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Die Anwendbarkeit von Ontologie-Editor HOZO auf die Rechtswissenschaft

  • Author: Takashi Izumo
  • Category: Articles
  • Region: Germany
  • Field of law: Legal Theory
  • Collection: Tagungsband-IRIS-2013
  • Citation: Takashi Izumo, Die Anwendbarkeit von Ontologie-Editor HOZO auf die Rechtswissenschaft, in: Jusletter IT 20 February 2013
In dem Beitrag wird durch die Mengenlehre die logische Struktur der Beziehungen «is-a» und «part-of» verdeutlicht und es werden Wege aufgezeigt, wie man HOZO auch auf die Rechtswissenschaft anwenden kann.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Fragestellung
  • 2. Die Definition der vier Beziehungen
  • 2.1. Die «is-a»-Beziehung
  • 2.2. Die «part-of»-Beziehung
  • 2.3. Die «attribute-of»-Beziehung
  • 2.4. Die «role»-Beziehung
  • 3. Die Anwendung auf juristische Begriffe
  • 3.1. Der Kaufvertrag ist ein Vertrag («is-a»)
  • 3.2. Die Ware ist ein Bestandteil des Kaufvertrags («part-of»)
  • 3.3. Der Wert ist ein Attribut der Ware («attribute-of»)
  • 3.4. Eine Partei spielt die Rolle des Verkäufers und die andere die Rolle des Käufers
  • 4. Schluss

1.

Fragestellung ^

[1]
Es ist eine schwierige Aufgabe für Rechtsgelehrte, juristische Gegenstände ontologisch genau zu beschreiben. Die derzeitige Computertechnologie stellt uns dafür eine Reihe von Mitteln bereit, etwa Protégé oder TopicMap. Auch an der Universität Osaka in Japan ist ein Ontologie-Editor von Prof. Mizoguchi und seinen wissenschaftlichen Mitarbeitern entwickelt worden, nämlich HOZO. Dieser ermöglicht es, verschiedene ontologische Beschreibungen anhand von vier Beziehungen vereinfacht darzustellen. Sie lauten «is-a», «part-of», «attribute-of» und «role-of». Vor der Anwendung sollte man jedoch überprüfen, ob die technische Analyse der juristischen Struktur entspricht oder nicht, weil das Labor von Prof. Mizoguchi hier hauptsächlich die Technik in Betracht gezogen hat, beispielsweise der Entwurf eines Fahrrades. Deshalb stellt sich vor allem die Frage, wie man die beiden fundamentalen Beziehungen «is-a» und «part-of» innerhalb der Rechtswissenschaft verstehen sollte. Diese Beziehungen sind in der Technik klar verständlich, so dass man ohne Mühe beide voneinander unterscheiden kann. Ein Fahrrad ist z.B. kein Teil eines Fahrzeuges sondern selbst ein Fahrzeug, ein Rad ist kein Fahrzeug sondern ein Teil eines Fahrzeuges. Diese Differenzierung wird jedoch in der Rechtswissenschaft an manchen Stellen undeutlich. In dem Vortrag wird durch die Mengenlehre die logische Struktur der beiden Beziehungen verdeutlicht und es werden Wege aufgezeigt, wie man HOZO auch auf die Rechtswissenschaft anwenden kann.

Abbildung 1: Die Entität des Fahrrades beschrieben mit Hilfe des Ontologie-Editors HOZO

2.

Die Definition der vier Beziehungen ^

2.1.

Die «is-a»-Beziehung ^

[2]

Diese Beziehung lässt sich einfacher als die anderen definieren. Sie entsteht zwischen einem abstrakten Begriff und den ihm zugeordneten konkreten Gegenständen. Beispielsweise gibt es zwischen dem Begriff «Mensch» (M) und dem Gegenstand «Adam» (m1) eine «is-a»-Beziehung, weil Adam ein Mensch ist. Man kann diese Beziehung auch als folgende Menge beschreiben:

M (m1, m2, m3...)

Abbildung 2: Die «is-a»-Relation

2.2.

Die «part-of»-Beziehung ^

[3]

Meines Erachtens sollte man die «part-of»-Beziehung durch die is-a-Beziehung definieren. Das heißt, man kann sie formulieren, indem man die Elemente der is-a-Beziehung umordnet. Hier möchte ich ein Beispiel anführen. Vorausgesetzt, dass in der Welt nur Adam (m1) und Eva (m2) leben, dann lässt sich ohne Zweifel sagen, dass der Kopf von Adam ein Teil von ihm und der Kopf von Eva ein Teil von ihr ist («part-of»). Diese Erklärung gilt ebenso für ihre Hände, Füße und Rümpfe. Deshalb kann man Adam (m1) und Eva (m2) auf die folgende Weise als zwei voneinander getrennte Mengen beschreiben:

m1 (k1, h1, f1, r1)


m2 (k2, h2, f2, r2)

[4]
Nun möchte ich den neuen Begriff «Mensch» (M) einführen und es ist einleuchtend, dass sowohl Adam als auch Eva ein Mensch ist («is-a»).

M (m1, m2) = M ((k1, h1, f1, r1), (k2, h2, f2, r2))

[5]

Aus dieser Formulierung folgt, dass zwar die Menge (k1, h1, f1, r1) Teile eines Menschen bedeutet, d.h., Adam ist ein Mensch, aber k1 ist kein Mensch. Denn niemand kann sagen, dass der Kopf von Adam ein Mensch ist. Diese Erklärung gilt auch für h1, f1, r1 und ebenso für die Teile von Eva (k2, h2, f2, r2). Daraus folgt als erste Regel:

  • Regel 1: Wenn eine Menge etwas als Element enthält, bedeutet dies nicht immer, dass das Element ein dieser Menge zugeordneter konkreter Gegenstand («is-a») ist.
[6]
Trotz dieser Regel kann man jedoch sicher im Allgemeinen feststellen, dass der Kopf ein Teil des Menschen ist. Deshalb möchte ich mich jetzt mit dem Problem befassen, wann eine «part-of»-Beziehung entsteht. Da der Begriff «Mensch» im abstrakten Sinne keinen konkreten Kopf als «ein Teil» haben kann, sollte man noch einen neuen Terminus vorbringen, nämlich «Kopf» im abstrakten Sinne (K), der als eine Menge konkreter Köpfe aufgefasst wird.

K (k1, k2)

[7]
Wenn man diese Idee auch auf Füße etc. anwendet, dann lässt sich die obige Formulierung des Menschen auf die folgende Weise beschreiben:

M ((k1, k2), (h1, h2), (f1, f2), (r1, r2)) = M (K, H, F, R)

[8]
Kurz gesagt versteht man unter dem Satz «Der Kopf ein Teil des Menschen», dass der Mensch als eine übergeordnete Menge (M) den Kopf als eine untergeordnete Menge (K) umfasst («part-of»). Aus der bis hier gezeigten Tatsache ergibt sich die zweite Regel:
  • Regel 2: Ein abstrakter Begriff kann nur abstrakte Begriffe als Teile haben.
[9]
Eine «part-of»-Beziehung entsteht entweder zwischen abstrakten Begriffen, z.B. zwischen dem Menschen im Allgemeinen und dem Kopf im abstrakten Sinne, oder zwischen konkreten Gegenständen, z.B. zwischen Adam und seinem Kopf.

Abbildung 3: Die «part-of»-Relation

 

2.3.

Die «attribute-of»-Beziehung ^

[10]
Die «attribute-of»-Beziehung entsteht zwischen einem Gegenstand und seinen Eigenschaften, die dieser durch die Zusammensetzung der Bestandteile automatisch erhält, z.B. Gewicht, Farbe etc. Ein Unterschied zwischen dem Bestandteil («part») und dem Attribut («attribute») ist, dass man Bestandteile sammeln und zusammensetzen muss, um einen Gegenstand zu bilden, wohingegen es nicht notwendig ist, Attribute noch dazu hinzuzufügen. Wenn man bspw. ein Fahrrad herstellen möchte, dann muss man zwar Räder, den Lenker, den Rahmen, die Kette usw. sammeln und zusammensetzen, aber man braucht nicht nach dem Zusammensetzen noch ein Gewicht hinzufügen, weil das Fahrrad per se ein Gewicht hat.

Abbildung 4: Die «attribute-of»-Relation

2.4.

Die «role»-Beziehung ^

[11]
Wenn man einen sozialen Zustand in Betracht ziehen möchte, dann ist es nötig, den Begriff «Rolle» einzuführen. Da eine Rolle weder ein Bestandteil («part») noch ein Attribut («attribute») ist, sollte man sie von den beiden getrennt betrachten. Wie Mizoguchi und seine Mitarbeiter richtig erklären, hat eine «role»-Beziehung keinen Einfluss auf die Existenz eines Gegenstandes. Wenn ein Fahrrad z.B. ein Rad verliert, dann sollte man es nicht mehr als ein Fahrrad ansehen oder zumindest für ein unvollständiges Fahrrad halten, wohingegen ein Mann noch immer ein Mann ist, wenn er seine soziale Rolle verliert.

Abbildung 5: Die «role»-Relation

3.

Die Anwendung auf juristische Begriffe ^

3.1.

Der Kaufvertrag ist ein Vertrag («is-a») ^

[12]
Es ist einfacher ein Beispiel für die «is-a»-Beziehung anzuführen als für die anderen Beziehungen und zwar ist der Kaufvertrag ein Vertrag.

3.2.

Die Ware ist ein Bestandteil des Kaufvertrags («part-of») ^

[13]
Die «part-of»-Beziehung zeigt uns, welcher Bestandteil beim Kaufvertrag immer erforderlich ist. Daher kann man beispielsweise zwischen dem Kaufvertrag und der Ware eine «part-of»-Beziehung finden, weil man sich ohne Waren keinen Kauf vorstellen kann.

3.3.

Der Wert ist ein Attribut der Ware («attribute-of») ^

[14]
Eine Ware besitzt einen eigenen Wert und der Wert ist ihr Attribut. M.E. scheint es auf den ersten Blick möglich, den Wert als einen Bestandteil der Ware anzusehen, weil er ihr hinzugefügt wird. Man sollte jedoch davon ausgehen, dass kein Gegenstand entstehen kann, wenn ein Bestandteil fehlt (siehe 2.2). Aufgrund dieser Voraussetzung kann man nicht sagen, dass es zwischen der Ware und dem Wert eine «part-of»-Beziehung gibt, denn die Ware existiert bereits vor der Wertbestimmung. Obwohl man den Wert vielleicht auch als eine «role»-Beziehung im Sinne einer sozialen Beziehung ansehen kann, möchte ich ihn zu diesem Zeitpunkt als ein Attribut definieren.

3.4.

Eine Partei spielt die Rolle des Verkäufers und die andere die Rolle des Käufers ^

[15]
Die Wörter «Käufer» und «Verkäufer» bezeichnen in sich zwei soziale Rollen. Daher wird hier die «role-Beziehung» angewandt. Jeder Mann kann nämlich sowohl als ein Käufer als auch als ein Verkäufer angesehen werden, und er bleibt auch dann ein Mann, wenn er aufgibt, die Rolle des Käufers oder des Verkäufers einzunehmen.

4.

Schluss ^

Abbildung 6: Die Ontologie des Kaufvertrags

 


 

Takashi Izumo, Gaststudent, Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte.