Prozessanalyse wichtig, dass soweit wie möglich durchgängige, trägerübergreifende Standardmethoden eingesetzt werden. Es empfiehlt sich daher, dass der IT-Rat der Bundesregierung und der IT-Planungsrat entsprechende Standards etablieren6.
[28]

Es folgt eine Zusammenstellung von grundlegenden Konzepten, die im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums zum Thema Geschäftsprozessmanagement herausgegeben wurden7:

  • Leitfaden für Entwickler von Prozess- und Datenmodellen
  • Leitfaden für die Erhebung von Geschäftsprozessen
  • Leitfaden für die Analyse von Geschäftsprozessen
  • Rahmenwerk für ein einheitliches Prozessmanagement
  • Konventionenhandbuch Teil 1 (Modellierungskonventionen)
  • Konventionenhandbuch Teil 2 (Verzahnung von Fachseite und IT)
  • Ableitung von Diensten aus Prozessen
  • Rahmenarchitektur IT-Steuerung Bund
[29]
Zunehmend setzt sich auch die Erkenntnis durch, dass die Themen Geschäftsprozessmanagement, Vorgehensmodelle und Architekturmanagement im Zusammenhang gesehen werden müssen: Vorgehensmodelle liefern Vorlagen für Projektdurchführungsstrategien von Projekten zum Geschäftsprozessmanagement, und das Architekturmanagement liefert Architekturmodelle für die Integration von IT-Lösungen in die gesamte IT-Landschaft der Organisation. Zu dieser Thematik sind Anfang des Jahres 2013 weitere Konzepte im Auftrag des Bundesinnenministeriums in Arbeit, die die Ergebnisse des Regierungsprogramms 2010 weiter abrunden.

5.2.

Infrastrukturanforderungen ^

[30]

Das EGovG fordert den Aufbau einer bundesweiten IT-Infrastruktur, die erst die Voraussetzungen für die Bereitstellung und Nutzung der E-Government Dienste schafft:

  • De-Mail-Zugang
  • System zur elektronischen Identifizierung (eID) mit der Online-Ausweisfunktion des «neuen Personalausweises» (nPA)
  • System zur Abwicklung von Bezahlvorgängen
  • Scansysteme zur Digitalisierung von Dokumenten
  • Systeme für die elektronische Aktenführung
[31]
Zusammen bilden diese Instrumente eine Infrastruktur zum elektronisch genutzten Verwaltungsvollzug. Diese können für mehrere Verwaltungsverfahren und mehrere Organisationseinheiten gemeinsam bereitgestellt werden, so dass damit Synergieeffekte erzielt werden können.
[32]
Für jede dieser Infrastrukturkomponenten gibt es mehr oder weniger weit entwickelte Beispiele bei den Behörden. Neu ist jetzt die Vorgabe des EGovG, diese Komponenten flächendeckend einzuführen.

5.3.

Organisationseinheiten ^

[33]
Der Aufbau von Kompetenzzentren und Dienstleistungszentren für die Informationstechnik der Bundesverwaltung ist in den letzten Jahren zügig vorangeschritten. So sind mit Ende des Jahres 2012 die folgenden Einrichtungen etabliert:

5.3.1.

Dienstleistungszentren ^

[34]
  • Bundesstelle für Informationstechnik (BIT) im Bundesverwaltungsamt im Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums
  • Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik (ZIVIT) im Geschäftsbereich des Bundesfinanzministeriums
  • Dienstleistungszentrum Informationstechnik im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (DLZ-IT BMVBS)

5.3.2.

Kompetenzzentren ^

[35]
  • Kompetenzzentrum Geschäftsprozessmanagement in der Bundesstelle für Informationstechnik (CC GPM)
  • Competence Center Prozessmanagement (CCP) des Dienstleistungszentrums für Informationstechnologie im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (DLZ-IT BMVBS)
  • Kompetenzgruppe Prozessanalyse und Anforderungsmanagement des Zentrums für Informationsverarbeitung und Informationstechnik (ZIVIT)
  • Geschäftsprozessmodellierung in der Zollverwaltung
[36]
Viele Ressorts und Bundesbehörden haben darüber hinaus individuelle Initiativen unternommen, um Prozesse zu dokumentieren und optimieren, oft im Zusammenhang mit der Einführung von betriebswirtschaftlicher Software, z.B. SAP. Da es keine zentrale Erfassung dieser Initiativen gibt, ist es auch schwierig, eine Übersicht hierzu zu erstellen.
[37]

Alle genannten Aktivitäten bekommen als Konsequenz des EGovG weitere Priorität. Für 2013-2014 sollen weitere Pilotprojekte zum Geschäftsprozessmanagement aufgenommen werden, die sich eng am EGovG ausrichten müssen, damit schnell praktische Erfahrungen bei der gesetzeskonformen Analyse und Optimierung von Geschäftsprozessen gewonnen werden können. 

[38]

 Zu berücksichtigen ist dabei:

  • Pilotprojekte sollen den Ansatz der medienbruchfreien Abwicklung der Geschäftsprozesse (vom Antrag zum Bescheid und Archiv) unterstützen,
  • die Wirtschaftlichkeit der neuen Prozesse muss betrachtet und mit den Schätzungen im EGovG abgeglichen werden,
  • ein besonderes Optimierungspotential bieten Prozessketten8, diese Thematik muss verstärkt in Pilotprojekten aufgegriffen werden.
[39]

Durch die Umsetzung des EGovG der Bundesverwaltung wird ein Sogeffekt auf weitere Ver waltungsebenen und –Bereiche erwartet (Motornorm). Es sollte im Interesse des nationalen IT-Planungsrats sein, dass sich die Erfahrungen und Ergebnisse aus der Umsetzung des EGovG rasch in der gesamten öffentlichen Verwaltung aufgegriffen werden. Erst mit einer flächendeckenden Um setzung der Prinzipien der elektronischen Verwaltung sind auch die erwarteten Optimierungs- und Einspareffekte zu erzielen und die Kosten der Einführung zu rechtfertigen.

6.

Wirtschaftliche Aspekte ^

[40]
Begrüßenswert ist die Tatsache, dass in der offiziellen Dokumentation zum EGovG bereits detaillierte und fundierte Kostenabschätzungen als Planungsgrundlagen enthalten sind.
[41]

So wurde ein Umstellungsaufwand über die gesamte Umstellungsdauer von 690 Mio. € für die Bundesverwaltung prognostiziert. Dem gegenüber werden jährliche Ersparnisse bei Verfügbarkeit der elektronischen Dienste von 36 Mio. € bei den Bürgerinnen und Bürgern, 208 Mio. € bei der Wirtschaft und 930 Mio. € bei der Verwaltung gesehen. Dieses Entlastungspotenzial kann allerdings nur dann realisiert werden, wenn alle im Gesetz vorgesehenen Infrastrukturkomponenten eingeführt und für die Verwaltungsprozesse der Behörden des Bundes nutzbar gemacht werden. Dazu stellt der Normenkontrollrat9 in seinem Kommentar fest, dass es zu diesem Reformprozess keine wirkliche Alternative gibt.

7.

Risiken ^

[42]
In einer ersten Stellungnahme fordert der Bundesrat, die faktischen Auswirkungen des Gesetzes stärker herauszustellen. D.h. die Bundesländer bringen über ihre Vertretung zum Ausdruck, dass diese die Folgewirkungen und –kosten zu wenig einschätzen können. Selbst wenn sich alle Beteiligten in der Bewertung einig sind, dass sich E-Government langfristig auszahlt, so sieht man doch mögliche Probleme, die Finanzmittel für die Erst-Investitionen im geplanten Zeitrahmen bereitzustellen.
[43]
Prinzipielle Träger der Verwaltungstätigkeit in Deutschland sind die Länder und Kommunen. Diese sind vom EGovG aber nur insoweit betroffen, wie diese Bundesrecht ausführen. Zudem haben die Länder und Kommunen für sich wiederum eine Reihe von Einzellösungen eingeführt und damit Fakten gesetzt, die nicht so leicht wieder aus der Welt geschafft werden können. Was jedoch für Wirtschaft und Bürger nicht wünschenswert ist, ist eine Heterogenität an elektronischen Zugängen und unterschiedlichen Verfahren. Damit droht sich der Vorteil von E-Government ins Gegenteil zu kehren. Hier kann man nur hoffen, dass sich der nationale IT-Planungsrat für Rahmenbedingungen einsetzt, die ein Zusammenwachsen, und nicht ein Auseinanderfallen der E-Government-Landschaft fördern. In jedem Fall ist die Klammer des EGovG eine Chance, die unbedingt genutzt werden sollte, damit der Nutzen der Informationstechnik auch der gesamten Volkswirtschaft zu Gute kommt.
[44]
Des Weiteren fordert der Bundesrat eine bessere Abstimmung der Initiativen E-Government und EJustice, diese Divergenz hat ihren Ursprung im Wesentlichen in der Sonderstellung der Bundesgerichte und weiterer Institutionen der Bundesjustiz.
[45]
Natürlich ist unbestritten, dass eine Durchdringung von Geschäftsprozessen der Verwaltung mit elektronischen Verfahren auch eine erhebliche Veränderung der Arbeitswelt mit sich bringt, ja bereits mit sich gebracht hat. Andererseits ist es auch unrealistisch zu erwarten, dass ausgerechnet der Öffentliche Sektor von diesen Veränderungen verschont bleibt.
[46]
In der Quintessenz kann festgestellt werden, dass die Umsetzung des EGovG langfristig die öffentliche Verwaltung komplett verändern wird. Papier als primärer Träger von Informationen wird abgelöst durch elektronische Systeme. Der Nutzen der Informationstechnik, die bereits den Alltag moderner Industrienationen sehr weitgehend durchdrungen hat, wird damit auch für den Öffentlichen Sektor bestimmend.

8.

Fazit ^

[47]
Mit der Inkraftsetzung des dt. EGovG erhält das Thema Elektronische Verwaltungsarbeit, und damit auch die Disziplin Geschäftsprozessmanagement eine wesentlich gesteigerte Priorität. Nach einer Vielzahl von Pilotprojekten und Einzelinitiativen ist nun die Zeit gekommen, mit dem EGovG einen einheitlichen Rahmen vorzugeben und für den Bereich, für den die Bundesverwaltung zuständig ist, die Einführung von E-Government obligatorisch zu machen.
[48]
Bevor das Gesetz tatsächlich in Kraft gesetzt ist, fehlen für eine konkrete Folgeplanung noch die verbindlichen Voraussetzungen. Es bleibt aber unbenommen, einen Rahmen zur Schaffung der benötigten Infrastruktur zu entwickeln. Dies sollte nach Forderung des Normenkontrollrats in einem ressortübergreifenden Masterplan E-Government-Gesetz erfolgen. Darin kann – unter Offenhaltung konkreter Termine – mit einer Planung zur Schaffung aller Voraussetzungen für die Umsetzung der Forderungen des EGovG begonnen werden. Damit tritt die Verwaltungsmodernisierung 2013 also in eine neue, entscheidende Phase.

 


 

Michael Tonndorf, Diplom-Informatiker, CSC Deutschland Solutions GmbH.

 


 

  1. 1 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften, 14.11.2012, Bundesministerium des Innern.
  2. 2 Aus: Begründung zum EGovG (zu § 9 Optimierung von Verwaltungsabläufen und Information zum Verfahrensstand).
  3. 3 Projekt Prozessmanagement: Reifegradanalyse. Regierungsprogramm Vernetzte und transparente Verwaltung.
  4. 4 http://www.orghandbuch.de.
  5. 5 Aus: Regierungsprogramm Vernetzte und transparente Verwaltung.
  6. 6 Aus: Begründung zum EGovG (zu § 9 Optimierung von Verwaltungsabläufen und Information zum Verfahrensstand).
  7. 7 Siehe http://www.cio.bund.de und http://www.bva.bund.de.
  8. 8 siehe z.B. http://www.p23r.de/.
  9. 9 Siehe http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Themen/OED_Verwaltung/ ModerneVerwaltung/stellungnahme_nkr_egovg.pdf.