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Die österreichische Transparenzdatenbank – Ziele, Nutzen und technische Umsetzung

  • Authors: Sandra Tscheliesnig / Robert Weinzettl
  • Category: Articles
  • Region: Austria
  • Field of law: E-Government, Open Government
  • Collection: Tagungsband-IRIS-2013
  • Citation: Sandra Tscheliesnig / Robert Weinzettl, Die österreichische Transparenzdatenbank – Ziele, Nutzen und technische Umsetzung, in: Jusletter IT 20 February 2013
In Österreich bewegen Gebietskörperschaften und Institutionen gewaltige Fördersummen. Bis heute gibt es jedoch keinen umfassenden Überblick und nur wenig Transparenz bei den Förderungen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene. Einen Überblick, der alle Leistungen, insbesondere Förderungen, übergreifend umfasst, wäre für alle Bürgerinnen und Bürger, für die Wirtschaft und die Verwaltung von großem Vorteil. Die Schaffung einer Transparenzdatenbank ist damit auch das Werkzeug eines effizienten Förderwesens in Österreich.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Ausgangsituation und Motivation
  • 2. Umsetzung der Transparenzdatenbank
  • 3. Zwecke der Transparenzdatenbank
  • 4. Zukunftsperspektiven
  • 5. Schlussfolgerungen
  • 6. Literatur

1.

Ausgangsituation und Motivation ^

[1]
Jedes Jahr gibt die öffentliche Hand Milliardenbeträge für Förderungen und Sozialleistungen aus, ohne dabei eine übergreifende Strategie oder Steuerung zu verfolgen. Der gesamte Geldtransfer, d.h. direkte Förderungen sowie ausbezahlte Sozialleistungen – sowohl an Unternehmen als auch an Privatpersonen, belief sich in den letzten fünf Jahren auf ca. 26 % des BIP (ca. 74. Mrd. Euro). Mit diesem Wert liegt Österreich im EU-Vergleich im Spitzenfeld.
[2]

Trotz dieser gewaltigen Fördersummen existiert bis heute kein umfassender Überblick und nur geringe Transparenz bei Förderungen auf allen Bundes-, Landes- und Gemeindeebenen. Schätzwerte aufgrund von Bundesbudgetansätzen sowie der Hochrechnung ergeben:

  • Mehr als 2.600 Förderprogramme auf Bundesebene
  • Mehr als 3.100 Förderprogramme auf Landesebene
  • Mehr als 47.000 Förderprogramme auf Gemeindeebene (Annahme: 20 Förderungen einer mittelgroßen Gemeinde)1
[3]
Experten kritisieren die unübersichtliche Förderlandschaft, die fehlenden Mindeststandards für Förderungen, die Gießkanne als Förderprinzip, sowie die hohen Verwaltungskosten bei Geber und Nehmer.
[4]
Ein Überblick, der alle Förderungen und Sozialleistungen gebietskörperschaften-übergreifend umfasst, wäre somit für alle Bürgerinnen, Bürger, für die Wirtschaft, die Verwaltung und die Politik von großem Nutzen. Dadurch soll es u.a. möglich werden, Mittelflüsse effektiver zu steuern und das Fördervolumen zielgerichteter einzusetzen.
[5]

Die Tatsache, dass Österreich zu den Ländern mit den höchsten Ausgaben für Förderungen in der EU zählt sowie die Expertenkritik des österreichischen Förderwesens wurden von der Politik als Anlass genommen, das Vorhaben «Transparenzdatenbank» zu starten. Die Errichtung einer Transparenzdatenbank stellt den ersten Schritt eines effektiven Förderwesens in Österreich dar. Es wird davon ausgegangen, dass Einsparungen an Fördermitteln von bis zu 5,5 Mrd. Euro möglich sind und dass sich die Verwaltungsausgaben erheblich reduzieren werden.2

2.

Umsetzung der Transparenzdatenbank ^

[6]
Die folgende Grafik veranschaulicht die Umsetzung der Transparenzdatenbank im Detail.

Abbildung 1: Big Picture der Transparenzdatenbank3

[7]
Leistungsangebote werden von definierenden Stellen (= z.B. Bundesministerien, Länder) in einer einheitlichen Struktur erfasst und in der Transparenzdatenbank gespeichert. Ein Leistungsangebot beschreibt eine Leistung, die aus öffentlichen Mitteln finanziert oder teilfinanziert ist (z.B. Kinderbeihilfe oder Jungunternehmerförderung) und hat keinen Personenbezug. Die Erfassung der Leistungsangebote des Bundes erfolgt im Jahr 2012, die der Länder im Jahr 2013.
[8]
Ab dem Jahr 2013 müssen Auszahlungen an Leistungsempfänger durch leistende (auszahlende) Stellen in Form von personenbezogenen Leistungsmitteilungen elektronisch an die Transparenzdatenbank übermittelt werden. Leistungsmitteilungen werden mit indirektem Personenbezug unter Verwendung eines verschlüsselten bereichspezifischen Personenkennzeichens und direktem Bezug auf ein Leistungsangebot an die Transparenzdatenbank übermittelt. Ausbezahlte Leistungen sind im Gegensatz zu Leistungsangeboten nicht öffentlich zugänglich. Vom TDBG 20124 umfasste ausbezahlte Leistungen des Bundesministeriums für Finanzen (BMF), des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger (HVB) und aus Datenbanken des Arbeitsmarktservices (AMS) werden nicht an die Transparenzdatenbank übermittelt sondern online eingebunden.
[9]

Über das Transparenzportal (www.transparenzportal.gv.at) kann jeder Interessierte ab 2013 alle verfügbaren Leistungsangebote frei einsehen. Bürgerinnen und Bürger können nach Authentifizierung im Transparenzportal mittels Bürgerkarte, Handysignatur oder FinanzOnline-Kennung bzw. Unternehmen nach Authentifizierung im Unternehmensserviceportal Auskunft über alle von ihnen bezogenen Geldleistungen (Förderungen, Transferleistungen, Sozialversicherungsleistungen sowie Einkommen) erhalten. Neben der Information für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen können berechtigte Stellen über das Transparenzportal personenbezogenen Abfragen durchführen (siehe Überprüfungszweck im folgenden Kapitel). Eine einheitliche Kategorisierung aller Leistungsangebote stellt sicher, dass von diesen abfrageberechtigten Stellen nur jene Daten eingesehen werden können, welche für die Vergabe bzw. Rückforderung einer Leistung erforderlich sind.

[10]
Auswertungen über Daten der Transparenzdatenbank können bei der Bundesanstalt Statistik Österreich in Auftrag gegeben werden. Die dafür erforderlichen Daten werden über eine temporäre Auswertungsdatenbank zur Verfügung gestellt.

3.

Zwecke der Transparenzdatenbank ^

[11]
Folgend sind die Zwecke der Transparenzdatenbank zusammengefasst.

Informationszweck

[12]
Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen erhalten eine einfache und kostenlose Übersicht über aktuelle öffentliche Leistungsangebote. Zudem können Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen ihre eigenen erhalten öffentlichen Leistungen sowie ihr zur Verfügung stehendes letztveranlagtes Brutto– und Nettoeinkommen abrufen. Dazu ist ein Login mittels Bürgerkarte, HandySignatur oder der für das FinanzOnline-Verfahren ausgestellten Zugangskennungen erforderlich.

Nachweiszweck

[13]
Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen können aus dem Transparenzportal kostenlos einen amtssignierten Auszug über ihre erhaltenen Leistungen erstellen lassen und diesen z.B. für Nachweiszwecke elektronisch weiterleiten.

Steuerungszweck

[14]
Der Politik wird die Möglichkeit für anonymisierte Auswertungen für statistische, planerische und steuernde Zwecke auf Bundes- und Länderebene zur Verfügung gestellt. Dadurch erhält die Politik einen besseren Überblick über die Förderlandschaft sowie eine bessere Entscheidungsgrundlage für die Entwicklung von Förderstrategien. Zudem wird eine effizientere und gerechtere Verteilung von Förderungen und Sozialleistungen möglich.

Überprüfungszweck

[15]

Abwickelnde Stellen können online die Voraussetzung für die Gewährung, die Einstellung und die Rückforderung von öffentlichen Leistungen überprüfen. Dies erschwert unbeabsichtigte Doppelförderungen und trägt zu einer Verwaltungsvereinfachung bei, da der Antragsteller / die Antragstellerin einer Leistung die Nachweise nicht mehr selbst beibringen muss. Die Einsicht auf die Daten erfolgt ausschließlich auf Basis einer rechtlichen Grundlage und unter Einhaltungen der Datenschutzbestimmungen (siehe auch IRIS-Beitrag: «Die österreichische Transparenzdatenbank – Die rechtlichen Rahmenbedingungen»).

4.

Zukunftsperspektiven ^

[16]
In der ersten Ausbaustufe sind in der Transparenzdatenbank nur Informationen über ausbezahlte Leistungen enthalten. Um den Nutzen jedoch weiter zu steigern, soll in einer der nächsten Ausbaustufen bereits die Gewährung von Leistungen erfasst werden. Außerdem ist es ein Ziel, für Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen die Online-Antragstellung von Förderungen und Sozialleistungen (Transferzahlungen) über das Transparenzportal zu ermöglichen. Dadurch sollen Anträge schneller und effizienter abgewickelt werden können.
[17]
In einer späteren Ausbaustufe ist zudem die Möglichkeit von Benchmarkings vorgesehen, um Förderprozesse miteinander vergleichen und diese noch weiter optimieren zu können.

5.

Schlussfolgerungen ^

[18]

Mit Hilfe der Transparenzdatenbank wird das Förderwesen in Österreich revolutioniert, indem Licht in den «Förderdschungel» gebracht wird. Ungerechtfertigte Mehrfachförderungen und die Vergabe von Förderungen und Sozialleistungen nach dem Gießkannenprinzip gehören somit der Vergangenheit an. Das Instrument Transparenzdatenbank erlaubt zukünftig eine effizientere Vergabe von Fördermitteln und bietet Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen einen umfassenden Überblick über das Leistungsangebot der öffentlichen Hand und die individuellen Ansprüche. Zudem werden die Vergabeprozesse verschlankt, da alle notwendigen Informationen elektronisch vorhanden sind.

[19]
Abschließend bleibt zu erwähnen, dass die Transparenzdatenbank als innovativstes E-Government-Projekt mit dem 12. E-Governmentpreis ausgezeichnet wurde. Bei der Preisverleihung erklärte Herr Franz-Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, dass die Transparenzdatenbank auch in Deutschland als Vorbild dient.5

6.

Literatur ^

Fachgespräch mit Dr. Maria Fekter am 18. August 2011, Facts + Figures, Förderdschungel Österreich, online unter: http://www.bmf.gv.at/Allgemeines/Flashmeldung/FactsandFigures/ Frderdschungelsterreich/Facts_and_Figures_-_Foerderdschungel_Oesterreich.pdf (aufgerufen am 14.12.2012).

Fieseler, Jörn, Transparenzdatenbank ausgezeichnet. In: Behördenspiegel, online unter: http://www.behoerdenspiegel.at/?p=1176 (aufgerufen am 14.12. 2012).

Bundesgesetz über eine Transparenzdatenbank (Transparenzdatenbankgesetz 2012 – TDBG 2012), BGBl. I Nr. 99/2012, online unter: http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20008050 (aufgerufen am 17.12.2012).

 


 

Sandra Tscheliesnig, Bundesministerium für Finanzen, Abteilung V/8.

 

 Robert Weinzettl, Bundesministerium für Finanzen, Abteilung V/8.

 


 

  1. 1 Vgl. Fachgespräch mit Dr. Maria Fekter, Förderdschungel Österreich, S. 5 (2011).
  2. 2 Vgl. Fachgespräch mit Dr. Maria Fekter, Förderdschungel Österreich, S. 5 (2011).
  3. 3 Eigene Darstellung des Projektteams (2012).
  4. 4 Transparenzdatenbankgesetz 2012 (TDBG 2012), österreichisches Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 99/2012
  5. 5 Fieseler, Jörn, Behörden Spiegel, Nr. 35, S. 4 (2012).