1.
Doppelnatur der verfassungskonformen Gesetzesauslegung ^
2.
Die Gesichter der Rechtsprinzipien ^
Die jeweilige Gesetzgebung wird auch durch zu berücksichtigende Verfassungsprinzipien eingerahmt. Die Prinzipien sind keinesfalls nur schöne Wünsche oder sogar eine utopische Vision, sondern ein Bestandteil der gesellschaftlichen und rechtlichen Wirklichkeit, an der man nicht vorbeigehen kann und die zulässt, dass man sich einzelnen Wertzielen einmal mehr und einmal weniger nähert. Wenn das Verfassungsgericht meint, dass ein Prinzip (z.B. der Grad der rechtlichen Vorhersehbarkeit oder der Grad der Verhältnismäßigkeit zwischen dem Ziel und den Mitteln) nicht genug oder überhaupt nicht berücksichtigt wurde, wird es, wenn es eine Verfahrensmöglichkeit dafür hat, das strittige Gesetz teilweise oder gänzlich aufheben.14 Unter konkreten Angelegenheiten möchte ich als ein besonderes Schulbeispiel die Entscheidung über Richtergehälter erwähnen, worin festgestellt wurde, dass die Regelung der (materiellen) Lage der Richter nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit steht. Die Intensität (das Gewicht) dieses Verfassungsprinzips ist größer, als durch die Einordnung der Richter in einzelne Gehaltsklassen (auch im Vergleich mit den Gehältern der Funktionäre der anderen zwei Gewalten) ausgedrückt wird.15
3.
Konflikt von zwei oder mehr subjektiven Rechten ^
4.
Relativität der Unterscheidung zwischen Rechtsnormen und Rechtsprinzipien ^
5.
Literatur ^
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- (2000): On the Structure of Legal Principles, in: Ratio Juris, 13 (2000), S. 294-304.
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Kommentar 2002: siehe Šturm (Hrsg.) 2002.
Kommentar 2011: siehe Šturm (Hrsg.) 2011.
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- (2011): Auf dem Weg zum Maß des Rechts. Stuttgart 2011.
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Marijan Pavčnik, Pravna fakulteta (Juristische Fakultät).
Friedrich Lachmayer, Universtität Innsbruck.
- 1 Rechtsprinzipien werden in Zusammenhang mit dem Verstehen von Rechtstexten im Allgemeinen und insbesondere vom Standpunkt einer verfassungskonformen Auslegung (des Gesetzes) behandelt. Einzelne Beispiele stammen größtenteils aus dem slowenischen Recht und der slowenischen Rechtspraxis.Marijan Pavčnik ist der Verfasser des Textes.Friedrich Lachmayer ist der Verfasser der Visualisierung.
- 2 Pavčnik 2004, S. 105.
- 3 Siehe Kranjc 1994, der über die Bedeutung der Rechtssprichwörter sagt, dass sie «das Wesen dessen, was man sonst nur auf eine umfangreichere und oft viel kompliziertere Weise ausdrücken könnte, kurz zusammenfassen. (...) Wahrscheinlich ist es nicht übertrieben, wenn man sagt, dass die lateinischen Rechtssprichwörter eine charakteristische Zusammenfassung des echten Wesens der europäischen Rechtskultur bzw. deren Bemühung um einen klaren und genauen Ausdruck sind» (S. 5).
- 4 Dworkin 1978, S. 14 ff.
- 5 Siehe Alexy 1986, S. 71-157, und 2000, S. 294-304.
- 6 Dworkin 1978, S. 24.
- 7 Ibidem, S. 26.
- 8 Siehe Alexy 1986, S. 75-76: «Prinzipien sind demnach Optimierungsgebote, die dadurch charakterisiert sind, dass sie in unterschiedlichen Graden erfüllt werden können und dass das gebotene Maß ihrer Erfüllung nicht nur von den tatsächlichen, sondern auch von den rechtlichen Möglichkeiten abhängt. Der Bereich der rechtlichen Möglichkeiten wird durch gegenläufige Prinzipien und Regeln bestimmt.»
- 9 U-I-88/07 [OdlUS (Decisions of the Constitutional Court of the Republic of Slovenia) XVIII, 1].
- 10 Siehe Boštjan M. Zupančič, in: Kommentar 2002, S. 214 ff., S. 223 ff.
- 11 U-I-18/93 (OdlUS V/1, 40).
- 12 U-I-411/06 (OdlUS XVII/2, 43)
- 13 U-I-310/96 (OdlUS VII/1, 24).
- 14 Siehe Art. 43 ff. des slowenischen Verfassungsgerichtsgesetzes.
- 15 U-I-60/06, U-I-214/06, U-I-228/06 (OdlUS XV/2, 84, S. 293).
- 16 BVerfGE 35, 202. Vgl. mit dem Kommentar von Koch, Rüßman 1982, S. 97 ff. und Alexy 1986, S. 84 ff.
- 17 Beschluss II Ips 428/96 des Obersten Gerichtshofes der Republik Slowenien, in: Zbirka odločb Vrhovnega sodišče RS – civilni oddelek (Sammlung der gerichtlichen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes der Republik Slowenien – Abteilung für Privatrecht). Ljubljana 1999, S. 129 ff.
- 18 In der «Rauchersache»[U-I-218/07 (OdlUS XVIII, 12)] entschied z. B. das Verfassungsgericht wohlbegründet, dass das Verbot des Rauchens in geschlossenen und öffentlichen Räumlichkeiten «ein Eingriff in die allgemeine Freiheit des Verhaltens (Art. 35 VRS) ist». Ungeachtet dessen geht es um keinen unzulässigen Eingriff, weil man «nur auf diese Weise wirkungsvoll das vom Gesetzgeber verfolgte verfassungsmäßig zulässige Ziel erreichen kann, das ist der Schutz von Angestellten und allen Personen vor den schädlichen Auswirkungen des Passivrauchens und des Tabakqualms aus der Umwelt.» – Wenn es sich um einen Konflikt von zwei (Grund)rechten handelt, ist es unvermeidlich, dass man sie gegeneinander bewertet. Der Abwägungstest soll «jene verfassungsrechtlichen entscheidenden Umstände» klären, «die die Waage zugunsten des einen oder des anderen subjektiven Rechts gekippt haben. Sonst wird einem der kollidierenden Rechte eine absolute Wirkung zugeschrieben» (Up-444/09 des Verfassungsgerichts der Republik Slowenien). Die Hauptsache ist es, dass der Abwägungstest gemacht wurde und dass gemäß seinem Ergebnis eine entsprechende Entscheidung getroffen wurde.
- 19 Vgl. Up-422/02 (OdlUS XIV/1, 36): «Bei der Suche nach der Antwort, wie weit die Freiheit des künstlerischen Schaffens (als ein besonderer Ausdruck der Meinungsäußerungsfreiheit) reicht bzw. wo sich die Grenze zwischen diesem subjektiven Verfassungsrecht und den verfassungsgeschützten Persönlichkeitsrechten, zu denen auch der Schutz der Ehre und des guten Rufes gehört, befindet, muss man zweifellos auch die Besonderheiten des künstlerischen Schaffens berücksichtigen. Das Wesen des künstlerischen Schaffens ist ein freies schöpferisches Gestalten, in dem sich die Eindrücke, die Erfahrungen und die Erlebnisse des Künstlers widerspiegeln, die der Künstler über eine bestimmte künstlerische Form dem Publikum übermittelt. Für die Literaturkunst ist es wesentlich, dass dem Künstler eine freie Wahl des Themas und zugleich eine freie Behandlung des gewählten Themas gewährleistet werden.»
- 20 Siehe Kant 1990: «Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.» (S. 98; B 74, 75)
- 21 Siehe die entsprechenden Stellen in MacCormick, Summers (Hrsg.) 1997. Die ratio decidendi kann man als spezifische Transformation bezeichnen. Siehe Peczenik 1983, S. 55 ff. und Kirste 2008, S. 134 ff.
- 22 Up-2940/07 (OdlUS XVIII, 62).
- 23 Siehe Pavčnik 2004, S. 169 ff.