Jusletter IT

Die Virtualisierung von Basisdaten unterschiedlicher Register

  • Author: Arthur Winter
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Government, Open Government
  • Collection: Tagungsband-IRIS-2013
  • Citation: Arthur Winter, Die Virtualisierung von Basisdaten unterschiedlicher Register, in: Jusletter IT 20 February 2013
Gemessen an den heutigen technischen Möglichkeiten ist der Stand der Verwaltungsregister unbefriedigend. Dies hat zuletzt der Rechnungshof in einem Bericht festgestellt. Durch verschiedene Initiativen wie Zentrales Personenstandsregister, Unternehmensregister, Ergänzungsregister für sonstige Betroffene neu und Global Location Number gibt es auch Ansätze unternehmensbezogene Verwaltungsregister inhaltlich zu konsolidieren und damit zu harmonisieren. Die Anzahl der Interaktionsfälle zwischen Bürger, Unternehmen und der Verwaltung kann dadurch deutlich reduziert werden. Gleichzeitig kann der vielfach geforderte Bürokratieabbau in diesen Bereichen umgesetzt werde. Die große Herausforderung besteht u.a. darin von vorhandenen Applikationen zu einer Abstraktion im Sinne einer Neustrukturierung zu kommen.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Von der Applikation zur Abstraktion
  • 2. Exkurs: Informationsverbundsystem
  • 3. Zentrales Melderegister
  • 4. Von der Abstraktion zur Applikation
  • 5. Register
  • 6. Basisdaten
  • 7. Probleme bei Registern
  • 8. Betroffene als Adressaten des Verwaltungshandelns
  • 9. Registerkern
  • 10. Virtualisierung als Lösungsansatz
  • 11. Ausblick

1.

Von der Applikation zur Abstraktion ^

[1]
In Österreich besteht schon seit längerem das Meldewesen als ein Verfahren zur Erfassung der in Österreich gemeldeten Personen. Die Meldebehörden – das sind die Bürgermeister – führen das Verfahren nach dem Meldegesetz durch, wobei in konventioneller Papiertechnologie damit verbunden war, dass das Verfahren dokumentiert wurde, dass es Ablagen etwa in Form von Karteien gab usw. Im Zuge der Automatisierung erfolgte in größeren Gemeinden die Umstellung auf lokale EDV-Register. In unterschiedlichen Lösungen wurden diese lokalen Register je Gemeinde umgesetzt und technisch in Form von Datenbanken geführt. Die Weiterleitung von Meldungen, etwa an das Zentrale Meldeamt, erfolgte klassisch in Form einer Durchschrift des Meldezettels. Datenschutzrechtlich war Auftraggeber die Meldebehörde und diese auch gleichzeitig Dienstleister. Dadurch, dass bei jeder Meldebehörde eigene Register geführt wurden, waren bundesweite Auskünfte nur sehr beschränkt möglich und Auskünfte beim Zentralen Meldeamt dauerten viele Wochen. Geht man von 2.354 Gemeinden (nach den Gemeindefusionen in der Steiermark) in Österreich aus, so zeigt sich deutlich, dass eine Vielzahl von lokalen Melderegistern bestand, die den Anforderungen eines E-Government nicht mehr entsprechen konnten. Um Meldeauskünfte zu beschleunigen, Meldebestätigungen rascher ausstellen zu können und in manchen Bereichen überhaupt einen Zugriff von Behörden auf Meldedaten im Sinne eines No-Stop Prinzips für den Bürger zu ermöglichen, war eine neue Struktur erforderlich.
[2]
Die Umsetzung in Richtung eines Zentralen Melderegisters (ZMR) durfte jedoch nicht dazu führen, dass eine Verschiebung der Kompetenzen von den Meldebehörden an eine Zentralstelle, wie das Bundesministerium für Inneres, erfolgt. Es musste daher einerseits eine Lösung gesucht werden, die den kompetenzrechtlichen Tatbeständen des föderalen Bundesstaates entsprach, andererseits als zentrale Lösung die Anforderungen eines bundesweiten E-Government umsetzen konnte.

2.

Exkurs: Informationsverbundsystem ^

[3]

In einer Novelle zum österreichischen Datenschutzgesetz1 wurde eine Konstruktion möglich gemacht, die die Problematik unterschiedlicher Auftraggeber abdecken sollte. Es war dies das Informationsverbundsystem gemäß § 4 Ziffer 13 Datenschutzgesetz. Unter Informationsverbundsystem wird die gemeinsame Verarbeitung von Daten in einer Datenanwendung durch mehrere Auftraggeber und die gemeinsame Benützung der Daten in der Art verstanden, dass jeder Auftraggeber auch auf jene Daten im System Zugriff hat, die von den anderen Auftraggebern dem System zur Verfügung gestellt wurden.

[4]
Einer der Ansatzpunkte für eine solche Lösung war seinerzeit die Problemstellung bei Platzbuchungssystemen einen verantwortlichen Betreiber für eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Auftraggeber wie zum Beispiel Reisebüro, Fluggesellschaft, Hotels etc. zu haben. Im Rahmen des Informationsverbundsystems erfolgt die Festlegung eines Betreibers entweder durch die Auftraggeber per Vertrag oder im öffentlichen Bereich allenfalls durch den Gesetzgeber. Datenschutzrechtlich trifft den Betreiber eine besondere Auskunftsverpflichtung wonach binnen zwölf Wochen alle Auskünfte zu geben sind, die notwendig sind, um den verantwortlichen Auftraggeber festzustellen. Der Betreiber ist gleichzeitig auch für Datensicherheitsmaßnahmen verantwortlich.
[5]
Durch dieses Konzept der Trennung von Auftraggeber und Betreiber ist in der Zusammenarbeit von unterschiedlichen Gebietskörperschaften eine Ebenen übergreifende Umsetzung von Konzepten möglich, die die Kompetenzverteilung nicht berührt. Durch das Informationsverbundsystem wird keine neue Behörde geschaffen, sondern nur ein Betreiber festgelegt, die Zuständigkeit bleibt nach wie vor bei den einzelnen Behörden. Trotzdem kann über den Betreiber eine zentrale Auskunftsstelle im Auftrag und Namen der einzelnen Behörden eingerichtet werden.

Abbildung 1: Informationsverbundsysteme gem. §4 Ziffer 13 DSG

3.

Zentrales Melderegister ^

[6]

In der Umsetzung des Meldegesetzes 19912 war bereits die Verpflichtung enthalten, dass von den Meldebehörden die Meldedaten in lokalen Melderegistern evident zu halten sind (§14 Absatz 1 Meldegesetz 1991). Die Umsetzung in Form eines zentralen Melderegisters erfolgte in Form eines Informationsverbundsystems gemäß §4 Ziffer 13 Datenschutzgesetz.

[7]
Meldebehörden sind nach wie vor die Auftraggeber dieses Verfahrens. Betreiber und Dienstleister zugleich ist das Bundesministerium für Inneres per Gesetz (§16 Absatz 2 Meldegesetz 1991). Diese neue Struktur ermöglichte bei Beibehaltung der Zuständigkeit der dezentralen Meldebehörden eine Reihe von Verfahrensverbesserungen. So werden Übermittlungen an andere Behörden nicht mehr in Papierform, sondern über die Abfrage des zentralen Melderegisters realisiert. Meldezettel in der klassischen Form zur Vorlage bei Behörden gehören damit der Vergangenheit an.

4.

Von der Abstraktion zur Applikation ^

[8]
Mit dem Zentralen Melderegister, das alle in Österreich gemeldeten Personen enthält, war die Anforderung verbunden eine eindeutige Identifikation der natürlichen Personen sicherzustellen, so dass es zu keinen Doppelmeldungen kommt. Gleichzeitig war die politische Vorgabe kein staatliches Personenkennzeichen über diesen Umweg einzuführen. Die Abstraktion bestand nun darin eine eindeutige Identifikation mit einer Nummer derart vorzunehmen, dass keine Verknüpfung verschiedener Verwaltungsbereiche zum gläsernen Bürger führen kann. Mit dem E-Governmentgesetz wurde eine Lösung realisiert, die aufbauend auf der Melderegisterzahl (die nicht verwendet werden darf) eine Stammzahl abgeleitet wird, die nur auf der Bürgerkarte gespeichert ist, aber in keinem Register geführt wird. Diese Einwegableitung erfolgt unter Kontrolle der Datenschutzkommission. Zur Sicherstellung eines Verknüpfungsverbotes wird in der Folge für bestimmte Bereiche in Form einer Einwegableitung, die nicht rückführbar ist, ein bereichsspezifisches Personenkennzeichen (bPK) errechnet. Damit sind die Personen in den einzelnen Bereichen zum Beispiel Steuern, Wohnen etc. zwar eindeutig identifiziert, da aber das bPK unterschiedlich ist, ist eine Zusammenführung dieser Daten auf diesem Wege nicht möglich. Dieser komplexe Vorgang muss auch entsprechend sicher durchgeführt werden, daher wurden Module für Online-Applikationen seitens des Bundeskanzleramts zur Verfügung gestellt, die den Einbau der bPK in den einzelnen Applikationen ermöglicht und von den einzelnen Behörden selbständig eingesetzt werden können.

5.

Register ^

[9]

Eine strukturell ähnliche Entwicklung wie beim Meldewesen lässt sich bei einem Großteil der Verwaltungsregister3 feststellen. Auf Basis von Materiengesetzen werden von der Verwaltung Datensammlungen über natürliche bzw. juristische Personen geführt, die mit Rechtsfolgen verbunden sind. Beispiele für solche Register sind das Firmenbuch, das Gewerberegister, das Vereinsregister, das Strafregister, das Datenverarbeitungsregister etc. Aufgrund eines behördlichen Verfahrens wurden die Verfahrensergebnisse von den Behörden in strukturierte Datensammlungen nach eindeutigen Identifikationsmerkmalen eingetragen. Dabei müssen einerseits die einzelnen Attribute genau festgelegt sein, als auch eine Historie durch zeitliche Schichtung darstellbar sein. Dies bedeutet auch eine regelmäßige Aktualisierung der Registerdaten. Grundprinzip heute ist die Aktualisierung nur im Anlassfall4 vorzunehmen, d.h. dem Antragsprinzip folgend, jeweils bei einem Neuantrag auch eine Aktualisierung vorzunehmen. Die seinerzeit in Karteiform geführten Register wurden schon längst bei den einzelnen Behörden durch elektronische Register abgelöst. Soweit es sich um bundesweite Register handelt ist auch zumeist eine zentrale Datenbank die technische Grundlage für diese Register.

[10]
So unterschiedlich die Materien auch sind, so ist sämtlichen Registern eines gemeinsam, dass bestimmte Grunddaten zur eindeutigen Identifikation gleich sind. Bürger und Unternehmen müssen bei der jeweiligen Behörde eindeutig identifizierbar sein, um die jeweiligen Daten zuordnen zu können. Umgekehrt muss die Behörde in der Lage sein, durch eindeutige Zuordnung den richtigen Betroffenen zu erkennen. Nicht zu unterschätzen in dieser Komplexität ist der Bereich der Kommunikation von Behörden zu Behörden, wobei es auch hier immer darum geht, eindeutig den Betroffenen feststellen zu können. Wie oben bereits ausgeführt, dient bei natürlichen Personen das Zentrale Melderegister mit den bPK als Basis. Für den Bereich der Unternehmen scheint sich das von der Statistik Austria geführte Unternehmensregister, welches im Rahmen des Unternehmensserviceportals (USP) aufgebaut wurde, als Basis für die Identifikation der Unternehmer herauszukristallisieren. In diesem Register sind die Stammdaten aller nicht natürlichen Personen mit Angabe des Quellregisters gespeichert.

6.

Basisdaten ^

[11]
Ein Merkmal sämtlicher Register besteht darin, dass sie bestimmte gleiche Basisdaten benötigen. Dies sind zustandsorientierte Daten, die der Identifizierung und Klassifizierung dienen und über einen längeren Zeitraum zur Verfügung stehen. Solche, in der Informationsverarbeitung als Stammdaten bezeichnete Daten, bedürfen auch eines Änderungsdienstes, der das Berichtigen, Ergänzen und Löschen dieser Stammdaten vorsieht.
[12]
In der Verwaltung bedeutet Stammdatenmanagement daher, dass alle rechtlichen, organisatorischen, methodischen und technologischen Aktivitäten in Bezug auf die Stammdaten eines Verfahrens einer Behörde umfasst werden. Dabei ist es das Ziel, die Sicherstellung der konsistenten, vollständigen, aktuellen und konkreten Stammdaten zur Unterstützung des Verwaltungsprozesses zu erreichen. Allerdings bestehen hier ganz unterschiedliche Sichten: aus Sicht des Verfahrens geht es darum die Datenqualität als Eignung der Daten für die Verwendung zu einem bestimmten Zweck zu gewährleisten. Aus Sicht der Behörde sind die Stammdaten unterschiedlicher Verfahren häufig schon nicht mehr konsistent. Umso mehr gilt dies für ein Land, für den Bund oder die gesamte Verwaltung! Die Bezeichnung der Datenfelder alleine stellt noch nicht sicher, dass es sich bei identen Personen um die gleichen Daten handelt. Ein Beispiel dafür wäre, dass im Feldnamen in einem Register der Geschlechtsname, in einem anderen Register der Familienname nach der Eheschließung, enthalten ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Aktualität der meisten Register jeweils nur im Anlassfall geändert werden.

7.

Probleme bei Registern ^

[13]

Die Konsistenz der Datenbestände in den einzelnen Registern ist bedingt durch das Antragsprinzip weitgehend von den eingebrachten Anträgen5 abhängig. So wird etwa vielfach die Namensschreibweise vom Antrag her abgeleitet, wobei ein Datenabgleich mit anderen Registern grundsätzlich nicht vorgesehen ist. Dies führt dazu, dass die gleichen Daten wie zum Beispiel Name, Adresse in unterschiedlichen Registern auch unterschiedlich dargestellt werden können. Diese Inkonsistenz der Register untereinander ist für die einzelne Behörde insofern nicht störend als die Fachsicht auf die Register dominiert, jede Anpassung zusätzlichen Aufwand erfordert und für die Vollziehung die bisherigen Registerlösungen ausreichend waren.

[14]
Ein weiteres Problem stellt die fehlende Ausstattung mit eindeutigen Identifikationsmerkmalen dar. Obwohl bei natürlichen Personen ein bPK vorgesehen ist setzt dies voraus, dass einzelne Register einen Abgleich mit dem ZMR bereits vorgenommen haben und ein entsprechendes bPK führen. Ist dies nicht der Fall, so ist eine eindeutige Identifizierung und Authentifizierung nicht immer möglich. Bei den nicht natürlichen Personen insbesondere den Unternehmen, Gewerbetrieben etc. führt die zurzeit noch fehlende Ausstattung mit eindeutigen bundesweiten Identifikationsmerkmalen dazu, dass jedes Unternehmen mit einer Vielzahl von Schlüsseln für die unterschiedlichen Bereiche arbeiten muss. Hier besteht das Bemühen über das Unternehmensregister eine eindeutige Identifikation bei nicht natürlichen Personen vorzunehmen.

8.

Betroffene als Adressaten des Verwaltungshandelns ^

[15]

Da die Verwaltung in vielen Fällen über Rechtsverhältnisse abspricht, war es selbstverständlich, dass die Adressaten des Verwaltungshandelns nur Rechtssubjekt in Form von natürlichen oder juristischen Personen sein konnten. Zunehmend treten aber in der Kommunikation zur Verwaltung auch Gruppen wie Arbeitsgemeinschaften, Bürgerinitiativen oder Interessengemeinschaften auf, die keine Rechtspersönlichkeit darstellen. Diesen Aspekt hat das E-Governmentgesetz6 bereits berücksichtigt, als es unter Betroffenen im Sinn des § 2 Ziffer 7 E-Governmentgesetzes jede natürliche Person, juristische Person sowie sonstige Personenmehrheit oder Einrichtung, der bei ihrer Teilnahme am Rechts- oder Wirtschaftsverkehr eine eigene Identität zukommt, bezeichnet hat. Der Schwerpunkt ist daher nicht nur Träger von Rechten und Pflichten im Sinne einer juristischen Person sein zu können, sondern auch die Identifikation und Authentifikation bei der Teilnahme am Rechts- oder Wirtschaftsverkehr.

[16]
Für die Identifikation von Betroffenen gibt es folgende Register:
[17]

Für natürliche Personen:

  • das Zentrale Melderegister (ZMR), für alle Personen mit Wohnsitz in Österreich sowie
  • das Ergänzungsregister für natürliche Personen (ERnP) für jene, die nicht ihren Aufenthalt in Österreich haben, aber elektronisch mit der Verwaltung kommunizieren wollen.
[18]

Für nicht natürliche Personen (Unternehmen im weiteren Sinn) sind die konstituierenden Register:

  • das Firmenbuch (FB)
  • das Zentrale Vereinsregister (ZVR)
  • das Ergänzungsregister für sonstige Betroffene (ERsB)
[19]
Zur eindeutigen Identifikation von Betroffenen dient die Stammzahl gemäß § 2 Ziffer 8 E-Governmentgesetz. Diese, einem Betroffenen, zu dessen eindeutigen Identifikation zugeordnete Zahl, dient bei natürlichen Personen zur Erzeugung von bPK. Bei nicht natürlichen Personen ist die Stammzahl die Firmenbuchnummer, die Vereinsregisternummer oder die Ordnungsnummer des Ergänzungsregisters für sonstige Betroffene. Diese drei Stammzahlen bei nicht natürlichen Personen sind als öffentliche Daten auch allgemein zugänglich.
[20]
Für Betroffene, die weder im Zentralen Melderegister noch im Firmenbuch oder Zentralen Vereinsregister eingetragen sein müssen, erfolgt die Führung in einem Ergänzungsregister. Betroffene natürliche Personen werden im Ergänzungsregister natürlicher Personen (ERnP) alle anderen Betroffenen (die nicht natürlichen Personen) im Ergänzungsregister für sonstige Betroffene (ERsB) geführt.

Abbildung 2: Register für die Identifikation von Betroffenen gem. E-Governmentgesetz (Quelle: Rechnungshofbericht)

9.

Registerkern ^

[21]

Attribute eines bestimmten Bereiches, der im Basisregister und im Fachregister ident sein soll, werden als Registerkern bezeichnet. Für 2013 ist geplant, ein Personenstandsregister7 (für natürliche Personen) einzurichten, bei dem die Daten aller Personenstandsbehörden bei einem Betreiber gemäß Informationsverbundsystem, in diesem Fall dem Bundesministerium für Inneres, geführt werden. Als Personenstand ist die sich aus den Merkmalen des Familienrechts ergebende Stellung einer Person innerhalb der Rechtsordnung einschließlich ihres Namens zu verstehen. Das bedeutet, dass die Personenstandsfälle Geburt, Eheschließung, Tot und Begründung einer eingetragenen Partnerschaft umfassen.

[22]
Den Personenkern im Personenstandsregister stellen folgende Daten dar: Name, Zeitpunkt und Ort der Geburt, Geschlecht, Familienstand, akademischer Grad oder Standesbezeichnung, Zeitpunkt und Ort des Todes, bereichsspezifische Personenkennzeichen und Staatsangehörigkeit
[23]
Diese Daten werden letztlich bei allen Registern, die natürliche Personen betreffen, benötigt. Dementsprechend stellt das künftige Personenstandsregister ein Kernregister für alle Register mit personenbezogenen Daten natürlicher Personen dar.
[24]
Für Unternehmensdaten besteht der Registerkern aus der Vereinigungsmenge der Unternehmensdaten der drei Stammzahlenregister Firmenbuch, zentrales Vereinsregister, Ergänzungsregister sonstiger Betroffener.
[25]

Im Registerkern für Unternehmer werden folgende Daten geführt:

  • Identifizierungsmerkmale der Unternehmen z.B. Bezeichnung, Name, Rechtsform, Beginn und Ende der unternehmerischen Tätigkeit und Firmenbuchnummer oder Vereinsregisterzahl, oder Ordnungszahl im Ergänzungsregister sonstiger Betroffener
  • Adressmerkmale
  • Bei juristischen Personen, Personengesellschaften, Personengemeinschaften und Personenvereinigungen, die nach der Satzung vertretungsbefugten Personen mit deren eindeutigen Identitätsmerkmalen (bPK)
  • Datenquellen
[26]
Auch hier gilt, dass sämtliche Register mit Daten nicht natürlicher Personen, die aktuellen und rechtsverbindlichen Daten aus diesem Registerkern für Unternehmen benötigen.
[27]
Die gegenwärtige Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass auf der einen Seite eine Vielzahl unterschiedlicher Register mit unterschiedlichem Stand geführt werden und auf der anderen Seite in absehbarer Zeit zwei große Kernregister, wie das Personenstandsregister und das Unternehmensregister mit den aktuellen Identifikationsdaten zur Verfügung stehen. Wie können nun im Rahmen eines föderalen Bundesstaates und bei der gegebenen Kompetenzverteilung diese unterschiedlichen Welten rechtlich-organisatorisch zusammengeführt werden?

10.

Virtualisierung als Lösungsansatz ^

[28]
Zur Realisierung einer Abstraktion auf gesamtstaatlicher Ebene gibt es schon einige Beispiele, so sind Ansätze wie Bürgerportal, Unternehmensserviceportal und Schaffung eines One-Stop-Shop Zuganges Lösungen, die auf der Basis von Virtualisierung beruhen.
[29]
Bei der Virtualisierung wird in einer vom Computer simulierten Wirklichkeit eine Zwischenschicht eingezogen. Der Zweck der Virtualisierung besteht im konkreten Fall darin, alle Bereiche um eine logische Schicht zu erweitern und so zusammenzufassen, dass eine einheitliche Sicht möglich ist. Eine virtuelle Verwaltung ist eine Form der Netzwerkorganisation, die sich aus einer Vielzahl von Einheiten zusammensetzt, die aber über entsprechende Softwareschnittstellen nach außen einheitlich auftreten. Die virtuelle Verwaltung ist ein Abbild der realen Verwaltung ohne die komplexen Strukturen sichtbar machen zu müssen. Die tatsächliche Aufbauorganisation tritt bei der virtuellen Verwaltung beim Behördenkontakt nicht in Erscheinung, so dass fragmentierte Einheiten als Ganzes erscheinen können. Unterschiedliche Behörden unterschiedlicher Gebietskörperschaften können sich auf Basis vernetzter Rechnersysteme derart zusammenschließen, dass gemeinsam bestimmte Aufgaben erledigt werden können. Das bedeutet, dass die öffentliche Verwaltung trotz organisatorischer Fragmentierung und räumlicher Verteilung im Kontakt mit Bürgern und Unternehmern als eine (virtuelle) Einheit auftreten kann.
[30]
Die strukturelle Trennung von Front-Office und Back-Office ermöglicht durch die Bündelung von Leistungen im Back-Office vollkommen neue Services. Die Zusammenarbeit (Verbindung) verschiedener Register und damit auch verschiedener Verwaltungsverfahren im Back-Office realisiert eine behördenübergreifende One-Stop-Verwaltung, die je nach Lebenssituation unterschiedliche Behörden im Back-Office miteinbinden kann. Die Virtualisierung ermöglicht es, auch ohne Veränderung der Aufbaustruktur der Verwaltung, eine vom Computer simulierte Wirklichkeit zu schaffen. Mit den Aufgaben der Distribution und des Zugangs zu Verwaltungsleistungen hat das Front-Office eine stärkere zielgruppenorientierte Ausrichtung. Demgegenüber hat das Back-Office mit Aufgaben der Produktion und Bereitstellung der Datenbestände einen stärkeren Druck auf verwaltungsinterne Rationalisierung. Insbesondere eine Bereinigung bei den Stammdaten der unterschiedlichen Register wäre von wesentlicher Bedeutung. Mit einem Schlag könnten umfangreiche Datenbestände auf die Eindeutigkeit, Konsistenz und Fehlerfreiheit hin bereinigt werden und große Mengen nicht mehr gültiger oder aktueller Bestände könnten damit bereinigt werden. Manche Applikationen meinen, dies könnte ein Umfang von 80% ihres Datenvolumens bei den Stammdaten ausmachen. Mit der Trennung von Produktion und Vertrieb einer Verwaltungsleistung wird die Voraussetzung geschaffen im Front-Office nicht nur die eigenen Leistungen einer Behörde, sondern auch einen Zugang zu anderen Behörden, die mit derselben Lebenssituation in einer anderen Phase befasst sind, zu ermöglichen. Der Schlüssel dazu besteht in der Bereitschaft zur Zusammenarbeit über Behördengrenzen hinweg – bei Beibehaltung des föderalistischen Prinzips. Durch die Virtualisierung wird es möglich, die vorhandene technisch-organisatorische Infrastruktur stärker in Richtung einer organisatorisch-vernetzten Verwaltung bei der Neugestaltung von Prozessen zu unterstützen.
[31]
Die Fundamente des Back-Office Konzeptes sind die verschiedenen Register. Mit dem Schritt des Aufbaues eines zentralen Personenstandsregisters als Kernregister für natürliche Personen erfolgt die Weichenstellung in diesem Bereich. Der nächste Schritt wird der Ausbau des Unternehmensregisters, zu einem rechtlich verbindlichen Kernregister für nicht natürliche Personen, sein. Um eine verbindliche Stammdatenverwaltung als zentrales Service bereitzustellen, müssen diese beiden Kernregister mit den anderen Registern so vernetzt werden, das Aktualität und Rechtsicherheit gewährleistet sind.

11.

Ausblick ^

[32]
Die Bereinigung der Stammdaten für natürliche und nicht natürliche Personen in unterschiedlichen Registern ist aber keineswegs ein technisches Problem, sondern vor allem ein rechtlich-organisatorisches. Beim Zentralen Personenstandsregister ist legistisch vorgesehen, dass die Verpflichtung für Gerichte und Behörden verankert wird, alle Meldungen und Vorgänge elektronisch an das Kernregister mitzuteilen. Dazu gehört auch Zweifel an der Richtigkeit bekannt zu geben, sodass eine Nachprüfung bzw. eine Aktualisierung veranlasst werden kann. Die bisherigen Mitteilungen zwischen den Behörden, zumeist noch in Papierform, entfallen, da bei Änderungen oder einem Antrag direkt ein Zugriff auf das Kernregister erfolgen kann. Im Sinne einer Selfservice-Funktion wird dem Bürger bzw. Unternehmen die Möglichkeit geboten, bei bestimmten Anwendungen, mit seiner Signatur selbst Daten abzufragen bzw. ändern zu können. Im Sinne des Bürokratieabbaus muss als Grundsatz gelten, dass Daten soweit sie im Kernregister gespeichert sind, bei anderen Behörden keiner Vorlage von Dokumenten zum Nachweis bedürfen. Da die Kernregister jeder Behörde zur Verfügung stehen müssen, besteht auch die Verpflichtung der Behörden, der Gebietskörperschaften, der Sozialversicherungsträger und der gesetzlichen Interessensvertretungen, die Kernregister zu verwenden. Änderungen von Stammdaten in einem Quellregister sind automatisch an das Kernregister weiterzuleiten und zu aktualisieren. Da anstelle von schriftlichen Mitteilungen, in Zukunft Übermittlungen nur mehr im Wege des Kernregisters zur Verfügung gestellt werden, bedeutet dies eine wesentliche Beschleunigung der Verfahren und eine hohe Fehlersicherheit. Bisher mussten die Mitteilungen in einem anderen Verfahren neu eingegeben werden, wobei mit jedem Medienbruch verbunden war, dass neue Fehlerquellen auftreten. Eine hohe Verfügbarkeit der Kernregister bedeutet auch, dass kein Bedarf mehr besteht die Kerndaten parallel zu führen, sodass Doppelgleisigkeiten bzw. Dateninkonsistenzen dadurch vermieden werden.
[33]
Es wird wahrscheinlich noch Jahre dauern, bis die einzelnen Register eine Bereinigung ihrer Stammdaten durchgeführt haben. Der erste Schritt muss allerdings darin bestehen, gesetzliche Maßnahmen für den Personenkern, wie das zentrale Personenstandsregister und einen Unternehmenskern, etwa ein Unternehmensregistergesetz, zu setzen. Die virtuelle Verwaltung ermöglicht es, die Bereinigung der Basisdaten unterschiedlicher Register, bei Wahrung des föderalen Bundesstaates, in absehbarer Zeit umzusetzen; So kann eine abstrakte Idee in konkrete Anwendungen transformiert werden.

 


 

Arthur Winter, Professor, Donauuniversität Krems, Zentrum für E-Governance.

 


 

  1. 1 Bundesgesetz über den Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz 2000 - DSG 2000), BGBl. I Nr. 165/1999.
  2. 2 Bundesgesetz über das polizeiliche Meldewesen (Meldegesetz 1991 – MeldeG) BGBl. Nr 9/1992.
  3. 3 Winter, Zentrale Registerlösungen im föderalen Bundesstaat des 21. Jahrhunderts, In: Europäische Projektkultur als Beitrag zur Rationalisierung des Rechts, Schweighofer, Erich, Kummer Franz (Hrsg.), Tagungsband des 14. Internationalen Rechtsinformatik Symposions IRIS 2011, OCG, Seite 223-232, (2011).
  4. 4 Vgl. Bericht des Rechnungshofes, Verwaltungsreforminitiative «Register der Bundesverwaltung», Reihe BUND 2012/5, Seite 5-108, aufgerufen am: 17.01.2013, S. 5-108 (2012).
  5. 5 Vgl. Bericht des Rechnungshofes, Verwaltungsreforminitiative «Register der Bundesverwaltung», Reihe BUND 2012/5, Seite 5-108, aufgerufen am: 17.01.2013, S. 5-108 (2012).
  6. 6 Bundesgesetz über Regelungen zur Erleichterung des elektronischen Verkehrs mit öffentlichen Stellen (E-Governmentgesetz – E-GovG), BGBl. I Nr. 10/2004.
  7. 7 Personenstandsgesetz 2013 – PStG 201, abgerufen am 17.01.2013.